Standortbestimmung 2017 zum Selfscanning im LEH
Aufmerksamen Lesern ist sicherlich nicht entgangen, dass ich mich bereits 2007 in meiner Eigenschaft als Innovationsverantwortlicher der Metro Group mit dem Thema Self Scanning beschäftigt habe. In der Vor-Iphone Zeit wurde bereits das Self Scanning mit Nokia Mobiltelefonen im Future Store in Tönisvorst getestet. (Hier ist die Lösung im Video zu sehen)
Deutschland 2017: Self Scanning Entwicklungsland
Leider sind wir in Deutschland mit dem Thema Self Scanning in den letzten 10 Jahren nicht wirklich weitergekommen. In unserem Nachbarland Niederlande sieht man in den Albert Heijn oder Jumbo Märkten fast jeden zweiten Kunden mit einem Self Scanning Gadget durch den Markt laufen. Die Vorteile für den Kunden sind klar: Stets Übersicht über den aktuellen Preis, keine Kassenschlangen, nicht nochmal scannen. Für den Händler erübrigt sich der teure Checkout Prozess, obwohl immer noch unnötigerweise Kassen vorgehalten werden, aber dazu später mehr.
Für mich war es wichtig, herauszufinden, ob die Ignoranz (bei Kunden und Händlern) ggf. auf Grund einer nicht ausgereiften Technologie basiert. Eine kurze Recherche ergab, das der aktuelle Standard in dem Bereich bei den MC18 PSA-Handscannern von Motorola/Zebra zu finden ist. Dieser ist mit einem großen berührungsempfindlichen Display ausgestattet, das für die Kunden leichter zu bedienen ist, weil es ein bisschen „Smartphone-like“ anmutet. Die Lösung ist zusammen mit einem Self Checkout von Diebold-Nixdorf und Glory Global Solutions implementiert worden. Die richtige Kombination also, um einen Test in dem Markt in Simmern/Rheinland Pfalz einmal anzugehen.
Geringe Zutrittshürde für eine einfache Registrierung
Direkt am Eingang fällt der Bereich der Self Scanning Geräte ins Auge, die daneben liegende Infotheke lädt zur Nachfrage ein. Die Registrierung war in wenigen Minuten durch eine sehr engagierte Mitarbeiterin erledigt. Was mich gewundert hat: Ich wurden nach meinem Personalausweis gefragt, aber nicht nach meiner Kontonummer. Das hätte ich eher erwartet, denn so kann man den Einkaufsbetrag direkt per Sepa-Lastschriftmandat ja einziehen. War aber nicht, schade.
Die Benutzung des Scanners ist schnell erklärt, was durch die intuitive Bedienbarkeit auch enorm erleichter wird. Zudem gibt es ein sehr ausführliches Leaflet, in dem auch wirklich noch einmal alles bis aufs kleinste erklärt wird.
Alle Funktionen wurden im anschließenden Einkaufsprozess ausprobiert. Die Laufzeiten sind sehr schnell, der Scanner hat in weniger als eine Sekunde die Artikeldaten aus dem Warenwirtschaftssystem auf das Display geholt. Multiple Artikel werden per Plus-Taste zugefügt, Stornierungen durch wiederholtes Scannen ausgeführt. Alles in allem waren das dann schon alle Funktionen, die man braucht. Zugleich wird immer der gesamte Warenkorbwert angezeigt.
Nach dem Einkauf passiert man die langen Kassenschlangen und geht schnurstracks in Richtung der Self-Checkout Kassen. Dort wird zum Kaufabschluss dann ein Barcode gescannt, der den gesamten Einkaufskorb im Backend der Kundennummer zufügt und abspeichert. Der Handscanner hat dann seinen Dienst getan und wird zurückgegeben.
