ZDE Podcast 110: Der Kampf gegen die Schlange – Self Scanning im Handel
Warten an der Kasse – einer der Top-Frustrationsbringer im stationären Handel. Doch dagegen ist schon länger ein Kraut gewachsen: Self Scanning und Self-Checkout. Seit vielen Jahren sind Lösungen wie die Expresskassen bei Ikea bekannt. Was hat sich seitdem getan? Wie sieht der Markt und die Marktdurchdringung im Moment aus?
Darüber spricht Handelsexpertin Marilyn Repp mit Alexis Tsingeni. Sie verrät, worauf Händler:innen bei der Einführung achten sollten und für welche Händler:innen solche Lösungen eher weniger geeignet sind.
Gerade durch die Integration von Smartphones in den Bezahlablauf wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Werden wir bald alle im Store selbst bezahlen? Kassierer:innen sind schon bald Geschichte? Mehr dazu im neuen Zukunft des Einkaufens Podcast.
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Shownotes
Female Retail Podcast #83: Technologieskepsis als Innovationstreiber?
Self Scanning Test bei EDEKA: so wird das nichts!
Die Folge zum Nachlesen
Ein sommerliches Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe des „Zukunft des Einkaufens“ Podcasts. Mein Name ist Marilyn Repp. Ich beschäftige mich mit Digitalisierung, Innovation und Trends im Handel. Heute geht es um den kassenlosen Store, um Self Scanning und Self Checkouts. Wie ist da die Lage? Muss ich da mitmachen als Händler? Was bedeutet Self-Scanning eigentlich? Welche Lösungen gibt es da überhaupt? Wir werden einen kleinen Überblick über den Markt bekommen, also welche Lösungen es gibt und welche Fragen die Händler oft dazu haben und wir werden mal gucken, ob der Store der Zukunft wirklich kassenlos sein wird oder wie das in Zukunft aussehen wird. Wir haben hier natürlich heute wieder eine Expertin mit an Board, nämlich die Alexis Tsingeni und ich freue mich auf das Interview. Viel Spaß.
Marilyn Repp: Ich habe heute Retail Storytellerin Alexandra Tsingeni bei mir, beziehungsweise Alexis. Hallo und herzlich Willkommen.
Alexis Tsingeni: Hallihallo, freut mich, hier sein zu dürfen.
Marilyn Repp: Ja Retail-Storytellerin, das hört sich toll an. Genau das werden wir heute auch machen, wir werden eine Geschichte erzählen zum Thema Scan and Go, Self Checkout und Self Scanning und du bezeichnest dich auch als Scan and Go Enthusiast bei LinkedIn. Das fand ich auch richtig cool. Aber ich glaube, du kannst dich am besten selbst vorstellen.
Alexis Tsingeni: Vielen Dank. Ja mit Scan and Go hatte ich eigentlich nie etwas zu tun, bis ich bei dem Startup Snabble angefangen habe vor 3 Jahren. Die sitzen hier in Bonn und waren ganz frisch gegründet und da hieß es, sie bräuchten jemanden für Promotions. Und ich habe vorher in großen Konzernen wie Rewe und VW gearbeitet und dachte, Startup ist mal etwas anderes und das hat mich dann auch gefangen. Den Handel von der technischen Seite sehen, das ist eine ganz andere Geschichte, denn da tut sich im Hintergrund so viel und jetzt bin ich Head of Businessdevelopment bei Snabble und bin mit ganz vielen Händlern und Handelsexperten unterwegs und freue mich immer voll auf den Austausch. Also umso cooler, dass ich heute hier sein und mit dir das Thema Handel bequatschen kann.
Marilyn Repp: Du kommst ja auch aus dem Handel, also bist da schon seit vielen Jahren unterwegs. Auch deine Eltern sind aus dem Bereich, hattest du mir mal erzählt. Und du hast ein eigenes Format bei LinkedIn, das nennt sich Digital Coffee by Alexis, wo du Handelsexpertinnen und Experten, gerade auch aus dem technologischen Bereich interviewst, zu all den Themen.
