ZDE Podcast 154: Bio – quo vadis?
Die aktuelle Preisentwicklung am Energiemarkt und die allgemeine Inflation bewegen viele Menschen zu Einsparungen. Wenn auf den Preis geschaut wird, bleibt Qualität oft auf der Strecke. Was bedeutet das für den Bio-Bereich? Prof. Dr. Stephan Rüschen hat die passenden Hintergrundinformationen.
Folge direkt anhören:
Hier das Whitepaper herunterladen
Die Folge zum Nachlesen
Frank Rehme: Ich habe heute mal wieder meinen alten Freund Stephan Rüschen hier am Mikrofon. Hallo, Stephan. Grüß dich!
Stephan Rüschen: Hallo, Frank. Freu mich, bei dir zu sein!
Frank Rehme: Wir haben zwischendurch immer mal wieder dich in den Podcast-Folgen drin. Ist immer hochinteressant! Du bist praktisch der, ich sage mal, mein Lebensmittel-Guru aus dem Bereich der Forschung. Du beschäftigst dich ganz viel mit dem ganzen Thema Lebensmittelhandel. Paar Worte zu dir, falls es in dieser Republik noch Leute gibt, die dich immer noch nicht kennen sollten.
Stephan Rüschen: Da gibt es schon auch ein paar, die mich kennen. Stephan Rüschen, ich bin Professor für Lebensmittelhandel seit über neun Jahren mittlerweile an der DHBW Dualen Hochschule in Baden-Württemberg. Und vorher Frank, waren wir Kollegen bei der Metro – lange her, lange her – aber wir können uns trotzdem noch an die gemeinsame Zeit gemeinsam erinnern. Ich bin natürlich relativ umtriebig, logischerweise im Bereich Lebensmittelhandel, vor allem bei unseren Studierenden, da die Dual studieren, alle bei Lebensmittelhändlern wie Kaufland, Lidl, Penny, Netto, Norma und so weiter. Arbeiten ist von der Seite jeden Tag gefordert, auch von den Studenten jeden Tag gefordert und deshalb tief drin im Lebensmittelhandel, glaube ich.
Frank Rehme: Lebensmittelhandel ist auch, gerade weil der auch einen Großteil unseres Umsatzes ausmacht, eine hochinteressante Geschichte, denn da ist auch ein großer Move. Ständig sehen wir, dass da neue Entwicklungen sind, gerade auch diese ganzen Grab & Go-Stores, die alle ausprobiert werden. Also das ist eine spannende Entwicklung, die nie aufhört.
Stephan Rüschen: Genau, Lebensmittelhandel ist eigentlich immer dynamisch. Wenn wir uns 20 Jahre zurückerinnern, gab es immer neue Sachen und es hört einfach gar nicht auf, dass immer wieder neue Sachen ausprobiert werden. Nicht alles funktioniert, auch das haben wir gelernt, deshalb muss man immer mal gucken, ob da eine Sau ist, die durchs Dorf getrieben wird oder ob die im Dorf bleibt, wächst und relevant wird. Aber die Händler haben immer wieder neue Ideen und das macht die Branche auch so faszinierend, auch darin zu arbeiten, sei es nun als Prof oder sei es nun auch in Handelsunternehmen.
Frank Rehme: Und da ist halt auch die Hauptaufgabe, die man im Bereich Retail Innovation immer wieder hat. Was ist jetzt gerade Hype und was ist Trend? Wo ist die Grenze zwischen den beiden? Das Ganze herauszukriegen bleibt spannend. Wir haben ja heute ein ganz heißes Thema und zwar habt ihr euch wieder mit einem ganz speziellen Thema beschäftigt, nämlich mit Bio. Bio hat man in vielen Bereichen gelesen, gerade im Schwinden der sinkenden Kaufkraft durch Energie, Verteuerung usw. an der einen oder anderen Stelle ein Problem, genauso wie die Unverpackt-Läden. Erstmal was war euer Setup? Wie seid ihr da drangegangen? Was war die Forschungsfrage, die zu beantworten war und was ist dabei rausgekommen vor allen Dingen?
