4 Wege aus dem Rabatt-Trauma: POS-Orchestrierung (3/5)
In unserem vorherigen Artikel hatten wir über die Wichtigkeit der Flächenökonomie geschrieben, die erste elementare Säule dieses Konzeptes. Heute stellen wir Ihnen die zweite Säule vor, das Potenzial eines Portfolio-Staging am Point of Sale.
POS-Orchestrierung für mehr Kundenbegeisterung
Es wird viel über Erlebnis und Inszenierung gesprochen, und manche Retailer praktizieren das auch gut. Das Bemühen um ein ansprechendes Ladendesign und schöne Settings sind fein, aber konventionelle Darstellungen sorgen mittlerweile kaum mehr für Begeisterung beim Konsumenten. Die Erwartung an Erlebniskonzepte ist hoch und diese müssen heute so gestaltet sein, dass alle Sinne angesprochen werden. Dies ist die wesentliche Differenzierung zur Online-Welt, denn das gelingt digital nicht.
Kund:innen suchen nach Lösungen oder möchten sich inspirieren lassen, in neue Welten eintauchen. Dementsprechend müssen Botschaften, Lösungen und Angebote entsprechend orchestriert werden. Kund:innen sollten heute auch die Möglichkeit bekommen, Produkte mitzugestalten oder ihr eigenes Produkt kreieren zu können. Sie möchten Raum haben, um ihren persönlichen Stil zu erforschen, definieren und möglicherweise auch weiterentwickeln zu können. Schaffen Sie einen „Spielplatz“ für Ihre Kund:innen, den Playground_CX. Hierbei können auch gute Apps Ihr Konzept unterstützen.
Die österreichische Verbandsplattform Service&More (Möbel und Raumausstattung) hat für seine Handelspartner ein besonderes Beratungstool entwickelt, das die Online-Welt mit dem stationären Geschäft verbinden soll. „eVA“ ist eine eigens entwickelte Beratungs-App, die durch zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten Kund:innen auf ihrer Journey unterstützt. So können beispielsweise Kund:innen mittels Style-Check ihren Einrichtungsgeschmack erforschen und, ähnlich einem Horoskop, ihren Typ ermitteln. Daraus abgeleitet gibt es Einrichtungstipps sowie die entsprechenden Produktvorschläge seitens der ausgesuchten Händler:innen. Dieses Guided-Selling-System hilft einerseits den Beratungsprozess für Kund:innen zu vereinfachen und verstärkt andererseits, durch ausgesuchtes Content-Management, die Beziehung zwischen Händler:innen und Kund:innen in einer frühen Phase.
Als eine gelungene Form von Customer – Experience, darf der Douglas Flagship-Store in Berlin genannt werden. Hier wird tatsächlich der Handel neu gedacht und erschafft ganz neue Einkaufserlebnisse. Neben den gewohnten Kosmetik-Produkten erweitert der Store sein Angebot um Bereiche wie ein Cosmetic-Lab, eine Natur-Welt sowie die erste Gucci-Boutique Deutschlands. Kund:innen aus aller Welt finden außerdem einen Medical-Beauty-Bereich. Zudem stehen neu kuratierte Konzepte zur Verfügung.
In der Douglas Beauty School können Kund:innen neue Looks entdecken und selbst auch erlernen. Eine Beauty Lounge bietet Pflege-Behandlungen und Event-Stylings für Haare und Make-up. Daneben gibt es eine eigene Bar, zusätzliche Maniküre- und Styling-Plätze, einen eigenen Friseursalon und eine neue Duftbar für Duftberatungen. Zusätzlich können Kund:innen mit Hilfe der innovativen App „Douglas Beauty Booking“ ohne zeitraubende Terminabsprachen den Besuch beim Lieblingsstylisten bequem und einfach online buchen. Das Angebot bezieht sich auf mehr als 100 Partner im Stadtgebiet von Berlin.
Auch dem digitalen Service wurde genügend Raum gegeben, so dient ein separater „Influencer-Room“ als Rückzugsort für Social-Medial-Stars, in dem sie ihren Content zur Beauty School in Ruhe produzieren können. Kund:innen, die ihre Beauty-Produkte lieber online einkaufen, können weiterhin ihre Bestellungen in der neu eingerichteten Click & Collect Station ohne Wartezeit abholen.
Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dieser Store schafft ein 360 Grad-Erlebnis für seine Kund:innen.
Portfolio-Staging – vom Laden zur Bühne
Probieren Sie etwas Neues und wagen Sie eine Inszenierung in Form eines Bühnenstücks, das ist Storytelling der ganz besonderen Art. Sie müssen dazu keine Bühne aufbauen, denn Ihr Geschäft ist bereits eine einzigartige Bühnenfläche.
Sehen Sie es aus Sicht der Betrachtenden, was sieht das Publikum – in unserem Fall Ihre Kund:innen? Hier hilft es, eine andere Brille aufzusetzen und „out of the box“ zu denken.
