ZDE Podcast 165: Dieses Start-Up ermöglicht Fitting im E-Commerce
Bis zu 80 % Retouren im Fashion E-Commerce. Jedes vierte online gekaufte Produkt wird zurück geschickt. Die Technologien, um das zu ändern sind längst da. Was ist da los, Svenja Tegtmeier? Sie ist Co-Founder von SAIZ, einem Fashion-Tech-Start-Up.
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Der Online Monitor des Handelsverbands zeigt mal wieder: wir Deutsche sind weltweit ganz oben, wenn es um Retouren geht. 1,3 Milliarden Pakete wurden 2022 zurück gesendet. Das ist eine enorme Belastung für die Umwelt und auch für die Handelsunternehmen. Der Fashion Bereich ist hier ganz oben dabei – viele Artikel passen nicht oder sind anders, als sich die Kundin das vorgestellt hat. Start-Ups, die sich am online Fitting versuchen, gibt es schon viele. Woran scheitert die Anwendung? Marilyn Repp im Gespräch mit Svenja Tegtmeier, CTO und Co-Founder von Saiz. Auf der Grundlage großer Datenmengen kann das Start-Up schon heute gute Empfehlungen für die Größen geben und damit die Retourenquote erheblich senken.
Hier noch einmal zum Nachlesen:
Marilyn Repp: Retourenquoten von bis zu 80 % im Schuh E-Commerce. Jedes vierte Paket in Deutschland wird zurückgesendet. Der neueste Online-Monitor des HDE zeigt außerdem, wir Deutsche sind Rücksendemeister in Europa. Das Problem mit dem Fitting im Internet will sie lösen. Mein heutiger Gast im Interview Svenja Tegtmeier von SAIZ.
Zukunft des Einkaufens – Der Podcast für Innovation im Handel.
Marilyn Repp: Hallo, mein Name ist Marilyn Repp. Ich beschäftige mich mit Innovationen, Technologien und Trends im Handel. Und das schon seit vielen Jahren. Beim Handelsverband Deutschland manage ich das Mittelstand-Digital Zentrum Handel. Das wird vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert und dort erhalten kleine und mittlere Händler: innen kostenlose Unterstützung und Infos rund um die Digitalisierung im Handel. Nebenbei bin ich als Autorin, Podcast-Host und Speakerin unterwegs. Man kann sich also auch bei mir einbuchen oder mich buchen für Events rund um die Themen Innovation, Digitalisierung und Trends im Handel. Und jetzt viel Spaß beim Podcast. Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens-Podcasts, hier live aus der Retail Garage, dem Ort für Innovationen im Handel. Neu geschaffener Ort, vor zwei Wochen eröffnet und jetzt funktioniert auch unser Podcast-Studio.
Marilyn Repp: Ich bin so froh, dass ich dich jetzt als Gast hier habe, liebe Svenja. Stell dich einfach mal ganz kurz selbst vor.
Svenja Tegtmeier: Hallo, Hallo! Freut mich auch sehr! Sehr cool, was ihr hier geschaffen habt, sollten alle auf jeden Fall mal vorbeikommen. Genau, ich bin Svenja Tegtmeier. Die Co-Founderin von SAIZ, die technische Co-Founderin, das heißt ich darf mich den ganzen Tag mit Software, AI, Algorithmen und Daten auseinandersetzen, was sehr viel Spaß macht. Wir sind eine Softwarelösung für Fashion-Hersteller. Wir reden auch schon mit ein paar Retailern, aber im ersten Schritt arbeiten wir mit Herstellern und kümmern uns um das Thema Sizing & Fit. Also wir versuchen wirklich von Product Development, also wirklich Produktherstellung bis in den Sales-Prozess Fashion Brands dabei zu unterstützen, das ganze Thema Fit & Sizing zu lösen. Das bedeutet im Umkehrschluss, wir versuchen Retouren zu vermeiden und Überproduktion und besseres Inventory Management und alles, was mit Sizing & Fit sozusagen zu tun hat.
