Self Scanning Test bei Edeka: So wird das nichts!
Kürzlich las ich, dass in einem Edeka-Markt in meiner Nähe ein Pilotprojekt mit einer Scanning-App läuft. Also gleich die App heruntergeladen und einen Besuch beim Edeka J.Meyer in Pinneberg geplant. Der Self Scanning Test verlief nur so mittelgut, um es diplomatisch auszudrücken.
In den darauffolgenden Tagen beobachtete ich ein enormes Presse-Echo zu diesem Projekt: Hamburger Abendblatt, Chip und auch der NDR, Galileo und RTL berichteten. Viele davon beschworen eine „Revolution“, haben die Lösung aber nicht ausprobiert, obwohl sie vor Ort waren. Nun ist Self Scanning nicht wirklich neu, „revolutionär“ trifft es also nicht so recht. Klickt aber wohl besser.
Auch bei Edeka wurden solche Lösungen bereits ausprobiert:
- Juli 2018: Prechtl testet Scansation
- Januar 2019: Paschmann testet snabble
Sowohl Scansation (Web) als auch snabble (Web) sind schon länger am Markt.
Nun also in der Vorweihnachtszeit Meyer mit der Koala-App, die gleich in der Nachbarschaft von FESforward aus Elmshorn entwickelt wurde.
Schneller mit Self Scanning
Das Leistungsversprechen von Self Scanning-Lösungen ist meist, dass man nicht an der Kasse anstehen muss und so Zeit spart. Das Prinzip ist immer das gleiche: Die Kund*innen scannen mit einer App den Barcode auf den Produkten und legen sie damit in ihren Warenkorb, physisch gleich in die Einkaufstasche. Sind alle Produkte gescannt, kann mittels QR-Code-Scan an der Kasse (Scansation) oder auch in der App (snabble, Koala) bezahlt werden, sodass die Kund*innen den Laden ohne weitere Interaktion an der Kasse verlassen können. Weitere Pluspunkte für die Kund*innen: Kostenkontrolle und der digitale Einkaufsbeleg.
Meinen Test-Einkauf habe ich am 18.12.2019 vorgenommen. Gerät: OnePlus 7 mit Android Version 10. Der Edeka-Markt hat ein eigenes, freies WLAN, in dem ich eingeloggt war.
So und mit einem Einkaufsbeutel bewaffnet ging es erst einmal draußen zum Leergutautomaten, um zwei Flaschen dort einzuwerfen. Ich meistere diese erste Aufgabe ohne Probleme. Die App lässt sich nur hier vor Ort starten. Also los!
Da ich den Leergut-Bon noch in der Hand halte, will ich diesen natürlich gleich scannen, damit das schon einmal erledigt ist.
Geht nicht. Also den Zettel erst einmal in die Jackentasche und virtuellen Knoten ins Taschentuch. Weiter geht’s zu den ersten Produkt-Scans.
Das Scannen ist pfeilschnell und macht richtig Spaß.
Oben rechts wird immer der Wert des Warenkorbs angezeigt. Ein Tap darauf öffnet ihn und man kann ihn bearbeiten.
Es lief eigentlich gut, bis ich bei den Getränken war.
Nichts geht mehr. Kein Vor, kein Zurück. WLAN-Verbindung ist da, das ist nicht die Ursache für das Problem. Dann also App ausschalten und neu starten. Ob die bisherigen Scans noch da sein werden?
Ja, alles gut. App läuft wieder, Warenkorb ist noch da. Jetzt klappen auch die letzten Scans und ich mache mich mit meiner Einkaufstasche auf den Weg zur Kasse.
Wäre jetzt nicht noch die Sache mit dem Leergut-Bon, könnte ich meinen Einkauf abschließen und in der App gleich mit meiner vorher hinterlegten Kreditkarte bezahlen. Dann würde ich einen QR-Code in der App bekommen, mit dem ich die Tür öffnen kann und alles wäre erledigt. Doch da war ja noch der Leergut-Bon.
Check-out mit Hindernissen
An der Kasse steht gerade niemand an und ich wende mich an den Kassierer.
„Moin. Wie bekomme ich denn den Leergut-Bon in die App?“
„Moin. Das geht leider nicht.“
„Das heißt, ich bekomme das Pfand jetzt von Ihnen in bar?“
„Ja. Genau.“
„Das ist ja nicht gerade sehr praktisch, oder?“
Dieser ausgesprochen freundliche Edeka-Mitarbeiter lächelt mich an. Okay. Verbesserungsbedarf darf es ja bei einem Pilotprojekt immer geben. Ich kann jetzt meinen Einkauf in der App abschließen.
Beim Bezahlvorgang in der App ist die Menüführung und das Oberflächen-Design der App ebenfalls verbesserungswürdig.
Ich muss mit Radio-Buttons auswählen, ob ich jetzt an der Kasse oder in der App bezahlen will. Ich wähle die App und ein recht blasses und kleines Drop-Down erscheint, aus dem ich nun das Zahlungsmittel auswählen kann. Das ist von der Idee gut, denn ich kann ja mehrere Zahlungsmittel hinterlegen. So kann ich die Zahlung von einem anderen Konto vornehmen, wenn ich z.B. für andere Einkäufe mache.
Nicht gut ist die Kleinteiligkeit der Bedienelemente (Buttons und Drop-Down) und die schlechte Erkennbarkeit des Drop-Downs. Es besteht die Gefahr, dies zu übersehen und weiter zu tippen. Ich sehe es, wähle meine Kreditkarte und will meinen Einkauf abschließen.
