Kommentar: Vom Unsinn zugeklebter Schaufenster
In der letzten Woche war es mal wieder soweit. 32 Händler in der Innenstadt, diesmal Fürth, verhängten an einem Tag die Schaufenster. Das Motto: „Ohne Sie stirbt der Fachhandel.“ Alle Beteiligten beteuerten, dass sie auf die Vorzüge der Innenstadt hinweisen wollten und es ihnen auf keinen Fall um Mitleid ginge. Die Botschaft, die mit solchen Aktionen kommuniziert wird, ist vielschichtig und nicht besonders freundlich gegenüber den eigenen Kunden.
Man reibt sich verwundert die Augen, denn die Botschaft, wie sie hier auch in Fürth kommuniziert wird, ist eine massive Schuldzuweisung an die eigenen Kunden. Diejenigen, die vorher gekommen sind und dies nun nicht mehr tun. Gut, kann einem ja auch egal sein, wenn sie eh weg sind. Mit modernen, überzeugenden Konzepten diese Kunden zurück gewinnen? „Bah, zu anstrengend. Zu teuer. Haben wir noch nie so gemacht. Dafür haben wir keine Zeit. Das haben wir schon alles versucht. Wo sind denn die tollen Konzepte?“…
Was genau sagt ein zugeklebtes Schaufenster?
Solche Aktionen wie in Fürth sind nicht neu, aber immer noch mehrfach unglücklich, um es höflich auszudrücken.
„Du Kunde bist Schuld, dass wir nicht mehr so viel Umsatz machen, wie früher.“
Das ist einfach und für viele Händler auch logisch, offenbart aber eine fragwürdige Einstellung gegenüber den eigenen Kunden. Denn wenn man schon den großen, bösen Amazon nicht zu fassen kriegt, lässt man seine schlechte Laune eben an denen aus, die man erreichen kann. Den eigenen Kunden, die nicht mehr in den Laden kommen. Sehr wahrscheinlich verhalten sich die Kunden so aus gutem Grund.
Das Motto dieser Aktion „Ohne Sie stirbt der Fachhandel“ macht es noch einmal deutlich:
„Du, die/der Du online einkaufst, sollst ein schlechtes Gewissen haben, bei jedem Klick, den Du tust.“
Ich habe einmal gelernt, dass negative Werbung ein heißes Eisen ist und es tunlichst vermieden werden sollte. Das hier ist nicht nur negativ, es ist darüber hinaus eine Schuldzuweisung, dass man als Kunde für den Tod des Fachhandels die Verantwortung trägt. Viel mehr Druck kann ein Unternehmen gegenüber seinen Kunden kaum aufbauen. „Kauf, oder ich gehe pleite!“
„Wir treffen schon die Richtigen.“
Mit dieser Aktion wird man überwiegend bei denen Aufmerksamkeit erzeugen, die heute noch gern stationär einkaufen. Diesen wird nun unmissverständlich klar gemacht, was von ihnen erwartet wird: Weiterhin stationär einkaufen – gefälligst…Zack Zack! Denn da die anderen Kunden schon weg sind, hängt nun alles von ihnen ab. Wenn sie auch noch gehen, dann gehen alle Lichter aus. So ein wenig Druck kann ja Wunder bewirken. Ob es auch gute Laune und Vorfreude auf den nächsten Einkauf sind? Wer weiß.
Alle diejenigen, die heute nicht mehr in die Läden kommen, will man auch gar nicht zurück gewinnen. Und genau bei diesen Menschen trifft die Fürther Aktion auch ins Schwarze: „Ich liebe Online Shopping in erster Linie, weil es bequem ist. Diese Bequemlichkeit gebe ich nur auf, wenn ich dafür etwas bekomme, beispielsweise Freundlichkeit und ein Einkaufserlebnis. Ich empfinde solche Aktionen deshalb eher als Bestätigung für den Onlinekauf,“ so ein Kommentar zu der Fürther Aktion auf Facebook.
„Wir machen mit unseren Konzepten, die die letzten 50 Jahre funktioniert haben, doch nichts falsch.“
Nein, natürlich nicht. Immer weiter so, wie bisher und wenn das nicht klappt, ist garantiert jemand anderes Schuld. Wahlweise die eigenen Kunden, der böse Wettbewerb, die Politik, der Laden nebenan oder der auf der grünen Wiese, das Wetter…. Selbstreflexion? Dann doch lieber Opfer der „Umstände“.
