Ladendiebstahl: Die Professionalisierung des Urproblems schreitet voran.
Das EHI Retail Institut hat sich mit dem ältesten Thema des Handels beschäftigt: Dem sogenannten fluiden Warenbestand, also dem Ladendiebstahl. In einer Studie wurde untersucht, in welcher Höhe und vor allem von wem im letzten Jahr am meisten entwendet wurde. Das Ergebnis hört sich erst einmal umwerfend an: Es wurden Waren im Wert von rund 3,4 Mrd. Euro entwendet, davon aber rund 2,3 Mrd. von Menschen, die eben nicht Kunden des Handels sein wollen. Damit wird ein Drittel der Waren von internen Mitarbeitern oder Servicekräften (z.B. Logistik, Verräumung etc.) gestohlen.
Interessant: Rund 640 Mio. Euro Inventurdifferenzen entstehen durch organisatorische Mängel, die oft auf falsche Bestandsführung in den Warenwirtschaftssystemen basiert. Zur Verdeutlichung hier die entsprechende Infografik:
Was bedeutet das? Statistisch hat jeder, ja jeder, Waren im Wert von 27€ im letzten Jahr gestohlen. Faktisch stimmt das natürlich nicht, lässt aber erahnen, wie hoch der tatsächliche „Durchschnitts-Basket“ eines Ladendiebes ist.
Schwerer Ladendiebstahl nimmt zu
Während die einfachen Ladendiebstähle seit 20 Jahren kontinuierlich sinken, hat sich die Zahl der schweren Diebstähle, bei denen Gewalt gegen Sachen oder Personen ausgeübt wird, verdreifacht. Leider sind diese Zahlen aber mit Vorsicht zu genießen, da die Dunkelziffer bei 98% liegt. Der Trend ist aber deutlich zu erkennen, wie die Infografiken zeigt:
Was festzustellen ist: Gerade die schweren Ladendiebstähle werden von professionellen Gruppen, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind, strukturiert durchgeführt. Dabei geht es nicht um klassische Produkte des täglichen Bedarfs: Gestohlen wird speziell das, was sich zu Geld machen lässt. Besonders beliebt bei den Dieben: Unterhaltungselektronik, hochwertige Markentextilien, Handys, Kosmetika und Spirituosen.
Der Handel reagiert
Die Gesamtkostenbetrachtung umfasst aber deutlich mehr als nur die verlorene Ware. Allein die Investitionen in Gegenmaßnahmen schätzen wir auf mindestens gleicher Höhe. Das sind nicht nur technische Einrichtungen wie EAS-Systeme (Electronic Article Surveillance), sondern vor allem auch Aufwände durch komplexere Prozesse an der Kasse und in der Logistik.
So wurden z.B. in dem Hamburger Phoenix-Center die Securitys aufgestockt und Streifengänge in der Mall erhöht. Trotzdem ist das ein Kopf an Kopf Rennen mit den Dieben: Oft präparieren sie Einkaufstaschen oder stehlen gleich im Vorbeigehen stapelweise teure Mode, verschwinden anschließend im Laufschritt, wie der Filialleiter einer Modekette dort berichtet.
Aber zurück zur Studie: Interessant wäre zu wissen, wie die Verteilung stationär/online ist und wo im eCommerce die Inventurdifferenzen stecken.
Zum Abschluss aber noch ein paar Zahlen: Der Gesamtumsatz des Handels lag 2017 bei knapp 513 Mrd. Euro (Quelle HDE) . Zieht man die 53Mrd. Euro Online-Anteil ab, verbleiben 460 Mrd Euro stationärer Umsatz. Damit liegt der (bekannte) Schwund durch Inventurdifferenzen bei unter einem Prozentpunkt. Was hingegen viel schlimmer ist: Die Out of Shelf-Quote (also die Regallücken) liegen bei 4 Prozent, damit ist dieser Verlust deutlich höher.
Beitragsbild: Pixabay/Alexas_Fotos
Infografiken: EHI
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