Relevant Retail Podcast Folge 59: Lokale Online Marktplätze
Da war doch noch was? Lokale Online Marktplätze sind der Strohhalm, an dem sich oft Städte und Händler klammern. Was hat sich in den letzten Jahren eigentlich ergeben? Gibt es neutrale Erkenntnisse über den Erfolg?
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Wie war die Entwicklung?
Vor 2 Jahren hat unsere Mitautorin Karin Wunderlich bereits das Thema in dem Artikel „Lokale Marktplätze: Steigt ab vom toten Pferd“ (hier der Link) behandelt. Damals gab es rund 70 Projekte in dem Bereich, die Frage ist, was ist daraus geworden? Die Hochschule Koblenz hat diese Projekte bereits damals untersucht und kam zu keinem positiven Ergebnis. Zusammengefasst erläuterten die Wissenschaftler: „Die Gewerbetreibenden fällen ein hartes Urteil in dem sie die Initiativen als nicht empfehlenswert einstufen. Die Weiterempfehlungsrate (Net Promotor Score) liegt im sehr kritischen Bereich, die Zielsetzungen werden aus Sicht der antwortenden Stichprobe nicht erreicht“. Weiter heißt es: „Die bloße gemeinschaftliche Präsenz im Netz ist kein Mehrwert an sich. Es ist wichtiger, die eigene Webpräsenz so zu nutzen, dass für Kunden relevanter Mehrwert entsteht. Wichtiger als die reine Online-Präsenz sind aber zwei Dinge: Im Geschäft herausragende Beratung und Service mit menschlichem Kontakt. Und die intelligente Verzahnung mit dem Internet – sei es durch Basisinformationen im Netz oder digitale Vernetzung mit Kunden.“ Hier der Link zu der Studie.
Was ist der aktuelle Status der Projekte im Bereich lokale Online Marktplätze?
Experten der Branche haben das Thema ebenfalls beleuchtet und kommen zu einem niederschmetternden Ergebnis: Prof. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein beschreibt es so: „Der Versuch, durch lokale Online-Marktplätze die Innenstädte zu beleben, ist gescheitert. Lokale Marktplätze funktionieren im Internet einfach nicht. Es fehlt ihnen an allem, was das Einkaufen im Internet attraktiv macht, von der großen Auswahl bis zu den günstigen Preisen“
Das möchte der Gründer des großen Marktplatzanbieters Atalanda, Roman Heimbold, natürlich so nicht stehen lassen. Für ihn steht nicht der auf der Plattform gemachte Umsatz im Mittelpunkt, sondern generell die digitale Sichtbarkeit.
Unsere Beobachtung: Ein Rettungsanker, dessen Kette ohne externe Finanzierung wegrostet
In vielen Städten ist folgendes Phänomen zu beobachten: Die Digitalisierung überfordert Politik, Verwaltung und lokale Akteursgruppen. Zugleich gibt es eine Inflation von Förderprogrammen in Bund und Ländern, die dieses Manko beheben sollen. Eine hochexplosive Mischung, die zu schnellem Aktionismus verführt, mit dem Ergebnis von vielen Projekt-Schnellschüssen. Zuerst sind alle beruhigt, die Politik hat etwas getan und die Händler sind beschäftigt.
Das Schlimme ist aber der nachfolgende Effekt: Die Zahlen, die bei der Projektakquise prognostiziert wurden, stellen sich nicht ein. Alle Beteiligten sind gefrustet und für digitale Themen erst einmal verbrannt. Ist der Förderzeitraum dann beendet, endet auch das Projekt. Damit reduziert man den digitalen Handel auf einen Patienten, der nur durch künstliche Beatmung weiterlebt – alles andere als ein Ergebnis unternehmerischen Handelns.
Häufig sind die Ursachen auf 4 Kernfehler zurückzuführen:
- Man hat nicht die Shopper Journey der Menschen in den Mittelpunkt gestellt, sondern ein IT Produkt eingeführt
- Die Lösungen sind rein anbieterorientiert: Sie sollen den Händler glücklich machen, nicht den Shopper
- Es gibt kein Geschäftsmodell für lokale Online Marktplätze, die sich selbst tragen
- Lokale online Marktplätze sind datentechnische Inseln, die nicht Teil von Smart City oder eGovernment Strategien sind
Im Rahmen des Kompetenzforums für Handel und vitale Innenstädte, „VITAIL“, wurden mit den Beteiligten der Städte diese Projekte analysiert. Das Ergebnis ist hier im Video zusammengefasst.
Der Change im Handel ist nicht nur digital
Grundsätzlich ist eines besonders wichtig: Dass jeder, und ich meine wirklich jeden Händler, eine digitale Präsenz haben muss. Das heißt aber nicht, dass nun jeder einen Onlineshop braucht. Der Aufwand dafür ist nicht zu unterschätzen: Das richtige Sortiment mit passenden Bildern und Texten zu finden, die Abwicklungsprozesse aufzubauen und schließlich die richtige Lücke zu finden. Zugleich muss man den Change seines stationären Geschäftes auch noch meistern, denn auch dieses muss zukunftsfähig weiterentwickelt werden. Unser Tipp daher:
- Überprüfe dein stationäres Konzept und entwickle es in Richtung Zukunftsfähigkeit
- Beschäftige dich mit Google, denn dort suchen nun mal eben die Menschen.
Und Google macht derzeit große Klimmzüge, um den stationären Handel nach vorn zu bringen. Wir haben hier auf Zukunft des Einkaufens darüber berichtet. Man kann von Google halten was man will, aber man kommt an diesem Unternehmen nicht vorbei. Punkt. Diese Möglichkeiten werden dem Handel kostenlos angeboten:
- Es gibt das Programm „Grow my Store“, mit dem die Sichtbarkeit der Händler im Netz verbessert wird (LINK)
- Die Google Zukunftswerkstatt veranstaltet derzeit eine Roadshow (LINK) mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel, um den Handel nach vorn zu bringen
Fazit
Der Durchschnitts-Onlineshopper hat weniger als 10 Webshops in seinem relevanten Set. Es ist unglaublich schwer, neue lokale Online Marktplätze darin zu etablieren, erst Recht in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern. Man kann dieses Phänomen mit dem Werfen von Nebelkerzen vergleichen: Sie lenken von den eigentlichen Problemen ab.
- Sinkende Attraktivität von Innenstädten
- Nicht mehr zeitgemäße Retail Formate
- Fehlende Nachfolgeregelung
- Digitale Unerfahrenheit
Das sind die primären Handlungsfelder. Sind diese abgearbeitet, kann man sich einer Plattform anschließen: Aber bitte keiner lokalen, sondern einer weltweit Relevanten.
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