Kampagne „Wahre Preise“ bei Penny: Mehr Verkäufe als erwartet
Im August 2023 wurden eine Woche lang, im Rahmen der Kampagne Wahre Preise von Penny, neun Produkte in allen deutschen Penny-Märkten zu ihrem „wahren Preis“ verkauft. Die Preise wurden von einem Forschungsteam der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) und der Universität Greifswald zuvor berechnet. Die Aktion ging im vergangenen Sommer viel beachtet durch die deutsche Medienlandschaft. Nun legen die Forschenden die Ergebnisse vor.
Für die meisten Kund*innen ist ein Preisaufschlag, der ökologische Folgekosten der Lebensmittelproduktion abdeckt, zu teuer; jedoch hilft eine Kampagne zu den wahren Preisen von Lebensmitteln maßgeblich, das Bewusstsein der Menschen dafür zu stärken: Das sind zwei der wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung.
Die wissenschaftliche Fragestellung lautete: Welche wahren Kosten entstehen bei der Lebensmittelproduktion, wenn man ökologische und soziale Folgekosten mit in den Preis hineinrechnet und wie reagieren Kund*innen auf solche Preisaufschläge?
Das Forschungsteam aus Greifswald und Nürnberg hatte für ausgewählte konventionell und ökologisch erzeugte Produkte der Lebensmittelkette Penny die durch die Produktion anfallenden Auswirkungen der Faktoren Boden, Klima, Wasser und Gesundheit in den Verkaufspreis eingerechnet. Die Projektleitung hatten der Ressourcenökonom Prof. Dr. Tobias Gaugler von der Fakultät Betriebswirtschaft der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Dr. Amelie Michalke vom Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald. Beide forschen im Rahmen des Forschungsprojekts „HoMaBiLe”, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA), sowie des EU-Projekts „FOODCoST” an den externen Kosten der Landwirtschaft.
Interesse am Thema Umweltfolgekosten gewachsen
Während der Untersuchung wurden insgesamt 2.255 Teilnehmer*innen unmittelbar vor und nach der Kampagne befragt sowie Verkaufszahlen der Woche analysiert. „Mit der Kampagne wollte die Discounterkette eine wissenschaftliche Grundlage für künftige Diskussionen des Themas wahre Kosten legen. Außerdem ist es gelungen, eine gesellschaftliche Debatte zum Thema zu initiieren“, so Stefan Görgens (COO Penny).
Zwei Drittel der Befragten bekundeten nach der Kampagnenwoche gewachsenes Bewusstsein um das Thema, während jeder Dritte der Kampagne zutraute, eine politische Debatte auszulösen. Die Kampagne erzielte mit der durch die wahren Kosten geschaffenen Transparenz für Kund*innen einen weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Diskurs: über 1.200 Artikel in gesellschaftlichen und Fachmedien wurden allein während der Kampagnenwoche dazu in deutschen und internationalen Medien veröffentlicht.
Dies bestätigen auch Daten aus der Umfrage der 2.255 Teilnehmenden: 59 Prozent haben von der Aktion mitbekommen, wobei nur ca. ein Drittel davon Kund*innen des Discounters sind. Die Kampagne hat demnach zu einer Sensibilisierung zum Thema wahre Kosten (53 Prozent) und Debatten über politische Reformen (38 Prozent) geführt.
Nach der Kampagne wurde jedoch der Zuspruch für eine politische Umsetzung des True Cost Accounting wieder geringer. Teilnehmenden wurden dazu die folgenden Maßnahmen zur Auswahl gestellt: Informationen zu wahren Kosten auf Produkten (minus 19 Prozent), ein Wahre-Kosten-Zuschlag (minus 27 Prozent), oder eine entsprechende Steuer (minus 22 Prozent).
Kund*innen (n=199) haben Kampagnenprodukte mit den höheren Preisen vor allem gekauft, weil sie diese Produkte immer kauften (93 Prozent), aber auch weil sie ein Interesse an Themen der Nachhaltigkeit haben (86 Prozent). Die Verknüpfung mit der Spende an das Projekt Zukunftsbauer war ein weiterer starker Grund (83 Prozent). Kund*innen kauften die Produkte hauptsächlich nicht (n=523), weil sie mit dem Wahre-Kosten-Preisaufschlag schlicht zu teuer seien (85 Prozent).
Verkaufszahlen nicht so stark gesunken wie erwartet
Die Auswertung der Verkaufszahlen der Kampagnenwoche im Vergleich mit Referenzzeiträumen ergibt, dass die Verkäufe der Aktionsprodukte in der Woche grundsätzlich gesunken sind, jedoch nicht so stark, wie bei so großen Preisaufschlägen zu erwarten war. Dies könnte auf den Einfluss der flankierenden Wissenschaftskommunikation und die Verbindung mit der Spende zurückzuführen sein.
