ZDE Podcast 122: Trends im Lebensmittelhandel
Diese Branche geht niemals online hieß es noch vor zwei Jahren über den Lebensmittelhandel in Deutschland. Das hat sich durch die Pandemie ganz schnell geändert. Quick Commerce Anbieter wie Gorillas, Getir und Flink kennen wir inzwischen alle. Wie kaufen wir in zehn Jahren Lebensmittel? Dr. Eva Stüber vom Institut für Handelsforschung (IFH) Köln weiß es. Außerdem spricht sie über weitere Trends der Branche.
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Shownotes
Zur Studie des IFH: Die Entwicklung im Onlinelebensmittelhandel
Transkript der Folge zum Nachlesen
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufen Podcast. Mein Name ist Marilyn Repp, ich beschäftige mit Innovationen, Trends und Digitalisierung im Handel und hier kommen die Zukunfsgestalterinnen der Branche zu Wort. In den letzten 3 Monaten, habe ich mich allerdings mit etwas anderem beschäftigt, nämlich mit meinem kleinen Sohn, der Anfang September geboren wurde. Jetzt bin ich zurück an der Handelsfront und ich habe richtig Bock. An der Stelle noch einmal herzlichen Dank an Frank, der die letzten Folgen abgefangen und aufgefüllt hat. Jetzt geht’s gleich wieder richtig los. „Diese Branche wird niemals online gehen.“ Das haben viele bis vor 2 Jahren über die Lebensmittelbranche behauptet. Jetzt sehen wir allerdings alle die Getirs, Flinks und Gorillas dieser Welt. Das sind die sogenannten Quick – Commerce Anbieter, die laut eigener Versprechen, innerhalb von wenigen Minuten Lebensmittel nach Hause liefern. Wir beschäftigen uns heute hier in dieser Ausgabe mit der Frage, wie wir in der Zukunft Lebensmittel einkaufen werden. Diese Frage wird mir Frau Dr. Eva Stüber beantworten, die sich mit diesem Thema hervorragend auskennt. Wir werden auch weiterhin die Fragen klären, ob es in Zukunft überhaupt noch Supermärkte und Discounter geben wird, wenn man sich die Produkte auch nach Hause liefern lassen kann und wie die Supermärkte der Zukunft aussehen werden.
Vorab möchte ich jedoch einen Hinweis auf unseren Unterstützer geben.
Unser Unterstützer der heutigen Folge ist Comarch. Wir werden auf den verschiedensten Kanälen immer wieder gefragt, welches Warenwirtschaftssystem, also ERP System, das passende für verschiedene Geschäfte oder Läden ist. Es gibt hierfür keine Universalantwort, jedoch kann eine Antwort auf diese Frage das ERP XT System von Comarch sein.
Wir reden hier über ERP XT, welches ein mini ERP System für Kleinst- und Kleinunternehmen ist und eine Web- und Browserbasierte Software zur Unternehmensverwaltung mit eigener App bietet. Dieses System ist somit von überall abrufbar und mit der Firmencloud kompatibel. Perfekt für Selbstständige, Freelancer, StartUps, Digitale Nomaden und auch kleine Händler und Händlerinnen. Es gibt verschiedenste Funktionen und Module, wie Rechnungserstellung, Lagerverwaltung, POS-Modul mit Kassensoftware für iOS, Businessmodul zur Analyse von Geschäftsdaten und die Webshops werden wunderbar mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden. Wer die letzte Herausforderung kennt, weiß, dass diese Funktion nicht selbstverständlich ist. Alle Daten liegen sicher in einer Cloud und das auch noch in mehreren sprachen, wie zum Beispiel deutsch, englisch, polnisch und französisch.
Comarch ist ein weltweiter Anbieter für IT Systeme im Mittelstand, also speziell für kleine und mittlere Unternehmen und hat in diesem Bereich sehr viel Erfahrung.
