Shopping-Apps: Wer schafft es in den Share of Wallet?
Von 2006 bis 2017 habe ich als Gründerin von mobile zeitgeist die Entwicklung der Mobile-Branche intensiv begleitet. Als 2007 mit dem iPhone auch der Siegeszug der Apps begann, diskutierten wir bereits, wie viele Apps Nutzende wohl tatsächlich regelmäßig verwenden würden. Der Begriff „Share of Wallet“, der diesen Anteil der Apps beschreibt, stammt aus der Zeit von (Kunnden-)Karten im Portemonnaie. Bis heute bin ich der Meinung, dass maximal 3-4 Apps es wirklich in eine regelmäßige Nutzung, also in den Share of Wallet, schaffen.
Welche Apps das genau sind, variiert natürlich je nach Nutzergruppe, die betrachtet wird. Da einige der Plätze im Smartphone-Wallet bereits durch WhatsApp, Instagram, TikTok oder Facebook besetzt sind, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Shopper sich von jedem Handelsunternehmen, bei dem sie einkaufen, noch die jeweilige App herunterladen und sie regelmäßig nutzen. Dies bedeutet, dass ein Großteil der Handelsunternehmen es mit ihren Shopping-Apps nicht schaffen werden, den Share of Wallet zu erreichen.
Um Nutzende dazu zu bringen, eine Shopping-App regelmäßig zu verwenden, muss die App relevante Mehrwerte bieten. Das EHI hat Experten-Interviews mit 25 CMO des führenden deutschen Handels im Zeitraum von Juni – August durchgeführt. Die Unternehmen repräsentieren mit insgesamt 26.778 Filialen und einem Umsatz von 142 Mrd. in 2020 rund 25 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes.
Schauen wir uns die in diesen Interviews genannten Haupt-Treiber etwas genauer an.
Rabatte/Coupons/Gutscheine/Loyaltypunkte
Dies ist sicherlich in den meisten Loyalty-Programmen die zentrale Funktion. Doch halte ich sie häufig für überbewertet und zu oft eingesetzt. Es ist richtig, insbesondere wir Deutschen sind Schnäppchenjäger. Doch „erzieht“ das ständige Sonderangebot die Kund:innen auch dazu, primär auf den (herabgesetzten) Preis zu achten. Hierdurch entsteht keine echte Kundentreue, die weit mehr und schwerer zu erreichen ist, als das nächste Schnäppchen zu gewähren.
Exklusive Angebote (Events, Produkte)
Hier wird es schon interessanter, vorausgesetzt, die Exklusivität besteht tatsächlich und ist für die Kund:innen wertvoll. Dann kann eine emotionale Bindung mit einem (Einkaufs-)Erlebnis hergestellt werden. Die Herausforderung ist, diesen Hebel regelmäßig, aber auch nicht zu häufig einzusetzen.
Bezahlfunktion/Mobile Payment
Dass die Handelsunternehmen den Wunsch haben, mit dem Bezahlvorgang in der eigenen App, mehr (personalisierte) Daten der eigenen Kundschaft zu erhalten, ist nachvollziehbar. Doch wird daraus erst etwas, wenn die Shopper dadurch einen Mehrwert haben. Wenn nicht, läuft diese Funktion ins Leere.
Wir Shopper können derzeit bezahlen. Bar, mit Karte, kontaktlos oder auch mit dem Smartphone. Und in autonomen Läden entfällt der Bezahlvorgang komplett. Eine weitere Bezahlfunktion in der App des Handelsunternehmens hat also für uns oft kaum bis gar keinen Mehrwert. Dies bedeutet, dass die Bezahlfunktion in der App die Nutzung nicht befördert, sondern die Shopper mit anderen Mehrwerten dorthin geleitet werden müssen. Dass dann in der App auch eine Bezahlfunktion genutzt wird, zeigt der Erfolg von PaybacksBezahlfunktion recht deutlich.
Einkaufslisten-Funktion
Der größere Teil der Deutschen geht nach eigenen Angaben mit einer Einkaufsliste zum Einkaufen und heute gibt es bereits ausgezeichnete Einkaufslisten-Apps, wie z.B. Bring. Bring kann mittlerweile rund 15 Millionen Downloads verzeichnen und wird von über 1,65 Millionen Deutschen jeden Monat genutzt.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ich fast immer die Einzige im Supermarkt bin, die eine solche App nutzt, es also noch großes Potenzial gibt. Würde ich wegen dieser Funktion zu einer App eines Handelsunternehmens mit mindestens gleichem Funktionsumfang wechseln? Nur, wenn es einen erkennbaren Mehrwert hätte.
Dort, wo mit Einkaufsliste eingekauft wird, kann diese Funktion jedoch die App-Nutzung steigern. Und, geschickt mit anderen Marketing- und Loyalty-Maßnahmen verknüpft, kann sie nicht nur den Shoppern, sondern auch dem Handelsunternehmen Mehrwerte liefern.
Verfügbarkeitsabfrage
Diese Funktion halte ich für den stationären Handel für enorm wichtig. Sie stiftet großen Mehrwert und steigert die Kundenzufriedenheit. Shopper sind es heute vom Online-Handel gewohnt, dass sie wissen, ob ein Artikel lieferbar ist oder nicht. Dies auch zu wissen, bevor man sich auf den Weg in die Innenstadt/in den Laden der Wahl macht, ist ein optimaler Kundenservice, der die Appnutzung steigert.
Digitaler Kassenbon
Auch hier ist der Wunsch des Handels naheliegend, wie bereits beim mobilen Bezahlen erwähnt. Hinzu kommt, dass die Bonpflicht zu erhöhten Kosten geführt hat, die mit dem digitalen Kassenbon gesenkt werden können. Sowohl für die Shopper, als auch das Handelsunternehmen entfällt das lästige Hantieren und Entsorgen des Thermopapiers. Ob dieser Vorteil beim Shopper jedoch dazu führt, sich die App herunterzuladen und sie (nur) dafür zu nutzen, bezweifle ich. Als eine Funktion in einem bequemen Checkout ist sie jedoch sehr sinnvoll.
Self-Checkout
Ich gehe hier davon aus, dass mit dieser Funktion gemeint ist, dass ich mich beim Betreten des Ladens mit der App „einlogge“ und dann ohne einen expliziten Bezahlvorgang den Laden mit meinen Produkten verlasse. So, wie es in autonomen Läden erfolgt. Für alle, die Bequemlichkeit schätzen und keine Bedenken bezüglich der Weitergabe der eigenen Daten haben, ein großer Mehrwert, der die Nutzung der App in dieser Kundengruppe steigern wird.
Fazit
Eine App ist keine Marketing-Strategie. Um in den Augen der Shopper attraktiv zu sein, muss eine App verschiedene Funktionen bereitstellen, die möglichst vielen Anforderungen der Shopper einfach, intuitiv und bequem gerecht werden. Einzelne Funktionen können Treiber sein, werden aber für sich allein gesehen, nicht ausreichen. Gelingt ein optimaler Mix aus klaren Vorteilen, emotionaler Bindung und Mehrwerten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die App in den Share of Wallet aufgenommen und regelmäßig genutzt wird. Es wird spannend sein, wer dieses Rennen gewinnen wird.
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