Paid Loyalty: Shopper bezahlen für Kundenbindung
Vor wenigen Jahren führte Amazon sein Paid Loyalty Programm „Amazon Prime“ ein und das Programm ist extrem erfolgreich. Allein in Deutschland haben 17,3 Mio. Haushalte eine Amazon Prime Mitgliedschaft. Dies entspricht ca. 35 Mio. Menschen, somit beinahe die Hälfte aller deutschen Bundesbürger. Amazon verzeichnet durch seine Prime Mitgliedschaften ein signifikantes Umsatzwachstum.
Aufgrund dieser Erfolgsstory stellen sich andere Unternehmen immer wieder die Frage, ob ein neues Loyalty Format als Mitgliedschaftsgebühr sinnvoll und erfolgreich sein kann. Aktuell wird in UK mit großem Marketing TamTam ein Paid Loyalty Programm eingeführt.
Am 8. November 2019 startete die Tesco Clubcard Plus, eine Erweiterung zur bisherigen Tesco Clubcard. Bei Tesco handelt es sich um den größten Lebensmittelhändler in UK. Das bestehende Clubcard Programm hat mehr als 16 Mio. Mitglieder. Der neue zusätzliche Premiumservice kostet monatlich 7.99 £.
In seiner Ankündigung verspricht Tesco, dass ein Premium Mitglied im Durchschnitt 400 £ jährlich als Gegenwert erhält. Die Ausstattung der Mitgliedschaft sieht wie folgt aus:
- Automatischer 10% Discount auf den Gesamteinkauf (2x im Monat)
- 10% Discount auf Tesco Eigenmarken (unbegrenzte Verfügbarkeit)
- Tesco Handykartenbesitzer erhalten doppeltes Datenvolumen pro Monat
- Kostenfreie Tesco Kreditkarte, ohne Auslandseinsatz Gebühr
- Zusätzlich weitere personalisierte Surprise & Delight Kampagnen
Wen soll ein Paid Loyalty Programm erreichen?
Ein bezahltes Paid Loyalty Programm hat vor allem die Top 20 Kunden eines Unternehmens im Fokus. Also Kunden, welche einen sehr hohen CLV (Customer Lifetime Value) erwirtschaften. Bei Amazon haben Prime Mitglieder durchschnittlich einen 2.4-fachen höheren Umsatz als ein Nicht-Mitglied getätigt.
Bei Amazon ist deutlich erkennbar, dass Mitglieder die Marke als Nr. 1 im Relevant-Set haben. Relevant-Sets sind die Marken oder Händler, die sich im Gedächtnis des Kunden verankert haben. Der erste Gedanke beim Einkauf im E-Commerce gilt Amazon. Dagegen anzukommen, ist für die Konkurrenz Schwerstarbeit.
Ein Mitglied wird aufgrund der bezahlten Mitgliedschaft fast immer zuerst bei Amazon recherchieren und höchstwahrscheinlich einkaufen. Also meist bevor die Wettbewerber in die Einkaufsüberlegungen mit einbezogen werden.
Kannibalisiert ein Paid Loyalty Programm das kostenfreie?
Bleiben wir im Tesco Beispiel: Hier wird das bestehende kostenfreie Punkteprogramm weitergeführt. Und dies ist ein logischer Schritt, denn es nicht das Ziel, den größten Teil der eigenen Kunden zum Wechsel zur Konkurrenz zu bewegen. Es geht viel eher darum, Kunden aus dem bestehenden Programm in den neuen Plus Service zu konvertieren.
Kostenlose Punkteprogramme können ein großartiges Sprungbrett für Paid Loyalty Systeme sein. Oftmals werden beide Programmarten in Koexistenz betrieben, damit der gesamte Kundenstamm bedient wird. Der schöne Nebeneffekt dabei: Fast jedes dritte Mitglied wechselt in das bezahlte Format, wenn sie bereits zum kostenlosen Loyalty Programm des Händlers gehört haben.
Welche Mehrwerte erwarten die Kunden?
Aktuelle Umfragen zeigen, dass viele Kunden bereit sind, in ein kostenpflichtiges Loyalty Programm einzusteigen. Natürlich nur unter einer Bedingung und diese lautet: Wenn der Nutzen oder die Vorteile wertvoll sind und den Mitgliedsbeitrag überkompensieren. Welche Benefits sollen also den Mitgliedern angeboten werden?
- Automatischer Sofort-Rabatte bei jedem Einkauf
- Zusatzservices (z.B. Versandkostenfrei, bevorzugter Versand)
- Kostenlose Produktabgabe (z.B. Neueinführungen als Muster)
- Überraschende Belohnungen (Surprise & Delight Rewards)
- Exklusive Deals/Events (Pre Sale Events, Zusatzevents z.B. Kochkurse, Weinseminar, Grillkurse)
Bei den Benefits ist es wichtig, dass sie sich vom Angebot des Wettbewerbs abgrenzen und nirgendwo anders offeriert werden.
Gibt es auch in Deutschland Paid Loyalty Programme?
