ZDE Podcast 121: Mal wieder ein Blick auf die Trends im Handel
Zwischendurch beleuchten wir immer mal wieder die Trends im Handel, diesmal mit Thomas Wetzlar am Mikrofon. Ein Ausflug in die aktuellen Themen, welche die Branche beschäftigen.
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Folge 121 und los geht’s direkt mit dem Thema Innovation im Handel. Dazu habe ich gleich den Thomas Wetzlar am Mikrofon. Aber bevor wir damit anfangen, einen kurzen Hinweis zu unserem Unterstützer.
Wir werden auf den verschiedensten Kanälen immer wieder gefragt, welches Warenwirtschaftssystem, also ERP System, das passende ist. Da hilft vielleicht ein Hinweis auf den Sponsor unserer heutigen Sendung, nämlich auf Comarch.
Comarch ist ein weltweiter Anbieter von IT-Lösungen für den Mittelstand und hat ein ERP System, welches sich sicherlich lohnt, anzuschauen. Wir reden hier über ERP XT, welches ein mini ERP System für Kleinst- und Kleinunternehmen ist und eine Web- und Browserbasierte Software zur Unternehmensverwaltung mit eigener App bietet, speziell für Selbstständige, Freelancer, StartUps, Digitale Nomaden und natürlich auch Einzelunternehmer. Es gibt verschiedenste Funktionen und Module, wie Rechnungen und Angebote schreiben, Lagerverwaltung, POS-Modul mit Kassensoftware für iOS, Businessmodul zur Analyse von Geschäftsdaten und natürlich eine Integration in den Comarch Webshop. Letzteres ist natürlich ein Highlight, denn in vielen Geschäftsbereichen sehen wir immer wieder, dass Webshops nicht mit Warenwirtschaftssystemen arbeiten wollen und das ist mit ERP XT wunderbar gelöst. Du findest also mit Comarch einen Partner für deine Digitalisierung, bekommst die nötige Flexibilität, um dich voll auf dein Kerngeschäft konzentrieren zu können, du kannst zeit- und ortsunabhängig auf deine Unternehmensdaten zugreifen und hast alles aus einer Hand. alle Daten liegen sicher in einer cloud und das auch noch in mehreren sprachen, wie zum Beispiel deutsch, englisch, polnisch und französisch. Jetzt kommt das Beste, aber es gibt jetzt im September und Oktober eine Aktion, wo du dieses System drei Monate lang kostenlos ausprobieren kannst. Testet es mal! Ihr werdet sicher begeistert sein. Alle Links dazu natürlich in den Shownotes.
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Wir legen jetzt los. Es geht um das Thema, wie der stationäre Handel weiter im Bereich Innovation unterwegs sein kann. Dazu habe ich einen interessanten Menschen am Mikrofon, Thomas Wetzlar. Ich möchte gar nicht groß um den heißen Brei reden. Wir legen sofort los, Band ab.
Frank Rehme: Ja, der Thomas ist hier gerade am Mikrofon Thomas Wetzlar Grüß dich,
Thomas Wetzlar: Frank, sei gegrüßt, vielen Dank für die Einladung.
Frank Rehme: Thomas, wir haben hier eine tolle Aufgabe. Wir beide müssen jetzt darüber reden, wie die Trends im Handel, die derzeit zu erkennen sind, erst mal a welche da existieren und b welche Bedeutung haben die eigentlich für den Handel und welche Zukunftsperspektive bieten die für den Handel. Bevor wir damit anfangen, sag mal ein paar Worte zu dir, damit unsere Zuhörerinnen und Zuhörer dich einordnen können.
