Promotions: Das One Way Ticket in den Wahnsinn
Wir kennen sie alle: Promotionen am PoS, die netten Verkaufsdisplays und Zweitplatzierungen, über die wir so oft stolpern. Das ist kein reines FMCG-Thema, sondern breitet sich in verschiedenen Branchen massiv aus. Im Fashionbereich ist die Preisreduzierung jenseits der klassischen Schlussverkäufe schon an der Tagesordnung. Die roten „SALE“ Schilder lachen uns das ganze Jahr über bereits an. Auch der Automobil Massenmarkt ist davon nicht gefeit: Zur Ankurbelung bestimmter Modelle oder zum Abbau von Haldenbeständen werden Tageszulassungen vollzogen, die dann mit massiven Preisabschlägen in den Markt gedrückt werden. Eines haben all diese Aktionen gemeinsam: Sie konditionieren Verbraucher dahingehend, ihr gelerntes Preisgefühl zu verändern oder bei bestimmten Warengruppen generell nur preisreduzierte Ware zu kaufen. Ein Beispiel ist Waschpulver: Es ist sehr schwer, diesen Artikel zum regulären Preis zu verkaufen. Der Shopper greift zu, wenn es preiswert ist und legt sich mehrere Packungen auf Lager.In meinem Blogpost zur Kaisers Tengelmann Übernahme habe ich das Thema Cash-Burning durch Promotionen bereits grob beschrieben, jetzt möchte ich darauf etwas tiefer eingehen.
In Europa ist eindeutig ein Trend zu mehr Promotions zu erkennen. Die Auflistung von Nielsen aus 2014 zeigt beeindruckend die Entwicklung im FMCG Bereich, die sich bis heute sogar verschäfft hat:
Man muss sich das mal vor Augen führen: Jede 2. Tschechische Krone wird für preisreduzierte Ware ausgegeben, die natürlich eine deutlich niedrigere Spanne besitzt. Generell kann man aber erkennen, dass sich dieser Trend speziell in die jungen Märkte Osteuropas besonders ausbreitet. Erstaunlich ist hier das scheinbar glückliche Schlusslicht Deutschland. Der Schein trügt hier, dann nirgendwo sind die Spannen niedriger als, folglich bleibt keine Luft mehr übrig für weitere Senkungen. Das Geburtsland der Discountern folgt speziell in diesem Fall eigenen Regeln.
Die Never-Come-Back Spirale
Alles in allem zeigt diese Aufstellung eine unglaubliche Wertevernichtung, die auf kurzfristige Gewinnmaximierung abzielt. Denn zwei Dinge sind klar:
- Dadurch, dass man versucht, durch Preissenkungen mehr Absatz zu erzeugen, wird der Markt ja nicht größer! Man gewinnt bestenfalls Anteile vom Wettbewerber, im Regelfall aber konditioniert man seine loyalen Kunden um und kanibalisiert so die eigenen Gewinne von morgen.
- Wenn man auf dem Nielsen Chart einmal den Weg nach links eingeschlagen hat, wird wird es schwer bis unmöglich wieder zurück zu kommen. Das ist ein One-Way-Ticket des Marktes, das eine Spirale mit unvorstellbarer Eigendynamik in Gang setzt.
Mit viel Aufwand aufgebaute Marken, die im Sortimentsgefüge ihr Preisfeld gefunden haben, verlieren massiv an Strahlkraft, Wertschätzung und damit auch Marktkapitalisierung.
Beispiele zeigen den Weg nach unten
Das diese Entwicklung negative Folgen nach sich zieht ist nicht neu: Bereits 2003 hat McKinsey in der Studie „The Power of Pricing“ die Mechanismen in eindrucksvoller Weise aufgezeigt. Sie haben festgestellt, dass eine Preisreduzierung von 5% den Abverkauf um mindestens 18,7% erhöhen muss, um den Verlust erst einmal nur zu kompensieren. Wenden wir das Rechenbeispiel an einem konkreten Fall an: Die Listung von Red Bull beim Discounter Aldi, die national mit einer Preisreduktion von 25% verbunden war. Diese Aktion hätte, um verlustfrei zu bleiben, das Abverkaufsvolumen fast verdoppeln müssen, was faktisch unmöglich ist. Damit wird klar, in welchem Ausmaß nicht nur die Marke gelitten hat, sondern auch die Profitabilität des Unternehmens geschädigt wurde.
