Der Store der Zukunft: 3 Beispiele für moderne Shoppingwelten
Wie sieht der Store der Zukunft aus? Diese Frage kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Aber mit Kreativität sowie fachlichem und technischem Know-how lassen sich höchst interessante Konzepte umsetzen.
Die Ergebnisse erwecken den Anschein, als hätte es die vielen Diskussionen der Vergangenheit gar nicht gegeben: der stationäre Handel, so stellte es das wissenschaftliche EHI Retail Institute soeben fest, gibt nach wie vor den Ton an. Die Top 1.000 der stationären Vertriebslinien in Deutschland, so der EHI, erwirtschafteten 2018 einen Netto-Umsatz von rund 311 Milliarden Euro. Das sind fast 60 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes, wobei hier der Lebensmittelhandel dominiert (gefolgt von dem Segment Do-it-Yourself & Einrichten).
Was die Studie noch zusätzlich interessant macht: Der Umsatz der drei größten stationären Handelsunternehmen ist höher als der des gesamten Online-Handels in Deutschland (56 Mrd. Euro).
Aus der Erhebung lässt sich damit eine wichtige Schlussfolgerung ableiten. Der stationäre Handel, das klassische Ladengeschäft, bildet nach wie vor das Rückgrat des Einzelhandels in Deutschland. Der Siegeszug des E-Commerce ist also längst nicht so final, wie es mancherorts beschrieben wird. Nach wie vor gehen täglich Tausende Menschen zum Shoppen oder decken sich im Laden um die Ecke mit Waren für den täglichen Bedarf ein.
Allerdings dürfen die Umsatzzahlen auch niemanden in trügerischer Sicherheit wiegen. Denn die Umsatzzahlen im E-Commerce steigen jährlich an.
Der Store der Zukunft spricht alle Sinne an
Der Handel sollte deshalb die Chance nutzen, sich als moderne Shoppingwelt zu präsentieren, die der virtuellen Welt in vielen Belangen überlegen ist: Wo es nicht mehr nur darum geht, ein Produkt in den Einkaufswagen zu legen und sich anschließend an der Kasse anzustellen und dann so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Sondern ihm eine Erlebniswelt zu bieten, in der er sich gerne aufhält, wo er Produkte haptisch anfassen und testen kann, wo er durch Duft und Klang inspiriert wird, Menschen mit ähnlichen Interessen treffen und an Events oder Tutorials teilnehmen kann.
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und durch die Digitalisierung und die sich ständig weiter entwickelnden technischen Tools erhöht sich die Möglichkeit der Produktinszenierung nahezu im Wochenrhythmus.
Noch sind solche mutigen, innovativen Konzepte in Deutschland, mit denen in den Shops alle Sinne der Menschen angesprochen werden, nicht die Regel. Und dennoch lassen sich weltweit zahlreiche Beispiele finden von Stores, die es geschafft haben, mit außergewöhnlich kreativen Ansätzen die Zahl der Ladenbesucher kontinuierlich zu steigern.
Pirch Showroom in New York
Der High-End-Haushaltsladen Pirch hat hier Pionierarbeit geleistet. Mit seiner Niederlassung in New York hatte er es geschafft, die chronisch unter Zeitdruck stehenden New Yorker zu beeindrucken. So stark, dass sie dort tatsächlich ganze Nachmittage verbringen wollten , um sich mit schön designten Bädern und Küchengeräten auseinanderzusetzen.
Das Ambiente erweckte den Eindruck, als befände man sich in den eigenen vier Wänden, sogar Haustiere waren erlaubt. Egal ob Kühlschrank, Wasserkocher oder edle Espressomaschine – alles konnte vor Ort getestet werden, Kochkurse und sogar ein Spa-Bereich – um sich vom Shoppen zu erholen – machten das Einkaufen zu einem Event. Inzwischen ist der Showroom in New York zwar geschlossen, doch das Konzept wurde auf vier Städte in Kalifornien übertragen.
Decathlon mit Virtual Reality
Oder Decathlon. Der Sportausrüster setzte sich länger mit der Frage auseinander, wie er seinen Kunden seine große Auswahl an Zelten präsentieren konnte. Der Ausstellungsraum war begrenzt, mehr als ein Dutzend Zelte konnten im Shop nicht aufgestellt werden – zu wenig, um der Bandbreite an Stangen-und Wurfzelten, aufblasbaren Zelten, Camping-, Familien-, Trecking- oder Schutzzelten gerecht zu werden.
Die Lösung: Derzeit führt Decathlon in sieben Ländern und über dreißig Stores ein Pilotprojekt durch, das den Kunden einen virtuellen Spaziergang durch das Zelt-Sortiment ermöglicht: Mit einer VR-Brille kann man sich auf einer Fläche von neun Quadratmetern völlig frei um das 3-D-Modell seines ausgewählten Zelts bewegen. Sogar die Umgebung – Gebirge, Wald oder Wüste – kann man auswählen, selbst Witterungsverhältnisse lassen sich simulieren. Mit einem weiteren Klick kann der Kunde seinen Kopf in die virtuelle Behausung stecken und sich dort umsehen.
Lego Flagship Store in Shanghai
Wer sehen will, wie der Store der Zukunft aussehen könnte, sollte auch immer einen Blick nach China werfen. Denn nirgendwo sonst wird die Lust am Shoppen so ausgiebig zelebriert. Zudem bemühen sich die Store-Betreiber intensiv darum, ihren Kunden neben jeglicher Annehmlichkeit auch besondere Erlebnisse zu bieten. In welche Dimensionen der Store der Zukunft vorstoßen kann, machte kürzlich Lego deutlich.
Der größte Spielzeughersteller der Welt eröffnete im September vor einem Jahr seinen Flagship Store in Shanghai und setzte damit gleich mehrere Benchmarks. Auf über 600 Quadratmetern können sich die Kunden aktiv mit den Herausforderungen einer Stadt der Zukunft auseinandersetzen. Sie können dort mit Tausenden an Lego-Steinen ihre eigenen Ideen und Kreationen entwickeln, gemeinsam mit anderen an urbanen Lösungsvorschlägen arbeiten und sich im interaktiven Bereich mit energetischen Herausforderungen befassen.
Für rund 145 US-Dollar kann man sich zudem ein ganz persönliches Mosaik-Porträt aus Legosteinen erstellen lassen – als Erinnerung an einen unvergesslichen Shopbesuch.
User Experience entscheidet
Sicher, die Beispiele mögen die Etats kleinerer Händler übersteigen. Aber sie zeigen deutlich, dass sich mit Kreativität, klugen Konzepten oder der Einbindung digitaler Welten die Shopping-Experience verbessern lässt. Es ist keine Frage der Höhe des Budgets, sondern der Ideen und des perfekten Zusammenspiels der Maßnahmen. Das gilt übrigens auch für Marken, die sich im Handel positionieren und ihren Markenkern bis zum Kauf in der realen Welt festigen wollen. An dieser User Experience am Point-of-Sale werden zukünftig Shops und Marken von Kunden gleichermaßen gemessen.
Über den Autor: Alexander Behrsing ist Marketing Manager bei Mood Media Germany. Hier verantwortet er die Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung der landesspezifischen Unternehmenskommunikationsstrategien. Er verwaltet und steuert die Social Media- sowie die Online-Marketing-Aktivitäten des weltweiten Marktführers von Customer-Experience-Lösungen am Point of Sale.
Danke! Super interessanter Artikel, für mich als Konsument ist die haptische Wahrnehmung sehr wichtig. Ich bin allerdings mal gespannt, in wiefern sich die Zahlen nach der Corona Krise geändert haben …