Stephan Rüschen: Der Ausgangspunkt war tatsächlich Bio in der Krise, was man überall lesen kann. Wir wollten das verstehen, ob das stimmt und ob man das nicht differenzierter betrachten muss. Und das haben wir dann gemacht, indem wir natürlich Zahlen eingesammelt haben, so viel wie wir gefunden haben. Haben aber auch sieben Experteninterviews mit Menschen aus dem Handel, und zwar querbeet, sowohl Vollsortimenter, Verbrauchermarkt, Bio-Einzelhändler, Bio-Großhändler zur Lage von Bio durchgeführt und da sind eigentlich schon die interessantesten Dinge rausgekommen. Das heißt, die Frage Bio in der Krise würden wir mit einem klaren Jein beantworten. Warum Jein? Auf der einen Seite ja, weil wir natürlich schon tatsächlich sehen mit den Folgen des Ukrainekonflikts nach dem 24. Februar sinkende Kaufkraft, sehr große Unsicherheit, steigende Energiepreise, kennen wir alles. Es ist folgendes eingetreten, dass Bio, das 20 Jahre lang jedes Jahr überdurchschnittliches Wachstum im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln hatte, also der Marktanteil jedes Jahr leicht gestiegen ist, bis auf circa 7% in 2021, wir in 2022 das erste Mal einen leichten Rückgang des Marktanteils erleben werden, also die Bio-Gesamtumsätze entwickeln sich etwas schlechter als konventionelle. Das ist aber eigentlich auch zuallererst mal nicht so wahnsinnig überraschend, so einen Effekt haben wir bei der Weltwirtschaftskrise 2008, 2009 auch etwas gehabt. Wenn die Kaufkraft zurückgeht, dann geht es erstmal auf die Lebensmittel, die eben höherwertig sind und eben auch teurer sind und deshalb ist es eigentlich nicht überraschend, aber es ist gar nicht so dramatisch in der Gesamtumsatzentwicklung. Was wir da übrigens auch sehen, wie bei den konventionellen auch, die Menschen wollen jetzt eher Handelsmarken kaufen im Bereich Bio und nicht die Marken. Wir sehen ganz klar einen Trend weg vom Fachhandel hin zu konventionellen Edeka und Rewe oder eben auch vor allem zum Discount und das sehen wir bei den konventionellen genauso. Deshalb Bio in der Krise ja, weil’s etwas runtergeht, aber gar nicht so dramatisch. Ja, auch deshalb, weil der Fachhandel massiv drunter leidet und zwar existenziell. Wenn wir mal unterscheiden zwischen den Filialisten, also Super-Biomarkt und Basic beispielsweise in kleinen Filialisten, dann sehen wir das schon auch im Schutzschirm-Verfahren, sind also in einer quasi Vor-Insolvenzstufe, um es mal so zu formulieren. Die trifft das hart, noch härter trifft es die selbstständigen Naturkost-Läden, wo schon viele leider aufgeben mussten. Zurückgehende Umsätze zum einen, zum anderen die steigenden Energiepreise in der Betreibung der Läden, steigende Personalkosten, Unsicherheit, was nach vorne überhaupt passieren wird, führt dazu, dass leider schon diverse aufgeben mussten. Daher Bio in der Krise auf alle Fälle, weil wir da, das zynische Wort, der Marktbereinigung leider erleben werden. Aber im konventionellen Discounter, die haben die größten Zuwachsraten im Bereich Bio, die sind die Gewinner und das führt dazu, dass in Summe der Fachhandel massiv leidet, existenziell. Der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel, der auch Bio verkauft, der ist der Gewinner und der würde sagen: „Bio in der Krise? Nein, bei uns nicht.“
Frank Rehme: Und da muss man auch unterscheiden. Ich meine, wir beschäftigen uns auch sehr stark hier mit dem Thema Innenstädte, was passiert in Innenstädten gerade und wir sehen, Stichwort Verödung von Innenstädten, da gibt es jede Menge Maßnahmen momentan auch von der Bundesregierung, um dem entgegenzuwirken. Aber vielleicht ist ja der Trend, dass gerade die inhabergeführten Bio-Läden sterben, eigentlich etwas, was bei allen inhabergeführten Formaten momentan der Fall ist. Einmal beobachten wir natürlich bei vielen inhabergeführten Formaten, dass die Nachfolgeregelung einfach ungeklärt ist. Die haben ihre Kinder dann super studieren lassen, die dann auf keinen Fall mehr in den Laden stehen wollen, aber an anderer Stelle auch, dass Geschäftsmodelle dahinterstehen, die einfach unattraktiv geworden sind. Und wir erinnern uns wahrscheinlich alle an die Bioläden aus unserer Jugend, als wir immer frisch waren und die Grünen so langsam aufgekommen sind, wo dann der im Norweger-Strickpulli und den Birkenstock-Latschen, dann mit Holzregalen irgendwo so einen Bio-Laden aufgemacht hat. Das ist praktisch so ein bisschen Retail-Nostalgie, worüber wir jetzt reden, aber die haben natürlich auch irgendwann den Zenit überschritten und werden dann von den großen Filialisten in dem Bereich überflügelt und sind dann weg, das gilt für andere Formate auch.