Schaut euch das ganze gerne einmal an, denn wir haben eine Aktion mit Comarch, wo ihr ein spezielles Angebot für dieses ERP System erhaltet und dieses für euch testen könnt. Dieses Angebot wird natürlich in den Shownotes verlinkt.
Ein kostenloses Demokonto für 30 Tage kann hier unverbindlich erstellt und getestet werden:
Ich möchte euch auch gerne dazu aufrufen, dass ihr auch uns unterstützen könnt. Wir freuen uns sehr, wenn ihr uns weiterempfehlt und wenn ihr Menschen aus der Branchen erzählt, dass wir uns mit dem Thema Trends und Innovationen im Handel beschäftigen. Da steigen wir jetzt direkt ein, mit der Eva Stüber. Ich wünsche euch ganz viel Spaß mit dem Interview.
Marilyn Repp: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens Podcast. Heute geht es um das Thema Lebensmittel, Einzelhandel, Lebensmittelhandel und wir werden die Fragen, wie wir in Zukunft Lebensmittel einkaufen, wie vielleicht Corona das Einkaufsverhalten der Deutschen geändert hat und welche Innovationen es in diesem Bereich gibt, klären. Ich muss ehrlich sagen, dass ich ganz persönlich immer ziemlich genervt vom Lebensmittel einkaufen bin. Wenn es da in Zukunft mehr Convenience, mehr Bequemlichkeit gibt, dann wäre ich persönlich ziemlich dankbar. Das Ganze werden wir heute mit Dr. Eva Stüber klären. Herzlich willkommen!
Eva Stüber: Hallo, einen schönen Tag!
Marilyn Repp: Schön, dass du da bist. Du bist Mitglied der Geschäftsleitung beim Institut für Handels Forschung IFH in Köln und beschäftigst dich dort mit Zukunftsthemen wie die Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Handel. Du weißt mehr darüber, was du dort so treibst und deshalb stelle ich einfach kurz vor.
Eva Stüber: Du hast es schon ganz gut auf den Punkt gebracht. Ich beschäftige mich mit der Zukunft. Da gehört natürlich die Digitalisierung im großen Maße dazu. Da gehört das Thema Innovationen dazu. Veränderungen, die uns betreffen, Transformationen, die ganz viel das Denken und Handeln zusammenbringen, aber immer auf fundierter Datenbasis. Das heißt 360 Grad Analysen zu Markt, Kunden und Wettbewerb, ganz viel Potenzialrechnung und ganz viele Netzwerke und das in allen relevanten Handels Branchen, in denen gerade viel Bewegung ist. Da gehört natürlich auch der Lebensmittelhandel dazu.
Marilyn Repp: Ihr habt euch zuletzt in den letzten Wochen bzw. Monaten die aktuellen Trends im Lebensmittelhandel angeguckt. Was würdest du daraus greifen? Was sind die Trends? Womit müssen wir rechnen?
Eva Stüber: Wenn man die Fachmedien liest, dann denkt man, dass Lebensmittel nur noch online gekauft werden. Man liest eigentlich nur noch, dass es neue Investitionsrunden in Start ups gibt, von der Expansion von neuen Playern nach Deutschland oder zu neuen Standorten und großen Investitionen. Gleichzeitig liegt der Onlineanteil erst bei 2 Prozent. Was hat es mit dieser verzerrten Wahrnehmung auf sich? Wo geht es dahin? Damit haben wir uns viel beschäftigt und natürlich auch mit Technologien vor Ort. Wo geht es hin? Selbstscanning ist schon lange ein Thema und Rewe hat hier in Köln auch den ersten automatisierten Markt eröffnet. Was genau auf das Thema abzielt, das du angesprochen hast, Convenience, man muss sich nicht mehr an die Kasse stellen, man muss nicht scannen, man packt einfach ein und läuft nach draußen. Wir haben natürlich Richtung Nachhaltigkeit ganz viele Konzepte, die den Markt prägen. Wie kommt man in den Kreislauf rein? Wie kann die Verschwendung mit verschiedenen Anbietern reduziert werden, sowohl vor Ort, als Unverpacktläden, oder auch online, mit Anbietern, die nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch einmal aufgreifen. Oder Gemüsekisten, die das, was wir traditionell als nicht schön bezeichnen und das oft nicht in die Regale kommt, dann auch noch verschicken. Das heißt, es ist eine ganz große Palette über die einzelnen Kanäle, dann auch hinweg, mit Technologien im Vordergrund, mit Technologien im Hintergrund, mit Nachhaltigkeit und das zeigt, wie viel Bewegung dann auch in diesem Markt momentan ist.
