Kundenzufriedenheit: Haben Händler und Shopper die gleiche Werte? Eine Analyse.
Was verstehen Händler unter Kundenzufriedenheit, und was bedeutet der Begriff für die Kunden? In einer studentischen Forschungsarbeit der TH Köln unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Günter Lindner wurden in einem unserer Projekte die Werte der beiden Gruppen übereinandergelegt. Dabei hat die von Professor Lindner neu entwickelte Methode ein Ergebnis gebracht, dass alle Beteiligten erstaunte.
Werte als Messergebnis individuell wahrgenommener Muster
Was Kundenzufriedenheit ist wissen doch alle – das ist die landläufige Meinung der Branche. Doch ganz so eindeutig ist das gar nicht, wie wir in einer (natürlich nicht für ganz Deutschland repräsentativen) Untersuchung feststellen konnten.
Eigentlich war das Ziel, durch konsequente Anwendung der Design Thinking Methode neue Ideen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit am PoS zu entwickeln. In der Anfangsphase des Projektes erkannte man schnell die Notwendigkeit, Transparenz über die Werttreiber des Begriffes „Kundenzufriedenheit“ zu bekommen. Dazu bediente man sich der Methodik der Fuzzy Cognitive Maps (Erklärlink in EN).
Es galt den häufig begangenen Fehler zu vermeiden, Kundenzufriedenheit und -begeisterung allgemeinverbindlich mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis o.ä. oberflächlichen Faktoren gleichzusetzen ohne zu hinterfragen, was die eigentlich wichtigen Werte der Kunden hinter dieser Kundenzufriedenheit sind. So wurde neben der einfachen Auswertung der Interviews tiefer in die Antworten der Probanden geschaut und daraus die tatsächlichen Werte ihres Shoppingerlebnisses abgeleitet.
Diese Werte waren für die Kunden wichtig
Als übergeordnetes Ziel der Instore Experience wird die Kundenbegeisterung verstanden. Da die Vorstufe dieser die Kundenzufriedenheit ist und im stationären Kleinhandel bereits hierbei oft Defizite bestehen, war der erste Schritt zur Ermittlung der Kundenwerte die Erstellung einer Wissenslandkarte zum Thema Kundenzufriedenheit beim Shoppen. Dazu wurde ein dynamischer Workshop initiiert, in dem gemeinsam die Antworten der Kunden besprochen und wichtige Kernbegriffe und Assoziationen herausgearbeitet wurden.
Die Werte, die für die Kunden wichtig waren, wurden dann identifiziert, aggregiert und in eine Fuzzy Cognitive Map (FCM) dargestellt.
Diese Werte waren für die Händler wichtig
Auch die Werte, die aus Sicht der Händler eine zentrale Bedeutung für die Kundenzufriedenheit hatten, wurden mit Hilfe einer qualitativen FCM in ihren Wechselwirkungen dargestellt. Es zeigt sich, dass es einige Überschneidungen mit den Werten aus Kundensicht gibt, hier kommt das Ergebnis:
Interessant: Der Abgleich der beiden Maps
Als letzter Schritt zur Bestimmung der Kundenwerte im Shoppingerlebnis wurden die beiden FCMs der Händler und Kunden übereinander gelegt. Dies dient zum einen dazu, ein gesamtheitliches Bild aller möglichen Einflussfaktoren sowie ihrer Stärke und Richtung zu erhalten, zum anderen aber auch der Aufdeckung von Schwachstellen auf Händlerseite. Es soll herausgestellt werden, welche Werte die Händler bei der Analyse ihrer Kunden übersehen haben und welchen Werten sie zu große Bedeutung zugemessen haben. Die Bedeutung der Beziehungsstärke ist in der folgenden FCM die Gleiche wie in den beiden oben gezeigten Abbildungen. Um die Unterschiede beider Einschätzungen sichtbar zu machen, ist jedoch zusätzlich die Legende der nachfolgenden Abbildung zu beachten:
Es zeigt sich, dass die Einschätzung relevanter Werte aus Kunden- und Händlersicht in vielerlei Hinsicht übereinstimmt. Besonders den stark positiven Einfluss der Werte „Unterstützung“ und „Wohlfühlen“ haben die Händler korrekt eingeschätzt. Auch die Relevanz der Unterhaltung haben sie erkannt, auch wenn sie diese nur mit einer einfach positiven Beziehung gekennzeichnet und somit die wahre Bedeutung dieser verkannt haben.
Interessant aber: Bei den Händlern besteht jedoch kein Bewusstsein dafür, dass die Aspekte Wertschätzung, Erfolg, Ordnung sowie Informiertheit und Transparenz von Bedeutung sind. Besonders kritisch ist dies bei den Werten Ordnung sowie Informiertheit und Transparenz, da diese einen stark positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben. Informiertheit und Transparenz belegt nach Wohlfühlen sogar den Platz als zweitwichtigster Wert der Kundenzufriedenheit.
Wichtige Werte wurden nicht erkannt, haben aber einen großen Einfluss.
Da die Händler die vier oben genannten Werte nicht als relevant eingeschätzt haben, haben sie auch die Wechselbeziehung dieser zu anderen Werten nicht erkannt. Somit besteht kein Bewusstsein für den positiven Zusammenhang von Ordnung und Zeitersparnis, Unterstützung und Informiertheit und Transparenz, Unterstützung und Erfolg sowie Wertschätzung und wohlfühlen. Dies ist besonders kritisch, da all diese Werte in einem stark positiven Zusammenhang zueinander stehen. Lediglich der stark positive Zusammenhang von Unterstützung und Wohlfühlen wurde von den Händlern korrekt eingeschätzt. Darüber hinaus haben sie auch die negativen Zusammenhänge von Individualität und Zeitersparnis sowie Unterhaltung und Zeitersparnis korrekt erfasst.
Zu hoch haben die Händler die Einflussstärke des Wertes Individualität eingeschätzt. Darüber hinaus sind aus Sicht der Händler einige Werte von Bedeutung, die aus Kundensicht so nicht geäußert wurden. Hierbei handelt es sich um die Aspekte der Modernität, Tradition und Totalität. Es ist anzuzweifeln, dass diese Werte aus Sicht der Kunden überhaupt keine Bedeutung haben. In einer weiteren Untersuchung sollte aber überprüft werden, inwiefern diese Werte für die Kunden Bestandteil anderer von ihnen genannter Werte sein könnten. So wäre beispielsweise denkbar, dass Tradition für Kunden ein Teil von Qualität oder Modernität ein Teil von Unterstützung und Zeitersparnis ist. Der Begriff Totalität, der aus Sicht der Händler der allumfassende Anspruch der Kunden ist, spiegelt sich vermutlich in allen von den Kunden genannten Werten wider.
Wir werden zukünftig weiter an dem Thema arbeiten. Für Professor Lindner gehört dieser Themenbereich zukünftig in jede Analyse und Betrachtung. Seine Überzeugung: „Werte und mentale Modelle sind die Treiber für Empathie und letztendlich Kundenorientierung. Prozesse ohne Werte ist wie ein Auto ohne Sitz.“
Beitragsbild von Alexander Lesnitsky auf Pixabay
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[…] Das ursprüngliche Ziel war, gemeinsam mit der gmvteam GmbH mit Hilfe von Design Thinking neue Ideen zu Verbesserung der Kundenzufriedenheit am POS messen. Wir erkannten schnell die Notwendigkeit, tiefer in die Motivation und Wertetreiber einzusteigen. Deshalb nutzten wir das human value design von Professor Lindner. Weitere Informationen unter https://zukunftdeseinkaufens.de/werte/ […]
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