Stephan Rüschen: Das stimmt, wenn man nochmal ein bisschen anders darauf guckt. Frank, man könnte man auch sagen, dass natürlich der selbstständige Einzelhandel bei Edeka und Rewe hervorragend funktioniert nach wie vor. Und da ist vielleicht ein bisschen der Unterschied zu dem, was du richtigerweise gesagt hast, dass bei Edeka und Rewe sind sehr starke Zentralen im Hintergrund, die nicht nur ein paar Produkte besorgen, sondern die liefern dir die ganze Technik, die liefern dir die Brand, die liefern dir das Marketing, also einen sehr hohen Nutzen, den ich als Selbstständiger bekomme, aber ich als Selbstständiger dann immer noch vor Ort genau das richtige Sortiment für meine Kunden mache und vor allem auch vielleicht die richtige Kundenorientierung habe, besser als es ein Filialist kann. Und es bedeutet schon, dass wir, weil wir im Bio-Einzelhandel auch Filialisten haben, Denn’s und Alnatura, die es sicherlich auch hoffentlich überleben werden, die aber schon mal sich überlegen könnten, ob die sich nicht eher wie eine Edeka konsequent aufstellen, konsequent sagen, wir wollen eigentlich keine Filialisten, die wir führen, sondern immer in die Hand von Selbstständigen geben, aber wir als Denn’s und Alnatura, wie bereits gesagt, ein „Lieferant“ sind von der Brand, von Marketing, von Technik, von Sortimenten, von Logistik, Leistung etc. pp. Und dann glaube ich, dass dann Bio-Filialisten eine bessere Überlebenschance hätten. Das Problem sicherlich von Super-Biomarkt und Basic, vielleicht kommt Bio-Company auch noch dazu, dass sie in die Krise kommen, sie sind zu klein, sie haben 20, 30 Filialen und das ist halt wahrscheinlich keine erfolgskritische Größe. Vielleicht müssten die sich irgendwie dann doch mal zusammentun, fusionieren, nur noch eine Brand bleibt übrig, um eine relevante Größe hinzukriegen, wie es eben Denn‘s und Alnatura mit ihren Filialen schon geschafft haben.
Frank Rehme: Also das wäre eigentlich ein Erfolgsmodell, so ein Mix aus Regime-Märkten und Genossenschaften.
Stephan Rüschen: Ein Mix aus Regime-Märkten und Genossenschaften, wie sie Edeka eben auch macht. Sie wollen eigentlich als Genossenschaft grundsätzlich selbstständige Einzelhändler und die Filialen, die halt noch nicht so gut funktionieren, die man dann erst irgendwann mal vorbereiten muss, um die in die Selbstständigkeit zu geben, das sind dann eben Regime-Märkte. Ja, im Prinzip ein Mix daraus. Also wenn man mich fragen würde, ich würde Denn‘s und Alnatura konsequent die Empfehlung geben, konsequent auf das Edeka-System umzustellen und viel mehr zu verselbstständigen, ihre Filialen viel mehr zu verselbstständigen.
Frank Rehme: Jetzt haben wir an einer anderen Ecke aber auch noch die Unverpackt-Läden, da gab es hier auch in der Lebensmittel-Zeitung, hat man viel davon gelesen, dass da momentan eine Krise sich anbahnt? Habt ihr da auch Erfahrungen machen können? Habt ihr da auch etwas mal beobachtet?