Thomas Wetzlar: Ich bin 42 Jahre alt, bin Familienvater und habe in den zurückliegenden 15 Jahren als Berater an der Schnittstelle zwischen Handel und Konsumgüterindustrie gearbeitet. Auf Seiten der Industrie, insbesondere im Bereich von Schuhherstellern, war ich viel tätig und habe über einen langen Zeitraum zuerst klassisch B2B gestützte Geschäftsprozesse begleitet die Entwicklung vom Markteintrittstrategie und vertriebliches Turnaround – Management und ähnliches. Ich habe also im Laufe der Jahre auch mit dem Aufkommen des Online-Handel und den damit einhergehenden Veränderungen eine starke Transformation auf Industrieseite festgestellt, dass sich also der Blick auf den Markt verändert hat und habe darauf aufbauend dann im Jahr 2015 eine Geschäftsidee gehabt, die ich im Laufe der letzten Jahre dann geschliffen und dann vor einiger Zeit umgesetzt habe. Heute bin ich Geschäftsführer der Firma Scalerion und da sind wir mit einem spannenden neuen Ansatz unterwegs. Habe also im Prinzip eine breit gefächerte Perspektive auf den Markt und bin sicher, dass wir heute darüber einen spannenden Austausch haben werden.
Frank Rehme: Retail ist gerade in einer riesigen Veränderung. Man sagt zwar schon seit ewigen Zeiten, Handel ist Wandel, aber ich glaube, der Satz hat noch nie so gestimmt wie jetzt. Der Satz, der früher an der Fleischtheke gesagt wurde, ‚Darf es etwas mehr sein?‘, gilt ja eigentlich für den Handel jetzt selber. Man muss letztlich immer mehr bringen. Was beobachtest du gerade, wie sich der Handel gerade neunen Erkenntnissen zuwenden muss?
Thomas Wetzlar: Ich glaube, was für jeden erkennbar ist, ob nun aus der Branche und vom Fach oder nicht, ist, dass da ein gewaltiger Umwälzungsprozess gerade läuft. Ich muss gestehen, ich verfolge das mit wirklich großem Interesse und gar nicht mit dieser riesig großen Sorge, die immer wieder geäußert wird. Ich glaube schon, dass der Handel an sich oder diese tolle Infrastruktur, das tolle Angebot an sich, das da ist, auch in der Lage ist, sich entsprechend anzupassen, sich ein Stück weit auch neu zu erfinden. Allerdings das, was wir jetzt gerade erleben, hat einen jahrhundertelangen Strom an nur mäßiger Veränderung unterbrochen. Es lief ja bis vor 15 Jahren so, dass es das, was es vor Ort stationär zu kaufen gab, die große Welt des Konsumgütermarktes war, egal auf welche Branche bezogen. Das was vor Ort angeboten wurde, das war da und als Kunde nahm man das auch als völlig selbstverständlich zur Kenntnis. Heute ist es ja so, dass mit diesem immerwährenden 24/7 verfügbaren gigantomanischen Online-Angebot was da ist, beim Endverbraucher einfach eine Erwartungshaltung gewachsen ist, im Laufe der Zeit. Mit dieser hat es der stationäre Handel mit seinen bestehenden Ansätzen einfach immer schwerer, sich gegenüber dem Endverbraucher zu behaupten. Ich muss sagen, ich sehe da deutlich mehr Chancen als Gefahren für den stationären Händler. Für mich steht eines fest, die persönliche Erlebbarkeit von Produkten, die Beratung, die Inszenierung und auch die Inspirationskraft, die dieser stationären Handel hat, ist für mich in Zeiten des Online-Handel noch sichtbarer geworden. Deswegen glaube ich, dass wenn es richtig angepackt wird, darin riesengroße Chancen schlummern und ich glaube, dass eigentlich alle in diesen Bereich hinein wollen.