Alexis Tsingeni: Ja genau. Meine Eltern sind schon seit Jahren auf dem Flohmarkt. Seit es den Euro gibt stand ich auch da und das Kundenklientel ist so durchwachsen und ich glaube das hilft mir heute und allgemein im Leben total. Wenn man von morgens bis abends auf dem Stand steht und sich mit Menschen unterhält, dann lernt man auch richtig viel, wie zwischenmenschlichen Umgang. Ich glaube bei all der Technik, die wir uns anschauen und die wir entwickeln, dürfen wir eines nicht vergessen: Der Mensch steht eigentlich im Vordergrund.
Und das Thema LinkedIn-Format. Ich freue mich mega, dass ich das machen kann und das so einen Zuspruch findet. Beim Digital Coffee geht es darum, innerhalb von 30 Minuten ein bisschen Edutainment zum Thema Handel zu machen, ein bisschen was Neues mitzunehmen und außerhalb seiner Bubble zu schauen. Ich hatte zum Beispiel Michael Gerling vom EHI und Birgit Thron von Tee Gschwendner da und für die zweite Staffel, die jetzt im Herbst kommt, kommen noch die ein oder anderen C-Level Gäste oder einfach Menschen, die im Handel tätig sind und uns etwas aus der Praxis erzählen können.
Marilyn Repp: Das klingt super. Ich bin ja auch ein riesen Fan von Formaten, Audio-Formaten. Also nicht nur Podcast, aber wo man irgendwie zuhören oder zusehen kann, weil all diese Artikel, Texte und Leitfäden finde ich immer ein bisschen schwierig. Wir haben alle keine Zeit und brauchen die Infos schnell und kompakt und da sind diese Formate, die wir machen, auch sehr hilfreich für viele Händlerinnen und Händler.
Heute soll es um das Thema Self Checkout gehen. Vielleicht kannst du einfach kurz ein paar Worte dazu sagen. Also wie ist da grad die Lage am Markt? Wie viele Händler nutzen das schon? Was ist das denn überhaupt?
Alexis Tsingeni: Ja, Self Scanning und Self Checkout, das sind so fancy Zungenbrecher. Wenn man es übersetzt bedeutet es, dass ich selber scanne, beziehungsweise meinen Kassenvorgang selber beende. Dahinter stecken ganz viele unterschiedliche Mechanismen und Technologien. Einer der allerersten, die das in Deutschland eingeführt haben, war Ikea. Die machen das seit 14-15 Jahren schon, das sind diese Express-Kassen.
Marilyn Repp: Die kennt man, ja.
Alexis Tsingeni: Genau, die kennt man.
Die haben ganz viele verschiedene Namen und das ist Self-Scanning, Self-Checkout. Also ich gehe als Kunde mit meinen bis zu 15-20 Artikeln hin, packe sie nochmal aus, scanne sie selber, zahle dann mit Karte oder Bar und kann dann raus gehen. Da gibt es ganz unterschiedliche Modelle, ob mit Schranke oder ohne, mit Barzahlung oder ohne. Technologisch hat sich da einiges getan in den letzten Jahren. Das Thema Mobile-Self-Checkout, vor allem in der Schweiz und den Niederlanden. Ein Coop und ein Migros waren da Vorreiter. Oder Frankreich war auch ganz groß unterwegs. Dabei ging es um Self-Scanning mit dedicated Devices, also mit einer Scannerpistole, die sich der Kunde zu Beginn des Einkaufs mit seiner Kundenkarte abgeholt hat und damit alles einscannen konnte. Am Schluss musste der Kunde dann trotzdem nochmal an die Kasse, da er die vorher eingelesenen Daten per QR-Code an einem Bezahlterminal eingeben musste, um dort bezahlen zu können. Ja Handys und Handykameras sind mittlerweile so gut, dass wir keine Scannerpistolen mehr brauchen, also keine Hardware mehr brauchen, sondern dass wir einfach mit dem eigenen Smartphone in der ganzen App-Welt sehr convenient Scan and Go machen können, also alles mit dem Handy einscannen und per in-App-Payment innerhalb der App bezahlen und einfach rausgehen können.