Marilyn Repp: Ja, sehr spannend. Große Pain-Points im Handel. Natürlich auch das Thema Retourenquote, da werden wir gleich noch drauf zu sprechen kommen. Vielleicht nochmal ein paar Worte zu dir. Du hast ja auch einen ganz spannenden Background. Aus welcher Richtung kommst du und wie bist du bei dem Startup gelandet?
Svenja Tegtmeier: Ja, genau. Also definitiv nicht aus der Fashion-Industrie. Ich habe studiert Economics, also Ökonomin, quasi trainierte aus der Uni und war dann auch viel bei den Vereinten Nationen. Zum Beispiel war meine erste Station in Panama, habe ganz viel Supply Chain Data analysiert, auch für Öffentliche, also für die EU-Kommission, für die deutsche Regierung, wie zum Beispiel für Lieferketten-Gesetze usw. Hier in Europa wieder, habe ich viel Datenanalyse gemacht und Supply Chain und bin da sozusagen auf das Thema Fashion Retail gekommen, weil die Lieferketten sehr, sehr spannend sind aus Datensicht. Also wir haben ja unglaublich lange, also die Fashion-Industrie hat sehr lange Lieferketten. Sehr soziale, also im Durchschnitt geht zum Beispiel ein T-Shirt durch 20 Hände, sehr verschmutzende, und wir haben auch in der Fashion-Industrie unglaublich viel Pollution und aus den Ineffizienz-Gründen fand ich die Fashion-Industrie sehr spannend. Habe daraufhin versucht, auch operativ sozusagen, bei einer Brand herauszufinden, wie kann man nachhaltiger produzieren, also wie kann ich wirklich kürzere Supply Chains haben, wie kann ich bessere Materialien aufwenden. Habe dann neben der ganzen Datenanalyse sozusagen die Brand operativ hochgezogen und aus dieser Brand heraus haben wir dann direkt ziemlich früh angefangen, Daten zu sammeln, versucht datengetriebener zu verkaufen, datengetriebener zu produzieren und da ist dann SAIZ daraus geworden.
Marilyn Repp: Welche Brand habt ihr hochgezogen?
Svenja Tegtmeier: Die nennt sich saenguin. Das ist bis heute noch unsere Brand, die habe ich mit derselben Co-Founderin vorher gegründet. Die haben wir so ein bisschen neben unseren Jobs damals gemacht.
Marilyn Repp: Ja, cool. Du hast jetzt auch schon echt ein paar krasse Pain-Points angesprochen, die wir nicht nur im Handel haben, sondern irgendwie generell auf der Welt. Das ganze Thema Fast Fashion, Ultra Fast Fashion. Wir schmeißen Sachen weg, die wir nie getragen haben. Es gibt riesige Berge an Klamotten, die als Retouren vernichtet werden. Was ist da irgendwie los im Fashion E-Commerce? Ich muss ehrlich sagen, ich sehe irgendwie die letzten Jahre auch nicht so viel Veränderung, was das angeht. Also ich hatte, glaube ich, mal gelesen, dass auch die Retourenquoten sich eher noch nach oben entwickeln. Was ist denn da los? Wieso? Ich meine, es gibt immer bessere Technologien, immer unterstützendere Technologien, immer mehr individuelle Shoppingansätze. Wieso tut sich da so wenig?
