ZDE Podcast 152: Das magische Dreieck von Kunde, Produkt und Preis
Eigentlich ist Handel ja ganz einfach: Man muss nur das passenden Sortiment zum richtigen Preis für die Kunden vorhalten. Mehr nicht, geht doch, oder? Was sich so einfach anhört, hat Heerscharen von Forschern und Prozessoptimierern seit Jahrzehnten beschäftigt. Es ist ein wenig wie Lotto spielen: Man muss ja nur die Zahlen ankreuzen, die am Samstag gezogen werden. Ki kann da helfen, wie, erklärt uns Marc Funk in der aktuellen Folge.
Folge direkt anhören
Hier geht es zum Profil von Marc Funk
Die Folge zum Nachlesen
Da ist die Woche wieder rum und wir sind mit einer neuen Folge da zum Thema Retail Innovation und wir haben heute ein total spannendes Thema und zwar wollen wir immer mal wissen, was in der Zukunft so passiert. Jetzt haben wir uns natürlich hier keinen geholt, der irgendwo in eine Glaskugel guckt, denn mittlerweile kann man eine Glaskugel ja auch sehr, sehr qualifiziert angucken. Was ist das, was den Händler am meisten interessiert? Welches Sortiment muss ich vorhalten, damit ich die Kundenwünsche am besten bedienen kann? Eine große Frage, die natürlich erstmal auf sehr viel Lebenserfahrung bis jetzt basiert hat, dann natürlich auch auf Teilen von Marktforschung. Mittlerweile sind wir da aber einen Schritt weiter, man kann viel machen, indem man, ich sage mal, von Daten-Dienstleistern sich irgendwelche Daten holt, um herauszubekommen, welche soziodemographischen Profile man hat in seinem Umfeld und dann natürlich schauen, welche Bedürfnisse diese Menschen haben. Und da kommt jetzt auf einmal künstliche Intelligenz ins Spiel. Künstliche Intelligenz kann nur vernünftig arbeiten, wenn man natürlich einen tollen Algorithmus hat, aber der bleibt relativ wirkungslos, wenn der nicht auf Daten zurückgreifen kann, die er auswerten kann, indem er da bestimmte Muster drin erkennt und diese dann dementsprechend auch weiterentwickeln kann. Da habe ich jetzt einen coolen Experten gefunden, der sich schon lange mit dem Thema beschäftigt, der eigentlich aus der Ecke eCommerce kommt im Lebensmittelhandel und das Wissen, was er daraus generiert hat, dementsprechend in sein neues Unternehmen mit untergebracht hat. Und deshalb schalte ich jetzt mal einfach ins Studio zu Marc Funk.
Frank Rehme: Heute bei uns am Mikrofon. Hallo, Marc. Grüß dich.
Marc Funk: Hi. Schön, dass ich da sein kann.
Frank Rehme: Marc, wir haben jetzt viel über die Probleme gehört, die jetzt gerade aufgrund von Pandemie, Krieg, Lieferkettenproblematiken gerade anstehen und ich habe in der Vormoderation auch einiges darüber erzählt. Du hast auch einen interessanten Bericht auf Zukunft des Einkaufens dazu schon mal veröffentlicht und aufgezeigt, wo die Problematiken sind. Aber es gibt natürlich für jedes Problem immer eine Lösung, man muss nur die richtigen Leute finden, die die Lösung suchen und auch finden. Ich glaube, ihr seid da mit einer guten Geschichte unterwegs. Sag mal ein paar Worte zu dir, dass die Hörerinnen und Hörer Bescheid wissen, wen habe ich denn hier überhaupt gegenübersitzen?