Doch es soll anders kommen. Glücklicherweise für einen bloggenden Tester geschieht dies:
Klasse! Besser konnte es gar nicht kommen. Ausgerechnet ich werde für die Taschenkontrolle „herausgewunken“.
Taschenkontrolle gegen Diebstahl
Ich breite also vor dem Kassierer meinen zum Glück überschaubaren Einkauf aus und reiche ihm mein Smartphone. Er kontrolliert alles, ich packe alles wieder ein und er reicht mir mein Smartphone zurück. Jetzt kann ich mit Kreditkarte bezahlen. Dachte ich.
Nein, es funktioniert nicht. Dank der tatkräftigen Unterstützung durch den freundlichen Kassierer (er hatte noch einen Admin-QR-Code), kann ich nun „an der Kasse“ auswählen und es erscheint ein QR-Code in der App, den ich an den eigens dafür an der Kasse angebrachten Scanner halte.
Nun gehe ich schon seit vielen Jahren mit QR-Codes um und denke, ich kann das ganz gut. Doch der Scanner verweigert sich mir. Nichts passiert. Mittlerweile hat sich hinter mir eine schöne Schlange gebildet. Die Leute schauen interessiert, aber nicht besonders wohlwollend zu.
Der nette Kassierer ist die Ruhe selbst, nimmt den Scanner in die eine, mein Smartphone in die andere Hand und versucht es. Nichts. Die Sekunden verstreichen – oder sind es schon Minuten?
Akzeptanz bei den Kunden?
Ich wende mich an die Wartenden und versuche einen Scherz, damit sie nicht so verärgert sind. „Ich tue das alles für Sie, damit irgendwann solche Technik richtig gut nutzbar ist“, sage ich lachend. Böse Blicke. „Aber dann werden wieder Leute entlassen. Das ist doch nicht gut.“ Da muss ich der jungen Frau recht geben. Es wird Arbeitgeber geben, die solche Technologien dafür nutzen werden, um weiter Personal abzubauen. Damit nutzen sie nicht das Potenzial, das darin liegt, monotone Tätigkeiten zu automatisieren und den Mitarbeiter*innen Gelegenheit zu geben, das wirklich Wichtige zu tun: Sich um die Kund*innen zu kümmern und ihnen ein Einkaufserlebnis zu bescheren. Doch zurück zu meinem Einkauf.
Der Kassierer kommt auch nicht weiter. „Es nützt nichts, wir müssen alles doch in die Kasse einscannen.“ Ich packe also meine Tasche zum zweiten Mal aus und nun wird ganz traditionell mein Einkauf an der Kasse eingescannt. Dann zahle ich kontaktlos, was reibungslos funktioniert. Der Kassierer gibt mir noch meine 30 Cent Pfand, ich bedanke und verabschiede mich und kann gehen. In der App habe ich immer noch meinen Einkaufsbeleg.
Fazit
Es war wohl Murphys Law, dass es ausgerechnet bei mir so lief. Im Grunde sind solche Self Scanning-Lösungen für den kleinen Einkauf eine gute Lösung. Den Wocheneinkauf würde ich nicht damit machen wollen. Hier gibt es schon einige „logistische“ Herausforderungen, z.B. schwere Dinge nach unten in die Tasche zu tun, damit die leichten nicht zerdrückt werden.
Strategisches Einpacken mit nur einer Tasche geht beim Self Scanning nur mit sehr viel Hin-und-Her-Laufen, da der Supermarkt nicht dafür aufgebaut ist. Kaufe ich vorn frische Weintrauben und kurz vor der Kasse Getränke, komme ich mit Traubenmus nach Hause. Kann man sicherlich mit verschiedenen Taschen lösen, die man in seinem Einkaufswagen drapiert. Wer so planend einkauft, ist dann im Vorteil. Was ich mir nicht vorstellen möchte ist, wie lang es dann dauert, wenn mit einem Großeinkauf das passiert, was ich erlebt habe.
Insbesondere ist die Integration einer Scan-Funktion in eine bereits bestehende App sinnvoll. Hier können weitere Dienste wie z.B. Einkaufslisten, Rezepte, Sonderangebote, kostenfreies Parken und noch mehr zusammengeführt werden. Um hierbei nicht in eine Featuritis zu verfallen, darf der Kundennutzen nie aus den Augen geraten. Dabei kann unsere Checkliste für neue Services am POS helfen.
Kinderkrankheiten sind normal bei solchen Piloten. Ich hatte nun das volle Programm davon. Dennoch denke ich, dass wir solche Lösungen häufiger sehen werden, denn Händler und Kund*innen profitieren gleichermaßen. Dann zukünftig aber hoffentlich mit stabiler Software und wieder so netten Mitarbeiter*innen, die wegen der Technik nicht ihren Arbeitsplatz verlieren.
Beitragsbild: Stockfoto – goodLuz/Shutterstock
Selber scannen ist ein alter Hut und in Schweden seit Jahren etabliert und akzeptiert. Dort zieht der Kunde seine Kundenkarte kurz durch ein Lesegerät und nimmt sich einen Handscanner aus der Scannerwand. Am Einkaufswagen ist sogar eine entsprechende Halterung angebracht. Ist alles eingekauft, geht es zur Rückgabewand, neben welcher Bezahlterminals platziert sind. Nach dem Bezahlen erhält der Kunde einen Kassenbon, der am Ausgang als Auslassticket unter einen Scanner gehalten wird. Ich nutze dieses System seit vier Jahren und wurde erst einmal stichpunktartig kontrolliert. Technische Probleme sind bisher nicht aufgetreten.