Svenja Tegtmeier: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, wir haben es ja auch versucht zu analysieren, die ganze Industrie einmal zu mappen, was es als Lösung gibt. Es gibt im Markt ungefähr zehn, also vielleicht erstmal angefangen Sizing & Fits, von diesen ganzen ???, was du angesprochen hast. Die Berge von Klamotten, die wir wegschmeißen, ohne dass sie getragen werden. Und eins der großen Sachen, die zum Beispiel die Fashion-Industrie hat, die Electronics beispielsweise nicht haben, sind die Varianten. Also wenn ich einen Computer kaufe, dann hat es eine Variation, die schicke ich nicht zurück, aber bei Fashion hast du die Variation Sizing & Fit, also es gibt von jedem Produkt immer mehrere Varianten, die du natürlich irgendwie versuchst möglichst gut herzustellen, damit die möglichst wenig zurückkommen. Und das ist aus unserer Sicht eins der Haupttreiber und Haupthebel, warum in der Fashion-Industrie das gerade so schwer ist, diese Retouren und Überproduktion irgendwie in den Griff zu kriegen, weil Sizing & Fit im Ansatz schon unglaublich schlecht ist. Wir haben in der Fashion-Industrie Passform-Prozent, also wenn du es so ausdrücken möchtest, wir nennen es Fitrate. Also wie gut passt ein Produkt auf meine Zielgruppe, von ungefähr 15 bis 20%, wenn du das als irgendeine Zufriedenheitsquote oder nehmen möchtest, super niedrig, oder auch, wenn du deinen eigenen Kleiderschrank zum Beispiel anschaust, ich würde den Prozentzahlen zustimmen. So 10 bis 15 % wo ich sage, passen richtig geil, die trage ich super gerne, weil sie einfach gut passen und der Rest ist halt nicht ganz so perfekt passend. Also das ist die Fitrate. Insgesamt Passform in der Fashion-Industrie, wird unglaublich manuell angegangen. Du hast zum Beispiel, also die Fashion Brand hat meistens ein Fit-Model, was reinkommt in der Größe S, dann wird da nochmal das T-Shirt angezogen, ein bisschen verbessert und dann geht’s raus. Es wird hochgradiert auf die anderen Größen und dann geht’s raus in die Welt. Und es wurde tatsächlich einmal mit einem menschlichen Körper verglichen.
Marilyn Repp: Hochgradiert bedeutet einfach irgendwie paar Zentimeter drauf, dann hast du eine M?
Svenja Tegtmeier: Genau, so ist der Prozess gerade, so sollte er nicht sein, aber so ist es. Du addest dann die Zentimeter für die verschiedenen Messstrecken und dann hast du die nächste Größe. Und das ist genau das, was wir zum Beispiel mit SAIZ unterstützen, dass Big Data getrieben ist, dass du weißt, ich habe die 2 Millionen Menschen in meiner Zielgruppe, ich weiß ganz genau wie die aussehen und dadurch Data getrieben sozusagen deine Gradierung usw. unterstützt, damit du nicht einfach 2-3 cm drauf tust, sondern genau weißt, das sind 1,87 cm, die ich draufsetzen muss, damit ich den perfekten Durchschnittsmenschen sozusagen kriege. Also das ist, würde ich sagen, ein großes Thema von dem Problem E-Commerce, weil du hast diese Retourenquote, die du im E-Commerce hast. Theoretisch im stationären Handel auch, also wenn du beispielsweise bei Zara reingehst und da mal beobachtest, dass Leute zehn Teile reinnehmen und mit einem wieder rauskommen. Das ist das Äquivalent ein bisschen, also die Produkte passen einfach schlecht und das wird immer dem E-Commerce angetan als Retouren. Aber es ist ganz, ganz viel auf das Produkt wirklich zurückzuführen, was man da verbessern sollte.
Marilyn Repp: In der Industrie gibt es ja eigentlich schon seit vielen Jahrzehnten oder Jahrhunderten Normen und Maße und Standards. Wieso gibt es das eigentlich im Fashion nicht?