Marc Funk: Ja gerne. Ich bin der Marc, bin ein altes Kind der Digitalwirtschaft. Es ist meine 3. Firma, die ich jetzt gerade frisch aus dem Boden gestampft habe bzw. von Null aufbaue. Ich habe früher Getnow gegründet, kennt der eine oder andere vielleicht, ein Online-Supermarkt, der innerhalb von 90 Minuten ein Vollsortiment damals aus der Metro direkt zum Endkunden geliefert hat. 20.000 Artikel insgesamt hatten wir und das Ganze im Jahr 2015 gegründet, also lange vor Gorillas, flink und wie sie alle heißen, haben wir quasi den Quick-Commerce, wie das neudeutsch heißt, angefangen. Ich hatte damals selber das Problem oder die Fragestellung, was nehme ich eigentlich auf die Seite, welche Produkte sind die Produkte, die meine Kunden haben wollen? Und ich hatte damals den Luxus, die Metro war mein Lager, also habe ich keinen limitierenden Faktor gehabt, konnte 20.000 Artikel einfach so auf die Seite nehmen. Der stationäre Handel, so wie wir ihn kennen, also der Supermarkt bei dir oder bei mir um die Ecke, der hat diesen Luxus nicht, der muss also genauer auswählen, welche Produkte er auf die Seite nimmt. Und genau damit befassen wir uns heute, daraus habe ich meine neue Firma gemacht, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt und versucht, Märkte attraktiver zu machen. Ich glaube, wir haben da einen ganz vernünftigen Ansatz gefunden über künstliche Intelligenz dafür zu sorgen, dass das Sortiment von Händlern genau dem entspricht, was der Endkunde auch tatsächlich kaufen möchte.
Frank Rehme: Da sind wir bei so Themen, dass man so wie früher, man nannte das eben auch kundenzentriertes Category-Management, dass man Kundensegmente geschaffen hat, die man dann in der Umgebung gesucht hat. Woraus besteht die Nachbarschaft, hier mein Store, woraus besteht hier eigentlich meine Kundschaft? Und dann hat man für diese Kundensegmente passend dort Sortiment zusammengepackt. Aber wie wir mittlerweile schlauer wissen, haben wir keine 10, 15 Kundensegmente, sondern in Deutschland exakt 82 Millionen oder mittlerweile schon wieder ein paar mehr und, dass wir eigentlich komplett anders denken müssen in dem Bereich.
Marc Funk: Ja, das denken wir, dass wir wahnsinnig individuell sind und 82 Millionen einzelne Kundensegmente haben. Die Wahrheit ist, dass es einige sind, aber 82 Millionen sind es nicht. Man kann das schon relativ gut clustern und da gibt es auch viele Ansätze aus der Neurowissenschaft, die Kaufverhalten ausdrücken können und uns Menschen in neurowissenschaftliche Käufer clustern. Und genau damit sollten eigentlich die meisten Märkte arbeiten, damit sie auch ein Verständnis dazu bekommen, was denn eigentlich das vorherrschende Kaufverhalten in ihrem Einzugsgebiet ist. Das Problem ist, dass viele Händler denken, dass sie ihre Kundschaft kennen, es aber eigentlich nicht tun. Also gerade Kaufleute oder Genossen, Edeka oder Kaufland, Rewe, da hört man oft den Satz: „Ich kenne meine Kundschaft schon. Ich mache das seit 30 Jahren.“ Das stimmt auch, die kennen ihre Kunden, die machen das auch wirklich seit 30 Jahren, allerdings kriegen die oft nicht mit, dass sich Kundensegmente auch verändern können über die Zeit.
Frank Rehme: Die kennen die Kunden, aber die haben so gut wie nie Daten über die Kunden, es sei denn, die haben irgendwo ein Kartensystem oder so dazwischen, aber ansonsten kennen die die Kunden aus dem Bauch heraus. Das ist auch Ergebnis meiner Gespräche, die ich mit denen hatte, wenn man dann mal in Warenwirtschaftssystem-Analysen gesehen hat, dass die Kundschaft ganz andere Dinge kauft in der Majorität als die Händler eigentlich gedacht haben. Deshalb gibt es zwischen der Anmutung „Ich kenne meine Kunden“ und dem, was wirklich dann die Wahrheit ist, immer ein ganz, ganz großes Gap, habe ich festgestellt.