Auch in Deutschland wurde bereits in Pilotprojekten mit Paid Loyalty experimentiert. 2018 hatte das größte deutsche Bonusprogramm Payback ein Premium Angebot eingeführt. Es gab ein dreistufiges Paid Premiumservice Angebot:
- Pure Online – 0,99€ pro Monat – Dafür gab es zusätzliche Extra Punkte beim Einkauf bei Payback Online Partnern
- +Basic – 3,99€ pro Monat – Dauerhaft 3fach Punkte bei allen Payback Partnern (On&Offline Händler)
- +Turbo – 7,99€ p.M. — Dauerhaft 5fach Punkte bei allen Payback Partnern (On&Offline Händler)
Darüber hinaus gab es noch weitere Benefits:
- Inklusiver Versicherungsschutz für Mobilgeräte von der Allianz
- Kein Punkteverfall – normalerweise verfallen Payback Punkte nach drei Jahren
- Rückvergütung von Prämienpunkten beim Einlösen von Punkten im Prämienshop
- Individuelle Sonderangebote und Sonderextra Punkte
Dieser Pilot wurde Ende 2018 beendet und bisher wurde kein nationaler Rollout angekündigt. Sicherlich hat Payback einiges in seinem Piloten gelernt und vielleicht wird es 2020 einen Launch geben, aber hierzu gibt es offiziell noch nichts.
Aktuell testet die SB-Warenhauskette Real in sieben Stores ein Paid Loyalty Programm. Das Vorteilsprogramm „Real Pro“ wird für eine Jahresgebühr von 69€ angeboten. Hierfür erhält das Mitglied dauerhaft 20% Rabatt bei seinem Einkauf. Jedoch ist der Programmaufbau mit einigen Vorbedingungen verknüpft. Es darf nur in haushaltsüblichen Mengen eingekauft werden, Angebotsartikel werden von der Rabattierung ausgeschlossen und in der Kategorie Spirituosen werden nur 10% Discount gewährt. Außerdem gilt die Mitgliedschaft nur für Einkäufe im physischen Store, also nicht auch beim Online Shop.
Es gibt noch weitere kostenpflichtige Loyalty Programme in Deutschland. Die Parfümeriekette Douglas betreibt mit ihrer Beauty Card Premium eine Zwei-Karten-Strategie. Es gibt eine kostenlose und eine kostenpflichtige Kundenkarte. Für eine Jahresgebühr von gerade einmal 6€, sind folgende zusätzlichen Benefits bei der Premiumkarte enthalten:
- 6x im Jahr ein Douglas Beauty Magazin
- Geburtstagsgutschein (Wert 5€)
- Special-Preise, Rabatte und Gratis-Proben
- Mindestens 5x im Jahr 10% Exklusiv Rabatt
- Bezahlfunktion (als Debit Card)
Im E-Commerce ist Conrad Elektronik mit einer Paid Loyalty Karte im Markt unterwegs. Auch hier gibt es eine zwei Karten Strategie (kostenfrei/kostenpflichtig). Für knapp 15€ Jahresgebühr erhält man eine Versandkosten-Flatrate. Weitere Unterschiede zur kostenfreien Karte gibt es nicht.
Und auch in der Mobilitätsbranche ist ein Schwergewicht als kostenpflichtige Kundenkarte vorhanden. Die Bahncard der Deutschen Bahn. Diese Karte ist in unterschiedlichster Ausstattung verfügbar und beinhaltet dann automatisch das Bahn Bonus Programm.
Fazit
Schaut man über Ländergrenzen hinweg, ist ersichtlich, dass die Popularität von kostenpflichtigen Loyalty Programme zunehmen. Insbesondere die Zielgruppe „Millenials“ zeigen ein starkes Interesse an Premium Loyalty und erklären ihren Teilnahmewillen. Sicherlich eine interessante Zielgruppe, mit der heute schon experimentiert werden muss.
Fassen wir zusammen: ein kostenpflichtiges Loyalty Programm steigert das Engagement bei den besten Kunden. Gleichzeitig ebnet es den Weg für mehr Markenbekanntheit. Vor allem für die „First Mover“, also Unternehmen die als Erstes in ihrer Branche ein solches Loyalty System anbieten.
Paid Loyalty Programme sind in Branchen mit hoher Kauffrequenz interessant, also generell im LEH jedoch auch in anderen Handelssegmenten. Im Endeffekt kann das Modul für alle Branchen relevant sein, solange die Gesamtkonfiguration der Mehrwerte lukrativ ist. Auch beim Stadtmarketing ist eine Paid Loyalty Karte vorstellbar, hierbei ist jedoch die Frage, in wieweit sich ein Konsens bei allen teilnehmenden Partnern finden lässt.
Die meisten Unternehmen fahren eine zwei Karten Strategie, um so alle Kundengruppen anzusprechen. Jedoch ist dies nicht zwingend nötig. Die Bahncard ist dafür ein gutes Beispiel. Hier ist nur eine kostenpflichtige Kundenkarte verfügbar. Diese jedoch mit verschiedenen Preismodellen.
Paid Loyalty könnte in naher Zukunft die nächste Generation von Loyalty Programmen werden. Es bleibt abzuwarten, welche Branchen und Unternehmen den nächsten Versuch in Deutschland starten.
Über den Autor: Alexander Süßel ist seit 2007 als Digital Consultant aktiv. Die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in den Bereichen User Engagement, Loyalty & CRM sind seine Fokusthemen. Diese Expertise hat er u.a. bei Loyalty Prime, Wirecard, Department One, Brand Loyalty sowie Sensorberg als IT Projektleiter und Business Development Manager eingebracht.
Beitragsbild: Stockfoto – Andrey_Popov/Shutterstock
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