Svenja Tegtmeier: Es gibt ein paar Standards, ein paar Standard-Menschen, die man sozusagen verfolgen muss, es wird aber nicht richtig verfolgt. Es ist super schwer, die daraufhin wirklich zu produzieren oder ganz viele Brands fangen auch an, dann irgendwie ein Model, was sie schon immer benutzt haben, das wird jetzt weiter benutzt oder wissen auch gar nicht richtig, wie der Endkonsument aussieht. Und deswegen meine ich, dieses Problem, das vom Produkt aus kommt und wie man das Produkt macht. Und weil du vorhin gefragt hast, es gibt auch eigentlich schon coole individuelle Shopping-Lösungen. Gerade Sizing & Fit gibt es ungefähr seit zehn Jahren, also da gibt es True Fit und Fit Analytics, die zwei ersten großen, die vor zehn Jahren ungefähr gestartet haben, die machen das, ist aber ein reines Konsumentenproblem. Also bisher wurde Sizing & Fit immer ganz viel in diesem E-Commerce, da wird ganz viel versucht, wenn ich nur den Endkonsumenten ein bisschen besser berate oder abschätze, dann kriegen wir das alles gelöst und das ist halt nicht alles. Da ist noch ganz, ganz, ganz viel mehr, was zu Sizing & Fit gehört, was man sich auch dringend angucken muss, als nur sozusagen im E-Commerce ein kleines Widget einzubauen und ein bisschen zu spielen. Machen wir auch, wir haben auch ein Widget, mit dem man spielt, aber wir lernen aus diesem Widget. Bei SAIZ haben wir zwei Groß-Produkte, wir haben unseren SAIZ Recommender, das ist ein Widget für einen Online-Shop oder Endkonsument mit ein paar Fragen, der die beste Größe kriegt für jeden einzelnen Artikel. Also wir analysieren wirklich jedes Produkt aus der Produktion kommend, ganz detailliert analysieren wir und sagen dir, was die richtige Größe ist und wie das auch passen wird. Und aus diesen Daten, dann geht es zu unserem zweiten Produkt, was wir SAIZ Studio nennen. Also aus diesen Daten, die wir im Widget lernen, lernen wir richtig eine Zielgruppe kennen und die Konsumentengruppe kennen und diese ganzen Daten bauen wir als Analytics in die Produktentwicklung wieder rein. Da können dann die Brands darauf zugreifen und wissen, was passt nicht, warum passen meine T-Shirts an der Schulter nicht, was passiert, wenn ich 3 cm wegnehme für alle meine Röcke in der Größe L, wird das immer noch funktionieren oder nicht. Da geht es wirklich darum, diese riesige Überproduktion, dieses schlechte Produzieren, die Passform zu verbessern.
Marilyn Repp: Okay, diese Anwendung, die du zuerst angesprochen hast, die sieht dann wie folgt aus: Ich binde das ein in meinem Online-Shop und dann werden der Kundin verschiedene Fragen gestellt und am Ende etwas empfohlen?
Svenja Tegtmeier: Genau, eine Größe. Die Größe für das spezifische Produkt mit einer kleinen Darstellung. Zum Beispiel, wenn du das jetzt für eine Hose ausfüllst, dann sagst du einmal wie groß du bist, wie alt du bist, wie schwer du bist, was dein Body Shape ist, wie viele Stunden Sport die Woche du machst usw., da schätzen wir sozusagen deinen Körper ab. Und danach wird der Körper, den wir sozusagen vermessen haben für dich oder abgeschätzt haben auf diese Hose, also dann sagen wir dir wirklich, an der Hüfte wird es ein bisschen eng, aber die L ist sozusagen die beste oder die S passt perfekt, wird vielleicht ein bisschen kurz sein. Wir geben dir dann sozusagen mit unserer kleinen Darstellung eine Idee, wie genau das Produkt passen wird.
Marilyn Repp: Und diese Daten nutzt ihr dann zur Weiterentwicklung?
