Virtual Reality im stationären Handel
Die voranschreitende Digitalisierung wird die stationären Shop-Konzepte vieler Branchen stark beeinflussen und verändern. Schon heute übernehmen E- und M-Commerce immer stärker den Abverkauf, was physische Kassen- oder Checkout-Bereiche, lokale Warenlager und Produktregale obsolet machen könnte. Dank innovativer Technologien wie Virtual Reality (VR) kann und wird der stationäre Handel jedoch auch weiterhin eine wichtige, aber andere Rolle spielen als bisher.
Der klassische Store, wie wir ihn heute kennen, hat langfristig ausgedient. Künftig geht es speziell im Segment der Shopping- oder Specialty Goods (z.B. Möbel, hochwertige Elektronik oder Autos) weniger um Warenhaltung oder Abverkauf. Stattdessen wird aus dem stationären Handel immer mehr ein Aufenthaltsort, ein Platz, an dem man Marken und Produkte anfassen und erleben kann.
Hier kommt Virtual Reality (neben vielen weiteren Technologien) ins Spiel. Denn sie liefert den Konsumenten einen Grund, den Store aufzusuchen. VR-Technologie bietet die immersivste und wirkungsvollste Form der digitalen Experience. Und das, obwohl sie ihr volles Potenzial längst noch nicht ausschöpft.
Die Vorteile von VR-Anwendungen liegen auf der Hand: Das technische Setup benötigt geringen physischen Raum. Produktwelten, Produktkonfigurationen sowie Produktpaletten lassen sich unabhängig vom lokalen Warenbestand räumlich unbegrenzt und eindrucksvoll im 1:1-Maßstab visualisieren – speziell in Produktbereichen, in denen der reale Kontext eines Produkts nicht im Store abgebildet werden kann. Dies lässt sich beispielsweise im Möbel-, Tourismus- oder Automobilsektor beobachten.
Spannend ist auch die Kombination aus Store und heimischem VR-Erlebnis. 360°-Virtual Reality Sport- oder Musikevents werden bereits erfolgreich veranstaltet. Und das ist erst der Anfang: Künftig werden Nutzer auch vom eigenen Wohnzimmer aus mit VR-Headsets den Store aufsuchen, begehen und erleben können.
So gesehen bei Tommy Hilfiger, wo Zuschauer bei einer Modenschau und Produktinszenierung im Flagship Store auf der Fifth Avenue in New York per VR wie live dabei sein konnten. Darüber hinaus wird die Frequenz der Shop-Besuche durch die zunehmende Anzahl der VR-Nutzer sowohl im Store als auch auf den digitalen Plattformen signifikant steigen.
Virtual Reality in der Praxis
Um ein sinnvolles und spannendes, digitales Produkterlebnis zu realisieren, sind die Möglichkeiten in VR schlichtweg unbegrenzt. Da der zeitliche und monetäre Aufwand einer VR-Anwendung nicht zu unterschätzen ist, gilt es, sich einem idealen Einsatzszenario bestenfalls über ‚Trial & Error’ anzunähern. Für diese Form des Prozesses müssen sich viele Handelsunternehmen und Händler strategisch entsprechend aufstellen und Digital-Verantwortliche etablieren, die Dienstleister steuern oder zielführend briefen können.
Gleichzeitig profitieren all diejenigen Unternehmen, die bereits erste Schritte in VR wagen und so zunehmend Erfahrung mit der Technologie sowie Insights über die Nutzung sammeln. Einige wenige Stores – wie IKEA, Audi City oder Thomas Cook – arbeiten bereits erfolgreich daran, ihre digitale Infrastruktur für die Zukunft vorzubereiten oder aufzubauen und sich damit vom Wettbewerb abzuheben.
Damit VR-Anwendungen im Store auf die E-Commerce-Plattformen oder Produktdaten des Unternehmens zugreifen können, müssen entsprechende Schnittstellen vorhanden sein. Nur so können Store-Anwendungen zentral gepflegt, gesteuert oder angepasst werden. Ein Invest in die entsprechende Infrastruktur ist empfehlenswert, damit eine Skalierung der Anwendung oder eine Omnichannel Strategie erfolgreich verfolgt werden kann.
Innovative Technologien retten den stationären Handel
Für seinen Fortbestand und um auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung gegenüber E-und M-Commerce zu haben, sollte sich der stationäre Handel nicht auf einzelne Technologien wie VR konzentrieren. Zielführend ist eine Kombination aus digitalen Tools oder Maßnahmen mit beispielsweise analogen Installationen.
Bis dato fokussiert sich der Handel stark auf KPIs zur lokalen Abverkaufssteigerung. Dies ist im Kontext der neuen Rolle hin zu einem Ort für Erlebnisse bedingt sinnvoll, denn langfristig ist der Abverkauf nicht mehr das strategische, inhaltliche oder primäre Ziel eines Stores. Aus diesem Grund sind neue Messkriterien notwendig, die nicht nur die Aufenthaltsdauer, sondern auch den Erlebnis-Faktor und die Zufriedenheit der Nutzer messen.
E-Commerce sollte vom stationären Handel nicht mehr als Wettbewerb betrachtet, sondern akzeptiert und als Motivation gesehen werden. Nur so können Stores und Handels-Unternehmen ihre Rolle in der Digitalisierung neu definieren und nutzen: VR, AR oder auch viele andere Technologien leisten dabei einen maßgeblichen Beitrag und ermöglichen ein einzigartiges Shop- oder Markenerlebnis – jenseits des Webshops – mit nachhaltiger Wirkung.
Die Chancen für Veränderungen sind vielseitig und es bleibt spannend, wohin die Reise des stationären Handels mithilfe innovativer Technologien und Strategien geht.
Über den Autor: Alexander El-Meligi ist Managing Partner & Creative Director bei Demodern, Hamburg, studiert an der SAE Creative Media und arbeitet zunächst 2005 als Motion Designer und Entwickler in diversen Agenturen wie BB&K und JvM für Kunden, wie Porsche, Mercedes, O2 und Hugo Boss. 2009 gründet er gemeinsam mit Kristian Kerkhoff die Digitalagentur Demodern mit starkem Fokus auf interaktive Erlebnisse.
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