[Interview] Bonpflicht: „Wir müssen digitaler werden, eben auch an der Kasse“
Noch kurz vor Weihnachten brach in den Medien eine recht hitzige Diskussion zum neuen Kassengesetz los. Insbesondere die Bonpflicht (genau: Belegausgabepflicht) ließ so manchen in seiner Kritik etwas über das Ziel hinaus schießen. Um was geht es genau?
Wir hatten bereits in zwei Artikeln zum Thema beschrieben, welche Änderungen auf Handel und Gastronomie zukommen:
- News zum Gesetz für ihr Kassensystem ab 1. Januar 2020
- Update für die Einführung der neuen Kassensysteme ab 1. Januar 2020
Die Belegausgabepflicht wurde offensichtlich von einigen falsch verstanden. Auf Facebook machte ein Post der Bäckerei Fricke aus Weingarten schnell die Runde. Reaktionen hierauf ließen ebenfalls nicht lange auf sich warten, wie z.B. von Gernot Hassknecht.
Kassenzettel müssen eben nicht auf Papier ausgegeben werden. Das neue Kassengesetz macht hier keine Vorgaben und auch einige Bäcker, wie z.B. die Bäckerei Hermisch, nutzen schon jetzt hierfür QR-Codes. Mail oder die NFC-Schnittstellen der Smartphones gehen natürlich auch. Für welche Technologie man sich entscheidet, liegt an den eigenen Prozessen und den Wünschen der Kunden.
Ich hatte Gelegenheit, mit Kay Taubert, Kassenexperte und Vertriebsdirektor der Leaf Systems GmbH, einige Missverständnisse und im Moment tatsächlich vorhandene Schwächen des neuen Kassengesetzes zu diskutieren.
Heike Scholz: Hallo Kay, vielen Dank, dass es so spontan mit dem Interview geklappt hat. Kurz vor Weihnachten rauschte es ja mächtig im Blätterwald, auch weil Wirtschaftsminister Altmaier die Bonpflicht kritisiert hat. Was hältst Du von Altmaiers Kritik?
Kay Taubert: Herr Minister Altmaier hat sich instrumentalisieren lassen, die Lobbyisten einzelner Branchenverbände haben ganze Arbeit geleistet. Die Belegausgabepflicht ab 01.01.2020 ist von seinem eigenen Ministerium mit erarbeitet worden, sie ist ein elementarer Bestandteil der neuen Sicherheitsbestimmungen, die die Manipulation mit bzw. in Kassensystemen verhindern soll.
Die Kritik in dieser Form halte ich für falsch, zumal Belege in der Zukunft natürlich auch digital an den Kunden übergeben werden können. Hier wird der Gesetzgeber kurzfristig nacharbeiten und über technische Richtlinien ergänzend zum Gesetz Klarheit schaffen. Die Problematik des Bondruckes ergibt sich nicht dauerhaft, entsprechende digitale Lösungen sind bereits vorhanden und werden von den Kassenherstellern zur Verfügung gestellt.
Heike Scholz: Die Belegausgabepflicht ist Bestandteil des Kassengesetzes, das zum 1.1.2020 eingeführt wird. Ziel dieses Gesetzes ist es, die laut Bundesrechnungshof rund zehn Milliarden Euro Steuergelder, die an deutschen Geschäftstheken jedes Jahr hinterzogen werden, einzutreiben. Warum muss man dafür einen Bon ausgeben?
Kay Taubert: Der Beleg, egal ob gedruckt oder digital übergeben, ist der Beweis für den ordnungsgemäßen Buchungsvorgang im Kassensystem. Es wird eine ordentliche Rechnung mit ausgewiesenen Steueranteilen und Rechnungsnummer erstellt.
Das Erzeugen dieser Rechnung beweist den Abschluss der Buchung unter Hinweis des Zahlweges. Der komplette Vorgang ist im Fiskalsystem der jeweiligen Kasse unveränderbar eingetragen und somit prüfbar. Wird kein Beleg gedruckt, besteht die Gefahr, dass die Umsätze im Nachhinein gelöscht werden können und die Buchungen nicht ins Fiskaljournal gelangen.
So wird leider viel zu oft verfahren, die einfachste Methode, das sogenannte „Schwarzgeld“ zu erzeugen. Dies geschieht branchenübergreifend in der gesamten Bundesrepublik.
Heike Scholz: Stein des Anstoßes in der Diskussion um die Bonpflicht ist die Ausgabe von Papier-Bons. Es kursieren hierzu abenteuerliche Berechnungen, wie viele Bäume nun wohl täglich dafür gefällt werden müssen. Woher kommen diese Papiermassen, die da angeblich entstehen sollen und wird das so bleiben?
Kay Taubert: Wenn mehr gedruckt werden muss, entsteht natürlich ein höherer Papierbedarf, aber die jetzige Dramatik wird sich schnell wieder geben, es geht in erster Linie um eine nicht komplett durchdachte Regelung in der neuen Gesetzgebung, uns Kassenherstellern wurde nicht richtig zugehört.
Ab Januar 2020 kommt eine Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zum Einsatz, auf der alle Kassendaten zusätzlich gespeichert werden, und zwar unveränderlich. Jede Buchung erzeugt dann eine eigene spezielle Codierung, die aus maximal 4.000 Zeichen bestehen kann und in Deutschland im Klartext mit gedruckt werden muss, zumindest noch am Anfang.