Svenja Tegtmeier: Genau. Und dann ist der wichtige oder der riesen Hebel, dass man dann versteht. Die Produktteams heutzutage in Fashion Brands wissen oder können auch nicht wissen, wie die Konsumenten aussehen. Und das ist unsere große Philosophie, unsere große Vision, dass man einfach mehr Datenaustausch hat. Also wirklich die Daten aus dem Produktteam, die man ja hat, die man entwickelt hat für die Produktion, die man an Manufacturing schickt usw., dass man die dem Endkonsumenten näher bringt, also wirklich das Produkt näher bringt, aber dann auch wieder, dass die Konsumenten sozusagen dem Produktteam zur Verfügung stellt. Das man da einfach besser entwickelt, nicht nur mit dem einen Fit-Model, sondern mit der gesamten Zielgruppe im Kopf.
Svenja Tegtmeier: Ich war letztens bei Zalando. Ich bin ja auch eine Online-Shopperin. Ich arbeite Vollzeit und habe einen kleinen Sohn. Und ich muss ehrlich zugeben, ich gehe nicht so oft in den stationären Handel, der hat mich auch schon sehr oft ziemlich vor den Kopf gestoßen, muss ich leider sagen. Es entsteht oft einiges an Frustration, wenn man dann irgendwas Spezielles sucht und das dann nicht bekommt oder nicht in der Größe bekommt, also viel Frust an der Stelle deswegen. Ich bestell tatsächlich auch viel online und Zalando kennt mich inzwischen auch ganz gut – ohne jetzt Werbung zu machen. Und da habe ich letztens dann auch auf Grundlage meiner Bestellung eine Empfehlung bekommen für die Größe dieses Produkts, was ich da gesehen habe, aber nicht für alle Produkte witzigerweise. Also das waren dann nur ausgewählte und jetzt bin ich mal gespannt, wie es dann passt. Wir werden sehen.
Svenja Tegtmeier: Bei Zalando sind wir nicht drin, die können sich nochmal melden, nein. Wir arbeiten ja im Moment auch direkt mit dem Hersteller. Zalando und Sorten versuchen dann immer abstrahiert sozusagen Daten zu nutzen aus deinen Bestellungen. Wenn du ganz viele M’s bestellt hast und eine S und die kommen da relativ viel zurück oder nicht, daraus kann man schon mal ein bisschen versuchen vorherzusagen. Die Genauigkeit ist dann gering, weil wir wissen wahrscheinlich nicht genau wie dieses letzte Produkt, was sie dir dann empfohlen haben, wie genau das aussieht. Es ist dann halt immer abstrahiert.
Marilyn Repp: Okay, verstehe. Nächste Frage: Glaubst du an Digital Fashion? Wenn wir jetzt mal wirklich in die Zukunft blicken. Die Zuhörerinnen und Zuhörer da draußen wissen, dass ich mich mit dem ganzen Thema Metaverse und Web3 beschäftige, gerade was das für den Handel bedeutet. Und da ist man natürlich ganz schnell bei dem Thema Virtual Reality, Augmented Reality, wie kann ich vielleicht auch das Erlebnis der Produktdarstellung irgendwie verbessern in Zukunft. Ich glaube, das dauert echt noch eine ganze Weile und dann ist man irgendwann an dem Punkt, wir werden in Zukunft wahrscheinlich einen digitalen Zwilling unserer selbst haben, also ein digitales Abbild unseres Körpers online und das können wir dann einsetzen, um zu gucken, ob quasi die Produkte da drauf passen. Und vielleicht mit Virtual Reality kann ich noch ein bisschen genauer sehen, ob die Farbe passt, ob die Haptik vielleicht interessant ist für mich und gut ist. Auch das ist ja ein riesen Problem im E-Commerce, dass die Farben dann doch irgendwie ein bisschen anders sind als auf den Bildschirmen, die wir nutzen, also da ist auch, glaube ich, noch einiges an Potenzial da in neuen Darstellungen. Und dann landet man schnell bei den Kids, die sich in den Online-Games die Skins kaufen für echtes Geld und viele Händler, die dann sagen, das ist ja totaler Quatsch, also das ist kein Case für mich, aber es wird halt schon sehr viel Umsatz generiert, auch mit Skins und Digital Fashion, Nike mit seinen ganzen Digital Footware usw. Glaubst du, das ist die Zukunft?