Auch sind Unterschiede zwischen Bio- und konventionellen Lebensmitteln zu sehen: „Sie zeigen zwar beide einen Abwärtstrend, wohingegen der Einbruch bei Bioprodukten durchweg etwas geringer ausfällt”, erklärt Dr. Amelie Michalke. Im Vergleich zu den Molkerei- und Fleischprodukten stiegen beim veganen Produkt (trotz Preiserhöhung) die Verkaufszahlen, was wohl an dem geringen Aufschlag von nur fünf Prozent lag.
Bio-Produkte mit niedrigeren Preisaufschlägen
Die Wahre-Kosten-Berechnungen des Teams ergaben, dass die Aufpreise in den Produktgruppen unterschiedlich hoch ausfallen. So haben die erhobenen Bio-Lebensmittel grundsätzlich geringere Folgekosten als ihre konventionellen Gegenstücke. Ein pflanzliches Ersatzprodukt hat im Vergleich den mit Abstand geringsten Aufpreis.
Die Mehreinnahmen (die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und den wahren Kosten) von über 370.000 Euro, die während der Kampagne erzielt wurden, spendete der Discounter an „Zukunftsbauer“. Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt von Penny, der Molkerei Berchtesgadener Land, Landwirt*innen und Kund*innen, das sich zum Ziel gesetzt hat, einen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum zu leisten.
Wertvolle Datengrundlage für das True Cost Accounting
Die Forschenden wollten mit der Aktion umfassende Daten über die Kampagnenwoche erheben, aber auch über Vergleichswochen und sozio-demographische Informationen analysieren. „Wir können damit sicher wertvolle Erkenntnisse über Kaufverhalten und Akzeptanz für das Thema gewinnen“, sagte Prof. Dr. Tobias Gaugler zu Beginn der Kampagnenwoche.
Sein Fazit nach der Kampagne und Ergebnisauswertung: „Eine Studie zu solch besonderen Preisanpassungen auf einer vergleichbar breiten Datenbasis hat es bisher noch nicht gegeben. Das ermöglicht eine völlig neue Qualität der Diskussion über die Umweltfolgekosten. Es findet allerdings bei Kund*innen unverändert keine Differenzierung der Folgekosten zwischen Produkten statt; hier muss wohl noch weiter gesellschaftsfähige Bildungsarbeit geleistet werden, um aufzuzeigen, welche Produkte nachhaltiger sind als andere. Wir denken, dass wahre Preisschilder zu diesem Verständnis beitragen können.“
Insgesamt hat die Aktion zu einem weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Diskurs bezüglich aktueller Probleme im Ernährungssystem geführt, die mit True Cost Accounting und der Wahre-Kosten-Kampagne wissenschaftlich aufgezeigt wurden. Nach der Kampagne und der Präsentation der Ergebnisse fokussiert sich das Forschungsteam nun insbesondere auf die Inkludierung sozialer Faktoren, sowie eine landwirtschafts- und sozialverträgliche Maßnahmendefinition, die wahre Kosten für eine nachhaltige Transformation des Ernährungssystems nutzbar machen.
Hallo und guten Tag Frau Scholz, trotz vieler kritischer Stimmen in den Medien, hat mir die Aktion schon im letzten Sommer gefallen. Jedoch schon damals – und auch jetzt wieder – frage ich mich, ob das Ergebnis nicht anders ausgefallen wäre, wenn man die Aktion nicht bei einem Discounter, sondern bei einer Supermarktkette durchgeführt hätte. Tendenziell hätte ich dann einen noch größeren Zuspruch und mehr Akzeptanz, sowohl für die Aktion selbst, als auch für die Produkte und deren Preisanhebungen vermutet.
Moin Frau Scamperle, herzlichen Dank für Ihre Gedanken. Ich fand die Aktion auch ganz hervorragend und ich hoffe, wir kommen möglichst bald zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion in Bezug auf „Wahre Kosten“ von Produkten (nicht nur Lebensmitteln). Vielleicht wäre die Aktion tatsächlich bei einem Supermarkt erfolgreicher gewesen, denn dort gibt es tendenziell eine größere Zahlbereitschaft. Insgesamt hat die Aktion noch weitere Merkmale, die zu einem vielleicht nicht wirklich aussagekräftigen Ergebnis führt. Die Verbindung mit der Spende wird das Ergebnis positiv beeinflusst haben. Wäre der Eindruck entstanden, Penny würde sich den zusätzlichen Umsatz selbst einstecken, wäre sicherlich der Zuspruch geringer gewesen. Ich möchte dennoch die Aktion nicht schlechtreden, denn sie ist ein guter Einstieg, damit wir über die Tatsache, dass Preise meist nicht die wahren Kosten abbilden, reden.