Frank Rehme: Das Gleiche beobachte ich gerade auch und ich bin fest davon überzeugt, dass gut gemachte Retail Formate im stationären Bereich immer Leute begeistern werden. Da gibt es auch genug Beispiele, die wir gerade sehen. Der Hintergrund ist ja allerdings das veränderte Kaufverhalten, auf welches sich der Retail einstellen muss. Wir verkaufen in volle Schränke, in volle Regale und die Versorgungsaufgabe des stationären Handels tritt immer mehr in den Hintergrund, weil wir ich sage mal massenhaft an Klamotten in unseren Schränken rumliegen haben. Deshalb muss vielmehr der Weg dahingehen, dass wir viel mehr als Händler, Lebensbereiche und Impulsgeber sind, als nur ein Versorger. Die großen Trends sehen wir jetzt auch. Ein Beispiel sind die unverpackt Läden, die in fast jeder Stadt jetzt mittlerweile irgendwo zu finden sind. Diesen Retail Trend habe ich vor fünf, sechs Jahren erstmals in Berlin Kreuzberg gesehen. Ich habe erst daran gezweifelt, ob dieses Format sich bewähren wird, weil es ja doch auf eine sehr, sehr spitze Zielgruppe abzielt und eigentlich genau zeigt, dass man unverpackt einkaufen kann, nur man eben seine eigene Verpackung mitbringen muss. Da sieht man jetzt, dass auf einmal genau dieses Format den Nerv und die Bedürfnisse von vielen Menschen getroffen hat und deshalb auch natürlich in den Rollout ging. Solche Formate, die sich speziell auf eine Zielgruppe fokussieren und genau für diese Bedürfnisse dieser Zielgruppe die Produkte anbieten, hat dann weiterhin auch Zukunft.
Thomas Wetzlar: Das sehe ich auch so. Ich finde das auch unglaublich spannend, was da in kurzer Zeit aus diesem Nachhaltigkeitsgedanken heraus entstanden ist. Ich war kürzlich zu Hause und war ganz überrascht, dass in einem Regal, in dem sonst eigentlich immer die Backzutaten standen, plötzlich nur lauter Schraubgläser und Schnappverschlussgläser mit irgendwelchen Backutaten standen, um dann herauszufinden, dass meine Frau das tatsächlich mittlerweile genauso praktiziert und die Sachen tatsächlich auch aus Unverpacktgeschäften bezieht. Das ist ein Thema, das glaube ich viel schneller zum Mainstream werden könnte, als wir das allgemein vielleicht erwarten. Ich glaube allerdings, man muss ein Stück weit, wenn man das auf den Endverbraucher überträgt, zwischen zwei verschiedenen Welten differenzieren. Das eine ist, glaube ich, ist der Nahversorgungsaspekt, also ich brauche Lebensmittel und ich brauche Dinge für mein alltägliches Leben. Da spielt natürlich der Onlinehandel, soweit ich das wahrnehme, eine sehr nachrangige Rolle. Du hast es gerade angesprochen, wir haben alle volle Kleiderschränke und wir haben eigentlich alle schon acht Flachbildfernseher und das achte Handy irgendwo in der Schublade liegen. Bei diesen Dingen, da spielt nicht mehr der konkrete Bedarf wirklich die große Rolle, sondern da muss ich als Kunde emotional angesprochen werden, da muss ich inspiriert werden. Ich muss ja einen Austausch eines bereits vorhandenen Produktes vornehmen wollen und nicht im Zweifel müssen. Da glaube ich, dass so eine stationäre Erlebbarkeit unglaublichen Impact haben kann, aber der Endverbraucher hat halt gelernt, dass er die Wahl haben muss, zwischen ich will es erleben und sofort mitnehmen, oder ich will die ultimative Auswahl und die ultimative Verfügbarkeit haben. Hier scheinen nunmal viele stationäre Händler das Nachsehen zu haben, dass der Endverbraucher sagt, sofort muss ich das gar nicht haben, ich kann es mir auch bestellen, so lange ich mir dafür nicht ständig Neins abhole. Das ist nicht mehr verfügbar, oder Nein, das habe ich gerade nicht da, das kann ich vielleicht besorgen oder das gibt es nicht mehr. Ich glaube, dass der Endverbraucher da einfach ein Stück weit für sich umgeschaltet hat und dass es dem stationären Händler ganz schwer fallen wird, mit den bestehenden Instrumenten, die er heute nutzt, da nachhaltig gegenzusteuern. Du hast das Spannungsfeld aufgemacht. Ich glaube, wir reden heute über Nahversorgung auf der einen Seite und über Inspirationskraft auf der anderen Seite. Das ist für mich der eigentliche Mehrwert eines stationären Konsumgüter Handels.
