Kümmerer 2.0 – Der Citymanager zwischen on- und offline
Soviel sei verraten: Städte sterben nicht wegen der Digitalisierung, sondern wegen der Überalterung der Bevölkerung. Dennoch gilt: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit! Citymanager, Wirtschaftsförderer und der Kümmerer 2.0 sind dazu aufgefordert, den Einzelhändlern einer Stadt den Weg in die Digitalisierung zu ebnen.
Veränderungen im Einzelhandel
Der Wandel im Handel vollzieht sich nicht erst seit dem Einfluss des Internets im Handel. Dass sich der Einzelhandel stets neu erfinden muss und mit den Veränderungen der Zeit gehen muss, ist nichts Neues. Wir dürfen auch nicht den Rückgang der innerstädtischen Frequenz auf Amazon & Co. schieben. Denn sind wir mal ehrlich: Ohne Amazon könnte in einigen ländlichen Regionen gar keine Nahversorgung mehr gewährleistet werden.
Trotzdem ist und bleibt, aller Prognosen zum Trotz, der stationäre Einzelhandel ein, wenn nicht sogar der wichtigste Einkaufs-und Informationskanal. Immer noch kauft die Mehrheit der deutschen Bevölkerung stationär ihre Produkte ein, auch wenn diesem Einkauf in den meisten Fällen eine Online-Recherche vorausgeht.
Sogenannte Online Pure Player erkennen auch zunehmend die Vorteile des stationären Einzelhandels und eröffnen vor Ort Filialen, um kanalübergreifend für ihre Konsumenten präsent zu sein.
Die Stadt im Wandel der Zeit
Die deutsche (Innen-)Stadt wird immer noch bestehen bleiben; der Einzelhandel wird aber nicht mehr die erste Geige spielen. Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland, sprach sich bereits zur Verkürzung der Fußgängerzone aus, um die Geschäfte der Einzelhandelsflächen in den deutschen Innenstädten zu zentrieren. Durch zunehmende Leerstände in den innerstädtischen Lagen muss man auch über eine Umnutzung nachdenken und leerstehende Immobilien zu Wohn- und Arbeitsraum umfunktionieren.
Doch wer soll sich um alle diese Veränderungen und Herausforderungen kümmern? Fast jede deutsche Stadt, unabhängig, ob es sich dabei um eine Klein-, Mittel- oder Großstadt handelt, steht vor der Entscheidung, wie der Einzelhandel gemanaged werden soll. Es muss der Kümmerer 2.0 her! Wieso 2.0? Was ist aus dem Kümmerer 1.0 geworden?
Der Kümmerer 2.0
Was sind die Aufgaben eines Kümmerers 2.0? Hier sind ein paar Aufgaben des Citymanagers von morgen zusammengestellt. Der Kümmerer 2.0 hat demzufolge u.a. folgende Aufgabengebiete zu bewältigen:
- Leerstandsmanagement
- Management der Online-Präsenz lokaler Unternehmen
- Moderator spielen
- Zuständigkeit für Stadtfeste / Mittelaltermarkt / Weihnachtsbeleuchtung
- Local Commerce
Local Commerce als Aufgabe des Kümmerers 2.0
„Deutschland ist Vorreiter für lokale Online-Markplätze.“ Andreas Haderlein, Local Commerce, sprach in seinem Seminar „Kümmern 2.0 – lokale/regionale Online-Marktplätze managen und moderieren“ von seinen Erfahrungen mit und in der Online City Wuppertal. In dem Tagesseminar wurde in einer Runde aus Wirtschaftsförderern, Stadtmarketing-Verantwortlichen und Praktikern darüber diskutiert, welche digitalen City-Initiativen nachhaltigen Erfolg versprechen.
Bislang kann man im Kontext des Local Commerce-Ansatzes von zwei Erfolgsprojekten sprechen:
- Online City Wuppertal
- eBay City Mönchengladbach
Allen Projekten ist gemein, dass ein langfristiger Erfolg nur garantiert werden kann, wenn es einen auserwählten Verantwortlichen in einer Stadt gibt, der bestensfalls in der Wirtschaftsförderung integriert ist. Dieser trägt den Titel Kümmerer 2.0, da er sich um die digitale Darstellung der lokalen Einzelhändler / um ein digitales Dachmarketing „kümmert“.