Stephan Rüschen: Ja, unakademisch ausgedrückt sehr, sehr traurig. Alles leider sehr, sehr traurig. Die haben natürlich besonders unter Corona gelitten, denn wir wollten ja keine Berührung mehr als Menschen und dann haben natürlich unverpackte Produkte leider den „Corona-Trend“ gar nicht Rechnung getragen. Das heißt, sie haben da schon ganz stark drunter gelitten und das geht jetzt eben gerade weiter und da haben leider auch schon viele, viele aufgegeben. Das ist sehr schade, weil es viele Unternehmer sind, die viel mit Idealismus auch reingehen und das finde ich sehr, sehr positiv. Aber Unverpackt-Läden, extrem gesagt, kann man schon froh sein, wenn da noch einer überlebt, wenn ich es mal so sagen darf. Das Thema Unverpackt ist deswegen nicht komplett zu Ende, sondern Unverpackt-Stationen, wie es viele auch schon machen zum Beispiel Edeka, Rewe, Globus und Kaufland haben Unverpackt-Stationen in normalem Lebensmitteleinzelhandel, die haben glaube ich, absolut ihre Berechtigung. Der einzelne Unverpackt-Laden wird es sehr schwer haben eine vernünftige Umsatzgröße hinzukriegen im Moment und auch in Zukunft leider.
Frank Rehme: Nochmal kurz einen kleinen Schritt zurück, nochmal zu dem ganzen Thema Bio. Wir haben eine Bundesregierung, die sehr stark auf dieses Thema setzt, auch Landwirtschaft zu reformieren und solche Geschichten alle und jetzt scheinen wir im Bio-Bereich einer rosigen Zukunft entgegenzuwirken. Was ist denn da jetzt beschlossen worden in der Bundesregierung?
Stephan Rüschen: Die Bundesregierung und auch die Landesregierungen haben eigentlich überall in ihren Koalitionsverträgen drinstehen: Ziel 30% Anteil bis 2030. Wir sind im Moment bei knapp 7% in 2022, also nach 20 Jahren haben wir knapp 7% geschafft alle zusammen und wollen jetzt nochmal 23% drauflegen innerhalb von acht Jahren. Das ist sicherlich unrealistisch, wenn nicht Signifikantes passiert. Also mit dem normalen Trend, wir stellen langsam um, die Verbraucher kaufen immer ein bisschen mehr und so weiter und so fort, wird man bei den 30% nie und nimmer landen. Das ist aber zuallererst mal natürlich für die Branche positiv, denn die 30% signalisieren eigentlich politischen Rückenwind, dass da was passiert. Die Politik muss dann auch Farbe bekennen, sie kann nicht einfach ein Ziel für die Wirtschaft setzen und dann zur Wirtschaft sagen, zu den Kunden sagen, kriegt es mal hin, da muss die Politik eigentlich schon auch was machen und da ist aber eigentlich irgendwie zu wenig zu sehen. Was gerade diese Woche war, dass der Herr Özdemir sagt, dass doch eigentlich die Kantinen, und da hat er auch recht, Kantinen und auch Mensen, also die gerade in staatlicher Hand sind, sollten doch eigentlich 30% Bio-Zutaten haben bei dem Essen, was sie anbieten. Das ist mal ein sehr, sehr guter Schritt, denn das ist nämlich ein Bereich, der bei Bio mittlerweile sehr, sagen wir mal, unterm Radar segelt. Da wird eher geguckt, dass möglichst günstig, Thema Krankenhäuser, Altersheime, die haben ganz klare Sätze, die sehr niedrig sind und müssen damit dann zurechtkommen, da muss man vielleicht die Sätze eben ändern, um Bio da auch umzusetzen, von daher ist das ganz positiv. Grundsätzlich reicht das aber natürlich lange nicht aus, um auf die 20, 30% zu kommen und das, was in der Diskussion ist. Wir haben die Situation, dass grundsätzlich Bio-Produkte signifikant teurer sind als konventionelle, zumindest vor dem Ukrainekonflikt, zu dem Thema kommen wir gleich nochmal, und vielleicht muss man zum Beispiel eingreifen, indem man die Mehrwertsteuer für Bio-Produkte auf 0% setzt und wir konventionelle zum Beispiel von 7 auf 9% setzt, damit der Staat immer noch die Mehrwertsteuer-Einnahmen hat, um die preisliche Differenz zwischen Bio und Konventionell signifikant zu reduzieren. Der Preis ist natürlich für viele in Deutschland allemal ein Argument, ein Produkt zu kaufen oder nicht zu kaufen.