Marilyn Repp: Ja, wunderbar! Was würdest du sagen, wie sich die Pandemie auf die letzten Monate, auf dem Markt ausgewirkt hat? Und was bleibt davon auch langfristig? Was würdest du sagen?
Eva Stüber: Es ist auf jeden Fall ein großer Corona – Turbo, der auch im Lebensmittelmarkt wirkt. Zum einen war mit den Shutdown Phasen auf einmal schlagartig die Gastronomie geschlossen, aber auch Mensen, Kantinen, die Menschen blieben zu Hause und essen muss man ja trotzdem. Das heißt, es musste viel mehr eingekauft werden und viel mehr Mahlzeiten mussten zu Hause zubereitet werden. Das hat natürlich zu einem Wachstum im Markt geführt und allerdings die Menschen vor Herausforderungen gestellt, alles mit ihrem Zeitmanagement hinzubekommen. Daher haben wir diesen Boom bei den Koch Boxen gesehen. Wir haben einen riesigen Boom Richtung Gesundheit erlebt, da man sich vermehrt damit auseinandersetzen musste, was man denn überhaupt isst und was wichtig für die Zukunft ist. Wir haben auch riesige Veränderungen als zweiten großen Strang bei den Einkaufskanälen gesehen. Der Onlinehandel hat natürlich geboomt ohne Ende und ist daher der Markt mit dem größten Wachstum. Fast 60 Prozent haben Lebensmittel im letzten Jahr online bestellt. Es sind also ganz viele, die zum ersten Mal bestellt haben oder die regelmäßig bestellen. Wir haben eine Konzentration des Einkaufsverhalten damit vor Ort dann auch erlebt. Man ist nicht mehr so häufig in den Supermarkt oder zum Discounter. Man hat das eher gebündelt mit Online Bestellungen ergänzt und wir erleben eine Renaissance des SB Warenhauses. Das war vorher gar nicht mehr so attraktiv, weil es genau das, was in der Einleitung angesprochen hast, nicht mehr in dem heutigen Maße bietet. Diese Convenience ist einfach groß und dauert lange. Das hat jetzt aber zu Corona Zeiten natürlich den großen Effekt, dass man nicht nur Lebensmittel dort kaufen kann, sondern auch viele relevante Non Food Artikel und das non stop shopping letztendlich extrem aufgeblüht ist, gleichzeitig aber auch die Wochenmärkte. Also vieles was vorher traditionell im Supermarkt oder beim Discounter gekauft wurde, wandert jetzt gerade im Frischebereich auf die Wochenmärkte. Das heißt, wir sehen eine komplette Verschiebung bei den Einkaufsstädten im Einkaufsstädten Portfolio, was vorher sehr konstant war. Menschen haben schon immer verschiedene Einkaufsstädten genutzt, drei im Durchschnitt, laut unseren Analysen, die waren allerdings recht festgesetzt und Corona bringt da jetzt eine Veränderung in diesem starren Gewohnheitsverhalten rein. Schließlich haben wir in Deutschland das dichteste Filialnetz im Vergleich und deswegen was für den Onlinehandel auch so schwer an dieser Stelle zu wachsen. Es bestand gar keine Notwendigkeit und alle Gesetzmäßigkeiten die es so gibt, was Bedarfe angeht, was Einkaufsstädten angeht, wurden mit quasi mit dem ersten Shutdown einmal ausgehebelt und sind seitdem in Bewegung. Das wird auch nachhaltig so bleiben und für viele Veränderungen im Markt sorgen.
