Drama, Baby, Drama! Die Ladenöffnungszeiten-Diskussion geht wieder los!
Sie ist mal wieder da, die Diskussion um die Ladenöffnungszeiten. Entgegen erster Dementis gibt es nun doch eine Forderung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) nach einer Teil-Liberalisierung der Öffnungszeiten. Kürzlich hat HDE Präsident Sanktjohanser in einem Interview bundesweit mindestens 10 verkaufsoffene Sonntage gefordert. Eine Forderung, die sich in einem Wahljahr sicherlich nicht durchsetzen lässt und Kirchen wie Gewerkschaften auf den Plan ruft. Der Grund, der genannt wird, bleibt der Gleiche: Man muss einen Wettbewerbsgleichstand zwischen Online und Offlinehandel herstellen. Leider wird aber auch dafür gesorgt, das Thema konsequent von der Sachebene fernzuhalten: Mit Argumenten wie „Verdi treibt die Kunden ins Internet“ oder „Unmenschlichen Öffnungszeiten“ wird es unnötig emotionalisiert. Dabei ist es doch recht einfach: Arbeitgeberseite und Mitbestimmung haben im Grunde das gleiche Ziel: In leistungsfähigen Betrieben Arbeitsplätz zur Verfügung stellen.
Was aber nicht hilft ist immer der Ruf, dass sich Rahmenbedingungen ändern müssen. Es ist schon seltsam, in einer Rede auf dem Handelskongress einerseits die guten Zahlen des Jahres zu betonen, andererseits immer wieder Forderungen an die Politik zu formulieren. Dabei sollte der Handel seine eigene Nase bearbeiten und die vorhandenen Möglichkeiten endlich ausschöpfen. Hier einige Beispiele, wie man mit den vorhandenen Regelungen zusätzliche Potenziale heben kann:
Potenzial 1: Das neue Nutzenversprechen des Handels.
Tausende Jahre galt für Handel immer das Gleiche: Es gibt einen Ort, an dem Handel stattfindet, um die Menschen mit Waren zu versorgen. Dieses rudimentäre Nutzenversprechen machen andere mittlerweile billiger und komfortabler. Konkret: Ein neues Nutzenversprechen muss her (in unserem Trendview haben wir das bereits beleuchtet). Stationärer Handel wird in Zukunft viel mehr Freizeitaktivität sein als der Versorger der Republik. In unserer Freizeit kaufen wir gern ein, ohne wirklich einen Bedarf zu haben: Im Urlaub oder an Night-Shopping Tagen flanieren wir gern durch die Läden.
Dazu kommt, dass wir außer die berühmten Ankerartikel eigentlich nichts mehr brauchen, die Regale, Schränke und Mägen sind voll! Die Bevölkerung ist mit den Sharing- und Minimizing-Trends eher auf dem Konsumrückzug. Inspiration in den richtigen Kontexten ist also angesagt.
Potenzial 2: Nutzt den Spielraum, der zur Verfügung steht!
Düsseldorf Königsallee, 2. Adventssamstag 2017, folgendes Bild am Abend:
Massenhaft Einkäufer, auch aus den nahen Niederlanden, flanieren über Deutschlands Modemeile Nr. 1 und stehen vor geschlossenen Türen. Die meisten Stores haben ab 18 Uhr geschlossen, obwohl das Ladenöffnungsgesetzt bis 22 Uhr am Samstag zulässt. Andere haben dagegen bis 20 Uhr geöffnet, der Shopper trifft auf uneinheitliche Ladenöffnungszeiten. Ein riesiges Umsatzpotenzial wird einfach liegen gelassen, das ist die eine Konsequenz. Die andere Konsequenz ist aber viel dramatischer: Der Shopper ist verunsichert ob der verschiedenen Öffnungszeiten, zudem vermittelt eine 18 Uhr Schließung eine „wegen Reichtum geschlossen“ oder „man hat den Shopper nicht wirklich nötig“ Mentalität. Das führt zu einer katastrophalen Konditionierung der Konsumenten, die in Zukunft gleich zu Hause bleiben.
Dabei erlaubt das Ladenöffnungsgesetz (LÖG-NRW) Nordrhein-Westfalen von Montag bis Freitag eine 24 Stunden Öffnung, am Samstag muss wie bereits erwähnt um 22 Uhr geschlossen werden. Umgedreht bedeutet das: An 26 Stunden in der Woche, die bekanntlich 168 Stunden hat, ruht der Verkauf. Es ist sicherlich der Politik schwer zu verkaufen, dass die Rettung der Handelswelt exakt an diesen 15% zusätzlicher Ladenöffnungszeit hängt.
Potenzial 3: Menschen lieben Menschen
Das Personal wird zukünftig vermehrt der Schlüssel zum Erfolg. Menschen wollen aktiviert werden, man muss Handlungsmotive verstehen und aktiv verkaufen. Sympathie in Dialogen aufbauen funktioniert nicht über die klassische Frage „Sie kommen zurecht?“ oder „kann ich Ihnen helfen?“. Solange Personal wegen mangelnder Ausbildung maximal als ein Kostenfaktor mit Verräumungspotenzial angesehen wird, kann man den zukünftigen Herausforderungen nicht entgegentreten. Aktuelle Erkenntnisse aus dem Neuromarketing müssen in neue Ausbildungsinhalte umgewandelt werden Wie bereits in einem anderen Artikel beschrieben muss man sich zuerst als Arbeitgeber für Potenzialkräfte attraktiv machen, um dann mit zeitgemäßen Ausbildungsprogrammen Kunden für sein Format zu begeistern.
Zusammengefasst hat der Handel ein großes Potenzial, das es auszunutzen gilt. Dabei sollte man zuerst Todsünden wie Schließung bei absoluten Kundenandrang als erstes vermeiden und sich z.B. Gedanken darüber machen, wie man ein attraktives „After Works Shopping“ dauerhaft etablieren kann. Das tut dem Handel und der Innenstadt gut, der Shopper freut sich zudem. Nun noch einen Satz zu dem bereit erwähnten Argument des Gleichstandes zwischen Online und Offlinehandel: Der Offliner hat einen riesigen Vorsprung, denn er ist da und bietet neben multisensorischer auch die persönliche Ansprache. Das muss er nur konsequent ausspielen. Auch während der aktuellen Öffnungszeit. Es bleibt also spannend!
Bilder: gmvteam GmbH
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[…] ein weiterer Vorteil eines Kreditvergleichs online ist selbstverständlich, dass dieser unabhängig von Öffnungszeiten durchgeführt werden kann. Damit einhergeht, dass sich ein Kreditantrag im Anschluss ebenfalls […]
[…] Öffnungszeiten beschäftigt, nachdem auf dem Handelskongress das Thema wieder entfacht wurde (Siehe auch den damaligen Post). In diesem Jahr hat sich die Situation aber deutlich zugespitzt, nachdem die Gewerkschaft Verdi […]
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