Marc Funk: Das ist tatsächlich so, das liegt vor allem daran, dass die Menschen auch in den letzten Jahren ihr Kaufverhalten massiv verändert haben. Also wir sehen immer mehr, dass Nischen für Käufer attraktiver werden und, dass eigentlich auch etablierte oder traditionell aufgeteilte Produktkategorien auf einmal neu aufgebrochen werden. Das hat man zum Beispiel bei Cola gesehen. Es war aufgeteilt zwischen Pepsi und Coca-Cola und dann kommen die Jungs aus Hamburg mit ihrem Fritz Cola und machen mal ein bisschen Konkurrenz in diesem Regal.
Frank Rehme: Die haben auch die Kunden ganz anders angesprochen, also die haben ja auch bewusst eine andere Zielgruppe angesprochen. Ich werde nie vergessen, da war ich an der Schanze in Hamburg und da war eine Werbung für Fritz Cola mit der Überschrift „Erfrischt besser als jeder Wasserwerfer.“
Marc Funk: Genau.
Frank Rehme: Und damit sprichst du natürlich auf einer emotionalen Ebene eine ganz andere Kundschaft an. Also insofern waren die auch ein bisschen die jungen Wilden, auf die die Branche auch eigentlich mal gewartet hat, denn ehrlich gesagt, Coca-Cola hat immer noch 1940er-Charme gehabt.
Marc Funk: Ganz genau, so ist es. Und dieser 1940er-Charme, der funktioniert auch in der Breite, aber es gibt halt Kunden, die ein Produkt wollen, gerade weil es nicht Coca-Cola heißt oder weil es nicht Pepsi heißt und diese Menschen muss man finden. Diese Menschen sind aber nicht überall zu finden, also nicht in jedem Markt. Und so muss man halt schauen, dass es genau in den Märkten, wo diese Leute einkaufen gehen, dann auch das Fritz Cola vorhanden ist.
Frank Rehme: Jetzt kommen wir zu dem Thema dieser Problematik. Der Handel, der muss jetzt gucken, wir haben mit einer Kaufzurückhaltung zu rechnen in der Nach-Pandemie und Post-Kriegszeit, sage ich jetzt mal. Jetzt müssen wir mit dieser Kaufzurückhaltung trotzdem noch schauen, wie wir unsere Umsätze dementsprechend oben halten und wie kriegt man das am besten hin? Du hast in unserem Vorgespräch mal interessanterweise gesagt: „Wir müssen dafür sorgen, dass die richtigen Produkte für die richtigen Menschen zur richtigen Zeit im richtigen Regal liegen.“ Genau darum geht es, eigentlich total einfach, oder?
Marc Funk: Das Sortiment muss einfach begeistern, denn die Preis-Sensibilität, die wir jetzt auch durch die derzeit herrschende Inflation bei den Kunden sehen, die gilt nicht immer. Die gilt nämlich genau dann nicht, wenn ein Produkt wirklich begeistert, also wenn es wirklich den Nerv trifft. Diese Produkte sind oft Nischenprodukte und die verkaufen sich leider nicht überall. Wir sorgen dafür oder wir versuchen dafür zu sorgen, dass das Sortiment genau dem entspricht, was den Kunden begeistert und somit die Märkte auch attraktiver werden wieder für den Konsumenten. Somit werfen die Leute dann auch ihre Preis-Sensibilität an der einen oder anderen Stelle über Bord und greifen wieder zu den hochmargigen und auch nischigen Produkten.
Frank Rehme: Du hast eingangs gesagt mit künstlicher Intelligenz, also ihr legt da digitalen Feenstaub drüber und auf einmal funktioniert das Ganze. Aber wir wissen ja, dass KI nur funktioniert, wenn man wirklich Top-Daten als Grundlage hat. Jetzt hast du einmal natürlich die ganzen Daten über mögliche Sortimente, aber auf der anderen Seite braucht es auch Daten über die Kunden, ich sage mal, die soziodemografischen Informationen aus der Nachbarschaft und solche Sachen alle. Da tut man sich doch in der Regel schwer, es gibt zwar genug Daten-Dienstleister, die solche Dinge verkaufen, bis hin zu App-Tracking Informationen und solche Sachen, wo kriegt ihr diese Geschichten her und wie verarbeitet ihr die?