Frank Rehme: Man sieht jetzt auch immer diese Highspeed Retail oder Instant Retail, wie immer man das auch nennen will, wo auf einmal hier Lebensmittel innerhalb von 10 Minuten geliefert werden. Hier in Düsseldorf sind die Gorillas unterwegs. Ich selber kann mir da kein Bild draus machen, weil ich noch nie den Wunsch hatte, irgendwo eine Sache innerhalb von 10 Minuten zu bekommen. Wenn ich was vergessen habe, dann war das meine eigene Dösigkeit. Man sieht allerdings, dass solche Formate auch dementsprechend nachgefragt werden und auf einmal ganz andere Kundenverhalten konditionieren. Während wir gestern noch bei dem Thema Same Day oder Next Day Delivery waren, geht es jetzt hier um Next 10 Minutes. Das ist ja etwas, wo auf einmal Kunden in den stationären Handel kommen und so eine Konditionierung haben und dann diese Arten von Konditionierung dort auch als Anforderung in den Laden mit reinbringen. Das ist dann natürlich eine große Herausforderung. Da sind wir dann bei der Frage, wenn so etwas digital passiert, was ich als Handel tun muss, um das Thema Digitalisierung auch ausreichend mitzugehen. Da geht es auch um bestimmte Hygiene Faktoren, dass ich ein sauberes Warenwirtschaftssystem habe, dass ich hier genug Kundeninformationen bei mir sammeln kann, dass ich in Social Media gut vertreten bin, dass ich einen Google Maps Eintrag habe und natürlich auch dann dementsprechend vielleicht sogar auf einem Marktplatz verkaufe. Was ist aus deiner Sicht denn eigentlich im digitalen Bereich das, worauf der Handel sich zukünftig einstellen muss?
Thomas Wetzlar: Ich darf mir vielleicht kurz einen Satz zu diesem ganzen Gorillaz Thema erlauben. Ich finde das auch hochspannend. Ich finde das beeindruckend, in welcher Geschwindigkeit das auch in unser aller Wahrnehmung angekommen ist. Aus Endverbraucherperspektive kann ich den Hype nachvollziehen. Das ist total bequem, das ist cool und das ist hip und da steht plötzlich einer vor der Tür und bringt dir dein Deo und deine Zahnpasta. Das hat sicherlich was, da braucht man nichts zu sagen. Als Kaufmann und als Unternehmer muss ich sagen, habe ich da natürlich einen anderen Blick drauf. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man so was nachhaltig als Geschäftsmodell abbilden möchte, dass daraus auch ein Geschäft wird. Ich habe den Eindruck, im Moment wird hier mit unfassbaren Mengen an Investoren Geld ein Habitus gezüchtet, von dem ich mir im Moment nicht vorstellen kann, dass man ihn auch unter konventionellen Gesichtspunkten nachhaltig und rentabel betreiben kann. Von da aus müssen wir wohl mal abwarten, was daraus wird. Ich würde mal unterstellen, ich liege falsch, denn es würden nicht so unfassbar viele Millionen in dieses Thema hinein fließen, wenn es da nicht diesen großen, alles verändernden Masterplan gäbe, dem wir einfach gerade nicht sehen. Aus meiner jetzigen Perspektive fällt mir das noch etwas schwer. Wenn es um das Thema Digitalisierung im stationären Handel geht, stimme ich allem was du sagtest zu. Wenn ich als Händler