Deutscher Handelskongress 2018 – Tag 1
Wieder einmal waren rund 1.500 Teilnehmer dabei: Deutscher Handelskongress, wie gewohnt im Maritim Hotel in Berlin. Und es ging wie immer um über die aktuellen Trends, Herausforderungen und Chancen im Handel. Das Programm versprach bereits vorab spannende Themen und Redner*innen, denen man gern zuhört.
Auftakt mit dem Bundeswirtschaftsminister
Nach den begrüßenden Worten von Josef Sanktjohanser (Präsident, Handelsverband Deutschland (HDE)) und Stefan Genth (Hauptgeschäftsführer, Handelsverband Deutschland (HDE)) sprach Bundesminister für Wirtschaft & Energie, Peter Altmaier, über die politischen Rahmenbedingungen für den Handel im Wandel.
Herr Altmaier betonte die Wichtigkeit des Einzelhandels als drittgrößten Wirtschaftszweig, indem er über das im Sommer diesen Jahres eingerichtete „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Einzelhandel“ referierte. Insbesondere klein- und mittelständige Unternehmen (KMUs) sollen bei der Digitalisierung im Handel unterstützt werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Handelskonzepte der Zukunft
Zehn Prozent der Umsätze im Einzelhandel fanden dieses Jahr im E-Commerce statt, mit steigender Tendenz, so Lionel Souque von Rewe. Auch wenn die Bedeutung des Online-Handels wächst, muss der stationäre Einzelhandel auch offline mit seiner Kompetenz glänzen.
Zum Thema der stationären Kompetenz im Einzelhandel trat Tina Müller, seit November 2017 Vorsitzende der Geschäftsführung (CEO) von Douglas, auf die Bühne. Ihr Vortrag lautete „Neue Denkmuster im Beauty-Handel“. Hier auch Tina Müller im Interview.
Douglas hat in diesem Jahr sein Logo erneuert, das Store Design verändert und sich einige Influencer an Board geholt, mit denen auch offline im Geschäft Events stattfinden. Zeitweise musste Anfang des Jahres die Frankfurter Zeil gesperrt werden, weil die Bloggerinnen Pamela Reif, Novalanalove und xLaeta bei einem Event ihre „Influencer Limited Edition Kiss Kits“ präsentierten und die Fans alles für ein Foto mit den bekannten Online-Stars gegeben haben, und natürlich für den Lippenstift.
Denn limitierte Editionen ziehen – Events auch. Der Kunde wünscht sich bei seiner Freizeitbeschäftigung „Shoppen“ emotional angesprochen zu werden, indem er ständig überrascht wird und das Gefühl bekommt, etwas Besonderes zu sein.
Douglas hat in den letzten Wochen ein komplettes Make-Over erfahren und neues Logo und neues Store Design sind nur ein paar Veränderungen des Kosmetikkonzerns. Douglas setzt neben der personalisierten Kundenansprache, beispielsweise in Form von einer nach individuellen Hauteigenschaften produzierten Tagescreme, auch vermehrt auf Schönheits-Nahrungsergänzungsmittel. Die „Collagen-Pulle“ zum Trinken und ein eigener eingerichteter Spa-Bereich sowie der auf medizinische Treatments spezialisierte Douglas Pro Store in Hamburg verdeutlichen die Neuausrichtung von Douglas.
Mit dem Handelskonzept der Zukunft will Douglas sich vertikalisieren, indem Produkte angeboten werden, die es nicht auf Amazon oder bei Zalando zu finden gibt. Dabei handelt es sich um Produktlinien oder ganze Marken, die man exklusiv nur bei Douglas erhält. Durch diese Besonderheit will sich der Kosmetikkonzern differenzieren. Auch neue Marken für die jüngere Generation und die einkommensstarke Zielgruppe 40-50+ wird von Douglas fokussiert.
Bei Douglas beläuft sich der Offline-Umsatz auf 20 Prozent in Deutschland, Tendenz steigend. Laut Tina Müller wird der stationäre Einzelhandel auch weiterhin überleben, wobei man mehr Erlebnis, Service und Behandlungen vor Ort anbieten muss.
Künstliche Intelligenz revolutioniert den Handel
Künstliche Intelligenz (kurz KI) – in mindestens jedem zweiten Vortrag ist dieses Buzzword gefallen. War es früher das Web 2.0 bzw. das Thema Digitalisierung oder Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) hatte ich das Gefühl, dass 2018 KI Bestandteil eines jeden Vortrags oder Workshops war.