Marilyn Repp: Jetzt hast du ein Thema schon angerissen, was ich auch noch mal befragen wollte. Wir haben in Deutschland einen wirklich geringen Online Lebensmittel Handels Anteil, eben wegen dieser dichten Abdeckung durch Supermärkte in Deutschland. Ich glaube in den USA ist dieser Anteil im Online – Lebensmittelbereich schon viel höher, weil einfach die nächsten Supermärkte so weit weg sind. Wie wird es jetzt weitergehen? Die Menschen sind jetzt offener für das Onlinebestellen im Lebensmittelbereich geworden, aber wird das so weitergehen? Ist das ein Trend, den du siehst, online zu bestellen, auch bei diesen ganzen Schnell Lieferdiensten wie Gorillas, Flink und so weiter? Glaubst du, das ist ein Trend, der sich hält oder ebbt das wieder ab?
Eva Stüber: Also der Kernpunkt ist wirklich dieses dichte Netz, das wir in Deutschland haben. Das gibt so in keinem anderen Land. Es ist aber auch die, ich nenne es gern Innovationsfeindlichkeit, die wir in diesem Land haben, Neues auszuprobieren. Also ich warte lieber einmal ab, ich bin ja ganz zufrieden oder zumindest nicht unzufrieden mit dem, was ich habe und das wird sich jetzt ändern. Man gewöhnt sich daran, dass das Obst und Gemüse, welches man vorher nicht begutachten konnte, jetzt auch online in einer guten Qualität bekommt. Der Onlinehandel wird einen relevanten Platz im Einkaufsstätten-Portfolio einnehmen. Man muss aktuell sagen, dass gerade diese Quick-Commerce Anbieter, die du angesprochen hast, sind in den Großstädten aktiv. Das meiste an Anbietern, die Lebensmittel ausliefern, die sind auch nur in den Großstädten aktiv. Es haben aktuell nur 24 Prozent der Menschen in Deutschland die Möglichkeit, zwischen zwei Anbietern auszuwählen, die letztendlich Lebensmittel auch nach Hause liefern. Das heißt, wenn wir jetzt in Berlin, oder in Köln sitzen, ist das für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir schauen, bei wem bestellen wir denn heute und unsere Lieferung in 10 Minuten dann auch hier haben. In vielen ländlichen Gebieten gibt es noch nicht mal einen Anbieter, bei dem man so eine Bestellung dann auch tätigen kann. Das trägt entsprechend viel dazu bei, dass dieser Online Anteil noch so gering ist, weil gar nicht ein entsprechendes Angebot zur Verfügung steht, um das ganze dann auch umzusetzen. Gerade bei dem Thema Lebensmittel braucht es die Auslieferung. Da wird sich das mit dem Paketversand nicht flächendeckend durchsetzen können, weil es einfach vom Müllaufkommen und von der Frische nicht die Qualität mit sich bringt. Das funktioniert in einzelnen Bereichen, wenn wir an die Gemüsekisten denken, oder wenn man an die Koch-Boxen denkt. Für den kompletten Wocheneinkauf, sind wir auf die Auslieferung dann auch angewiesen und wir sehen auf der Seite des Anbieters, dass sich momentan einiges tut. Wir sehen eine Verschmelzung mit den Lieferdiensten. Das heißt, das zu trennen, was jetzt von Restaurants ausgeliefert wird und was vom Handel kommt, also einzelne Produkte. Das wird immer weniger trennbar, vor allem jetzt wieder in den Großstädten. Damit entsteht ein ganz neues Anders zu kaufen, ganz neue Möglichkeiten und damit kann der Markt online entsprechend auch weiter wachsen.
