Chatbots: Wollen Kunden mit ihnen sprechen?
Immer wieder begegnet es mir, dass stationäre Händler oder City-Manager beim Thema Chatbots und Sprachassistenten abwinken. „Das brauchen wir nicht“, „Unsere Kunden nutzen so etwas nicht“ oder auch „Da glaube ich nicht dran“. In solchen Momenten habe ich ein ganz starkes Déjà-vu und fühle mich nach 2006 zurück versetzt, als ich ähnliche Reaktionen bekam, wenn ich sagte, dass Mobiltelefone (Smartphones gab es noch nicht) eine enorme Rolle in unseren Leben einnehmen werden.
Ich will also versuchen zu erläutern, warum sich sowohl der stationäre Handel und Marken als auch City-Manager schnellstens mit Chatbots und Sprachassistenten beschäftigen sollten.
Bevor ich einige Beispiele zeige, erst einmal zur Definition und Verbreitung von Chatbots und Sprachassistenten.
Chatbots
Chatbots sind Computerprogramme, die eine eingetippte Frage in ihre Einzelteile zerlegen, Regeln wie z.B. Keywords erkennen und verarbeiten und entsprechende Antworten ausgeben. Diese regel-basierten Chatbots haben erst einmal nichts mit künstlicher Intelligenz KI (Artificial Intelligence, AI) zu tun und entsprechend eingeschränkt sind ihre Reaktionen oftmals. Erst wenn der Chatbot eigenständig Probleme lösen und sich selbst weiter entwickeln kann, sprechen wir von KI.
Chatbots „leben“ in Messengern wie dem Facebook Messenger oder WhatsApp. In Asien ist WeChat ausgesprochen populär und gilt als Vorzeige-Plattform unter den Messengern.
Der Facebook Messenger hat bereits mehr als 100.000 Chatbots und weltweit entwickeln Tausende Entwickler weitere Bots für diesen Messenger.
Über WhatsApp werden täglich mehr als 50 Milliarden Nachrichten verschickt und ist bei den Deutschen sehr beliebt. In Sachen Chatbots entwickelt sich WhatsApp noch eher langsam, auch wenn es jetzt ein Business-Angebot gibt.
Viele Unternehmen setzen in Deutschland bereits Chatbots ein. Beispiele sind Lufthansa, Zalando, H&M, die Sparkassen, Opel, Maggi oder Freenet TV uvm.
Sprachassistenten
Im Vergleich zu Chatbots, die Tastatur und Bildschirm benötigen, nutzen wir bei den Sprachassistenten unsere Stimme. Hier ist der Kampf um die Vorherrschaft in vollem Gang. Googles Assistent (Home), Apples Siri, Amazons Alexa oder Microsofts Cortana. Alle versuchen, in die Pole-Position bei uns zu kommen. Und weitere Anbieter stehen bereits in den Startlöchern.
Häufig verbinden wir mit den Sprachassistenten, dass sie (nur) zu Hause genutzt werden. Durch den Erfolg von Amazons Alexa mag dieser Eindruck entstanden sein, doch Sprachassistenten sind keineswegs nur stationär. So setzt z.B. das Hosenlabel Alberto Alexa in seinem Concept Store ein und Starbucks bringt seinen Alexa-Skill (so heißen die Unternehmensanwendungen) in Kooperation mit Ford auch in unsere PKW.
Die Sprachsteuerung werden wir auch in WhatsApp und dem Facebook Messenger vermehrt nutzen und so wird es spannend sein zu sehen, wie sich die Chatbots von heute weiter entwickeln.
Nutzerakzeptanz
Kunden möchten in der Kommunikation mit Unternehmen ihr Problem gelöst haben und zwar einfach und schnell. Das hört sich erst einmal nach einem No-Brainer an. Doch genau an diesen drei Anforderungen scheitern heute noch viele Unternehmen und Institutionen. Informationen sind häufig in der Organisation vorhanden, gelangen aber nicht einfach und schnell zum Kunden. Genauso müssen Kunden häufig suchen und Umwege in Kauf nehmen, bis sie zu der Person oder an die Stelle gelangen, die ihre Probleme löst.