Marc Funk: Was wir tun ist, dass wir anhand von Daten statistische Abbilder des vorherrschenden Kaufverhaltens im Einzugsgebiet einer jeden Händler-Filiale in diesem Land erstellen. Kaufverhalten ist relativ komplex, du hast das am Anfang gesagt, von wegen Kaufkraft und solchen Sachen. Kaufkraft ist wichtig, weil wenn ich etwas kaufen möchte, aber es nicht kaufen kann, ist der Wille irrelevant. Die Kaufkraft ist auf jeden Fall eine der wichtigen Variablen. Die Soziodemografie nutzen wir natürlich auch, aber wir benutzen deutlich mehr, insgesamt sind es 134 Variablen, die wir nutzen. Da ist auch dabei die Mediennutzung, also welche Apps haben die Leute, welche Fernsehsender schauen sie, welche Zeitungen lesen sie usw. und dann entsteht ein Bild der Kundschaft oder des Kaufverhaltens der Kundschaft im Einzugsgebiet. Dieses Bild zeigt uns, was die Menschen für Produkte in den Läden gerne haben würden und diese Produkte bringen wir dann genau in die Regale, wo sie auch abverkauft werden. Wir erheben keine Daten, sondern wir kaufen sie zu. Und zwar sind das alles Daten, die nicht personenbezogen sind, weil im Gegensatz zu uns, was uns nicht wichtig ist, an wen wir etwas verkaufen können, sondern dass wir besonders viel davon verkaufen können. Wir sind ja ein Massengeschäft und da geht es einfach darum, dass man die Produkte in exakt die richtigen Regale bringt, dass sie halt einfach dort begeistern, wo die Ideal-Kunden täglich einkaufen gehen.
Frank Rehme: Hast du mal so ein Gefühl dafür, dass wir mal wissen, was denn der Effekt von dieser ganzen Geschichte ist? Ich sage mal, du musst jetzt keine Kundennamen nennen, um Gottes Willen, aber, dass du mal sagst, in dem und dem Projekt haben wir durch genau diese und jene Vorgehensweise, das erreicht. Also, dass du die Vorgehensweise auch nochmal beschreibst und natürlich das, was hinten bei rausgekommen ist, wie viel Prozent hat sich auf einmal der Abverkauf in bestimmten Bereichen, gerade im Bereich der margenstarken Produkte verändert usw.
Marc Funk: Wir werden an mehreren Kennzahlen gemessen, eine Kennzahl davon ist die Umsatzsteigerung natürlich, aber eine andere Kennzahl, die auch im Lebensmitteleinzelhandel wichtig ist, sind die Abschreibungen. Produkte, die in den falschen Regalen stehen, laufen ab und müssen dann entsorgt werden und dementsprechend abgeschrieben werden. Bei einigen unserer Kunden, bei denen wir Kategorien mit Abschreibungen optimiert haben, haben wir über 90% reduzieren können. Der Umsatz, den wir gesteigert haben, war auch im mittleren, zweistelligen Bereich in den Kategorien, aber vor allem war das der Umsatz in den Nischenprodukten. Wenn wir diese Sortimentsoptimierung machen, zum Beispiel für den Supermarkt, dann fassen wir das sogenannte Kernsortiment meistens gar nicht an. Wir würden einem Händler nicht empfehlen, dass er Coca-Cola rausschmeißen soll, um wieder zu dem Beispiel zurückzukommen, oder im Waschmittel-Segment, dass er Persil rausschmeißen soll. Nein, auf gar keinen Fall, das ist Teil des Kernsortiments. Aber die Frage ist beim Waschmittel zum Beispiel, ob sich in diesem Markt auch ein neues Produkt wie everdrop auch verkaufen würde, also biologische, nachhaltige Waschmittel. Everdrop ist ein gutes Beispiel dafür, die sind ein Produkt, welches sich in manchen Märkten hervorragend verkauft und in anderen Null und wir sorgen dafür, dass sie in den Märkten stehen, wo sie halt hervorragend verkauft werden.