Marilyn Repp: Diese Quick-Commerce Anbieter, die du angesprochen hast, haben ja noch ein weiteres Problem, nämlich sie brauchen Personen, die ausliefern. Das mag in einer Großstadt ganz gut funktionieren, über Fahrräder, die sehe ich hier in Berlin wirklich die ganze Zeit rum düsen auf ihren Bikes, jedoch ist ein Knackpunkt dabei das ganze Thema Arbeitsbedingungen. Da gibt es ja auch viele Kämpfe und Auseinandersetzungen, gerade weil die Start Ups groß am Expandieren und am Investieren und Investoren suchen sind, aber das ganze Thema Mitarbeiter und Arbeitsbedingungen ist ein bisschen schwierig an der Stelle. Wie schätzt du das ein? Ist das vielleicht auch für manche Kundinnen und Kunden ein Grund, davon Abstand zu nehmen? Namentlich bei Gorillas, gab es jetzt wirklich einiges, was durch die Presse ging, an Auseinandersetzungen mit der Geschäftsführung. Ich glaube, da müssen die Anbieter noch ein bisschen feinfühliger werden, weil das natürlich auch was mit Marketing zu tun hat. Also glaubst du, das spielt mit rein in die Auswahl der Anbieter oder ist das für die Kunden eher nicht so relevant?
Eva Stüber: Wir sind in einem ganz neuen Feld, dass gerade entsteht und das sehen wir an der ganzen Problematik, die momentan auftaucht. In dem Logistikbereich ist es generell schwierig, was Bezahlung angeht, was Arbeitsbedingungen angeht und durch diese Geschwindigkeit, die bei diesen 10 Minuten Auslieferungen gefordert wird, kommt nochmal eine ganz neue Dimension dazu. Da müssen sich jetzt die Rahmenbedingungen erstmal finden und das sind ganz normale Vorgänge. Bei der Industrialisierung mussten sich auch zunächst Arbeitsbedingungen finden und wir würden heute ja nicht sagen, wir können keine Fabrikarbeit umsetzen. Also das passt von den Arbeitsbedingungen nicht, sondern da wird eine Angleichung stattfinden und die Prozesse sind hier jetzt losgetreten, das muss vorangehen. Es ist für die Anbieter langfristig auf jeden Fall wichtig, gute Bedingungen zu stellen, denn das Thema Nachhaltigkeit umfasst ja auch den Menschen, also wie fair sind die Arbeitsbedingungen, wie wird miteinander umgegangen und was passt momentan. In dieser Phase, in der wir sind, ist es eher noch aufregend für die Menschen, wirklich zu erleben, dass in 10 Minuten so eine Bestellung dann auch vor der Tür steht, was man in den meisten Fällen ja persönlich gar nicht selbst schaffen würde. Wenn ich jetzt sagen würde, ich laufe mal schnell zum nächsten Supermarkt und wieder zurück, würde ich wesentlich länger als 10 Minuten brauchen und sich damit auseinander zu setzen, das Neue auszuprobieren. Oftmals wird dann das schlechte Gewissen eben mit dem höheren Trinkgeld ausgeglichen. Das können wir ganz klar dann auch sehen. Es ist wie in allen Bereichen so gesagt das Abwägen vom persönlichen Nutzen, den man hat, durch so eine schnelle Belieferung, versus die Bedingungen. Für den Markt ist es auf jeden Fall gut, dass es jetzt neue Anbieter mit diesen neuen Konzepten gibt, denn der Lebensmittel Onlinehandel hat bisher den Nachteil, dass man eine Vorplanung gebraucht hat. Man konnte jetzt nicht sagen, dass ich jetzt den Bedarf habe und ich hätte das jetzt gerne heute Abend oder morgen früh, sondern man musste dann schauen, den Warenkorb befüllen und sich einen entsprechenden Slot sichern. Das hat viele Menschen davon abgehalten, weil sie gesagt haben, dass sie in dieser Zeit schnell beim Supermarkt, Discounter oder auch beim SB Warenhaus vorbeigefahren sind und das erledigt haben. Jetzt gibt es neue Anlässe, die möglich sind für eine Bestellung, eben durch diese Quick – Commerce Anbieter. Das wird einen Schub für die Branche bringen, auch wenn die Belieferung zukünftig gar nicht mehr so schnell sein wird. Ich spreche gern davon, dass es wie der Zalando Effekt in der Bekleidungsbranche sein wird. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. 2007 / 2008 hieß es, dass keiner Kleidung und Schuhe online kaufen wird, weil man das anprobieren, oder fühlen muss. Dann kam Zalando als Start Up in die Branche und hat den Slogan gehabt „Schrei vor Glück oder schickst zurück“. Heute ist es die zweitgrößte Online Branche. Das ist genau das, was jetzt durch die Quick – Commerce Anbieter auch passiert. Es ist ein großes Marketingversprechen. Das lockt die Leute erst einmal an und lässt sie bleiben, lässt sie neue Gewohnheiten kennenlernen oder alte zu mindestens aufbrechen und damit kann Veränderung entstehen.
