Serie: Die Erfolgsfaktoren für einen erfolgreichen Handel in der Innenstadt (1/3)
Teil 1: Loyalty und Parken
Eigentlich lässt sich der Erfolg einer belebten Innenstadt durch zwei Kennzahlen beschreiben: Aufenthaltsdauer und Frequenz. Uneigentlich aber auch. Mehr braucht man nicht, auch wenn oft etwas anderes und vor allem komplizierteres behauptet wird. Nein, es geht jetzt nicht um Flächenrentabilität, CoGS (Cost of Goods Sold) oder Economic Value. Vor all dem kommt etwas viel wichtigeres: Aufmerksamkeit!
Aufmerksamkeit ist für den stationären Handel die wichtigste Kennzahl der Zukunft, denn die Wettbewerber sind nicht der eCommerce oder die Geschäfte in der Nachbarstadt, sondern Kletterhallen, Freizeitparks oder der gemeinsame Waldspaziergang. Man muss dem Kunden heute viel Freizeitwert bieten, damit er diese in der Stadt verbringt und nicht woanders! Genau auf diesen Punkt geht diese Serie ein: Gib dem Shopper einen Grund, zu dir zu kommen! In mehreren Teilen werden wir die Belebung der Innenstadt zukünftig beschreiben.
Identifiziert die Barrieren!
Ein nicht unwesentlicher Punkt für die Attraktivitätssteigerung von Innenstädten ist die Senkung der Barrieren, die dem ganzen Bemühen entgegenstehen. An erster Stelle ist dort die Zutrittsbarriere des Parkplatzes anzusehen. Noch sind wir einen Autofahrernation, das zeigt sich immer wieder in den Standortanalysen der einzelnen Städte: Parkraummanagement und -preisgestaltung sind ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. In unserem Projekt der Future City Langenfeld begannen wir daher auch mit dieser Problemstellung. Eine Untersuchung der IHK Kassel-Marburg und die Einführung von Parkgebühren in Goch haben gezeigt, welche teils katastrophalen Auswirkungen z.B. Parkgebühren auf die Umsätze einer Innenstadt haben.
Eine Langzeitstudie der Gutenberg Universität Mainz über die Entwicklung der Innenstadt kam bei der Beurteilung der Parkmöglichkeiten zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Parken ist eine subjektive Angelegenheit! 90% der Befragten hielten die Parkgebühren für zu hoch, aber nur 9% störten sich wirklich daran. Perception is reality! – ganz besonders bei diesem Thema. Parkgebühren sind und bleiben ein emotionales Thema.
Was passiert in deutschen Städten?
Das Problem der Zutrittshürde Parken kann man nicht lösen, in dem man den Parkraum einfach kostenfrei stellt. Ruckzuck haben Dauerparker den Parkraum erobert, für Kunden bleibt nach kurzer Zeit kein Platz mehr. Also geht man beispielsweise hin, und lässt den Shopper die ersten 2 Stunden kostenfrei parken. Das Ergebnis: Man scheucht den Kunden nach dieser Zeit zurück zum Auto und aus der Stadt, die Kennzahl Aufenthaltsdauer wird damit nicht gerade beflügelt. Entspanntes Shoppen sieht anders aus.
Als Alternative setzt man eine geringe Parkgebühr von beispielsweise 0,50 € pro Stunden an, dafür bereits ab der ersten Minute. In der Wahrnehmung der Kunden stellt dieser Betrag aber einen wesentlich höheren Wert dar, er fühlt sich wesentlich wertvoller an. Hintergrund ist der im Auge des Shoppers fehlende Mehrwert, unterbewusst läuft die innere Uhr immer also mit!
Stellen Sie sich einmal vor, beim Aufruf eines Webshops im Internet würde eine Uhr mitlaufen, welche die Anwesenheitszeit des Kunden mit einem Preis belegt – egal ob er etwas kauft oder nicht! Dieser Webshop hätte exakt null Besucher, denn es wäre lächerlich, diese Seite aufzurufen. Zurück ins reale Händlerleben: Genau das ist aber gelebte Realität in unseren Städten!
In dem Future City Langenfeld Projekt verbindet man das Problem des Parkens mit dem Thema City-Loyalty. Als Basis dient dabei folgende These: Alle, die vom Standort Innenstadt profitieren, sind folglich auch an eine hohe Besucherfrequenz interessiert. Jeder weiß zudem, dass eine längere Aufenthaltsdauer auch mit steigendem Umsatz korreliert. Folglich sollen sich genau diese Interessengruppen in einer gemeinsamen Loyalty-Kooperation zusammentun. Konkret: Handel, Dienstleistung, Gastronomie, Ärzte und Rechtsanwälte ziehen an einem Strang, denn sie sitzen alle im gleichen Boot!