Frank Rehme: Ich habe, es ist schon viele, viele Jahre her, da war ich mal zu Besuch in einem Rewe, der Supermarkt des Jahres war. Der hatte auch, ich sage mal, aus dem Bauch heraus Sortimentsoptimierung gemacht, die ich unfassbar fand. Er sagte, ich lebe hier in einem Stadtteil, wo überdurchschnittliche Kaufkraft vorhanden ist. Der ist dann hingegangen, zum Beispiel bei schönem Sommerwetter, hatte er von seiner 12 m Fleischtheke gut die Hälfte nur mit Grillartikeln gefüllt, wenn das Wetter passte. Und er sagte, glaubt man nicht, hier kommen die Männer, die kaufen dann dieses ganze Grillzeug und glaub mir, nicht einer von denen kennt den Preis. Insofern können die da auch wunderbar draufhauen. Oder solche Geschichten, wie er mir dann sagte, ich habe ein Cross-Selling gemacht. Neben dem Kaffee stelle ich nicht die Kaffeemilch hin, wie das Cross-Selling erste Idee meistens immer ist, sondern die verchromten Alfi-Kannen, auf den ich eine wunderbare Marge habe und die verkaufen sich seitdem 300% mehr. Die Inspiration der Menschen eigentlich genau der richtige Punkt an der Stelle.
Marc Funk: Ganz genau und das ist, wenn man den stationären Handel auch mit der Konkurrenz aus dem Internet vergleicht, ist die Frage, was ist denn das USP des stationären Handels? Und das USP des stationären Handels ist das Erlebnis. Es ist, dass man die Ware sieht, sie anfassen kann und, dass man sich auch inspirieren lassen kann. Durch dieses inspirieren lassen und die Ware erleben können, entsteht genau das, was du gerade gesagt hast, dass die Leute den Preis gar nicht kennen, sondern es einfach kaufen. Sortimentsoptimierung ist ein sehr spannendes Feld. Die meisten Händler machen das ja traditionell, es geht einmal um das Aufsetzen des Sortiments, beim Zusatz-Sortiment wird das oft über Bauchgefühl gemacht, hatten wir ja gesagt. Dann wird was gemacht, was man im Online A/B-Testing nennt, stellt was rein, schaut, ob’s läuft und wenn es nicht läuft, fliegt es raus und wenn es läuft, dann bleibt es drin. Das ist der Ansatz, der vorherrschende und das seit Jahrzehnten. Das Problem dabei ist, dass in dem Augenblick der Schaden schon entstanden ist, weil da hätte von Anfang an was stehen können an der Stelle, was läuft. Und nur weil etwas okay sich dreht oder abverkauft wird, heißt es nicht, dass etwas anderes nicht hätte viel besser laufen können.
Frank Rehme: Absolut. Jetzt bei dem ganzen Thema der Bioprodukte, die gerade teilweise wahnsinnige Abstürze hatten aufgrund der Preis-Sensibilität der Leute. Das heißt ja nicht, dass diese von denen, die sich eigentlich bewusst Bio ernähren, überhaupt nicht mehr gekauft werden, sondern von denen „Sowohl als auch“-Käufern, oder?