selbstständig online Verkäufe generieren und selbstständig tätigen möchte, dann brauche ich natürlich ganz neue Kompetenzen. Ich brauche erst mal eine Software Ausstattung, die mir das alles ermöglicht, beginnend bei einer sauberen Warenhaltung und bei einem sauberen Produktinformationsmanagement. Ich habe allerdings auch ganz neue Prozesse zu erlernen. Also ich muss plötzlich einen Fernabsatz betreiben, was ja überhaupt nichts mit der Kernkompetenz des stationären Händlers zu tun hat. Das ist auch einer der Aspekte, der mich bei Scalerion entsprechend umtreibt. Wir haben eigentlich im Hinblick auf dieses Thema, dass der Händler doch eine ganz besondere Kompetenz besitzt, die andere nicht besitzen und die ist meines Erachtens nicht, dass er jetzt lernt, ein Versandhändler zu sein, denn die haben wir ja schon. Das, was der Händler kann und was sonst keiner so richtig kann, das ist für mich eine stationäre Inszenierung, das ist eine visuelle Kundenansprache, eine persönliche Kundenansprache, eine Beratung, die Auslieferung von ganz tollen Service Leistung. Ich tue mich immer schwer damit, wenn ich sehe, dass Händler jetzt in die Digitalisierung hineingeraten oder vielleicht auch von außen hinein motiviert werden. Und das, obwohl sie so viele geile Sachen können. Nur stattdessen legt ihr das jetzt alles an die Seite, hängt das an die Garderobe und versucht jetzt etwas zu lernen, was gigantomanischen globale Konzerne eigentlich längst bis ins letzte Detail perfektioniert haben. Da fehlt mir persönlich die Fantasie, das abschließend nachzuvollziehen. Ich würde sagen, als Händler muss man doch das zu Geld machen, was einen auszeichnet und was einem von seinem Wettbewerb unterscheidet. Das ist meines Erachtens nicht, das ich jetzt als 80er oder 800er das gleiche Produkt online anbiete und mich nur noch über den Preis und die Liefergeschwindigkeit differenziere, sondern eigentlich muss ich doch als stationärer Händler das ausspielen, was ich besser kann als alle anderen. Da muss ich sagen Online-Handel simuliert Schaufenster, Online-Handel simuliert eine Warenpräsentation und ich glaube, dass das im echten Leben viel wirkmächtiger ist.
Frank Rehme: Ja und das ist auch genau meine These, warum es eigentlich Stationäre Händler gibt. Nämlich genau wegen der multi – sensorischen Ansprache der Kunden mit allen Sinnen, was letztendlich Produkte auch erlebbar machen. Das ist genau das, was man viel, viel mehr ausspielen soll. Da merke ich auch bei vielen Händlern, dass die sich genau darüber viel zu wenig Gedanken gemacht haben, weil die in der Vergangenheit viel zu sehr in Richtung Kosten geguckt haben und jetzt auf einmal in so einer Ecke unterwegs sind, wo man manchmal aus einem nicht gerade spannenden stationären Format ein nicht gerade spannendes digitales Format macht. Das ist die große Falle dabei. Ich nenne das immer die Multi Channel Falle. Wir sehen ja, dass ich durch gutes Visual Merchandising die Leute im Laden auch richtig in die richtige Richtung bringen kann. Das ist genau der richtige Weg.