Svenja Tegtmeier: Ich glaube es ist eine Zukunft. Ich glaube, wir werden nicht wieder Ur-Menschen und rennen alle nackig rum, also bleibt Fashion, glaube ich, auch immer ein sehr ??? und anfassbares Produkt. Ich glaube aber auch, Fashion hat unglaublich praktische Aspekte und ist auch Kunst, ein plain weißes T-Shirt, was irgendwie cool passen soll usw. Es ist Kunst in Teilen von Fashion und Selbstdarstellung und Expression seiner selbst. Und deswegen glaube ich definitiv an Digital Fashion. Ich glaube, das hat eine super coole Applikation. Wie du sagst, Digital Fashion ist ja schon groß und wird immer größer. Ich glaube, der Weg dahin wird spannend, weil ich glaube, es ist viel im Moment noch so doppelt, zum Beispiel du kaufst das und kriegst aber noch ein echtes Shirt oder für deine Avatare auch. Ich bin super gespannt, was mit Sizing passiert in Digital. Also wenn man dann wirklich mal echte Avatare hat, die auch wirklich zum Shoppen helfen sollen, dass man sozusagen vorher sich das anprobiert usw., da wird es glaube ich, auch noch irgendwann relevant, wenn das genau die Darstellung wird. Aber ich glaube, es ist ein sehr, sehr, sehr spannender Teil und ich glaube, jeder Händler sollte definitiv mal reinschauen, was es alles gibt. Es gibt ja auch light ways sozusagen da mal was auszuprobieren, ein kleines Projekt zu machen usw. Ich finde auch unglaublich spannend Web3-Applikation für Infrastruktur, also für Shops. Das finde ich sogar für mich persönlich sogar noch fast ein bisschen spannender, dass man echt die ganze Shop-Infrastruktur, dass man von Web2 auf Web3 die ganzen GDPA-Sachen löst, also nicht mal richtig fancy Avatare darstellt, sondern auch einfach, wie kann ich meinen Shop irgendwie cool aufs nächste Level bringen, meinen Onlineshop.
Marilyn Repp: Okay, kannst du das ein bisschen konkretisieren? Ich glaube, wir haben jetzt hier ein paar Leute verloren.
Svenja Tegtmeier: Nein. Ich glaube, es wird in der Zukunft oder wo ich definitiv glaube, auch Online-Shopping und E-Commerce hingeht, ist ja, dass ganz viel auch momentan unglaublich schwierig ist mit dem Shop-Management. Also einfach meinen Online-Shop auf Shopify oder wo auch immer ich meinen Online-Store habe, die ganze Infrastruktur dahinter, das ändert sich für den Endkonsumenten kaum, also das kann vorne noch genau gleich aussehen, aber derselbe Shop kann ja auf Web3 aufgebaut sein. Die ganze Infrastruktur dahinter hat dann viel mehr Sicherheit, ist viel schnelleres Processing, viel weniger GDPR für unsere Solutions. Ich bin immer bei jeder Integration mit Datenschutzexperten von der Brand unterwegs. Fast jede Brand, ab einer bestimmten Größe, hat schon einen eigenen internen Datenschutzbeauftragten usw. Und solche ganzen Themen kann man mit Web3 auch viel besser lösen, ohne, dass es sogar fancy Skins und crazy D2C-Applikationen sind, kann es auch einfach eine coole Applikation sein, um den Shop besser zu machen.
Marilyn Repp: Okay. Für mich stellt sich jetzt die Frage, wenn jetzt da draußen Händler und Händlerinnen hören, was ihr so macht und sagen, das finde ich spannend, wie fängt man da an? Also was sind die Voraussetzungen und kann man euch schon nutzen?