Hier können Chatbots und Sprachassistenten helfen. Sie sind intuitiv bedienbar, jederzeit verfügbar und werden von den Kunden bereits akzeptiert. Dies zeigt eine aktuelle Befragung von 2.000 Konsumenten in Großbritannien: 70 Prozent der Befragten würden einen Chatbot einem Menschen vorziehen, da sie erwarten, von ihm die gewünschte Information schneller zu erhalten.
Beratung
Mit Chatbots und Sprachassistenten ist es nicht nur möglich, 24/7/365-Services intuitiv bedienbar abzubilden. Auch zusätzliche Dienste und Beratungen werden möglich, wie der Chatbot von North Face zeigt. Der Chatbot fragt nicht ab, welche Jacke der Kunde möchte, sondern was er wo vorhat und bietet ihm genau für diesen Anwendungsfall die passende Jacke an.
Nicht nur der Kunde profitiert von einer solchen Beratung. North Face erhält wertvolle Informationen und Daten über seine Kunden, die diese bereitwillig zur Verfügung stellen.
Städte-Services
Der WienBot im Facebook Messenger beantwortet rund 250 Fragen und schlägt weiterführende Links oder Services der Stadt Wien vor, z.B. Bezirksämter, Hotlines, Meldezettel, Parken, Bäder, Veranstaltungen etc. Zurzeit läuft die Testphase, in der Erfahrung und Feedback gesammelt wird.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.wien.gv.at zu laden.
Rund-um-Services
Die holländische Fluglinie KLM zeigt mit ihrem Chatbot sehr schön, wie sie den Service für die eigenen Kunden verbessert. Buchungsbestätigung, Board-Karten, Erinnerungen an den Check-In und auch Umbuchungen oder Upgrades. Alles läuft für den Kunden sehr bequem und interaktiv auf seinem Smartphone. KLM profitiert sowohl von zufriedenen Kunden als auch Kostensenkungen im Service, z.B. im Call-Center.
Warum nicht Antwort auf die Frage nach dem Verbleib des Pakets, nach der Bedienung oder Reinigung des Produkts oder auch Möglichkeiten der Anwendung von einem Chatbot beantworten lassen?
Handel und vitale Innenstädte
Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die Anwendungsbereiche von Chatbots und Sprachassistenten sind und so mancher fragt sich jetzt, was es für den stationären Handel oder die Erlebniswelten, die Innenstädte heute schaffen müssen, heißen könnte. Natürlich ist dies höchst individuell und kann pauschal im Rahmen dieses Artikels nicht final beantwortet werden. Doch ein Blick auf die Wünsche der Kunden hilft vielleicht ein wenig weiter.
In oben bereits erwähnter Studie wurde auch abgefragt, wofür die Nutzer gern einen Chatbot nutzen würden und hier wird sehr deutlich, dass es um die Verbesserung der Informationsbereitstellung geht. Dies wäre also für stationäre Händler und City-Manager ein erster Schritt.
Kompliziert und teuer?
Viele denken nun, dass ein eigener Chatbot, z.B. für Facebook, wenn nicht unglaublich kompliziert zu erstellen, dann doch zumindest sehr teuer sein müsse. Aber ganz im Gegenteil. Es gibt verschiedene Tools, mit denen ein Chatbot schnell erstellt ist. Chatfuel ist so ein Tool, das nicht nur einfach und ohne Programmierkenntnisse bedienbar ist, sondern auch noch kostenfrei zur Verfügung steht.
In WhatsApp kann jeder, auch mit seinem Business Account, beliebig viele Broadcast-Listen mit bis zu 256 Empfängern erstellen. Wem dies zu fummelig ist, kann auf Services wie z.B. WhatsBroadcast zurückgreifen. Den gibt es schon ab 69 Euro pro Monat.
Gemeinsam stark
Nun muss nicht wirklich jeder stationäre Händler einen eigenen Chatbot haben. Dies würde insbesondere kleinere Händler sicherlich überfordern. Aber warum nicht, gemeinsam mit dem City-Management und allen anderen lokal ansässigen Unternehmern, einen „Einkaufsstrassen-Chatbot“ oder einen „Innstadt-Chatbot“ aufsetzen, in dem Bürger und Shopper alle wichtigen Informationen finden können? Wie immer in unseren bewegten, digitalen Zeiten heißt es „Cooperation not Competition“!
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