Marilyn Repp: Da Corona ein absoluter Katalysator für diese neuen Gewohnheiten der Kundinnen und Kunden, die früher eben da vielleicht eher bequem waren und in den alten Verhaltensmuster verharrt sind. Das sieht man jetzt auch in Studien, dass sie Neues probiert haben während der Pandemie und das auch beibehalten werden. Das sagen sie auch ganz deutlich in den Umfragen, dass sie auch in Zukunft dieses neu angeeignete Online Verhalten beibehalten werden und das wird sich natürlich auch in neuen Bereichen ausweiten, wie zum Beispiel den Lebensmittelbereich. Du hast jetzt den Zalando Effekt angesprochen. Kannst du den vielleicht noch ein bisschen ausweiten auf den Lebensmittelbereich? Was bedeutet das im Bereich Innovation?
Eva Stüber: Innovation aus einer Branche heraus entstehen zu lassen ist eine riesige Herausforderung. Wir haben viele erfolgreiche Unternehmen, die mit ihren Geschäftsmodellen gut unterwegs sind. Wenn man in den Bereich Innovation hinein möchte, heißt das ja immer, dass man viele Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung tätigen muss. Das ist immer mit einem Risiko verbunden, weil man nie weiß, welche Innovation denn nun auf fruchtbaren Boden fällt und was nicht funktioniert, wo man nur Kosten hat, aber keinen Mehrwert. Der Zalando Effekt steht für mich dafür, dass Unternehmen von außerhalb in eine Branche hineinkommen und dadurch für Bewegung sorgen, dass sie zeigen, dass es neue Möglichkeiten gibt, die die bisherigen Player nicht hatten. Für die Lebensmittelbranche ist es genau das, was eins zu eins zutrifft. Wir haben aus der Branche heraus von den stationären Playern wie Rewe, die sehr kontinuierlich und sehr konsequent am Thema Digitalisierung arbeiten, auch den größten Anteil der Bevölkerung erreicht mit ihren Auslieferungskonzepten. Ansonsten gibt es noch Edeka, die vor allem über Beteiligungen an dem Markt partizipiert, aber kein flächendeckendes eigenes Angebot stellt und dann noch vereinzelte Aktivitäten, die nicht für einen großen Umbruch in der Branche sorgen können und keine großen Veränderungen mit sich bringen können. Die neuen Anbieter, vor allem die Quick Commerce Anbieter mit Gorillas und Flink, die jetzt auf dem Markt sind, kommen von außen und zeigen neue Gesetzmäßigkeiten sind umzusetzen. Die werden angenommen und bringen damit die Veränderungen in die Branche, tragen zu Innovationen bei und sorgen dann dafür, dass die bestehenden sich stärker damit auseinandersetzen müssen, wie sie ihr Geschäftsmodell anpassen. Die Aussage Online-Handel wird sich in meiner Branche nicht durchsetzen, ist einfach ein Satz, der nicht gültig ist. Es gibt keine Branche, in dem Onlinehandel keine Bedeutung einnehmen wird. Es ist immer nur die Frage, wie schnell die Veränderung kommt und wie früh man sich darauf einstellt. Die Entwicklungen der Corona Pandemie zeigen uns jetzt, dass es sehr schnell gehen kann, dass wir momentan Wachstum online haben, der unbeschreiblich ist. Es ist immer wieder schön, wenn man dann die Marktzahlen sieht, die das Schwarz auf Weiß abtragen. Das bringt viele Unternehmen wirklich in die Bredouille, die nicht darauf vorbereitet waren und die jetzt gerne die Zeit anhalten möchten und sagen, dass sie mehr Luft zum Atmen und mehr Spielraum zur Umsetzung benötigen, der entsprechend fehlt. Solche Effekte wie der Zalando Effekt sind eben eine Beschleunigung von Außerhalb durch andere Unternehmen, der nun auch die Lebensmittelbranche trifft.