Das Schöne an der Opferhaltung ist, dass man ein Ziel für den eigenen Frust hat, sich immer schnell Verbündete finden, die auch einen Groll gegen eben dieses Ziel hegen. Es ensteht eine wunderschöne Gruppendynamik und ein Zugehörigkeitsgefühl im gemeinsamen, gerechten (!) Zorn. Man kann im Kreise seiner Jammer-/Filterblase getrost seine Energie auf das Trauern um die „gute, alte Zeit“ konzentrieren. Garniert wird das dann noch mit dem Rufen nach Lösungen, die aber bitteschön andere erdenken, entwickeln und umsetzen sollen, damit man selbst davon bloß nicht behelligt wird, weil – Sie ahnen es schon – „keine Zeit, zu teuer, ich muss schon den ganzen Tag im Laden stehen,…“
„Wir haben ein tolles Netzwerk in unserer Stadt, wo wir uns treffen und gemeinsam jammern und tolle Anti-Online-Kunden-Aktionen erdenken.“
Netzwerke in einer Innenstadt zu bilden, zusammen in die Zukunft zu denken und zu arbeiten ist ein toller Ansatz, den auch wir immer wieder empfehlen. Ziel und Ergebnis solchen Netzwerkens ist doch aber nicht, den eigenen Kunden das unerwünschte Verhalten um die Ohren zu hauen.
Nach vorn, nach vorn und nicht zurück
Jenseits von allem Zynismus und Polemik. Die Zeiten ändern sich. Das Kaufverhalten und die Erwartungshaltungen der Kunden ändern sich. Das ist weder neu noch kommen diese Veränderungen plötzlich wie ein Tsunami, sondern entwickeln sich langsam. Genug Zeit, sich anzupassen und neue Ideen und Konzepte zu entwickeln, auszuprobieren und umzusetzen.
Nur zur Erinnerung: Das Internet feiert nächstes Jahr seinen 30. Geburtstag. Smartphones gibt es seit 2007, also bereits elf Jahre. Amazon wurde 1994 gegründet und kam 1998 nach Deutschland, vor 20 Jahren. Wer im Jahr 2018 vom Online-Handel oder von der Digitalisierung und den durch sie ausgelösten Veränderungen noch überrascht wird, hat wirklich bisher unter einem Stein gelebt. Dafür kann niemand anderes etwas, nur man selbst. Und genau dort sollte man auch mit den Ideen ansetzen, bei sich selbst oder auch gemeinsam mit anderen im Rahmen von umfassenden Konzepten.
Wir versuchen mit ZUKUNFT DES EINKAUFENS jede Woche neue Ideen, Konzepte, Best Practices und Erfahrungen weiter zu geben und hören von unseren Leser*innen und Fans, dass wir schon oft eine Hilfe waren. In diesem Sinne werden wir weiter machen und bedanken uns bei allen für die Zeit, Aufmerksamkeit und Treue.
Beitragsbild: guilty – Stock Photo – pathdoc/Shutterstock
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[…] Und auch Franke schiebt, wie viele, die solche Konzepte kritisieren, den schwarzen Peter den Kund*innen zu. Diese müssten darüber nachdenken, ob sie mit der Nutzung solcher Konzepte zum teilweisen Verschwinden des stationären Handels beitragen wollen. Kund*innen die Schuld an den Veränderungen im stationären Handel zu geben, ist ja bekanntlich eine ganz tolle Idee. […]
[…] „Die Kunden sind schuld“, auch in der Abwandlung zugeklebter Schaufenster. […]
[…] geben auf, weil die Kund*innen ausbleiben. Nun kann man diesen Fakt laut beklagen, den Kund*innen oder wahlweise dem Internet, Amazon oder der Politik die Schuld daran geben, das ändert jedoch […]
[…] Ich habe hier nur einige Aspekte aufgegriffen, wie man das Thema Showrooming angehen kann. Es ist komplex und einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen sind meist falsch. Dennoch sollte kein stationärer Händler es als gegeben hinnehmen, dass ein Fünftel aller Menschen, die bei ihm durch die Tür kommen, kaufen – nur nicht bei ihm. Das muss in der Händlerseele einfach weh tun. Die „Schuld“ hierfür liegt nicht beim Kunden und Schuldzuweisungen an ihn sind so sinnvoll, wie die eigenen Schaufenster zuzukleben. […]
[…] bitte selbst übernehmen. Ich halte davon aus verschiedenen Gründen nicht viel, was ich bereits anlässlich zugeklebter Schaufenster ausführlich dargestellt habe und auch Frank in seinem Artikel ebenso thematisiert […]
[…] Kommentar im Onlinemedium „Zukunft des Einkaufens“ – Warum „Ohne sie stirbt der Detailhandel“ keine gute Idee […]
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