Studie: Konsumenten wollen neue Bezahlverfahren. Wirklich?
MasterCard hat 2015 eine Handelsstudie vorgestellt und titelte in der eigenen Pressemeldung dazu „New global retail study reveals consumer demand for new ways to pay“. Dies weckte natürlich schon im September 2015 meine Aufmerksamkeit, da ich genau das für deutschsprachige Länder vollständig anders gesehen habe. Ich denke, dass die Konsumenten gerade nicht auf neue Bezahlverfahren im Handel warten. Einerseits weil insbesondere wir Deutschen bis heute Barzahler sind, andererseits weil es nach meiner Ansicht schlicht keinen ausreichenden Mehrwert stiftet, bereits bestehende Bezahlverfahren auf Smartphones abzubilden. Prozesse und User Experience unterscheiden sich für eine simple Übersetzung von Desktop oder Karte auf mobile Geräte zu sehr. Diesen Standpunkt vertrete ich auch heute noch, vier Jahre später. Doch zurück zur Studie von MasterCard aus dem Jahr 2015.
Social Listening
Diese ist auch aus einem anderen Grund interessant. Denn hier hat man, im Gegensatz zu vielen anderen Studien, auf das „Social Listening“ gesetzt und keine gestützte Befragung durchgeführt. Bei einem Social Listening hört man den Konversationen auf verschiedenen Plattformen zu und versucht diese in positiv und negativ einzuteilen, also die Frage zu beantworten, ob die Konsumenten einem Thema aufgeschlossen gegenüber stehen oder eher nicht.
MasterCard hat von Juli 2014 bis Juni 2015 weltweit 1,6 Millionen Social Media Posts (Twitter, Facebook, Instagram, Forums, Weibo (CN), Google+ und YouTube) ausgewertet, die sich um Shopping und Handel drehten. Dies wurde in 61 Märkten in Nord- und Süd-Amerika, Europa, Afrika, Asien und Pacific RIM durchgeführt.
Es wurden sogenannte „Key Trends“ identifiziert (Sicherheit, Bequemlichkeit, Rabatte und Vorteile, Akzeptanz), zu denen die Gespräche beobachtet wurden.
Konsumenten sprechen über neue Bezahlverfahren? Really?
Ein Blick auf die Ergebnisse für Europa brachte 2015 folgende Ergebnisse zutage:
- Über Digital Wallets und In-App Payments (93%) wird wohlwollender gesprochen als über kontaktloses Bezahlen (91%)
- Entertainment und Mode (95%) sind die beiden am häufigsten positiv diskutierten Handelsbereiche
Ich war wirklich erstaunt, denn ich nehme Gespräche auf Social Media Plattformen über neue Bezahlverfahren im Handel bis heute im deutschsprachigen Raum völlig anders wahr. Natürlich sprechen auch Konsumenten darüber, aber es wäre mir neu, dass hier intensive Konversationen stattfinden würden. Ganz anders bei den Payment- Handels- und Banking-Experten und der gesamten Fintech-Branche. Hier hat das Thema Mobile Payment seit Jahren einen hohen Stellenwert und oft werden die Diskussionen sehr emotional geführt.
Dennoch nehme ich an, ohne dass ich es empirisch belegen könnte, dass die meisten Konversationen dazu eher neutral sind. Neutral wird meist dem Attribut „positiv“ zugewiesen, da es ja nicht negativ ist. Soweit würden sich hohe Werte erklären. Aber eben nicht für Konsumenten, sondern für Branchen-Insider.
Heute, im Jahr 2019, hat sich auch durch das Engagement der großen Digital-Plattformen wie Google und Apple einiges verändert. Würde man dieses Social Listening heute noch einmal durchführen, würden sicherlich wieder hohe Werte dabei herauskommen. Diesmal sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass mehr Konsumenten als 2015 über Mobile Payment sprechen.
Wichtigste Plattform Twitter? Nicht bei uns.
Ein weiterer Aspekt ließ mich damals die Interpretation, die MasterCard hier vorgenommen hat, für den deutschsprachigen Raum anzweifeln. MasterCard stellte fest, dass Twitter die weltweit am meisten genutzte Social Media Plattform sei, wenn es um Online-Konversationen über Handel und Shopping geht. Das will ich für eine weltweite Betrachtung gar nicht ausschließen.
Aber im deutschsprachigen Raum war Twitter 2015 das Stiefkind der Social Media Plattformen. Von den damals nur drei Millionen waren lediglich 880.000 aktiv, also weniger als 30 Prozent. Jedes deutsche Twitter-Konto hatte im Schnitt 590 Follower und folgte 315 anderen Twitter-Nutzern. Die große Mehrheit (2,4 Mio.) der drei Millionen Konten hatte aber nur 0 bis 50 Follower. Account mit 5.000 oder sogar 10.000 Followern waren schon fast jenseits der Nachweisschwelle.
Sich nun schwerpunktmäßig Twitter-Konversationen anzuschauen – was in anderen Ländern/Regionen sehr sinnvoll sein kann – und daraus auch für Europa ein einheitliches „alle wollen mit ihren Smartphones bezahlen“-Motto zu kreieren, ist schon mutig. Vielleicht war dann hier doch eher der Wunsch Vater des (MasterCard)-Gedankens. Für den deutschsprachigen Raum halte ich die Interpretationen von MasterCard für nicht zutreffend.
Natürlich hat auch Twitter in den vergangenen vier Jahren ein kräftiges Wachstum hingelegt, auch in Deutschland. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie sollen es in Deutschland heute 2,5 Millionen wöchentliche und 0,6 Millionen täglich aktive Nutzer sein. Ob sich an der oben beschriebenen Aufspreizung der Accounts etwas geändert hat, konnte ich aktuell nicht herausfinden. Wer hier Informationen/Quellen hat, melde sich doch bitte bei mir.
Entertainment, Mode, Bequemlichkeit, Rabatte
Welchen höheren Erkenntnisgewinn ich aus den Studienergebnissen beziehen sollte, dass sich Konsumenten auf Social Media Plattformen, wenn sie über Handel oder Shopping sprechen, über gehörte Musik, den zuletzt gesehenen Film oder Mode austauschen, war mir nicht ganz klar. Das wussten wir doch auch ohne Studie.
Schauen wir auf die bereits oben erwähnten Key Trends. Hier wies MasterCard etwas detailliertere Zahlen aus. Wir erfahren, dass die Deutschen eher über Bequemlichkeit (33%) und Rabatte (26%) sprechen. Bei den anderen Kriterien erscheint Deutschland nicht unter den ersten fünf. Rabatte hatte ich ja bei einem Volk der Schnäppchenjäger erwartet. Aber auch, dass sich die Menschen mehr über die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit der Verfahren austauschen würden. So erlebe ich die Diskussionen jedenfalls.
Fazit
Ein spannender Ansatz, mit Social Listening die Haltung von Konsumenten zu bestimmten Themen abzufragen. Doch wäre hier weniger vielleicht mehr gewesen. Oder anders ausgedrückt: Da die regionalen/nationalen Unterschiede bei einem Thema wie neue Bezahlverfahren (insb. aus deutscher Sicht) immens sind, hätte man eine solche Untersuchung besser feiner granuliert. So sind die Ergebnisse aus deutscher Sicht leider nicht mehr als ein Stirnrunzeln wert. Daher verzichte ich hier auch auf die Abbildung der Infografik, die es von MasterCard dazu noch gibt.
Update: MasterCard hat diese Studie in den letzten Jahren nie wiederholt. Wahrscheinlich aus Gründen.
Beitragsbild: Stockfoto – Tyler Olson/Shutterstock
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