Thomas Wetzlar: Das ist ein super Stichwort, wenn ich da mal einhaken darf, wenn du von Visual Merchandising sprichst. Das war Mitte bis Ende der 90er das große heisse Thema, wenn es darum ging, wie wir eigentlich stationären Einzelhandel betreiben wollen. Da wurden plötzlich überall Visual Merchandiser hervorgeholt, die dann dem Personal auf der Fläche beibrachten, die Ware richtig zu inszenieren. Ich habe das damals nur am Rande miterlebt und durfte das aber in meiner Frühphase meiner beruflichen Tätigkeit ein bisschen aus dem Augenwinkel mitverfolgen und fand das hochspannend. Ich finde, das zeigt etwas ganz wichtiges auf, was der Handel heutzutage oftmals total verlernt hat, denn der hat diese sündhaft teuren Flächen in den coolsten Innenstädten, in den tollsten Fußgängerzonen und zahlt ein Vermögen dafür, dass er diese Flächen haben und benutzen kann. Und dann benutzt er die als Lagerfläche, anstatt sie zur Inszenierung zu nutzen. Dann muss man ja mal ehrlich sein, Selbst der allerschönste Laden, den wir uns vorstellen können, benutzt 90 % seiner Fläche als Lagerfläche. Klar sind die Stapel alle schön gefaltet und es sieht alles ordentlich aus, aber diese inspirative Kraft, die er eigentlich auf der Fläche entfalten könnte, die entfaltet er nur ganz unmaßgeblich, weil er eben diesen Platz gar nicht zur Verfügung hat, weil er sein ganzes Zeugs da lagern muss, was er verkaufen will. Ich glaube, dass man da einfach vielleicht auch ein bisschen neue Ansätze braucht. Die Kunst des stationären Handels liegt genau in der Warenpräsentation, in der Einrichtung, in der Dekoration und auch in der Zusammenstellung individueller Sortimente. Ich komme aus Paderborn, das ist eine ost – westfälische Provinz. Jetzt sind zwar eine Großstadt, aber natürlich sind wir nicht Düsseldorf und wir sind auch nicht Hamburg, aber der Händler, der hier in Paderborn zum Beispiel tätig ist, der weiß doch ganz genau, wie sein Paderborner oder wie die Kundschaft aus seinem Einzugsgebiet tickt. Das ist doch was. Das kann ein Zalando vielleicht nachahmen und er hat natürlich mittlerweile auch ganz viel Wissen über die Kunden, weil er natürlich alles mittrackt und mitlesen kann. Allerdings dieser persönliche Kundenkontakt in Verbindung damit, auch aus dem Bauch heraus zu wissen, womit man Kundschaft anspricht, das ist total wertvoll. Ich glaube, dass wir nicht den 800sten Online-Händler brauchen, der 800 mal das gleiche Produkt zeigt, sondern wir brauchen diese Menschen, die uns stationär inspirieren.
Frank Rehme: Ja, da will ich eine kleine Korrektur reinbringen. Du hast gerade gesagt, dass der Paderborner Händler genau weiß, wie seine Paderborner ticken. Da möchte ich eine kleine Zeitenwende einschieben. Er weiß genau, wie seine Kunden getickt haben, denn die Kunden haben sich in den letzten drei, vier Jahren massiv verändert in vielen Bereichen. Natürlich sind die klassischen Käufer (50, 60 plus) bei ihrem Verhalten geblieben, aber die, die nachkommen, sind vollkommen anders unterwegs. Genau da muss man sich drauf anpassen, dass man schaut, bisher hat der Paderborner so getickt, wie tickt eigentlich die nächste Generation der Paderborner, um sich dann genau darauf einzustellen. Das ist die Aufgabe, die man hat. Man kann da wunderbar Personas entwickeln, wie der Kunde der Zukunft angesprochen werden will, über welche Kanäle und vor allen Dingen auch welche Produkte er für seine Bedürfnisse braucht.