Marilyn Repp: Wie würdest du denn die Vorteile beschreiben, wenn jetzt ein Händler fragt, warum er Scan and Go denn braucht?
Alexis Tsingeni: Ist immer die Fragen, ob man es braucht oder nicht. Grundsätzlich braucht es nicht jeder Händler, denn es hängt nicht mit der Größe zusammen, sondern mehr mit deinem Sortiment, der Filialgröße und auch dem, was denn eigentlich dein Businessmodell ist. Also beispielsweise bei einer Nike-Filiale, einem Experiencestore, wäre es für mich cooler, wenn der Mitarbeiter mich sofort nach der Beratung abkassieren kann. Da brauche ich kein Self Scanning am, Schluss. Wenn ich jedoch über unser tägliches Einkaufen nachdenke, also der normale Supermarkt, der Unverpacktladen, der kleine Laden, wo nicht viele Kunden rein können, mein Ikea, meine Drogerie, da ist es total schön, wenn ich selber scannen kann, denn ich muss meine Sachen nicht ständig ein- und auspacken, muss es nicht auf ein Band legen, die kassierende Person muss es nicht anfassen, ich kann bargeldlos zahlen und spare einfach eine Menge Zeit. Und dass der Kunden glücklich ist, das ist supercool für den Händler, denn das bindet den Kunden und dann kommt der auch wieder. An der ein oder anderen Stelle konnte Snabble auch nachweisen, dass die Kunden zum Teil auch mehr einkaufen, weil sie entspannter sind.
Marilyn Repp: Wenn man sich Studien anguckt sieht man auch, dass das größte Frustationspotential im stationären Handel die lange Warteschlange an der Kasse bietet. Das sieht man immer wieder in Umfragen und Studien und ist immer unter den Top 3. Die Leute haben einfach keine Lust mehr anzustehen, nur um jemanden dabei zu beobachten, wie er die Artikel von rechts nach links zieht, vor allem im Lebensmitteleinzelhandel. Also Schlangen an der Kasse ist etwas von vorgestern, das brauchen wir nicht mehr und deswegen glaube ich, wird es in die Richtung gehen wie Scan and Go oder vielleicht so etwas wie Amazon Go, wo man gar nichts mehr selbst machen muss. Allerdings ist das wieder fragwürdig, was Datenschutz angeht und so weiter. Da gibt es aber inzwischen auch schon Lösungen, die ziemlich Datenschutz konform das Ganze durchführen, ohne, dass man dabei beobachtet wird, also ohne Kameras. Aber das ist schon ein anderer Bereich.
Was sind denn die häufigsten Fragen, die Kunden bei euch stellen? Oder was sind die häufigsten Problematiken, die auf euch zukommen?
Alexis Tsingeni: Ganz unterschiedlich. Ich sag mal so, die Endkunden- und die Händlerfragen unterschieden sich im ersten Schritt sehr wenig. Die erste Frage, die immer kommt, ist „wie macht ihr das mit Diebstahl?“, also wird verhindert, dass ich als Kunde da einfach rausgehe oder etwas nicht scanne. Da muss es Mechanismen geben und die gibt es auch. Das sind zwei verschiedene Dinge, die da kombiniert werden. Das ist zum einen die einfache Psychologie. Da geht es darum, ganz klare Prozesse, ganz klares Shopping zu machen, also eine einfache App zu bauen, in der ich keine Fehler machen kann und auch um diese Fragen, wo man rausgehen kann, ob es Touchpoints gibt, ob es Gates gibt. Also da dem Kunden eine ganz klare Leitlinie zu geben, was er wie scannen muss und wie er zum Beispiel die Anzahl eines Artikels erhöhen kann. Die Psychologie der Einfachheit unterstützt das Thema Inventurdifferenzen schon, denn wenn ich nicht dazu eingeladen werde irgendetwas mitzunehmen, dann machen es die meisten Menschen auch nicht. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das ist das zweite Thema. Wir haben bei uns Stichprobenkontrollen und wir merken uns auch, wer wie häufig und wie kontrolliert worden ist. Das heißt, abhängig von unterschiedlichen Markern, die über einen Algorithmus verrechnet werden, gibt es eine so genannte Control Indication. Und ohne dass es hier jetzt zu technisch wird: Wenn der Score zu hoch ist, schlägt das Ding dann aus und der Kunde kommt in eine Stichprobenkontrolle. Das heißt, auch wenn man sich in den meisten Installationen, die jetzt Snabble hat beispielsweise, garnicht registrieren muss, haben wir trotzdem über die eindeutige AppID schon einen eindeutigen Marker und wissen, wer diese Person ist, wie häufig sie kommt und in welchen Geschäften sie einkaufen geht. Und das ist schon echt spannend und hilft insgesamt bei dem Thema Inventurdifferenzen.