Für ein Bühnenstück (Oper, Theater etc.) zahle ich Eintritt und will dafür etwas erleben, das Gesamtkunstwerk mit Begeisterung wahrnehmen. Und genau dafür bemühen sich die Protagonisten – also Ihre Dekorateure und alle Personen im Verkauf. Auf Ihr Geschäft umgelegt, zahlen Kund:innengewissermaßen auch Eintrittsgeld, nämlich in Form ihrer Zeit – sie wollen etwas erleben und nicht nur Produkte ansehen. Um Produkte kaufen zu können, dazu braucht es keinen Laden mehr. Vielmehr aber, um Neues mit allen Sinnen zu erleben und mit der Marke interagieren zu können.
Manche Online-Marken schaffen es bereits, Nutzende in ihre digitale Welt zu holen. Deshalb sollten stationäre Händler:innen dafür sorgen, wenn sich Konsument:innen bereits zu ihrer Bühne begeben, sie zu verzaubern. Dazu sollte man allerdings wissen, für welches „Programm“ sich Ihr Publikum (Kund:innen) interessiert.
Imagination: Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Theater oder ins Konzert, Sie haben ein ernstes Interesse an dem Stück, sonst hätten Sie wohl kaum eine Karte gekauft. Am Ende waren Sie von dem Stück so beeindruckt, dass Sie noch Tage danach davon erzählen werden. Und Sie werden sich an viele Details erinnern können. Das Ereignis wird sich wie ein kleiner Film auch später noch in Ihrem Kopf sichtbar machen.
Genau um diesen Effekt geht es – ein Geschäft zu betreten und dabei das Angebot, die Dienstleistung, die Philosophie, als einzigartiges Gesamtkunstwerk wahrzunehmen, welches lange im Gedächtnis bleibt. Die Magie der emotionalen Transmutation. Heute sprechen manche Experten:innen auch von Konzepten, die „instagramable“ sein sollen – ja, aber bitte überlegt und nachhaltig gedacht. Schlussendlich sollten Interessenten so stimuliert werden, dass sie zu Stammkund:innen konvertieren. Die Protagonisten sind Ihre Mitarbeitenden – die Stars der Bühne!
Luxusmarken haben natürlich andere finanzielle Mittel zur Verfügung und lassen sich ihr Ladendesign auch etwas kosten, aber es soll in diesem Video nur symbolisch und stellvertretend gezeigt werden, wie Rauminszenierungen wirken können, wenn man den Blick zur Warenpräsentation aus einer anderen Perspektive, nämlich der einer Bühne, betrachtet.
In diesem Dolce&Gabbana Store in Miami wirkt bereits die wellenförmige Glasfassade wie ein Bühnenvorhang, der das Licht des Sunsets in sich aufnimmt und die Farbenpracht der Umgebung reflektieren lässt. Das schwankende Licht der Spiegelungen erzeugt die Illusion einer Bewegung für die Warenpräsentation. Hinter dem Vorhang wird die Ausstellung von D&G gezeigt, als ob die Besucher ein Theater betreten würden. Die Sammlungen sind von Möbeln mit barocken Spiegeln, Theken und Walnussmöbeln umgeben, die mit poliertem Stahl oder Goldsamt verziert sind. In Kombination mit Vitrinen aus Klarglas und verschiedenfarbigem Edelschmuck erinnert das Ensemble an das Bühnenbild eines Theaterstücks.
Die Decken sind mit Scheinwerfern ausgestattet, die in Italien gefertigte klassische Skulpturen beleuchten, die an Theaterschauspieler erinnern. Diese Schauspieler faszinieren die ausgestellten Produkte wie ein Kostüm zum Spielen. Die Materialpalette aus Sandsteinen und Travertinen spiegelt italienisches Flair wider. Es drückt auch die Verbundenheit mit der Herkunft der Marke aus.
Selbst für einen Supermarkt gibt es Möglichkeiten, um Kund:innen nicht nur mit Preisschnäppchen zu überraschen. Die privat geführte Supermarktkette Drakes, aus Süd-Australien, steht für ein außergewöhnliches Service und bestem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Drakes Supermarkt sorgt nicht nur mit seinem ansprechenden Ladenkonzept, den freundlichsten Mitarbeitern und guten Preisen für Kundenbegeisterung, sondern lässt sich stets auch neue Spiele oder Inszenierungen einfallen, um seine Kund:innen zu überraschen.
Mit dem Ergebnis, dass die Umsätze wachsen und die Kund:innen neugierig wieder kommen und vor allem, darüber reden, was sie bei Drakes erlebt haben. Dieses Flashmop-Video (aus früheren Jahren) zeigt eine von den vielen Überraschungen, die Drakes seinen Kund:innen bietet.
Was all die genannten Beispiele gemein haben, sind die Umsatzzuwächse durch ihre Konzept-Inszenierungen. Dabei geht es nicht um teures Ausstellungsdesign, viel mehr um die permanente Erlebniskurve bei den Kund:innen – nicht der Point of Sale, sondern der Point of Experience ist gefragt.
Alle Teile dieser Serie:
4 Säulen für modernes Retailing – FPPD
- Flächenökonomie
- POS Orchestrierung/Portfolio Staging
- Personalpolitik & Philosophie
- Digitalkonzept
Über den Autor: Sascha Matus ist Inhaber der Agentur pro5-marketing, Spezialisten und Visionäre, wenn es um neue Formate im Einzelhandel geht.
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