Andreas Haderlein widmet sich in seinem Buch (Local Commerce: Wie Städte und Innenstadthandel die digitale Transformation meistern) einem ganzen Kapitel dem Thema „Kümmern 2.0 – digitale City-Initiativen managen und moderieren.
Lokale Präsenz von stationären Einzelhändlern
Als Grundvoraussetzung für stationäre Einzelhändler gilt, auf Google My Business gefunden zu werden. Hier geht es zu dem Beitrag Wie Sie bei Google gefunden werden. Die Verknüpfung zu Google Maps ermöglicht dem Einzelhändler die lokale Nähe zum Kunden herzustellen. Google Maps ist das größte Schaufenster für den lokalen Einzelhandel, so Haderlein.
Entscheidet sich eine Stadt bzw. eine Wirtschaftsförderung für die Etablierung eines lokalen Online-Markplatzes, sind folgende Projektbausteine zentrale Aufgaben eines Kümmerers 2.0 (Quelle: Haderlein):
- Evaluation des Istzustands
- Partnering/Funding
- PR & Kommunikation
- Schulungen
- Teilnehmer-Akquise
- Redaktionelle Aufgaben
- Management Marktplatz
- Moderation
- Reporting/Monitoring
- Marketing
Online-Handel ohne „wir“ wird künftig schwierig
Wenn Einzelhändler online auf einer lokalen Plattform verkaufen, ist ein Warenwirtschaftssystem zwingende Voraussetzung. Darüber hinaus muss der Einzelhändler alle Formen der Bestellung & Abholung anbieten: Click & Collect, Click & Reserve usw. Dies wird heutzutage vom Kunden erwartet.
„Digitale Produkte brauchen eine stationäre Verankerung“, so Haderlein. Daher ist es so wichtig, dass lokale Online-Marktplätze nachhaltig gepflegt werden. So ist es beispielsweise die Aufgabe des Kümmerers 2.0 ein „Produkt des Tages“ auf dem lokalen Online-Marktplatz zu veröffentlichen. Der Citymanager von morgen hat die moderierende Aufgabe, dass alle Einzelhändler und auch Dienstleister, Gastronomen usw. einheitlich auf der Plattform gemanaged werden. Denn ohne „wir“ wird der Handel im lokalen Kontext keine Online-Sichtbarkeit erhalten.
Stadtportal-Fokus statt Produktfokus
Ohne Händler keine Produkte und ohne Produkte kein lokaler Online-Marktplatz. Dennoch ist ein reiner Produkt-Fokus nicht ausschlaggebend für den Erfolg von Local Commerce. Vielmehr kommt es darauf an, dass auch Veranstaltungen der Stadt veröffentlicht werden und auch Vereinen soll der Zugang zur gemeinschaftlichen Plattform ermöglicht werden. Vorhandene Daten, wie z.B. die Schnittstelle zum ÖPNV, stellen einen weiteren Mehrwert für ein Stadtportal dar.
Haderlein spricht die Empfehlung aus, dass eine Stadt auf einen etablierten Infrastrukturgeber zurückgreifen soll, sofern sie sich für ein lokales Stadtportal entscheidet. Die Entscheidung sollte gut überdacht werden, denn durch die Eröffnung eines lokalen Online-Markplatzes fängt die eigentliche Arbeit erst an:
- Aggregation von vorhandenen Daten
- Produktpflege (Anschluss an Großdatenbanken?)
- Henne-Ei-Problem: Wie motiviere ich Einzelhändler für die Plattform, wenn noch keine Kunden online sind und andersherum
Jede Stadt braucht einen Kümmerer 2.0
Leider lassen sich bislang die ROPO-Effekte nicht messen. Das heißt, die Erfolgsmessung eines lokalen Online-Marktplatzes bleibt bisher aus. Dennoch braucht es mehr Veränderungsmanager. Die Infrastrukturen eines städtischen Portals muss im Hoheitsbereich der städtischen Akteure liegen. Jede deutsche Stadt braucht ein digitales Dachmarketing.
Eine genaue Übersicht über alle derzeit vorhandenen lokalen Online-Marktplätzen erhalten Sie hier:
Datenbank Local Commerce
Beitragsbild: Love Silhouette / Shutterstock.com
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!