Die 4 Top-Themen, auf die sich kleine Händler fokussieren müssen.
„Es gibt viel zu tun, packen wir es an!“ Diesen Werbespot von Esso aus den 70ern kennen die älteren Semester unter uns noch zu gut. Auf die kleinen stationären Händler übertragen könnte man beizeiten den Eindruck gewinnen, dass der Slogan dort eher „Es gibt viel zu tun, warten wir es ab!“ lautet. Ich weiß, das klingt böse, aber in vielen Gesprächen stelle ich diese Einstellung fest. Dabei gilt in Zeiten des schnellen Wandels ein Grundsatz ganz besonders: Abwarten ist absolut keine Alternative!
Was passiert in den nächsten Jahren gerade mit kleineren Formaten? Die Antwort ist natürlich reines Glaskugel lesen, aber die Tendenz zeichnet sich ab: Es wird eine starke Reduzierung der stationären Formate geben. Die Prognosen des Instituts für Handelsforschung IFH belegen, dass in dem 5 Jahres-Zeitraum von 2015 bis zum 2020 45.000 stationäre Händler nicht überleben werden. Derzeit gibt es im Handel rund 410.000 Betriebsstätten. Zieht man die großen Filialisten ab, verbleiben ca. 200.000 kleinere Formate, die ebenso wie die großen vor einer großen Herausforderung stehen – allerdings ohne große Beraterstäbe, die dabei Unterstützung leisten.
Der Händler kann dabei schnell die Orientierung verlieren, wenn das Füllhorn des Buzzword-Bingos auf ihn einschlägt. Die Menge der Möglichkeiten und Wege ist schier grenzenlos: Multi- Cross- Omnichannel, SEO SEM CPC und was noch alles prasselt auf den geneigten Händler ein, so dass er am Ende gar keine Entscheidung trifft. Um bei der Fokussierung zu helfen, haben wir 4 der wichtigsten Maßnahmen beleuchtet.
1. Sei kein Händler mehr!
Das hört sich für einen Händler erst einmal unmöglich an und so erscheint es auch für viele. Der Handel hat aber eine neue Aufgabe: Er ist nicht mehr der Versorger der Republik, sondern vielmehr ein Freizeitangebot! Warum? Weil unsere Gesellschaft vollkommen übersättigt ist mit den üblichen Konsumartikeln. Das Verkaufen in volle Schränke und Regale wird immer schwieriger, zudem ist der Kunde anspruchsvoller geworden und verschiebt seinen Konsum verstärkt in Richtung Erlebnis, wie der Boom von Jochen Schweizer und vergleichbaren Formaten zeigen. Der Wettbewerber des stationären Handels ist nicht das Internet, sondern verstärkt andere Freizeitangebote. Der Kunde entscheidet jeden Tag neu, wie er am Besten seine Zeit verbringt. Daher ist die wichtigste Währung, um die gekämpft werden muss, seine Aufmerksamkeit! Hat man sich am Samstagmorgen erst einmal neben Radfahren und Kletterhalle auf dem Radarschirm des Kunden etabliert, muss man ihn durch Inspiration und Aktivierung auch den gleichen Freizeitwert bieten wie diese Konkurrenz. Verkauft wird dann nebenbei, wie gute Konzepte ständig beweisen – und das bei reduzierter Preissensibilität.
2. Ohne Daten läuft zukünftig nichts mehr!
Es ist schon erschreckend, wie viele Händler überhaupt kein Warenwirtschaftssystem besitzen. Betriebswirtschaftliche Basisaussagen zur Planung, Analyse und Ergebniskontrolle sind überhaupt nicht möglich. Gerade in inhabergeführten Formten war das Warenwirtschaftssystem das Gehirn, die Intuition und die Erfahrung des Chefs, was bis dahin auch gut funktioniert hat. Die Zeiten sind allerdings vorbei. Kein Händler, und ich wiederhole gern noch einmal: Kein Händler kommt an der Digitalisierung vorbei. Ob es dabei um die Visibilität im Web oder die Nutzung neuer Werbeformen mit einer deutlich verbesserten Effizienz und Relevanz gegenüber den bisherigen Anzeigen im Print geht: Ohne Daten funktioniert nichts mehr. Daher kommt man nicht drum herum, sich bei vielen Quellen über seine Möglichkeiten zu informieren (Dieser Blog hier ist übrigens speziell dafür gemacht). Der erste Schritt dabei ist ein Warenwirtschaftssystem, das die Basis für alle weiteren Möglichkeiten darstellt. Es gibt keine Erweiterungen, die nicht auf eine derartige Datenbasis aufsetzen.