Frank Rehme: Ist das nicht ein bisschen grünes Blase denken, wenn wir sagen, pass mal auf, wir wollen jetzt auch die Leute, die nicht so dicke Geldbeutel haben, in die Richtung zwingen, dann doch die teureren Produkte vielleicht zu kaufen.
Stephan Rüschen: Wir müssen bei der Kaufkraft immer gucken, dass wir keine Durchschnittsbetrachtung machen und sagen, durchschnittlich müssten wir uns das doch eigentlich ein bisschen leisten können. Und da muss man eben unterscheiden, dass wir die Einkommensschere haben. Das ist nicht neu und die 30%, die relativ wenig verdienen, die werden es als sehr zynisch empfinden, wenn man ihnen sagt, wir machen jetzt deine Lebensmittel teurer, damit du eben Bio, nachhaltig usw. kaufst, weil sie es sich nicht leisten können. Deshalb ist es richtig, ein Stück weit ist es in grüner Blase denken, ist sehr, sehr negativ ausgedrückt. Frank, ich würde es mal nochmal anders formulieren. Es ist uns klar, dass wir nachhaltiger uns ernähren müssen, nachhaltiger produzieren müssen, nachhaltiger konsumieren müssen, nachhaltiger verhalten müssen. Und es führt letztendlich dazu, und das wissen eigentlich auch alle, das kostet Wohlstand. Wir werden mit dem verfügbaren Geld, das wir haben, nicht mehr so viel kaufen können, wie es in der Vergangenheit war. Nur die Waage jetzt zu finden zwischen, dass wir nachhaltiger werden und, dass wir aber Menschen plötzlich ausgrenzen aus der Gesellschaft und sie sich beispielsweise überhaupt gar kein Fleisch mehr leisten können, die Waage, die Spielbalance spielen, muss man eben versuchen hinzukriegen. Aber es geht auch kein Weg dran vorbei, dass wir nachhaltiger werden müssen und da ist der Preismechanismus durchaus einer, der relevant sein könnte, auch wenn er dazu führt, dass wir vielleicht eben weniger Fleisch essen, weil wir es uns vielleicht nicht immer so viel leisten können. Wir versuchen natürlich, viel hinzukriegen, gerade beim Thema Fleisch, was sehr wichtig ist, eher über Leute, esst nicht so viel Fleisch, es geht doch auch mit weniger Fleisch, also eher über Bewusstsein zu kommen und nicht über Preis. Funktioniert halt nicht so gut, kommt zurück zu deiner Frage mit der Blase. Ja, uns muss allen klar sein, dass es Wohlstand kostet, wir dürfen es nur nicht überziehen, dass dann extrem gesellschaftliche Unruhen entstehen, denn wenn die Lebensmittel 30% teurer werden, das wird nicht spurlos an der Bevölkerung vorbeigehen mit entsprechenden Reaktionen.
Frank Rehme: Haben wir in vielen Ländern schon gesehen, was da passiert. Aber jetzt haben wir gerade auch, du hat es gerade schon mal angedeutet, ein Phänomen, was eigentlich ein bisschen Kopfschütteln beim Verbraucher auch ausübt, dass auf einmal die Preise von Bio und herkömmlich hergestellten Lebensmitteln irgendwie außer Rand und Band gehen irgendwo.