Der Checkout an sich ist ein Medienbruch
Eigentlich wäre ja jetzt alles erledigt, der kassenlose Supermarkt endlich Realität. Man kennt mich durch die Registrierung, weiß, was ich mitgenommen habe und kann mich doch endlich gehen lassen. Das wäre dann die Deutsche Lösung von Amazon go, ein Globus go also. Gern würde ich dafür dafür ein Lastschriftmandat ausstellen, aber man hat es ja nicht gewünscht. In diesem Artikel habe ich bereits die Halbherzigkeit von Payment und Checkout Lösungen beschrieben.
Jetzt identifiziert man sich mit seiner Kundenkarte an einem Self-Checkout, bekommt den Zahlbetrag angezeigt und kann dann (sogar kontaktlos) bezahlen. Die Kartenterminals sind allesamt mit NFC-Readern ausgestattet.
Was positiv aufgefallen ist: Alle Scanvorgänge der Handscanner waren problemlos, das ist nicht selbstverständlich. Egal welche Verpackung oder Oberfläche: Alles wurde augenblicklich erkannt. Auch bei der Registrierung und Checkout konnte ein Foto der Kundenkarte vom Smartphone problemlos erkannt werden. Ein Zeichen, das die leistungsfähigeren Imager den Laserscanner abgelöst haben.
Dann noch etwas zum Thema Ladendiebstahl: Natürlich ist es möglich, mehr einzupacken, als zu scannen. Es wird aber auf folgendes hingewiesen: „Ab und zu prüfen wir mal nach, ob auch alles richtig gescannt wurde. Ganz bestimmt ist jeder mal dran.“ Meine Erfahrung aus dem Future Store vor 10 Jahren: Oft haben die Kunden mehr gescannt, als sie wirklich eingepackt haben, das lag damals aber an der schlechten Bedienbarkeit der Nokia N82 Telefone.
Das Fazit:
Die Technik ist hochgradig ausgereift. es gab aber auch nichts, was man selbst mit einem kritischen Auge identifiziert könnte. Schließlich sind diese Prozesse im Ausland bereits seit fast 15 Jahren etabliert. Nun wird es auch in Deutschland Zeit, mehr dieser Lösungen anzubieten. Und hier gibt es zwei Denkgrenzen zu überwinden:
- Der Kunde darf akzeptieren, dass Self Scanning kein Arbeitsplatzabbau von Kassiererinnen ist, sondern ein Komfort- und Zeitgewinn.
- Der Handel muss lernen, dass Self Scanning keinen Checkout mehr braucht, egal wie schnell er ist. Das gibt es schon lange im eCommerce: Kunde, nehme dir was du brauchst und zahle später. Dort heißt das dann Kauf auf Rechnung.
Jetzt ist die richtige Zeit, Mut zu zeigen und mehr von diesen Lösungen zu implementieren. Es wird spannend!
Ich sehe in immer mehr Geschäften die Sicherung der Artikel mit Klebeetiketten und / oder Plastik Boxen bzw. Flaschensicherungen. Bei Textilteilen sind häufig diese Knöpfe angebracht, die beim Bezahlen entfernt werden.
Wie läßt sich dies mit dem Selfscanning vereinbaren? Wie werden diese Sicherungen gelöst bzw. zerstört? Schließlich will ich nicht den einen Laden verlassen und dann im nächsten sofort Alarm auslösen. V.a. in großen Centern sieht man diese Antennen ja nahezu in jedem Shop.
Das Problem der Warensicherung ist im LEH natürlich nicht so präsent wie im Fashion Bereich. Dort erübrigt sich das Problem aber dadurch, dass Funketiketten beim Verlassen des Stores erkannt werden und der Bezahlstatus abgefragt wird. In vielen Testinstallationen wurde diese Möglichkeit bereits erprobt und validiert.
Zu den angesprochenen Flaschensicherungen bleibt nur eine Lösung: Entfernen durch Mitarbeiter am Checkout. Aber auch da greift die kaufmännische Betrachtung. Was ist teurer? der Mitarbeiter, der vorgehalten werden muss, oder der Schwund durch fehlende Warensicherung? Es bleibt spannend!