Marilyn Repp: Die kleinen schnellen Speedboote greifen die großen Tanker an und sind dann im Endeffekt vielleicht sogar schneller.
Eva Stüber: Auf der grünen Wiese zu starten ist auch immer einfacher, als eine Organisation umzubauen. Wie bringt man diese Weitsicht für die Veränderung der Zukunft mit und führt gleichzeitig das bestehende Geschäft weiter. Das ist ja ein riesiger Spagat, den man gehen muss und eine riesige Herausforderung. Es heißt dann auch, in diesem Verständnis und in diese Entwicklung jeden einzelnen Mitarbeiter und jede einzelne Mitarbeiterin mitzunehmen. Diesen sind an vielen Stellen so vielfältig und auch nicht direkt zu durchschauen. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich gar nicht täglich damit auseinandersetzt, so wie wir das ja tun, das nachzuvollziehen. Was heißt das denn auch für die Zukunft und ist das jetzt so kurzfristig? Begleitet uns das langfristig? Die Kernfrage ist, wie stellt man sich als Organisation auf, um zukunftsfähig zu bleiben?
Marilyn Repp: Jetzt sind wir bei einem weiteren Thema Disruption angekommen und Innovationsmanagement und Veränderungsmanagement. Das sind auch Themen, die wir auf dem Podcast bei Zukunft des Einkaufens bearbeiten, weil die Digitalisierung eben in den letzten 20 Jahren in den verschiedensten Bereichen gezeigt hat, dass über Nacht die größten Tanker untergehen können durch die kleinen Speedboote. Das ist das ganze Thema Disruption und deswegen müssen wir uns, wenn wir erfolgreich sein wollen, langfristig mit Trends, mit digitalen Veränderungen und den langfristigen Veränderungen, die neue Technologien bringen, auseinandersetzen. Darüber versuchen wir natürlich hier im Podcast aufzuklären. Ja, liebe Eva, wir kommen jetzt langsam schon zum Ende. Jetzt hätte ich noch eine Abschlussfrage. Wie kaufen wir denn in 10 Jahren ein? Oder vielleicht in 20 Jahren? Was würdest du sagen? Wo bewegt sich der Lebensmittelhandel hin?
