Der inhabergeführte Handel: Tue Gutes und rede darüber! Eine Replik.
Der inhabergeführte Handel steht oft mit dem Rücken an der Wand. Zeit, Geld und Wissen fehlen, um innovative Handelskonzepte zu erdenken und für den eigenen Laden umzusetzen. Die Folge ist Resignation oder ein erstmal-so-weiter-Machen. Beides ist leider nicht zielführend.
In seinem Artikel „Handel ist Wandel – noch nie hat es so gestimmt!“ in der Stil & Markt hat unser Co-Founder Frank Rehme beschrieben, wie einige Händler*innen die Kund*innen zu Gegnern erklären und ihnen die Schuld an der eigenen Situation geben.
Auf diesen Beitrag hat sich Martina Vogl vom Café und Kaufhaus „Das Voglhaus“ in Konstanz gemeldet und wir haben ihren Brief an Frank mit ihrem Einverständnis bei uns veröffentlicht.
Da Frank gerade beruflich im Ausland weilt, antwortet Co-Founderin Heike Scholz.
Liebe Frau Vogl,
wir haben uns sehr gefreut, dass Sie uns geschrieben und wichtige Herausforderungen, vor denen der inhabergeführte Handel steht, in die Diskussion eingebracht haben. Zwar haben Sie meinen Kollegen Frank Rehme angesprochen, ich möchte dennoch gern antworten, da er zurzeit beruflich im Ausland ist.
Sie haben sehr ausführlich beschrieben, wie und mit wie viel Herzblut Sie Ihr Geschäft betreiben. Das ist großartig und sofort dachte ich „Wow! Wie unglaublich viele und tolle Geschichten werden da wohl erzählt werden?!“ Da ich aus Hamburg nicht kurz mal in Ihrem Laden in Konstanz vorbei schauen kann, habe ich gleich online nach Ihnen gesucht und Ihren Webauftritt auch gefunden. Und leider, leider konnte ich dort keine solchen Geschichten finden. Ach, dachte ich, schade, aber dann wird das wohl auf Social Media stattfinden.
Die Facebook-Seite ist weitgehend verwaist, aber auf Instagram sind einige Bilder von Gästen und Speisen. Geschichten? Storytelling? Leider nicht. Dabei hätten Sie doch zu Nachhaltigkeit, vernünftigen Löhnen, gut gelaunte Mitarbeiter*innen und deren Fortbildung, lokalen, fairen, vegan-vegetarischen Speisen und und und so viel zu erzählen. Damit würden Sie so viele Menschen erreichen. Diejenigen, die schon zu Ihnen kommen und andere, die noch zu Ihren Kunden werden möchten.
Mit den Geschichten könnten Sie Transparenz herstellen, was Sie und Ihr Team warum genau so tun und nicht anders. Sie würden Verständnis wecken, könnten Fragen beantworten und das auch noch für sehr viel mehr Menschen als Sie es in Ihrem Laden können.
Anna-Luise Lübbe von der BH-Lounge beschreibt den Effekt in ihrem Kommentar sehr gut.
Natürlich bedeutet dies wieder Mehrarbeit, für die erst einmal Zeit und Know-how geschaffen werden muss. Doch sehr viele Händler*innen machen damit gute Erfahrungen, wie Dominic Fellinger von Fellinger Moden in seinem Kommentar auf unserer Facebook-Seite ausführt.
Vielleicht ist das auch für Sie ein Weg, Ihren (potenziellen) Kund*innen mehr darüber zu erzählen, was bei Ihnen toll ist (und das ist es wirklich!)? Erklären Sie Ihren Kund*innen doch einfach, vor welchen Herausforderungen Sie als Händler*in stehen, um so für mehr Verständnis und Akzeptanz zu sorgen.
Ich kann Sie fast seufzen hören, liebe Frau Vogl. Und Sie fragen sich zu Recht, woher die Ressourcen dafür kommen sollen. Sie hatten in Ihrem Brief ja bereits ausgeführt:
Aber: Wir leben seit Jahren von der Hand in den Mund! Wandel und Innovation kosten Geld! Es gelingt uns nicht, vernünftige Rücklagen zu bilden, wie es ein so lange am Markt erfolgreiches Unternehmen tun sollte und wie es gut wäre, um auch bei schwierigen Situationen einen Rückhalt zu haben.
Da beschreiben Sie ein Dilemma, in dem auch viele Ihrer Kolleg*innen stecken und aus dem es keinen einfachen Weg hinaus gibt. Als Beraterin würde ich in einem solchen Fall empfehlen, das Geschäftsmodell zu überprüfen. Denn ein Geschäft, das so „auf Kante genäht“ ist, ist in höchstem Maße krisenanfällig. Für die Weiterentwicklung und den Wandel müssen Ressourcen zur Verfügung stehen, sonst ist das Ende leider absehbar.