Diese ganzen Zeichen stellen tatsächlich ein enormes Sicherheitsmerkmal dar, verursachen aber diese sehr langen Bon-Fahnen. Mit einer neuen technischen Richtlinie wird dies zukünftig über einen relativ kleinen QR-Code am Ende des Bons dokumentiert, dies spart dann sofort Papier ein. Der QR-Code ermöglicht zukünftig uns Kunden die sofortige Überprüfung mit einem Smartphone, ob die entsprechende Kasse beim Finanzamt angemeldet ist.
In Österreich wird diese Technologie bereits mit großem Erfolg eingesetzt, sehr zum Wohle der Steuergleichheit insgesamt.
Heike Scholz: Ein weiterer Kritikpunkt an der Bonpflicht ist das Thermopapier, das Giftstoffe enthalten soll. Kassenbons können daher angeblich nicht im Altpapier entsorgt werden. Gibt es da wirklich keine Alternativen?
Kay Taubert: Es gibt Alternativen. Bon-Rollen ohne den Zusatz „Bisphenol A“ sind ohne Probleme zu bekommen, jedoch sind diese teurer als die herkömmlichen Rollen und werden daher nicht so oft verwendet.
Ich denke, die Möglichkeit der digitalen Übersendung der Belege wird zukünftig den Druck besiegen, es liegt dann auch an uns Kunden: Wir müssen digitaler werden, eben auch an der Kasse.
Heike Scholz: Das Kassengesetz sieht nach wie vor keine Pflicht für elektronische Kassen vor. Es ist also nach wie vor erlaubt, Schubladenkassen zu nutzen, wie es z.B. auf Weihnachts- und Wochenmärkten, an Würstchenbuden, in Kneipen und Hofläden üblich ist. Ist das nicht den anderen Händlern gegenüber ungerecht?
Die „Offene Ladenkasse“ ist ein echtes Unding, sie müsste endlich untersagt werden. Hier wird dem Steuerbetrug seit vielen Jahren Vorschub geleistet. Eine gesetzliche Kassenpflicht wäre der richtige Weg, aber die Politik traut sich nicht an die Entscheidung heran.
Wir Steuerzahler sollten uns genau überlegen, wo wir einkaufen gehen und wo wir in der Gastronomie unser Geld ausgeben. Kann kein Kassensystem gesichtet werden, bitte auch keinen Umsatz erzeugen!
Mit den neuen Regelungen ab 01.01.2020 sind wir wesentlich besser aufgestellt, jedoch noch immer weit entfernt von der gelebten Steuergleichheit.
Heike Scholz: Es sollen Schwarzumsätze verhindert werden. Leistet die Technische Sicherungseinheit (TSE) das wirklich oder können die Kassen weiterhin manipuliert werden?
Kay Taubert: Die Technische Sicherungseinheit (TSE) ist eine Speichereinheit, die alle Daten unlöschbar und nicht manipulierbar dauerhaft speichert. Sie stellt sicher, dass alle Buchungsvorgänge dokumentiert und im Nachhinein prüfbar sind.
Die TSE ist ein echter Meilenstein in der Entwicklung und prägt einen Sicherheitsstandard, der zumindest sehr schwer zu umgehen sein wird. Natürlich wird es wohl nie eine absolute Manipulationssicherheit geben, aber ab 01.01.2020 wird es wesentlich erschwert, die Datenaufzeichnung zu umgehen oder gar zu verändern.
Heike Scholz: Können Händler und Gastronomen ihre bisherigen Kassen mit einer TSE weiternutzen? Gibt es Kassen, die gar nicht mit einer TSE ausgestattet werden können? Was müssen Händler und Gastronomen jetzt tun, um spätestens zum September 2020 die Umstellung abgeschlossen zu haben?
Kay Taubert: Kassensysteme, die nicht mit einer TSE ausgestattet werden können, dürfen seit dem 01.01.2020 nicht mehr vertrieben werden. Kassenhersteller und deren Fachhandelspartner müssen dafür Sorge tragen, dass alle zu verkaufenden Kassensysteme technisch auf dem neuesten Stand sind.
Aufgrund der sehr späten Überlieferung der genauen Spezifikationen durch den Gesetzgeber waren die Hersteller und Zulieferer nicht in der Lage, zeitgerecht alle Vorgaben umzusetzen. Daher gilt bis 30.09.2020 eine Übergangsfrist für die Aus- und Nachrüstung von Kassensystemen mit der TSE. Alle Kassenhersteller sind eifrig dabei, die Fachhandelspartner und deren Kunden entsprechend rechtzeitig zu beliefern.
Kassensysteme, die nicht TSE-fähig sind und auch nicht nachgerüstet werden können, dürfen seit 01.01.2020 nicht mehr betrieben werden! Der größte Teil der alten Kassen kann nicht mit einer TSE nachgerüstet werden. Gewerbetreibende im Handel sind davon ganz besonders betroffen, da hier die größte Anzahl nicht gesetzeskonformer Kassen stehen. Diese Problematik sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, die Finanzämter rüsten kräftig auf und werden entsprechende Prüfungen in Form von Kassennachschauen durchführen.
Daher empfehle ich jedem Gewerbetreibendem, der sich nicht ganz sicher über die Gesetzeskonformität seines Kassensystems ist, einen Kassenhändler zu konsultieren und das jeweilige System überprüfen zu lassen, am besten umgehend.
Heike Scholz: Herzlichen Dank für das Interview.
Kay Taubert ist als Vertriebsdirektor der Leaf Systems GmbH Kassenexperte mit breiter Expertise in den Bereichen Handel und HoReCa. Seine Beratungsdienstleistungen umfassen alle Themen der Digitalisierung am Point of Sale.
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