Eva Stüber: Also 20 Jahre ist sehr ambitioniert das vorauszusagen, 10 Jahre sind schon sportlich. Wenn wir jetzt die Entwicklung sehen, die wir im letzten Jahr hatten, war das so viel Veränderung, wie wir sonst in drei Jahren haben. Es können immer wieder Beschleuniger hineinkommen, die das Verhalten extrem verändern. Was wir jetzt schon klar sehen, dass es eine Vielfalt bleiben wird. Es gibt nicht das Einkaufsverhalten, genauso wenig wie es den oder die Kunden gibt, sondern wir haben eine Vielfalt. Die hängt natürlich davon ab, wie wir leben. Leben wir städtisch, leben wir eher ländlich und wie sind wir im familiären Kontext eingebunden etc.. Was wir aber übergeordnet sehen ist, dass viel, was Bedarfe angeht, in den Online-Handel wandert. Also die Grundversorgung von dem, was man sowieso immer kauft, wie das Trockensortiment, oder Getränke. Das wird auch im Lebensmittelbereich, sowie im gesamten Online-Handel stark aus der Belieferung herauskommen. Es wird vor Ort dann stärker darum gehen, das Besondere heraus zu kitzeln, denn es geht immer in Richtung Erlebnis. Damit meine ich jetzt nicht, dass es darum geht, dass dann ein Clown vor Ort ist, der für Unterhaltung sorgt, sondern dass man eher eine Marktatmosphäre hat. Man kann sich Dinge auswählen, aber vielleicht auch Inspirationen bekommen, in dem Dinge nach Rezepten sortiert sind, man kann etwas neues mitnehmen. Was der Onlinehandel sehr gut macht, ist, dass man von dem Standard wegkommt und man ins gemeinsame Ausprobieren geht. Also ob man dann noch einen Kochworkshop danach anschließt. Das ist der Samstags Erlebnis Einkauf draußen mit dem Getränk, dass man noch zu sich nimmt, oder das Mittagessen das direkt angeschlossen wird. Oder ist es vor Ort das Schnelle, was man zwischendurch für die Mittagspause oder auch für abends besorgt, wo wir dann Richtung Convenience Konzepte denken, die damit sehr erfolgreich sind. Das heißt, wir haben eine große Spreizung, wir haben unterschiedliche Bedarfe und es gilt je nach Standort zu schauen, was ich brauche. Ist es ein Markt oder eine Box, die 24 Stunden 7 Tage die Woche zugänglich ist und die kassenlos funktioniert mit Technologie versus das Modell, das viel Erlebnisfaktoren Genuss beinhaltet. Das sind keine Widersprüche, sondern das ergänzt alles die Zukunft, das heißt, es wird auf jeden Fall sehr vielfältig werden. Es wird sich viel stärker ausdifferenzieren und es wird auch im Lebensmittelhandel von dieser riesigen Auswahl vor Ort weggehen, die auch überfordernd sein kann, zwischen 20 verschiedenen Ketchup Arten zu wählen, hin zu punktgenauerem Einkaufen nach Bedarf, entweder Richtung Erlebnis, oder in Richtung Convenience. Das ist zwar alles noch schwammig, aber wenn wir heute schon genau wissen würden, wie die Welt in 5, 10 oder 20 Jahren aussieht, dann wäre es ja auch langweilig. Das Besondere an der Zukunft is ja, dass noch nicht geschrieben ist, sondern alle Akteure, die heute am Markt tätig sind, oder die zukünftig auf den Markt kommen wollen, diese Entwicklung mitschreiben werden und damit die Zukunft gestalten.
Marilyn Repp: Das ganze Thema Erlebnis reiten wir ja auch hoch und runter auf unserem Blog und im Podcast. Das ist auch für den restlichen Einzelhandel ein ganz zentrales Thema der Zukunft. Wir müssen Erlebnisse den Kundinnen und Kunden bieten, weil sie das aus der Online-Welt heutzutage gewöhnt sind und das auch erwarten. Das muss dann dementsprechend auch geboten werden. Vielen herzlichen Dank für diesen Einblick in die Welt des Lebensmittelhandels der Zukunft, welche Innovationen es gibt und welche Effekte wir jetzt in den letzten Monaten und Jahren gesehen haben. Ich hoffe, du hast jetzt gleich ein leckeres Mittagessen, vielleicht sogar selbst gekocht. Ich sage ganz herzlich, Dankeschön!
Eva Stüber:: Ja, danke dir und schönen Tag.
Marilyn Repp: Ja, bis dahin, tschüss.
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