Stephan Rüschen: Zum Teil ist es im Moment so, dass Bio-Produkte billiger sind als konventionelle. Das kommt daher, dass konventionelle durch Einsatz von Pestiziden von sehr energieintensiven Zusatzstoffen sehr teuer geworden sind und konventionelle eher natürlich auch höhere Logistikkosten haben als Bio-Produkte, die zum Teil, nicht durchgängig, eher aus der Region kommen und das ist tatsächlich entstanden. Als Verbraucher würde man jetzt empfehlen, guck einfach immer im Laden, was ist eigentlich billiger, weil nämlich Bio-Produkte nach wie vor das Image haben, teurer zu sein. Also die Verbraucher, wenn du es nicht nachguckst, dann stellst du es nicht fest, deshalb im Laden immer nachgucken, was ist eigentlich billiger und dann kann man sich Bio plötzlich eben auch leisten. Alle gehen aber davon aus, dass es ein temporärer Effekt ist, dann wird der irgendwann wieder rausgehen, wenn wir wieder normale Konstellation haben. Es ist aber beim temporären Effekt schon so, dass neulich mal ein Milchanbieter gesagt hat, dass er eigentlich seine Bio-Milch als konventionelle Milch deklariert hat, weil er dafür 0,02 € mehr gekriegt hat und das ist natürlich eigentlich abstrus. Was anderes ist aber eigentlich ganz spannend, neulich bei einer Tagung mit vielen bio-engagierten Menschen, die sich auch Sorgen machten, was würde das denn dauerhaft eigentlich für die Marke auch bedeuten, wenn Bio günstiger ist als konventionell. Die machten sich Sorgen, weil dann die Wertigkeit ihres Produktes über den Preis nicht mehr so rüberkommt. Und da würde ich sagen, kann es denn falsch sein, dass ein Produkt, wo ich etwas für mich besser tue und für die Umwelt, dass das günstiger ist wie ein Produkt, was schlechter für die Umwelt ist und schlechter für mich, das ist doch nicht abstrus. Eigentlich ist es doch richtig, erstrebenswert, eigentlich muss es doch genauso sein. Also die Sorge würde ich mir gar nicht machen, das wäre fantastisch, denn das würde Bio eben einen unheimlichen Schub geben. Und deshalb glaube ich, dass man eben von staatlicher Seite tatsächlich in den Preismechanismus eingreifen könnte und sollte, um zumindest mal die Differenz zu reduzieren. Vielleicht sogar bei einigen Produkten bewusst zu erzeugen, dass Bio günstiger ist als konventionell gegenüber dem Verbraucher. Der Erzeuger, der Landwirt, der muss natürlich immer noch auf seine Kosten kommen.
Frank Rehme: Hochgradig interessante Erkenntnisse, die da rausgekommen sind, die ja wirklich so gegen dem, was eigentlich der gesunde Menschenverstand so denkt, eigentlich ansprechen. Stephan, die ganzen Ergebnisse, die ihr erarbeitet habt, wo kann man die nachlesen?
Stephan Rüschen: Auf unserer Internetseite www.handel-dhbw.de, findet man unter Whitepaper und Whitepaper ist ja kostenlos. Unsere Studie Bio – quo vadis?, White Paper Nr. 18. Wir haben aber noch ein anderes gemacht, was zum Thema Nachhaltigkeit einzahlt, nämlich Whitepaper Nr. 20 Attitude Behavior-Gab, auch ganz spannende Ergebnisse und das sieht man zum Beispiel auch, dass sehr wohl ein Großteil der Verbraucher auch verstanden hat, dass Nachhaltigkeit Wohlstand kostet. Und übrigens noch ein Ergebnis aus der Studie ist, dass über 40% gesagt haben, dass sie bereit sind, ihre Einkaufstätte zu wechseln, wenn ein anderer Wettbewerber im Handel mehr nachhaltigere Produkte hat. Also die Kunden haben bereits die Bereitschaft, nicht alle, die Einkaufstüte zu wechseln. Was für den Handel bedeutet, aus meiner Sicht, Nachhaltigkeit ist ein total wichtiges Feld, auch gegenüber dem Kunden und das muss man verdammt authentisch und verdammt gut spielen, sonst ist man irgendwann weg. Um mal das neudeutsche Wort zu verwenden, wenn das nicht im Purpose verankert ist, dann könnte es einem irgendwann wie Schlecker gehen. Also www.handel-dhbw.de unter Whitepaper gibt es auch ganz viele andere Sachen, die wir da veröffentlichen, kostenlos. Wir sind da, glaube ich, ganz umtriebig. Wen es interessiert, herzlich Willkommen, die Sachen runterzuladen und zu lesen und sich bei uns zu melden, wenn man zum Beispiel auch anderer Meinung ist.
Frank Rehme: Wir verlinken die ganzen Sachen auch in den Shownotes hier, dass ihr nur einfach mal klicken braucht. Ich sage, besten Dank Stephan, war mal wieder hochinteressant! Also ich bin wieder total elektrisiert von den Themen, die ihr da macht und ich freue mich schon auf die nächste Folge, die wir zusammen aufnehmen.
Stephan Rüschen: Frank, vielen Dank!
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!