Thomas Wetzlar: Das finde ich einen super Aufhänger, um vielleicht mal ein bisschen tiefer reinzugehen. Du hattest eingangs gesagt, dass wir darüber sprechen wollen, was für Innovationen es da draußen gibt, wie sich der stationäre Handel verändern wird, oder wie sich Konsum im Handel insgesamt vielleicht wandeln wird. Auch wir können da immer nur unsere Perspektive anbieten. Ich erhebe ja auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich glaube, dass das, was du sagst, total richtig ist. Jetzt müssen wir uns vorstellen, wie ich als stationärer Händler darauf adäquat reagieren will. Ich habe meinen Laden und ich habe da über 20, 30, 50, 100, 200 Jahre im Prinzip mit meinem Köfferchen voll Geld mir im Januar Ware gekauft, die dann im Juli oder August geliefert wurde und dann kam irgendwann im September oder Oktober ein Kunde vorbei und er fand das spannend, hat das mitgenommen und hat mir dafür Geld gegeben. Dieser Händler hat nur eine begrenzte Fläche und er hat nur ein begrenztes Geld Köfferchen. Er kann also nicht alles dieser Welt kaufen, selbst wenn er den Platz hätte, den er nicht hat und er hat in letzter Konsequenz natürlich auch nur eine begrenzte Zielgruppe bei sich vor Ort. Was hat der Handel daraus in den letzten 20 Jahren durch das Hinzukommen des Online Handels gemacht? Er hat im Prinzip gelernt, dass er sich konzentrieren muss und nur noch Bestseller zeigen kann, weil er sich die ganzen außergewöhnlichen Sachen, die er zwar ganz witzig im Schaufenster findet, sich aber nicht mehr leisten kann, weil er damit geringe Abverkaufswerte erzielt. Wenn er Pech hat oder so hohe Abschriften erzielt, dann hat er da nicht nur keine Marge dran macht, sondern im schlimmsten Fall sogar gute Marge von anderen Produkten drauflegt. Also habe ich als Händler heute eigentlich ein weitgehend generisches Sortiment in meinem Laden. Ich würde behaupten, dass wahrscheinlich bei den großen Schuhläden wahrscheinlich 80 % der Sortimente absolut deckungsgleich sind, vielleicht sogar mehr. Das deckt sich auch ein Stück weit damit, wenn man sich die Bestsellerlisten der einzelnen Hersteller anguckt, dass nämlich immer die gleichen 10 – 15 Hersteller auf den Regalen stehen. Jetzt müssen wir uns fragen, was wir als Händler machen müssen, um mich abzugrenzen und um meinem Kunden neue Impulse zu setzen, überhaupt wieder zu mir zu kommen. Der Kunde hat gelernt, wenn ich da hingehe und will was haben, dann sagt der Händler mir, das ist in deiner Größe nicht mehr da oder die Farbe, die du im Schaufenster gesehen hast, ist leider das letzte. Der Endverbraucher hat gelernt, dass er sich ständig ein Nein abholt und dann irgendwann sagt dieser Mensch beim Zalando, oder im Onlinehandel ganz allgemein, kriege ich dieses Nein vielleicht viel seltener um die Ohren gehauen. Der zeigt mir ja überhaupt nur das, was überhaupt für mich da ist. Der ist halt ein bisschen weiter bei der Technik und dann gehe ich gar nicht mehr stationär einkaufen. Das ist ja das Problem, dass wir gerade erleben, dass der Foodfall in den Geschäften, in den Malls über Jahre hinweg immer weiter rückläufig gewesen ist. Jetzt muss ich als kleiner Händler schauen, wie schaffe ich es für den Endverbraucher wieder so attraktiv zu werden, dass er wieder zu mir kommt. Ich glaube nicht, dass das mit diesen alten Instrumenten des Köfferchens voll Geld, mit dem ich mir Ware kaufe gelingt, weil der riesige Koeffizient, der auf dieser eigenständig beschafften und vor Ort aufgetürmten Ware lastet, viel zu hoch ist, als dass ich als Händler da jetzt in größerem Maße Bewegungsfreiheit genieße. Deswegen denke ich, wenn wir über Technologie im stationären Handel sprechen, es natürlich eine Lösung sein kann, dass ich mehr Ware zeigen muss. Ich muss mehr Auswahl schaffen. Dafür brauche ich zusätzliche Verkaufs Kanäle, um diese Ware, die ich vor Ort unter Umständen nicht vollständig absetzen kann, trotzdem loszuwerden. Oder ich sage auf anderen Seite, dass ich nicht mehr einkaufen kann, aber ich muss irgendwie anders mehr Ware zeigen und muss irgendwie in die Lage versetzt werden, an meinem Point of Sale Inspiration zu setzen, ohne immer selbst ins Risiko gehen zu müssen. Das ist so ein Punkt, den finde ich im Moment total spannend. Da können wir vielleicht gleich noch mal tiefer einsteigen, wenn dich das interessiert.