Was überhaupt ist Künstliche Intelligenz? Sabine Bendiek von Microsoft, definiert Künstliche Intelligenz als eine „Technologie, die wahrnehmen, lernen, Zusammenhänge erkennen, bei der Entscheidungsfindung unterstützen kann und so bei der Lösung der Probleme hilft“. Frau Bendiek stellt sich nicht die Frage, wann KI den Menschen ersetzen wird, sondern wie KI die menschlichen Fähigkeiten verbessern kann. So ist ihrer Meinung nach beispielsweise eine Verlinkung des Einkaufszettels mit dem Regal oder den intelligenten Laufwegen im Supermarkt denkbar.
Bei der Fülle der technischen Themen wie KI, Big Data, Smart Shopping mit Alexa & Co. erinnert der Deutsche Handelskongress zunehmend an eine technik-orientierte Veranstaltung. Der kleine Mittelständler wird bei solch einer Veranstaltung weniger angesprochen, da all diese Technologien Know-how von Digitalisierungsexperten bzw. die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern voraussetzen, das wiederum mit einem hohen Budget verbunden ist.
Auch der wiedergewählte Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Josef Sanktjohanser, betont in seinem Vortrag, dass der Handel auf dem Weg zu einer Technologiebranche ist. Seiner Meinung nach ist ein erster großen Meilenstein durch den Ausbildungsberuf zum E-Commerce-Spezialisten gesetzt worden. Drei Jahre lang hat es gedauert, bis dieser nun endlich seit diesem Jahr angeboten wird. Etwas spät, wie ich finde, aber besser spät als nie.
Der neue Einzelhandel verbindet on- und offline – das Beste aus beiden Welten
Weiter ging es mit dem Vortrag „Game Changer im Lebensmitteleinzelhandel“ von dunnhumby Ltd. und dunnhumby media (ein Unternehmen im Bereich Customer Data Science) mit Blick auf unsere Nachbarn in China. Am diesjährigen Alibaba’s Single Day (11.11.2018) wurden knapp 27,3 Mrd. Dollar umgesetzt. Das bedeutet, dass täglich eine Milliarde Pakete an chinesische Haushalte ausgeliefert werden.
In China werden im Vergleich zu Deutschland bereits mehr Lebensmittel online bestellt und ausgeliefert. In der offenen Diskussion während dieses Workshops stellte sich die Frage, wann es in Deutschland so weit sein wird und ob es Amazon, Picnic oder vielleicht Alibaba selbst sein wird, die sich ein großes Kuchenstück am Lebensmittel-Onlinehandel abschneiden. Auf eine eindeutige Antwort hat man sich nicht geeinigt.
Laut dunnhumby hat jedoch der traditionelle Einzelhandel folgende Stärken, um sich im Lebensmittel-Onlinehandel zu behaupten:
- Die Lieferkette bei den stationären Einzelhändlern ist effektiver als bei den Online-Händlern, insbesondere bei Frischware.
- Der traditionelle Einzelhändler hat mehr treue Kunden als ein Online-Händler. Im Durchschnitt hat der europäische Kunde 20 bis30 Prozent treue Kunden, die 60 Prozent des Umsatzes ausmachen.
- Im stationären Geschäft ist die direkte Kunden-Mitarbeiter-Ansprache gegeben.
- Gewährleistet der stationäre Lebensmittelhändler durch einen gute Standort und eine gute Erreichbarkeit den Zugang zu seinem Geschäft, wird auch zukünftig der Kunde auf seinen Lebensmitteleinkauf stationär zurückgreifen.
Dennoch lässt sich nicht vernachlässigen, dass auch im Online-Lebensmittelbereich Nachholbedarf besteht. Dem traditionellen Einzelhändler wird empfohlen, seinen Kunden ein außergewöhnliches Online-Erlebnis zu liefern. Denn die Anzahl der deutschen Online-Shopper und auch die Einkäufe der Deutschen über die europäischen Grenzen hinaus wächst kontinuierlich, so dunnhumby.
Lifetime Award an eine Frau mit Herz und Leidenschaft
Der erste Kongresstag endet mit einer emotionalen Siegerehrung für Evi Brandl, Firmeninhaberin von Metzgereibetrieb und Großhandel für Fleisch- und Wurstwaren Vinzenzmurr. Ihr unternehmerischer Erfolg zum Aufbau eines traditionellen inhabergeführten Familienunternehmens zu einem Filialsystem mit 200 Geschäften, ihr Engagement bei Aigner (Hersteller von exklusiven Lederwaren) sowie ihr ehrenamtliches Engagement der Stiftung Herz für Herz in Vietnam begründen die Ehrung zum Lifetime Award des deutschen Handelspreises.
Der Handelspreis für Großunternehmen ging dieses Jahr an Aldi Nord und Aldi Süd und in der der Kategorie Mittelstand erhielt Dehner Gartencenter den Preis in der Kategorie Mittelstand.
Die Auszeichnung für das Gesicht des Handels 2018 ging an Julia Märtin, eine Verkäuferin der BIOase im sächsischen Zittau.
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