Svenja Tegtmeier: Man kann uns nutzen. Also wir sind auch live, sind auch auf vielen großen Brands schon live. Was wir sozusagen brauchen oder womit wir gerne, so ideale Kunden sozusagen, aber wir arbeiten auch mit klein, groß, mittel, wir brauchen definitiv eine Online-Präsenz, also für komplett Offline-Leute lohnt sich SAIZ weniger, aber mit Online-Präsenz oder signifikanter Online-Präsenz macht es schon Spaß. Und was wir brauchen, wie wir integrieren, ist einmal über den Shop, also über einen typischen Plugin, das ist auch nichts Wildes, da schieben wir sozusagen ein paar Zeilen Code in den Shop. Was ein bisschen anders ist bei uns als bei anderen Lösungen, wir sind tief im PLM-System drin, also im Product-Lifecycle-Management, ERP sozusagen, die ERP-Extension für Produktteams bei Fashion Brands und ziehen uns da die einzelnen Produktinfos raus und genau deswegen funktioniert unsere Lösungen für Hersteller oder Leute, die sehr close mit ihren Herstellern sind. Für Market Places oder was auch immer, die dann ganz viele verschiedene Brands haben, sind wir, glaube ich, erst im nächsten Schritt in ein paar Jahren interessant, wenn wir dann ganz viele Brands schon haben. Aber das sind jetzt sozusagen unsere idealen Customers im ersten Schritt.
Marilyn Repp: Okay, verstehe. Und habt ihr denn schon viele Kunden? Läuft das einfach oder wie ist so dieses ganze Mindset Umfeld? Ich hatte ja schon angerissen, mit welchen Themen ich mich beschäftige und was ich dann teilweise auch kommuniziere in meinen Vorträgen zum Beispiel. Und da schlägt mir schon oft eine gewisse Skepsis entgegen und wir hatten im Vorfeld auch schon kurz drüber gesprochen. Ich glaube, dass sich die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden immer schneller verändern, dass gerade junge Zielgruppen deren Bedürfnisse ändern sich täglich und deswegen muss ich immer neue Sachen ausprobieren, auch wenn ich die als Geschäftsführer vielleicht nicht einleuchtend oder spannend finde. Ich nenne es immer ein Ja-Mindset, zu sagen, ja, wir testen das und das und ja, ich verstehe es zwar nicht und ich finde es vielleicht auch nicht so cool, aber wir machen es trotzdem, auch wenn ich das nicht hundertprozentig nachvollziehen kann, wie sich Leute einen Skin für 100 $ kaufen können, dann möchte ich aber trotzdem irgendwie mal was testen und ausprobieren, ob das was für uns sein kann. So dieses Ja-Mindset und das fehlt mir schon auch öfters im Handel. Wie nimmst du das wahr?