Wo ist also der Sinn der Promotionen?
Natürlich gibt es auch Bereiche, in denen Promotionen durchaus Sinn machen und überlebenswichtig sind. Hier drei Beispiele:
- Es gibt bestimmte Marken, die überhaupt nur durch Promotionen überleben können. Der Shopper hat das psychologische Preisbewusstsein komplett verloren, daher sichern bzw. steigern Promos die jeweilige Marktposition.
- Bei grossen Marken ist das Thema Marktpräsenz ein wichtiges Thema. Gerade der Category-Captain in wie z.B. Lenor im Weichspülerbereich sichert so Marktanteile und Kundenbindung.
- Bei der Markteiführung neuer Produkte sind Promotionen ein unverzichtbares Werkzeug, um in der Masse der Wettbewerber überhaupt aufzufallen. Auch in der anschließenden Entwicklung von Marken bzw. der Stützung des markenwertes sind sie ein probates Mittel. Man darf nicht den Zeitraum verpassen, an dem es sich lohnt, auf Basis einer dann starken Käuferbindung die Aktionen sukzessive wieder zurückzufahren.
Abschließend möchte ich eine Metapher bemühen: Promotionen sind eine gefährliche Waffe, die das Marktgefüge nicht unerheblich beeinflussen. Wer dieses Schwert benutzt muss man genau schauen, gegen wen er es einsetzt ohne sich selbst zu verletzen!
Aber: Jede Waffe wird auch irgendwann stumpf und nutzt sich ab, wenn sie zu oft benutzt wird!
Lieber Herr Rehme,
neben den im Artikel genannten Preis-Promotions gibt es noch eine Reihe weiterer Promotion-Arten. Fassen Sie diese ebenfalls unter den schmissigen Claim des Wahnsinns zusammen oder haben Sie hier eine differenzierte Sichtweise?
Wie schaut es beispielswiese mit einem Galeria Kaufhof Monopoly, dem Hasenrasen von Media Markt oder dem LIDL Grilldiamanten aus? Auch Wahnsinn?
Bin gespannt.
Grüße aus dem Rheinland,
Andreas Rost
Lieber Herr Rost,
absolut nicht, das packe ich eher in die Rubrik der besonderen Werbekampagnen zur Belebung der Frequenz. Diese ziehen sich ja durch das gesamte Sortiment und sollen nicht etwa ein Produkt pushen. Aber auch mit dieser Form kann man sich am Markt verschätzen. Wir kennen ja alle die Aufrufe nach dem Motto „20% auf alles außer Tiernahrung“. Gerade Praktiker hatte damals aber eine Preisspirale nach unten in Gang gesetzt, aus die sie nie wieder herauskamen. Kunden kamen dann nur noch zu Aktionszeiten, sonst blieb der Laden leer. Also bei zunehmender Nutzung werden Kampagnen auch zum Fluch!
Lieber Herr Rehme,
nach meiner Einschätzung geht es bei den o.g. Aktionen NICHT nur um „Belebung der Frequenz“. Und doch, mittlerweile gibt es auch Aktionen dieser Art, die gezielt auf Eigenmarken-Sortiment gehen.
Den Kontext mit den 20% von Praktiker verstehe ich nicht. Hier reden wir ja wieder über eine Preis-Promotion. Beim Sinn und Unsinn solcher Aktionen sind wir einer Meinung.
Mir geht es um eine differenziertere Betrachtung der Promotions. Denn gerade hier setzt der Handel (neben Preis-Promotions) in meiner Wahrnehmung vermehrt Benchmarks, die bis dato von der Industrie kamen. Die o.g. Aktionen sind zum Teil ein Beleg dafür.
Viele Grüße,
Andreas Rost
Schlimmer noch scheint mir, dass jeder diese Abwärtsspirale kennt, aber dennoch alle machen. Kurzfristige Vertriebsziele sind dann oft wichtiger als langfristige Markenführungsaspekte.
Übrigens auch spannend – auch der Handel davon keinesfalls profitiert. Wir sehen immer wieder, dass je höher die Promotionneigung von Shoppern ist, desto mehr auch die Einkaufsstätten nach aktueller Angebotsdichte ausgwählt oder kombiniert werden. Dementsprechend niedrig ist z.B. die Einkaufsstättenloyalität in vielen osteuropäischen Märkten.