Lokale Marktplätze: Steigt vom toten Pferd!
Seit Jahren bemühen sich Städte, Stadtentwickler und lokale Medienhäuser, unterstützt von digitalen Startups um die Gründung und Etablierung lokaler Marktplätze, um stationären Einzelhändlern den Weg ins Netz und in die Sichtbarkeit bei den online affinen Kunden zu erleichtern. Ungefähr 70 solcher Gemeinschaftsinitiativen von Städten und Gewerbetreibenden, die für die lokalen Händlern Zukunftssicherung bedeuten soll, gibt es in Deutschland.
Die Vorzeigeprojekte
Eines der Projekte mit der höchsten medialen Breitenwirkung ist sicherlich die „Online-City Wuppertal“, die 2014 mit der Plattform Atalanda startete und kürzlich in „Talmarkt“ umbenannt wurde. 60 Händler mit knapp 900.000 Produkten sind dort integriert. So ambitioniert das mit Landesförderung unterstützte Projekt auch gestartet ist, der Erfolg lässt mit einem gesamten durchschnittlichen Monatsumsatz von weniger als 1.500 € auf sich warten.
Ein weiteres Projekt, allerdings mit einem ganz anderen Ansatz fand die Hochschule Niederhein in Mönchengladbach in Kooperation mit Ebay. Allerdings ging es in erster Linie nicht darum, den regionalen Kunden mit einem regionalen Angebot abzuholen, sondern die riesige Reichweite des amerikanischen E-commerce Anbieters zu nutzen, um den regionalen Einzelhändlern neue Absatzkanäle eben überregional zu öffnen, um das Überleben an sich zu sichern.
Der Erfolg bleibt aus
Mit dem ausbleibenden Erfolg scheint Wuppertal nicht alleine zu sein, zumindest laut einer neuen Studie der Hochschule Koblenz, die demnächst veröffentlicht werden soll. Eine Studentengruppe befragte bundesweit Gewerbetreibende auf Local Commerce Plattformen und stellte fest, dass bei 60% die zusätzliche Verkaufsplattform eigentlich gar keinen messbaren Erfolg hat; das heisst weder Umsatz noch Frequenz instore sind gestiegen. Die Mehrzahl der Händler gibt an, dass sie die Teilnahme an lokalen Marktplätzen nicht empfehlen würde, ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen des – für den Händler teuren – Marktplatzes Amazon. Bereits in der frühen Phase der Einführung waren die Weiterempfehlungsraten dort sehr hoch.
Und was Ebay in Mönchengladbach angeht: Selbst der Verantwortliche der Hochschule konstatierte am Ende, dass sich lokale Marktplätze zur Belebung der Innenstädte und Unterstützung des lokalen Handels nicht eignen, und das die Fördermittel vielleicht besser angelegt hätten werden können – ein trauriges Fazit!
Was sind die Gründe?
- Relevanz für den Kunden: Die Awareness des Kunden ist beschränkt: Im E-Commerce sind es nun einmal zumindest 2,7 Händler im sogenannten Relevant Set des Kunden, im Vergleich zu 2,3 im stationären Handel. Immerhin 20% aller online Kunden ziehen sogar nur einen E-Commerce Anbieter in Betracht beim Einkauf – und ratet mal wer das wahrscheinlich ist? Richtig: Amazon!
- Mangelnde Sichtbarkeit: Tatsächlich wissen die Kunden oft gar nichts von den lokalen Marktplätzen. Suchmaschinenoptimierung und Werbung könnten dem vielleicht abhelfen, bleiben aus Mangel an Mitteln oft aus.
- Mangelndes Angebot: Online Anbieter ziehen viel Stärke aus der Breite des Angebotes, eben weil ich als Kunde wirklich alles finden kann. Gegebenenfalls nicht zur sofortigen Lieferung, aber zumindest kann ich die Breite des Angebotes von meinem Sofa aus anschauen. Lokale Marktplätze bieten das meist nicht, weil die Anzahl der Händler geringer ist.
- Hoher Aufwand und mangelnde digitale Kompetenz der Händler: Die Eintrittshürden für den bisher rein stationären, in der Regel selbstständigen Händler sind recht groß, um das Sortiment online zu stellen. Da müssen Produktfotos gemacht werden, Produktdaten und – Beschreibungen eingegeben werden und Warenbestände eingepflegt werden. Neben dem Tagesgeschäft ist das viel Arbeit für den Händler, dem meist auch die digitale Kompetenz fehlt.
Einfach aufgeben? NEIN!
Das Wichtigste im stationären Handel bleiben herausragende Beratung und Service mit menschlichem Kontakt. Aber im nächsten Schritt auch die digitale Auffindbarkeit und eine Vernetzung mit dem Kunden.
Für die Städte können lokale Marktplätze nach wie vor interessant sein, um den lokalen Einzelhändler zu unterstützen. Aber nur, wenn sie ihre Plattform eben nicht nur als Marktplatz sondern als lokales Angebot verstehen, dass dem Kunden zusätzliche Mehrwerte aus der regionalen Nutzung bringt. Das können Integration anderer Dienstleister, tagesaktuelle Informationen aus der Stadt, regionale Loyaltyprogramme, Informationen über Parkplatzangebote, oder, oder, oder … sein – der Kreativität sind in einer lebendigen Stadt kaum Grenzen gesetzt. Zusätzlich hilft es sicherlich, wenn man dann den lokalen Marktplatz in eine der großen Plattformen integriert und den Handel unterstützt.
Eine Hürde bleibt zu nehmen, und das ist die Contentbeschickung. Wir kennen das alle, wenn eine App oder Webpage uns nicht jeden Tag Aktuelles bringt, dann fliegt sie schnell aus unserem Relevant Set und von der Handy Oberfläche. Hier müssen Städte und Anbieter umdenken und vielleicht auch über neue Positionen in den Stadtverwaltungen (Stichwort: Digital Management) Wege sichern, um den Bürger und Kunden stets tagesaktuell zu informieren.
Ein Projekt gibt es, dass genau mit diesem Anspruch antritt, das können wir schon verraten.
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[…] Grund für diese Inflation, die jetzt gemeinsam einen Markt bearbeiten. Wir haben in Folge 59 und hier bereits darüber […]
[…] bereits das Thema in dem Artikel „Lokale Marktplätze: Steigt ab vom toten Pferd“ (hier der Link) behandelt. Damals gab es rund 70 Projekte in dem Bereich, die Frage ist, was ist daraus geworden? […]
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