Svenja Tegtmeier: Ich könnte auch ein bisschen mehr Ja-Mindset vertragen. Ich glaube, eines der Themen bei Innovationen im Retail, was mir da fehlt vom Mindset – zumindest mit den Brands, mit denen wir gestartet sind, irgendwann haben sie mal „Ja“ gesagt – ist, dass es da noch eine falsche Erwartungshaltung an Innovation gibt. Bei Themen wie Fit & Sizing, was sich seit Ewigkeiten, also wirklich seit dem Fashion existiert ist Fit & Sizing ein Problem oder seit der Massenproduktion in der Fashion-Industrie ein Thema und das muss auf einmal mit einem Klick gelöst sein und zwei Wochen später sollte man schon die Retourenraten halbiert sehen, nur dann funktioniert so ein Tool. Also das ist so die Erwartungshaltung, glaube ich. Ist man kontinuierlich dran und hat erstmal die ersten Daten gesammelt hat, dann kann man wieder nachjustieren. Bei Thema Sizing & Fit ist es, glaube ich, ein bisschen unseren Mitwettbewerbern, die vor uns gekommen sind, geschuldet, dass halt die Erwartungshaltung ein bisschen so ist, ein Plugin und dann ist alles gelöst, auf einmal meine 50 % Retourenraten gehen runter, was bei noch keinem Tool im Markt passiert ist, es gibt keine One-Click-Solution. Ich glaube, das würden wir uns alle wünschen. Und auch wenn wir wissen, dass wir Retouren reduzieren können, als einziges Tool, glaube ich, im Markt haben wir es hingekriegt, weil wir unglaublich genau sind, weil wir jeden Artikel analysieren, aber auch wir brauchen Monate, wir brauchen eine statistische Relevanz, wir brauchen Monate, bis auch die Customers sich dran gewöhnt haben, bis wir sehen, welche Produkte wirklich die großen Probleme sind, dass wir da nachlegen können, dass wir da ein bisschen nachjustieren können mit Nudging usw. Ich glaube, da ist es ein bisschen das Durchhaltevermögen, was Innovation und Veränderungen und Technologie auch braucht oder einfach auch ein Verständnis, dass wenn das ein Riesenproblem ist, was man lösen möchte, da muss man sich mehr als zwei Wochen Zeit mitnehmen, um die Resultate zu sehen.
Marilyn Repp: Ist eben doch keine Magie. Wir können auch nicht zaubern.
Svenja Tegtmeier: Genau. Aber man kann unglaublich viel machen und man kann unglaublich viel mitnehmen. Es braucht aber wirklich Zeit und vor allem, wenn man dann Produkte verändert. In der Fashion-Industrie ist der Entwicklungszyklus sechs Monate. Das heißt, wenn wir da erstmal Daten gesammelt haben und man sich dann überlegen möchte, wollen wir mal 5 % unseres Produktportfolios angehen und die verbessern, dann hat man acht Monate, neun Monate später Resultate, wie die dann matchen und wie die funktionieren, die neuen Produkte usw. Man braucht einen langen Atem, gerade um Fit & Sizing, aber dann kann man richtig, richtig coole Effekte sehen. Aber ja, ich glaube, ein bisschen mehr Ja-Mindset ist auch testen, einfach ausprobieren. Auch wenn es nicht funktioniert, hat man zumindest ein neues Tool ausprobiert oder man hat mehr Daten gesammelt, es sind auf jeden Fall Daten, auf jeden Fall coole Insights. Viele Fragen dann immer, ob wir nochmal einen Testzeitraum machen können, machen wir sowieso, bei vielen ist es so, selbst die Daten lohnen sich schon. Selbst wenn wir nur vier Monate live sind, da einfach die Insights, wie sehen meine Konsumenten aus, wie shoppen die, was shoppen die tatsächlich, wie groß sind die, wie groß ist der Brustumfang. Die ganzen Daten einfach mal zu haben, ist schon unglaublich viel wert. Da muss man aber wieder ein Ja-Mindset haben, wenn man mit den Daten arbeiten möchte.
Marilyn Repp: Ja, und ich sage immer, wenn so ein Projekt vielleicht nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, dann ist das kein Misserfolg, sondern ein Lernprozess. Das ist ein bisschen die Botschaft, die wir auch hier aus dieser Retail Garage senden wollen, testen, ausprobieren und einfach lernen, über die Zielgruppen lernen. Liebe Svenja, ich glaube, wir sind jetzt schon am Ende angekommen.
Svenja Tegtmeier: Es hat mich gefreut.
Marilyn Repp:Vielen lieben Dank für diese Insights. Und ja, ich hoffe, ihr könnt die Fashion-Industrie ein bisschen besser machen und den Planeten ein bisschen besser machen.
Svenja Tegtmeier: Die PNL, die ein bisschen Geld sparen und gleichzeitig ein bisschen CO2 sparen, das ist unsere Motivation.
Marilyn Repp: Vielen Dank, dass du da warst.
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