Innenstadt – Ikea mit weiteren Stores in Innenstädten
2018 raschelte es im (Medien-)Blätterwald: Ikea änderte sein Rückgaberecht und wollte zukünftig gebrauchte Möbel nicht mehr zurücknehmen. Gefühlt alle Medien berichteten. Doch viel spannender an den Aussagen von Ikea-Deutschlandchef Dennis Baslev war damals, dass Ikea sich von den großen Möbelhäusern am Stadtrand verabschiedete und mit kleineren Geschäften und Konzepten in die Innenstädte wollte, Innenstadt-Ikea sozusagen.
In Karlsruhe, wo 2018 gerade ein weiteres, großes Möbelhaus entstand, wollte man den Bau noch fertigstellen. Dann würde man bei Ikea aber auf den Online-Handel, zentrale Verteilzentren und Innenstadtfilialen setzen. Ikeas Ziel 2018 war, von den damals nur rund sechs Prozent seines Online-Umsatzes, mittelfristig auf 25 bis 30 Prozent zu wachsen. Heute, keine vier Jahre später, ist Ikeas Online-Umsatz von 371 Mio. Euro im Jahr 2018 auf 1.747 Mio. Euro 2021 geradezu explodiert. Den größten Sprung machten die Zahlen von 2020 auf 2021 mit 102,9 Prozent.
Online is King
Ikea arbeitete in den vergangenen Jahren mit Hochdruck an seinen Online-Präsenzen. Der Online-Shop wurde optimiert, insbesondere für die Nutzung mit dem Smartphone.
Neue Apps wurden entwickelt, um Technologien wie Augmented Reality optimal nutzen zu können. Kunden können so die Möbel in ihren eigenen Räumen „testen“ und sie mit der App und dem Smartphone in ihren Räumen aufstellen. Natürlich können die Möbel dann auch gleich bestellt werden.
Auch Instagram wurde von Ikea massiv ausgebaut. Hier werden Wohnbeispiele gezeigt, die ebenfalls sofort bestellt werden können.
Geschwindigkeit zählt
Ziel des Umbaus war, dass die Filialen für alle Kunden innerhalb von 15 bis 20 Minuten erreichbar sein sollten. Das war mit den bisherigen Häusern in Stadtrandlage nicht möglich, braucht hier der Kunde doch im Schnitt 50 bis 60 Minuten und meist auch ein Auto.
In die über Deutschland verteilten Verteilzentren investierte Ikea bis zu 400 Millionen Euro. Auch hier geht es um Geschwindigkeit. In großen Städten und Ballungszentren soll innerhalb von drei Stunden geliefert werden, spätestens jedoch am nächsten Tag. 2018 brauchten die Lieferungen noch fünf bis sechs Tage. „Das können wir einem Online-Kunden heute aber nicht mehr vermitteln“, so Baslev damals.
Die Filialen in den Innenstädten sollten nicht dem ersten Versuch in Hamburg-Altona folgen. 2014 eröffnet, ist dies eine klassische Ikea-Filiale, nur innerhalb der Stadt. Zu viele Parkplätze, die nicht genutzt werden und ein überdimensioniertes Warenlager waren Fehlplanungen, die nicht wiederholt werden sollten.
Globale Marke mit lokalen Schwerpunkten
Baslev führte 2018 weiter aus, dass sich die Häuser je nach Lage unterscheiden werden, da die Kunden verschiedene Anforderungen hätten. In Berlin seien die Kunden eher jung und lebten in kleineren Wohnungen, hätten nicht so viel Geld und meist kein Auto. Günstige Produkte und ein guter Lieferservice stünden hier im Fokus.
So entstanden in Berlin und Potsdam drei Planungsstudios, deren Schwerpunkte Inspiration und Service sind. Auf Flächen von bis zu 600 Quadratmetern zeigt Ikea modulare Wohnsysteme.
Hingegen wäre in München der Altersschnitt höher, Haus oder Wohnung ebenso wie die Kaufkraft größer. Hier wolle Ikea auf Designer-Kollektionen und Montageservices setzen.
Es wird also von Ikea dauerhaft verschiedene Konzepte geben, die unterschiedlich gestaltet sein werden. Planungsstudios und Popup-Stores, wie sie Ikea bereits in Madrid, Stockholm und Kopenhagen getestet hat. Im November 2021 kam in der Wolfsburger City-Galerie ein Popup-Store hinzu, der nach der 18-monatigen Testphase bei positivem Ergebnis bleiben wird.
Auch in Ravensburg wurde im Februar 2022 ein 75 Quadratmeter großer Popup-Store im Gänsbühl Center eröffnet. Um das Sortiment erlebbar zu machen, sind ausgewählte IKEA Möbel und Muster-Fronten ausgestellt. Außerdem unterstützen digitale Lösungen bei der Ideenfindung und Detailplanung. Der Planungsservice arbeitet mit Terminvergaben, aber auch für spontane Besuche stehen Plätze zur Verfügung.
„Mit unseren Pop-ups in Ravensburg und Wolfsburg bieten wir ein modernes Einkaufserlebnis mit sehr individueller, persönlicher Beratung. So schaffen wir auch auf kleinstem Raum IKEA Atmosphäre und bieten Beratungskompetenz mitten in der Stadt – mit dem Ziel, noch erreichbarer für viele Menschen zu werden“, freut sich Nele Bzdega, Expansion Managerin für IKEA Deutschland.
Damit krempelt Ikea seine Ausrichtung weiter um und zeigt, welchen Einfluss Digitalisierung und Online-Handel auf bisherige Strukturen, Geschäftsmodelle und die Kundenausrichtung haben.
Es geht nicht mehr um Warendruck oder die Rolle eines Vollsortimenters in den Filialen. Es geht um eine regionale Ausrichtung auf die jeweilige Kundschaft, um Markenpräsenz und Kundenbindung. Nicht mehr darum, dass jeder Kunde in jeder Filiale jedes Produkt physisch ansehen, gleich kaufen und mitnehmen kann.
Erlebniseinkauf für Innenstädte
Für die Innenstädte sind Marken wie Ikea Gold wert. Locken sie doch Menschen in die City und nützen so auch den anderen Händler*innen vor Ort.
In Gesprächen und Diskussionen in Social Media wurde deutlich, dass für viele Menschen der Besuch bei Ikea ohnehin eher ein Erlebnis ist, das mit einem Besuch im Restaurant, also mit Pölser und Köttbullar verbunden wird. Kein Wunder, dass Ikea laut Angaben des Branchenverbands Dehoga zu den zehn größten Systemgastronomen in Deutschland gehört und mehr Umsatz mit seinen Restaurants macht (230 Mio. Euro 2017) als Vapiano oder Starbucks.
Doch auch wenn in den kleinen Popup-Stores keine Gastronomie angesiedelt ist, können Innenstädte sich freuen, wenn Ikea bei ihnen einzieht. Wir freuen uns darauf, häufiger davon berichten zu können, dass Händler in die Innenstädte ziehen. Das ist viel schöner als andersherum.
Beitragsbild: Ikea – Stock Photo – FotograFFF/Shutterstock
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