Onliner aufgepasst: Die letzte Meile steht vor dem Logistik-Crash!
Sie kennen das Problem? Bestellte Ware wird nicht ausgeliefert, es klingelt nicht an der Haustür, obwohl man extra eine Homeoffice-Schicht dafür eingelegt hat. Dafür hat man einen Zettel in den Briefkasten liegen, der zum Besuch des Paketshops auffordert.
Der Overkill der Paketdienstleister
Diese Woche ging es wieder durch die Medien: Die Paketdienstleister planen einen Aufpreis für die Haustürlieferung, ansonsten geht die Lieferung an den Paketshop oder die Packstation. Damit geben sie indirekt zu, was wir alle schon wissen und was zum Anfangs beschriebenen Phänomen führt: Haustürlieferung ist nicht sexy, daher versucht man sie jetzt schon zu vermeiden. Es wird vermehrt auf Paketshops gesetzt, damit sind wir endlich beim oft beschriebenen Micro Hub in den Innenstädten. Derzeit werben sich die Big 5 (DHL, DPD, Hermes, UPS und GLS) die Paketshops gegenseitig ab. Im letzten Jahr betrug das Volumen der Paketsendungen 3,34 Mrd. Ein durchschnittlicher Fahrer schafft ca 25 Pakete/Stunde. Jetzt setzen wir den Dreisatz fort: Das macht 133,6 Mio, Arbeitsstunden, für die man 16,7 Mio Arbeitstage zu 8 Stunden (die es in der Branche eh nicht gibt) braucht. Bei einem durchschnittlichen Jahrespensum von 220 Tagen braucht man 76.000 Auslieferungsfahrer. Die wachsen nicht auf Bäumen, daher braucht man alternative Wege. Corona hat alles noch verschärft.
Paketshops sind (k)ein Bombengeschäft.
Gerade in der Weihnachtszeit macht der Paketshop kein Spaß: Abends werden die nicht zugestellten Pakete zugestellt, in unserem Fall des Shops um die Ecke waren das um die 200 pro Tag. Die müssen eingelagert und anschließend ausgegeben werden. Bemühen wir wieder den Dreisatz: Pro Paket bekommt der Paketshop im besten Fall 50 ct. Um in dieser Paketmenge das richtige Paket zu finden und auszugeben, vergehen schnell 3 Minuten pro Paket. Damit liegt der Paketgenerierte Umsatz bei 10€ pro Stunde, dafür hält man Personal, Lagerfläche sowie Gemeinkosten vor. Das macht keinen Spaß, die Paketshops liegen bei 1€ pro Paket erst bei der schwarzen Null. Damit liegen die Kosten wieder bei den klassischen Last-Mile Kosten, die Katze beißt sich wieder in den Schwanz.
Nächste Lösung: Der Nachbar als Paketshop
Unser Büro ist sehr beliebt: Wir nehmen für die ganze Nachbarschaft die Pakete an, sind also die Packstation der Straße. Einziger Unterschied: Wir übernehmen die Haftung für die Pakete, man darf nicht drüber nachdenken. Insgesamt werden 40% der nicht direkt zugestellten Pakete über sogenannte nicht gewollte Netzwerke ausgeliefert. Würden diese Pakete auch über Paketshops ausgeliefert werden, wäre der Kollaps des Systems vorprogrammiert.
Der Systemfehler begann vor über 30 Jahren
Die Logistikbranche hat durch die Skalierung des E-Commerce einen großen Fehler gemacht: Sein bis dahin dominiertes B2B Geschäft 1:1 auf den B2C Bereich zu übertragen. Firmen sind tagsüber erreichbar. Privatleute nicht, trotzdem hat man das Format so belassen. Das Ergebnis ist eine Flut von Zustellfahrzeugen und Individualverkehr zu den Paketshops, und das in immer mehr kollabierende Innenstädten. Zudem sorgt die Dieseldiskussion für ein Umdenken, langsam wird es spannend!
Die Paketdiensteister werden nicht umhinkommen, über ein bisher ungeliebtes Stöckchen zu springen: Die Vernetzung untereinander zu beginnen. Falls sie es nicht tun, wird die Politik dafür sorgen, da sind wir uns sicher, denn wir hoffen es im Sinne der Lebensqualität der urbanen Räume.
Pilotprojekt in Mönchengladbach
Ein sogenannter Micro Fashion Hub wird in Mönchengladbach umgesetzt. Ein Leerstand wird dazu in eine Art Riesen-Packstation für alle KEP Dienstleister umgewandelt. Dort können die Kunden in attraktiven Umkleiden alles anprobieren, in der Gastro dort einen Kaffee genießen und bei Nichtgefallen alles wieder zurücksenden.
Ich glaube, dass für eine effiziente Lösung mindestens 2 Punkte angepackt werden müssen: Kooperation der Paketdienstleister (v.a. auch bei den ersten Meilen) und Auslieferung am Abend (wenn die Leute da sind).
Vernetzung und Abschaffung der Unternehmensgrenzen bringt für alle Seiten nur Vorteile. Wenn eCommerce weiter wächst, muss man früher oder später über Locker oder Packstationen pro Straße reden. Das DHL Prinzip geht ja dahin, allerdings haben sie das Problem der Stellplätze. Sobald die innerstädtische Logistik als gesellschaftliche Herausforderung verstanden wird, kann sich das ändern.
Da es neben DHL weitere Paketdienste gibt, macht es Sinn, Boxen aufzustellen, in die ALLE KEPs einliefern können. Und zwar im Sinne der Verbraucher direkt am Wohnort. Damit entfallen lästige Fahrten zum PaketShop oder zur Paketstation, die nicht nur zusätzlichen Verkehr sondern ggf. auch vermeidbare Umweltemissionen verursachen.