3. Kleine Händler sollen die Multi Channel Falle vermeiden!
Dieses Thema haben wir bereits in einem vorherigen Artikel (LINK) ausführlich beschrieben. Überall schlagen derzeit Startups auf, die mit mehr oder weniger originellen Namen den „digital zurückgebliebenen stationären Händlern“ den Weg in die Digitale Welt aufzeigen und eine Antwort auf Amazon & Co. sein sollen. Mit viel Investorengeld im Rücken werden dann lokale Onlineplattformen auf die Beine gestellt, die dann den kleinen Händlern ein Stück Webshop zur Verfügung stellen.
Die Aufwände dafür werden also sehr oft unterschätzt, zudem wird meistens eine Frage nicht gestellt: Warum macht man das überhaupt? Weil alle einen Webshop haben? Oder folgt man nur einem Trend, um gleicher unter Gleichen zu sein? Was aber in jedem Fall passiert: Man lenkt sich selbst von der Weiterentwicklung seines stationären Formates ab. Gerade in Zeiten der notwendigen Retail-Transformation kann sich das schnell rächen. Also aufpassen: Finde in deiner stationären Welt die Lücke, und sorge dafür, dass du in der digitalen Welt ein Gesicht bekommst. Genau dafür braucht man aber die Daten wie vorher beschrieben.
Sollte das dann abgeschlossen sein, kann man beruhigt an das Thema Multichannel gehen (wenn es denn Sinn macht).
4. Das Einzelkämpfertum ist vorbei!
Schauen wir uns mal die typische Innenstadt eines Mittelzentrums an: Eine Ansammlung von Filialisten und inhabergeführten Formaten. Meistens sind diese Händler Teil einer ganzen Einkaufsmeile und organisieren sich in Werbegemeinschaften oder temporären Aktionsgemeinschaften. Eigentlich ist so eine Innenstadt nichts anderes als eine große Shopping Mall, richtig? Eigentlich ja, uneigentlich aber nicht, denn so versteht sich die Gemeinschaft nicht. Unterschiedliche Öffnungszeiten, unkoordinierte Kundenansprache oder die übliche Missgunst untereinander sind sehr häufig zu beobachten. Für den Konsumenten schier nicht nachvollziehbar.
Innenstadthändler sind eine Schicksalsgemeinschaft, eine Mannschaft, die im gleichen Boot sitzt. Man konkurriert mit Shopping Malls und Outlet Centern, die mit einem zentralen Management sehr straff geführt sind. Die gesamtheitliche Shopper-Ansprache entlang der Shopper Journey muss das Ziel jeder Schicksalsgemeinschaft sein. Das bedingt eine enge Zusammenarbeit, auch mit dem City Management und der Stadtentwicklung. Eigene Befindlichkeiten habe darin keinen Platz, man stellt sein eigenes Ego unter das gemeinsame Ziel, dem Shopper einen beeindruckenden Freizeitwert zu bieten. Alles andere machen alle andere sonst besser!
Das Fazit
Mit diesen 4 Grundsätzen hat man die Basis für 80% seiner notwendigen Veränderungen geschaffen, das zeigt sich in vielen Stadtentwicklungsprojekten, an denen wir beteiligt sind. Die 4 Maßnahmen hören sich eigentlich leicht an, sind sie das auch? Wer mehr wissen will, was gerade in verschiedensten Projekten dazu stattfindet, sollte sich in diesem Blog oder im Projekt Future City Langenfeld weiter informieren.
Es bleibt weiter spannend!
Viel Wahrheit drin. Respekt für die klaren Aussagen.
Was ist mich ab und zu frage:
Wie wird die Generation der heute 2-3 Jahre alten Kinder einmal einkaufen, wenn sie ihr erstes Taschengeld bekommen?
Werden sie vielleicht gar nicht mehr „zum Händler gehen“, einfach weil sie erfahren und beobachten , dass neue Produkte nach Hause kommen?
Werden sie vielleicht erwarten, dass die „Händler“ zu ihnen kommen, also dort hin wo sie ihre Freizeit verbringen oder wo sie leben (Stichwort: Die guten, alten mobilen Tante Emma Läden)?
Hallo Thorsten
die Antwort auf diese Frage ist das aktuelle Wettrennen des Handels in der heutigen Zeit. Viele Konzepte versuchen, den Shopper von morgen jetzt schon vorauszusehen. Eines aber wird immer bleiben: Auch der Shopper von morgen wird ein Mensch sein, der Gefühle, Intuition und vor allem Spontanität besitzt und dementsprechend multisensorisch angesprochen werden will.
Vor allem aber wir der 3jahrige von heute in den nächsten Jahren feststellen: Dass es ganz viele echte Läden gibt, über die Zalando, eBay und Amazon steht! Dieser Trend zum lokalen Business bei den Pure Playern ist jetzt schon zu erkennen.