Marilyn Repp: Und was sagt die Statistik? Wird häufiger gestohlen oder nicht, bei diesen Lösungen?
Alexis Tsingeni: Das ist ganz spannend. Es ist vor zwei Wochen erst vom EHI die neue Inventurdifferenzenstudie 2021 herausgekommen welche unterstreicht, was vergangenes Jahr schon herausgekommen ist. Es wird nicht mehr gestohlen und es gibt insgesamt wesentlich mehr Self Checkout fähige Händler und insgesamt mehr Transaktionen und tendenziell gehen die Inventurdifferenzen sogar noch ein Stück zurück.
Was ganz spannend ist, ist dass wir immer von kompletter Inventurdifferenzvermeidung sprechen, wenn ein Endkunde das sagt. Allerdings kalkuliert ein Händler schon mit einem gewissen Schwund. Es spricht zwar keiner darüber, aber geklaut wird auch heute schon im Supermakrt und deshalb haben wir Warensicherung. Und das sind Themen, damit muss man sich auch beschäftigen, wenn man Self checkout macht.
Marilyn Repp: Ich habe mal gelesen, dass das meiste sowieso von den Mitarbeitern mitgenommen wird.
Alexis Tsingeni: Ja, kommt drauf an, in welcher Branche, aber leider ja.
Marilyn Repp: Ok, da hilft dann auch Scan and Go nichts.
Wie sieht es denn mit der Hardware aus?
Alexis Tsingeni: Ich hab ja eben erzählt, dass wir früher diese Handscanner hatten, die es noch im Globus gibt oder auch von der ein oder andere Rewe Filiale benutzt wird. Kann man machen, muss man aber nicht. Dadurch, dass die Smartphones der Kunden so gut sind mittlerweile, scannen die genau so gut oder sogar besser, als diese Handscanner. Das ist für den Händler natürlich total spannend, weil er diese Geräte nicht anschaffen muss und Kosten und Platz spart, dadurch dass Lizenzen wegfallen und kein Bereich für die Scanner eingerichtet werden muss. Also grundsätzlich lieber Handy als Handheld.
Marilyn Repp: Aber natürlich brauche ich eine App, also irgendeine Anwendung.
Alexis Tsingeni: Genau. Da gibt es zwei Optionen: Besonders die großen Händler haben überwiegend eine eigene App. Das ist eine App, in der ganz viele Händler sind und ich muss sie als Kunde nur einmal herunterladen. Ich muss auch nur einmal meine Bezahlart hinterlegen und dann ist das quasi eine Self Scanning Plattform. Und dann muss ich mir keine Gedanken machen welchen Zusatzcontent ich ausspiele oder wie ich dafür sorge, dass der Kunde die App nicht wieder runter schmeißt. Und die große Frage, wie ich einen Kunden überhaupt dazu bekomme, eine App zu installieren, die ist eine andere. Dafür muss der Mehrwert der App einfach groß genug sein.
Marilyn Repp: Das ist genau das, was ich jetzt auch angesprochen hätte. Ich merke das bei mir. Ich bin immer sehr zögerlich, was das runterladen von Apps angeht. Da hat man immer so eine innere Hürde und der Mehrwert muss wirklich sehr groß sein und man muss den Eindruck haben, dass man diese App jetzt auch regelmäßig nutzen wird. Ansonsten lädt man sich die nicht runter und entscheidet sich für einen anderen Weg.