Marc Funk: Jein. Man muss sagen, also Bio ist ein super Trend gewesen. Auch während der Pandemie hatten die Leute nicht wahnsinnig viel Möglichkeiten ihr Geld auszugeben, deswegen haben sie es oft in den Supermarkt getragen. Das war so das Highlight des Tages, man darf in den Supermarkt, man darf mal raus vor die Tür und viel mehr Möglichkeiten, stationär zu konsumieren, gab es ja nicht. Und dann haben viele Leute sich natürlich auch bewusster ernährt und auch mehr zu Bio-Artikeln gegriffen. Die Leute, die immer Bio kaufen, die werden auch weiter Bio kaufen, aber die Leute, du hast es vollkommen richtig gesagt, die halt beides konsumiert haben, die wechseln dann, wenn sie preissensibel sind, wieder zu den normalen oder konventionellen Produkten oder bei Fleisch zum Beispiel, verzichten auch mal auf Fleisch. Das Hauptproblem bei Bio-Artikeln ist das Image, Bio-Artikel genauso wie Bio-Märkte haben das Image teuer zu sein. Es ist oft gar nicht richtig oder wirklich begründet, es ist einfach nur ein Gefühl und dieses Gefühl hat zum Beispiel dazu geführt, dass der Bio-Handel im Durchschnitt 13% Umsatzrückgang hat. Bei Reformhäusern ist es noch schlimmer, 39%.
Frank Rehme: Einfach Wahnsinn die Zahlen, also wirklich, muss man sagen.
Marc Funk: Und wenn man die Inflationsrate noch drauf rechnet, ist man dann bei Bio-Märkten bei 20% und das muss man als Händler erstmal schlucken können, besonders wenn die Kosten steigen. Was zum Beispiel Lidl sehr gut macht ist, dass sie dem Bio-Artikel ein nicht teures Image verleihen und das wird dann auch weiter gekauft.
Frank Rehme: Da bin ich mal gespannt, ob sich das mal auflöst. Ich hatte mal ein Gespräch bei der NRF, das ist diese größte Handels-Technologie Messe, die jedes Jahr in New York stattfindet, mit einem großen Technologie-Anbieter, weltweit führend, und der hat gesagt, die Bio-Branche wehrt sich gerade riesig davor, die Blockchain einzuführen, weil dann auf einmal rauskommt, dass nicht jedes Bio-Produkt Bio ist.
Marc Funk: Das stimmt, ja.
Frank Rehme: Es wird mehr verkauft unter Bio, dem Bio-Label, als eigentlich hergestellt wird. Aber das ist ein anderes Problem, passt jetzt hierzu gar nicht, aber fiel mir nur gerade bei dem ganzen Thema ein.
Marc Funk: Es ist ähnlich wie bei Fairtrade. Ist immer die Frage wie Fairtrade.
Frank Rehme: Ja, genau richtig, da muss man immer schauen. Da gibt es, ich sage mal, weder ein vernünftiges Siegel, noch eine dementsprechende Aufsichtsinstanz, wenn man das Wort überhaupt benutzen kann, die das ganze Thema wirklich durchgeht. Marc, lass uns mal auf die Zielgerade einbiegen. Wenn ich Händler bin und ich habe mit dem Markt noch nie was zu tun gehabt und ich weiß auch gar nicht, wie so ein Projekt abläuft, worauf muss ich mich da einstellen? Also ich meine nicht vom Preis her oder so, um Gottes Willen, sondern einfach nur, was muss ich organisatorisch als Händler in Zeiten des Fachkräftemangels, immer ein großes Problem, was muss ich an Ressourcen vorhalten? Welche Systeme braucht ihr von mir? Welche Systemzugriffe? Müsst ihr irgendwo Warenwirtschaft-Connect-direct haben oder so? Wie läuft so ein Projekt typischerweise ab?