Natürlich kann ich aus der Ferne die Gesamtsituation für Ihr Unternehmen nicht beurteilen und ich möchte hier auch nicht spekulieren, an welchen Stellschrauben sinnvoller Weise gedreht werden müsste. Vielleicht ist es aber ein Weg, wenn Sie einmal eine/n externen Handelsexpert*in drauf schauen lassen. Fachleute von außen sehen die Dinge meist mit anderen Augen, ohne die berühmte Betriebsblindheit und ohne zu viele Emotionen, die in solchen Fällen hinderlich sein können.
Zu anspruchsvolle Kund*innen sind nach meiner Erfahrung jedenfalls nicht der Grund für fehlende Ressourcen. Sie schrieben:
Meine Bitte dabei aber an Sie: Prangern Sie mit recht die wandelresistenten Dinosaurier unter den HändlerInnen an, die gibt es wirklich reichlich, aber waschen Sie dennoch in erster Linie den KundInnen den Kopf und machen Ihnen klar, welche Ansprüche völlig überzogen und welche berechtigt sind. Ich kann die Schaufenster-Klebeaktionen verstehen…..
Ich denke, dass Sie andere Kund*innen als die jetzt so anspruchsvollen nicht bekommen werden. Wenn Sie dennoch gern kopfgewaschene Kund*innen haben möchten, müssen Sie das Kopfwaschen bitte selbst übernehmen. Ich halte davon aus verschiedenen Gründen nicht viel, was ich bereits anlässlich zugeklebter Schaufenster ausführlich dargestellt habe und auch Frank in seinem Artikel ebenso thematisiert hatte.
Ich bin davon überzeugt, dass es ein vergebliches Bemühen ist, das Verhalten der Kund*innen ändern zu wollen. Vielmehr sollte man selbst zum Fan der eigenen Kund*innen werden und sie so akzeptieren, wie sie heute nun einmal sind. Das heißt nicht, den Kund*innen jeden noch so abstrusen Wunsch zu erfüllen. Meiner Meinung nach bedeutet es, für seine Kund*innen eine Ablehnung akzeptierbar zu machen und das geht nur im Dialog.
Zum eleganten Nein-Sagen habe ich übrigens kürzlich ein tolles Video gesehen:
Mit Joerg Ludwig Meister hatte ich auf unserer Facebook-Seite eine kleine Unterhaltung zur Frage, ob Appelle an Konsument*innen etwas bringen:
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte weder schulmeistern noch klugsch***en. Doch Sie hatten uns ausdrücklich darum gebeten, dass wir Ihren Kund*innen den Kopf waschen möchten und ich wollte darlegen, warum wir dies für einen falschen Weg halten.
Was mich zu Ihrer zweiten Bitte an uns Blogger/Publizisten und Berater bringt:
Vor allem aber, wenden Sie sich mit Ihrer Expertise und der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit an die Politik und die Lobbyisten, damit da die grundlegenden Weichen endlich endlich gestellt werden für eine Welt, in der alle Menschen, nicht nur die deutschen KonsumentInnen, gut leben können.
Mit ZUKUNFT DES EINKAUFENS investieren wir bereits sehr viel unserer Zeit und Expertise, um relevantes Wissen weiter zu geben, verschiedene Meinungen und Sichtweisen darzustellen und Handel, Industrie und Städte zu bewegen. Dies tun wir fast ausschließlich in unserer Freizeit, neben unseren eigentlichen (bezahlten) Jobs als Berater und Speaker.
Wir sind in Bezug auf Lobbyismus für Handelsinteressen leider nicht der richtige Ansprechpartner. Sie als Händlerin haben aber mit dem Handelsverband Deutschland einen der einflussreichsten Verbände unseres Landes an Ihrer Seite. Wenn jemand als Lobbyist die Politik beeinflussen kann, dann ist das Ihr Verband. Wenn Sie sich dort nicht ausreichend vertreten fühlen, können Sie sich im Handelsverband Südbaden direkt engagieren und Ihren Interessen mehr Gewicht verleihen.
Liebe Frau Vogl, ich freue mich sehr, dass so engagierte Händler*innen wie Sie unsere Artikel lesen, egal ob hier direkt bei uns oder in anderen Publikationen wie der Stil und Markt. Noch mehr haben wir uns über Ihren offenen Brief gefreut, denn wir lieben den Dialog und den Austausch, auch wenn wir vielleicht nicht immer einer Meinung sind. Ich hoffe sehr, dass Sie uns als Leser*in erhalten bleiben und wir noch viele solcher Diskussionen werden führen können.
Für Ihr Unternehmen wünsche ich Ihnen weiterhin so viel Erfolg und Freude!
Herzliche Grüße aus Hamburg an den Bodensee
Heike Scholz
Beitragsbild: Stockfoto – Rawpixel.com/Shutterstock
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