Aber ich denke dieses ganze Thema wird auf uns zukommen. sicher war die Pandemie jetzt noch einmal eine Katalysator für diese Lösungen und viele Leute habe da sicher auch die Vorteile gesehen, also viele Endkonsumentinnen und Konsumenten. Also es wird mit Sicherheit in diese Richtung gehen und dann ist die Frage, welche Lösung sich da durchsetzt und wie wir das mit den Anwendungen machen, mit den Apps in Zukunft.
Alexis Tsingeni: Wir haben mit den Händlern sehr oft auch die Frage diskutiert, wie sie sich die Kasse der Zukunft im Supermarkt denn vorstellen. Und dabei sagen die meisten ganz klar, dass es immer hybride Kassensysteme geben. Also es wird für den Kunden immer wieder unterschiedliche Arten des auscheckens geben. Also der Kunden wird immer Möglichkeiten finden, seine Waren zu bezahlen. Manchmal mit einer bedienten Kasse, also klassisch mit Kassierer. Es gibt auch schon hardwareseitig so hybride Modelle, die sind dann entweder Kassenband oder eben Self Checkout. Je nachdem, wie voll es ist, wann im Jahr und welche Filiale das ist. Und es gibt auch schon die ein oder anderen Formate, die für Self Checkout prädestiniert wird. Alles was Richtung Convenience, 24/7 ist, alles wo Mitarbeiter- und Kassiererkosten so hoch sind, dass der Standort nicht rentieren würde, dann ist es eine spannende Geschichte. Dann gibt es zum Beispiel nur einen Self Checkout oder eben nur eine App.
Ganz wichtig an der Stelle. Diese 24/7-Konzepte sind zwar meist kassiererlos, aber nicht personallos. Also es gibt trotzdem jemanden, der nach dem Rechten schaut, der Waren verräumt und so weiter.
Marilyn Repp: Und der vielleicht auch rund um das Thema Service und Beratung da ist. Gerade haben wir ja im Lebensmitteleinzelhandelsbereich eine Situation, wo die Mitarbeitenden tatsächlich nur für solche ausführenden Tätigkeiten da sind, wie Kasse, Regale einräumen, Lager und so weiter. Aber wenn da Kapazitäten irgendwann mal frei werden, könnte man sich vorstellen, dass die viel mehr Beratung und persönlicher Austausch stattfinden kann. Das finde ich, ist eine sehr reizbare Vorstellung.
Alexis Tsingeni: Absolut. Also ich glaube, man muss auch der Mensch dafür sein, dass man auch mit anderen Menschen sprechen und diese Beratung machen möchte, aber für mich als Kunde ist es egal, ob ein Mensch abkassiert oder eine SCO das macht. Aber ich brauche vielleicht jemand, der in der Backabteilung steht und mir den Unterschied zwischen Backpulver und Natron erklärt. Und mich vielleicht auch berät, ob ich das eine oder das andere brauche. Oder beispielsweise mir ist das letzte Mal die Glasur geklumpt. Was hab ich da falsch gemacht, was muss ich anders machen? Oder im Kosmetik Bereich dahingehend jemanden zu haben, der mir hilft. Also das sind wirklich Mehrwerte bei denen ich sage, dass der stationäre Handel dort so einen großen Vorteil gegenüber dem e-Commerce hat und der einfach stärker ausgespielt werden muss. Natürlich kostet das, natürlich braucht man Personal dafür. Aber eigentlich nicht an der Kasse zum abpiepsen sozusagen.
Marilyn Repp: Alexis, kannst du noch etwas dazu sagen, wie die Lage global aussieht? Ich hab den Eindruck, dass wir hier in Deutschland bei diesen Lösungen etwas hinterher sind. Kannst du das bestätigen?
