Hänsel und Gretel 2.0 oder die Mär von der Datenkrake Retail
Heute wenden wir die Wahrnehmung des Handels im Auge des Kunden auf ein Märchen an: Hänsel und Gretel. Da ist die böse Hexe, in dem Fall der Handel, der in einem zuckersüßen Knusperhaus wohnt, von dem alle Kosten wollen: Der Laden, der voll von Konsumgütern ist. Was dann passiert beschreiben die Gebrüder Grimm so: Kaum sind Hänsel und Gretel dem Knusperhaus erlegen, zeigt die böse Hexe ihr Gesicht und fängt die Kinder ein. Natürlich werden sie im echten Leben dann nicht für ein Abendessen vorbereitet. Was aber passiert ist die Angst, dass im eCommerce und im stationären Handel jede Menge Daten vom Kunden gesammelt werden und damit der Kunde gläsern wird.
Angst vor der Daten-Hexe
Ganz speziell ist in dem Bereich Deutschland, das Land der Datenschützer: In einer Studie, die im Harvard Business Review veröffentlicht wurde, ist diese Tatsache mehr als deutlich geworden. Die Deutschen sind mehr auf den Schutz ihrer Daten im Internet bedacht als US-Amerikaner, Briten, Chinesen und Inder.
Nirgendwo anders sind bei Google Street View mehr Häuser verpixelt als in Deutschland, nirgendwo werden mehr unsinnige Widersprüche gegen Facebook-Geschäftsbedingungen gepostet als bei uns.
Wir fürchten uns davor, dass neben dem Handy der Kanzlerin auch unseres abgehört wird und jede Anfrage bei einer Suchmaschine dazu benutzt wird, uns auf schmutzige Gedanken hin zu untersuchen. Aber besonders der Handel steht im Fokus des Misstrauens: Er will unbedingt mehr über uns wissen, um uns Dinge zu verkaufen, die wir nicht brauchen.
Aber was bedeutet das eigentlich? Was schürt diese Angst? Ist es die Angst vor Systemen, die wir nicht durchschauen und die uns daher unsicher machen? Fürchten wir uns über den Einfluss, die derartige Systeme durch Pannen und Schäden durch Schlamperei, Fehlsteuerung und Missbrauch auf unser Leben haben?
Fest steht, dass wir derzeit in unserem Land keinen rationalen Zugang zu diesem Problem finden. Viele Innovationen werden in Deutschland aus diesem Grund nicht entwickelt bzw. an den Start gebracht; oft werden in voreilendem Gehorsam disruptive Lösungen gar nicht erst weitergedacht.
Messen mit zweierlei Maß
Wir genießen die Lösungen, die unter Missachtung unserer hohen Datenschutzethik in Übersee entwickelt werden wie z.B. Google, Facebook, Whatsapp, TikTok und Co. und verhindern zugleich, das sich solche Milliardenkonzerne bei uns entwickeln können. Aber nicht nur dabei handeln wir Deutsche hybrid: Wir besitzen auch gern Daten, und das bringt uns einen echten Vorteil!
Schauen wir uns einmal an welche Informationen den Käufer zu einem echten Datenkönig macht und ihm einen großen monetären Nutzen bringt:
- Er sieht in Preisvergleichsportalen, wer welchen Artikel am Günstigsten anbietet.
- Er liest in Rezensionen wie z.B. bei Amazon, wie es um die Qualität der Artikel bestellt ist.
- In verschiedenen Bewertungsportalen bekommt er einen Überblick über die besten Ärzte, Rechtsanwälte und Hotelzimmer.
- Er kann jederzeit Verfügbarkeiten von Waren checken.
- Er kann sich auf entsprechenden Portalen die geeigneten Lebenspartner vorschlagen lassen
- Selbst seinen letzten Weg kann er auf www.bestattungsvergleich.de sehr rational planen.
Zudem hat er ein mächtiges Tool an der Hand: Den Shitstorm. Die Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager ermöglicht durch die hohe Vernetzungsdichte eine unglaubliche Möglichkeit des Auslebens von Spontanaktivitäten.
Gerade die Konsumgüterhersteller haben in der Vergangenheit diese Machtverschiebung deutlich zu spüren bekommen, werden sie doch generell sehr misstrauisch von Medien und Konsumenten beäugt.
Zusammengefasst ist der Kunde, was die Verfügbarkeit von Daten speziell über den Handel angeht, klar im Vorteil. Verfügt sein Gegenüber allenfalls über anonymisierte oder komprimierte Daten, hat der Kunde all die vorgenannten Info´s in Reinkultur vor sich.
Am Ende ist die Hexe doch nicht tot!
Leider sagt man, dass Märchen eben Märchen sind und nicht wahr werden. In unserem Beispiel aber herrscht mindestens Gleichstand, die Hexe ist deutlich schwächer als gedacht. Sie ist zwar nicht in den Ofen gestoßen worden, aber hat ihre gefährlichen Zähne verloren. Insofern ist die Geschichte um Hänsel und Gretel noch lange nicht zu Ende.
Bildquelle:pixabay
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