Marc Funk: Auf Kundenseite ist es mit relativ wenig Aufwand verbunden. Was wir brauchen, ist, dass wir alle Absatzzahlen aller Produkte von so vielen Märkten wie möglich aus den letzten Jahren bekommen, denn unser Algorithmus kann daraus Rückschlüsse ziehen. Er kann auf Basis dieser Daten herausfinden, welches Nuancen-Kaufverhalten denn tatsächlich in diesem Markt täglich einkauft. Und auf Basis dieser Daten ermitteln wir dann das ideale Sortiment für die Kategorien, die wir optimieren. Normalerweise fangen wir immer an, dass wir 1 bis 2 Kategorien in einem Markt optimieren, um dem Kaufmann auch zu zeigen, dass das gut funktioniert bevor wir es auf alle Kategorien ausrollen. Sobald wir die Absatzzahlen der Produkte haben, errechnen wir das Ideal-Sortiment für ihn und überspielen es ihm dann per CSV-Datei, ganz normal, das kann er dann einpflegen in sein Warenwirtschaftssystem und dementsprechend die Produkte bestellen. Also wirklich wenig Aufwand, also einmal Daten überspielen, da kriegst du eine CSV zurück und das war’s.
Frank Rehme: Das ist ja immer die große Frage, was muss ich machen und wie viel Aufwand ist bei mir damit verbunden. Ist immer die erste Frage, da wir keine Zeit haben, aber hält sich ja wirklich in Grenzen. Jetzt die nächste Frage, weil wir natürlich auch viel Mittelstand bei uns in der Hörerschaft haben, ab welcher Größe von Händler lohnt es sich eigentlich, sich mit euch in Verbindung zu setzen?
Marc Funk: Ich glaube, für jeden Händler, egal welcher Größe, lohnt es sich das ideale Sortiment für seine Kundschaft zu haben und dadurch seinen Markt einfach attraktiver zu machen, denn das Sortiment ist der Hauptfaktor der Attraktivität des Marktes. Wir machen die Sortimentsoptimierungen zum Beispiel für Tankstellen-Stores, die haben relativ wenige Produkte im Vergleich zu großen Supermärkten, für die wir das auch machen. Das ist eigentlich von kleinen Stores, die irgendwie 2.500 SKU‘s haben bis hin zu 20.000 ist da alles dabei.
Frank Rehme: Wunderbar. Da kann ich echt nur sagen Leute, wir reden ja immer schon darüber hier auf unserem Blog auch, wie wichtig eine ständige Weiterentwicklung des Sortiments ist. Nicht nur so alle 2 Jahre mal drüber gucken und Renner-Penner-Analysen fahren, sondern wirklich frühzeitig auch immer reinzugehen und vor allen Dingen auch auf neueste Trends aufzuspringen. Kann ich echt nur empfehlen.
Marc Funk: Oder auch gerade dieses Thema, das sich veränderte Sortiment ist extrem wichtig, weil zum Beispiel, ich wohne in Berlin und als in Berlin-Mitte die Immobilienpreise hoch sind, sind viele sogenannte Hipster nach Neukölln gezogen. Neukölln war früher relativ muslimisch geprägt und die haben nicht nur ihre Möbel mitgenommen als sie umgezogen sind, sondern auch ihr Kaufverhalten. Und der Händler, der sich als erstes darauf eingestellt hat, dass da auf einmal Veganer reinkommen in den Laden, der hat den Kunden für sich gewonnen. Und die Händler, die das nicht gesehen haben, weil sie einfach aufs Bauchgefühl gehört haben und sich auf das konzentriert haben, was sie die letzten Jahre schon gemacht haben, die haben den Kunden einfach verloren.
Frank Rehme: Da sieht man auch, wie sich die Händlerschaft ringsum auch sehr schnell verändert haben. Gerade Berlin, sieht man ja hier in Friedrichshain ganz besonders. Ich kenne Friedrichshain noch von vor 12, 14 Jahren, hochgradig alternativ und jetzt, ich sage mal, Ausgehviertel mittlerweile geworden.
Marc Funk: Genau, die Gentrifizierung, wie man so schön sagt.
Frank Rehme: Total, genau. Supermarkt, wenn irgendwo ich ein kleiner Händler bin, könnte ich sowas bei euch auch, ich spinn jetzt einfach mal, als Software-as-a-Service bekommen. Ich gehe auf eure Webseite, gib meine Daten ein, lad meine Daten hoch und ihr schickt mir dieses CSV, vielleicht so als Software-as-a-Service oder so?