Loyalty und Parken – Neu gedacht in der Future City Langenfeld
Unter dem Dach der örtlichen Stadtwerke (also dem Unternehmen mit den meisten Kundenzugängen, physisch wie logisch) wird ein sogenannter Stadtschlüssel ins Leben gerufen: Ein Schlüsselanhänger, der mit einer Funktechnologie versehen ist. Dieser Anhänger ist mit einem Kundenkonto versehen und dient der Identifizierung. Das Team hat sich bewusst gegen die Integration der Funktion in Smartphones entschieden, und das aus 2 Gründen:
1) Das Datenschutzthema ist sehr wichtig: Es bleibt dem Kunden jeden Tag auf´s neue freigestellt, ob er Teil des Programms sein möchte
2) Der Roll Out geht damit wesentlich schneller
Und so funktioniert es:
Der Shopper erreicht das Parkhaus und verschafft sich mit dem Stadtschlüssel Zugang. Im Hintergrund läuft natürlich eine Uhr, die allerdings nicht präsent ist. Nun beginnt die Instore-Shopper-Journey: Für jede Transaktion in der Stadt, egal ob im Handel, im Restaurant oder beim Bäcker bekommt der Kunde einen bestimmten Wert auf sein Konto gutgeschrieben. Je mehr er in der Stadt unternimmt, desto größer wird sein Konto. Wenn er das Parkhaus verlässt, wird sein Konto mit der virtuellen Parkgebühr verrechnet. Damit sind 2 Hauptprobleme gelöst: Der Shopper hat mit Parkgebühren nichts zu tun, die Profiteure in der Innenstadt haben einen besonderen Standortvorteil.
Derzeit ist diese Lösung noch in der Phase der technischen Umsetzung, nach dem Sommer ist der erste Test mit einer Fokusgruppe geplant. Langenfeld ist mit dem Future City Projekt in den nächsten Jahren für Überraschungen gut, behalten Sie das im Auge! Mehr davon zukünftig hier!
Fotos: gmvteam GmbH und Stocksnap.io, Fotograf petradr
Die weiteren Teile unserer Serie:
Teil 2: Die digitale Innenstadt
Teil 3: Der digitale Schaufensterbummel
Mehr zur Future City Langenfeld
Danke für diesen Artikel über Erfolgsfaktoren für einen erfolgreichen Handel in der Innenstadt. Es stimmt, dass eine ausreichende Anzahl an Auto Parkplätzen einen großen Einfluss darauf hat, wie viele Besucher zum Shoppen in die Innenstadt fahren. Deshalb halte ich ein Parkraummanagement auch für sehr wichtig, so dass es sowohl ausreichend als auch erschwingliche Parkplätze gibt.
Toller Ansatz – und ich hab gleiche eine Idee, wo man die App und die Technologie noch einsetzen sollte: Arbeiten in Cafés: Je weniger Konsum, desto mehr „Flächennutzungsgebühr“!
Kennen sicherlich viele unter uns: 6 Stunden im Café gearbeitet, dabei eine Tasse Kaffee genossen, Wasser umsonst getrunken, neue Leute kennengelernt und den Blogartikel fertiggeschrieben.
Hat sich gelohnt – leider nicht für die/den Café-Betreiber:in.
Wie wär’s, wenn man sich etwas abschaut von diesem spannenden Forschungsprojekt.
Könnte man das nicht übertragen auf Cafés, die viele „arbeitende Menschen“ als Kundschaft haben? Geht in Richtung des Ansatzes von Cocoquadrat in Wien / Graz, aber eben noch etwas darüberhinaus:
Je weniger Café-Konsum, desto mehr „Flächennutzungsgebühr“!
Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, die Barrieren für Kunden zu senken, die in die Innenstadt kommen möchten. Die hohen Parkgebühren waren für viele meiner Kunden ein echtes Hindernis. Als ich von dem „Stadtschlüssel“-Konzept aus Langenfeld hörte, wusste ich, dass wir so etwas auch in Münster brauchten. Es ist erstaunlich, wie solch eine einfache Idee einen so großen Unterschied machen kann. Meine Kunden lieben das neue System und ich sehe viele neue Gesichter in meinem Geschäft. Es zeigt, dass die Aufenthaltsdauer und Frequenz wirklich die Schlüsselindikatoren für den Erfolg eines Geschäfts in der Innenstadt sind.
Hallo Alex, klasse, dass es so gut ankommt. Ich wusste gar nicht, dass es in Münster so etwas gibt. Hast du mal einen Link dazu? Vielen Dank! Lieben Gruß Frank Rehme