Alexis Tsingeni: Vor 2 Jahren hätte ich gesagt ja. Heute, Stand Juli 2021, würde ich sagen nein. Wir geben schon richtig Gas. Also wenn man nach Amerika schaut und sieht wie sehr Amazon punktuell technisch voran geht, dann ist das schon krass. Wenn man nach Asien guckt, dann ist da auch die digitale Filiale ein echt großes Ding. Also mit viel mehr Augmented Reality Services und so weiter und auch Super Speed Delivery. Auf der anderen Seite haben wir hier in Deutschland, europaweit gesehen, mittlerweile wirklich gute Technologie und eine sehr weite Verbreitung. Nicht das Thema Self Scanning und Self Checkout, auch beim Thema Fashion. Da gab es den ein oder anderen Flagshipstore von sOliver, von Esprit, wo die einfach so Dinge wie einen smarten Spiegel und einen Assistenten, der dir dann die Sachen reinbringt, getestet haben. Also Stückchen für Stückchen, aber bei weitem eben nicht mehr hinterher, sondern in der Vorreiterrolle.
Marilyn Repp: Ja dazu muss man aber sagen, dass die Technologien und die Flagshipstores da sind, aber was den Rollout und die Fläche angeht habe ich den Eindruck, dass wir ein bisschen hinterher sind und diese ganz vielen digitalen Lösungen, die es eigentlich gibt, sehr lange brauchen, bis sie auf der Fläche ankommen. Aber natürlich war Corona jetzt ein Katalysator für all das.
Alexis Tsingeni: Man muss halt auch sagen, dass die Deutschen es immer richtig machen wollen.
Marilyn Repp: Perfektionismus.
Alexis Tsingeni: Ja total. Also die wollen halt gleich mit einer 100%-Lösung raus und dann erstmal auch ordentlich intern testen mit einer mini Zielgruppe und dann langsam größer. Das kriege ich von ganz vielen Seiten mit, auch von vielen anderen Tech-Startups. Und so zwei Jahre später schaut man und sieht, es hat nicht gut geklappt und fragt sich, warum es nicht geklappt hat. Nur wenn man nicht voll Gas gibt und richtig hinter der Lösung steht und das kommuniziert, dann bekommt man auch wenig Nutzungsquote rein. Wenn man jedoch Promotion macht, es bewirbt und die Filiale Bock auf solche Themen hat, dann funktioniert es tendenziell viel, viel besser. Also die Einführungsphase einer Technologie entscheidet sehr stark darüber, wie es angenommen wird und über den Erfolg eines Piloten.
Marilyn Repp: Ja vielen Dank Alexis, für diese Einblicke jetzt auch, was die Einführung angeht, also die softeren Themen bei der Einführung von neuen Technologien. Wir haben ja hier bei Zukunft des Einkaufens auf unserer Webseite in unserem Blog wirklich ganz viele Artikel und Whitepaper und Sachen rund um das Thema Self Scanning und Self Checkout. Das ist wirklich ein großes Thema, mit dem sich die Händlerinnen und Händler auseinander setzen sollten. Gerade jetzt, nach der Pandemie ist vor der Pandemie würde ich fast sagen, begleiten uns diese ganzen Themen, auch kontaktloses Bezahlen, Abstand halten, wirklich noch länger und das muss man natürlich auch technologisch bei sich umsetzen können. Das sind Bedarfe der Kunden und Bedürfnisse, auf die man eingehen muss.
Alexis, hast du noch etwas anzufügen oder hast noch einen Appell oder ein SumUp?
Alexis Tsingeni: Ja vielleicht noch gerne eine Sache und zwar in Richtung Handel: Handel bedeutet handeln. Das war einer der ersten Sprüche, die ich damals bei meiner Ausbildung bei Rewe gelernt habe, zusammen mit dem Leitspruch ‚Jeden Tag ein bisschen besser’. Und für alle da draußen: Nehmt euch das zu Herzen und tragt es in eure Organisation rein, denn was wir immer wieder in den Projekten merken ist, dass wenn man eine Person hat, die für ein Thema brennt, sich dieser Enthusiasmus und der Glaube an eine Technologie wie ein Lauffeuer verteilt. Man braucht halt manchmal einen Hero und somit gilt: Einfach machen!
Marilyn Repp: Einen internen Botschafter oder eine Botschafterin für die neue Technologie, für die Umbrüche.
Ja, vielen Dank, liebe Alexis. Schön, dass du bei uns warst. Ich wünsche dir Alles Gute und bis bald.
Alexis Tsingeni: Bis bald, danke.
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