Marc Funk: Am Ende des Tages ist es genau so, man registriert sich bei uns und dann funktioniert es genauso, wie du gesagt hast. Es ist also mit wirklich relativ wenig Aufwand verbunden und wir versuchen auch, es auf Kundenseite so aufwandsarm wie möglich zu gestalten.
Frank Rehme: Jetzt haben wir nur über LEH geredet. Funktioniert das auch in anderen Bereichen?
Marc Funk: Das funktioniert auch wunderbar für Apotheken zum Beispiel, auch für Drogeriemärkte, also gerade bei Drogeriemärkten wechselt das Sortiment sehr stark durch. DM zum Beispiel hat durchschnittlicher ungefähr 12.000 SKUs und davon werden 6000 jedes Jahr ausgetauscht.
Frank Rehme: Oh.
Marc Funk: Und das wollen Sie ja nicht, weil die 6000, die sie rausschmeißen, so gut gelaufen sind.
Frank Rehme: Stimmt, genau richtig. Aber die arbeiten wahrscheinlich auch sehr stark mit dem Thema, dass die auf das Umfeld des jeweiligen Stores dementsprechend anpassen.
Marc Funk: Das tun tatsächlich die wenigsten. Es geht hauptsächlich darum, wenn man mit seinen Kunden kommuniziert, dass man das über die App zum Beispiel macht. Aber wenn man Neukunden gewinnen will, dann haben die in den seltensten Fällen die App des Händlers auf dem Handy, per Definition des Wortes Neukunde. Und deswegen macht es durchaus Sinn oder ergibt durchaus Sinn, dass man noch weitere Faktoren, wie zum Beispiel unsere Analyse da mit einfließen lässt.
Frank Rehme: Daran sieht man mal wieder, wie wichtig Kundenkarten sind. Kunden kennenlernen, damit die sich nämlich schön identifizieren und wir dann dementsprechend auch für die Kunden die passenden, begeisternden Produkte in den Regalen haben. Marc, vielen Dank! Spannendes Thema, gerade auch, weil ihr auch für den Mittelstand dementsprechend da seid. Ist auch immer ein großes Thema, meistens stürzt sich immer alles auf die großen Filialisten, aber genau darum geht es letztendlich, dass wir den Mittelstand in den Innenstädten auch Tools zur Verfügung stellen, wie die dementsprechend auch weiterkommen können. Ja, das war’s. Schönen Dank. Zeitlich schon wieder rum.
Marc Funk: Vielen Dank.
Frank Rehme: Ich wünsch dir alles Gute. Viele Grüße nach Berlin. Und vor allen Dingen fette Beute.
Marc Funk: Dankeschön. Alles Gute. Tschüss.
Frank Rehme: Ciao. Ja, so viel vom Marc. Ich möchte euch noch einmal an etwas erinnern. Und zwar unser Format ist ja kostenlos für alle Hörerinnen und Hörer und ihr könnt uns unterstützen. Das Beste ist, das kostet euch auch nichts, indem ihr uns in einem Podcatcher eurer Wahl, wo ihr uns gerade hört, möglichst viele Sternchen oder gute Bewertungen gebt, unseren Newsletter abonniert, euren Kolleginnen und Kollegen von unserem Format erzählt und uns auch weiterempfiehlt. Und wer will, kann uns auch monetär unterstützen und das fängt bei Mini-Beträgen schon an. Geht mal auf unsere Webseite, guckt auf der oberen Menüleiste unter Unterstützer und dort könnt ihr ein Paket buchen. Praktisch auf Steady, wo ihr uns monatlich unterstützen könnt oder auch nur einmal, wenn ihr eine Spende rüberkommen lassen wollt. Jederzeit kündbar diese ganze Geschichte und fängt wirklich bei kleinen Beträgen schon an! Schaut mal drauf, wir danken euch, wünschen euch alles Gute und vor allen Dingen, wie immer fette Beute!
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!