Frank Rehme: Ja, mit Blick auf die Uhr, will ich von deinem Angebot in einer zweiten Folge gerne Gebrauch machen. Jetzt zusammengefasst die Stärken und das müsste der große Appell sein und natürlich auch der große Trend, die Stärken des Point of Sale wieder mehr auszuspielen, die Asse alle aus dem Ärmel rauszuholen und zu gucken, dass die sauber gespielt werden. Das habe ich auch oft in Projekten gesehen, über die wir hier im Podcast und auf Zukunft des Einkaufens schon oft berichtet haben. Wir haben jetzt über Warenpräsentation gesprochen, über Visual Merchandising generell und über Digitalisierung im Laden, aber was bedeutet denn Personal an der Stelle?
Thomas Wetzlar: Ich denke, wenn wir im Online-Handel eines lernen können, dann dass noch nicht mal der typische Online-Shop als solcher das große Erfolgsmodell der Zukunft ist, sondern das, was wir im Moment erleben ist, dass 44 % der gesamten Online Umsätze in Deutschland im letzten Jahr bereits über Marktplätze generiert wurden. Ich denke, dass der stationäre Händler vor Ort zu einem live erlebbaren Marktplatz werden muss und da bekommt das Personal, das du ansprichst, natürlich eine ganz wichtige Rolle. Denn das Personal muss lernen, dass es eben nicht mehr zum Aufräumen und Staubwischen und Diebstahl verhindern da ist, sondern das ist im Prinzip ein aktiver Inspirator, eine Inspiration Begleiter sein muss und die Kunden im Prinzip in eine wundervoll verzaubernde Ladenwelt hinein einlädt und die dabei begleitet, diese wundersamen Sortimente zu entdecken, die der Händler sich da auf unterschiedlichen Wegen vor Ort zusammengetragen hat. Ob er sie nun selbst gekauft hat, weil er daran glaubt und da kann er sein Geld für ausgeben, oder ob er sagt, dass er ein Marktplatz ist und Produkte anderer zeigt und inspiriert und der Kunde dann trotzdem einen Online Prozess hat, aber vorher all die Vorteile stationärer Erlebbarkeit genießen konnte. Da wird die große Aufgabe liegen. Ich fürchte, dass der Handel da einige Hausaufgaben zu machen hat, denn die Fachkompetenz, die oftmals in den 90ern, so vor dem Online Boom noch da war in den Städten, die habe ich bei meinen letzten stationären Besuchen etwas vermisst. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schlüssel wird, das passende Personal zu finden und zu qualifizieren für die neuen Aufgaben.
Frank Rehme: Thomas, vielen Dank. Du hast einen ganz tollen Satz gesagt, der sich wahrscheinlich jetzt bei mir im Gehirn eingebrannt hat und den ich mir erlaube, bei dir zu klauen und diesen dann woanders benutzte. Das Personal ist der Inspirationsbegleiter und nicht mehr der Warenverräumer. Das halte ich für eine total wichtige Botschaft an dieser Stelle. Ja, Thomas Wetzlar bei uns in der Folge. Ich sage vielen Dank und wünsch dir noch einen schönen Tag.
Thomas Wetzlar: Dankeschön Frank, danke für die Einladung. Bis bald.
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