Stationärer Handel: Zur Einzigartigkeit gehört die ‚Schnittstelle Mensch‘
Der stationäre Handel muss sich digitalisieren, da sind sich alle einig. Effektive und automatisierte Bestell-, Lager und Logistikprozesse, gespeichertes und nutzbares Wissen über das Verhalten der eigenen und zukünftigen Kunden und ein offener, tranparenter Dialog mit und in digitalen Medien – um nur einige „digitale Baustellen“ zu nennen. Doch der stationäre Handel hat ein einzigartiges Asset, das er häufig nicht ausreichend pflegt: Die eigenen Mitarbeiter*innen sind die exklusive „Schnittstelle Mensch“ zu den eigenen Kund*innen.
Es läuft nicht mehr so
Händler*innen, die heute mit den Rezepten des vorherigen Jahrhunderts unterwegs sind spüren, dass immer mehr Kund*innen wegbleiben. Standard- und Massenprodukte kann heute jede/r unterwegs am Smartphone kaufen, häufig auch noch zu einem besseren Preis und bequemer.
Verzweifelt wird nach Differenzierungsmerkmalen gesucht und viel Energie zum Beispiel in einen Service wie Click & Collect gesteckt. Doch schnell stellt man fest, dass dies schon längst für die Kund*innen selbstverständlich, also Convenience geworden ist.
Alle reden von Digitalisierung
Alles soll digital werden, doch keiner weiß genau, was gemeint ist. Daten seien das neue Öl – Ja und jetzt? Das Gefühl, etwas irgendwie „Digitales“ tun zu müssen, wird immer stärker. Doch das Wissen, die Ressourcen oder die richtigen Partner fehlen (oder alles gleichzeitig) und so wurden in der ersten Welle der Digitalisierung QR Codes ins Schaufenster gehängt, der eigene Firmeneintrag auf einem lokalem Portal gekauft und ein Facebook Account angelegt, der schon bald wieder verwaiste.
Vieles war nicht so erfolgreich wie gewünscht und die Begeisterung für dieses „Digitale“ sank oftmals auf den Nullpunkt oder sogar darunter.
Mit der zweiten Welle der Digitalisierung will man nun alles besser machen. Jetzt werden zum Beispiel Algorithmen gezielter in Verkauf und Service eingesetzt.
Die heutige Phase der Digitalisierung ist davon geprägt, menschliche Arbeitskraft durch Maschinen und Algorithmen zu ersetzen. Es sollen Wettbewerbsvorteile geschaffen werden, z.B. indem ein Chatbot in der Service-Hotline eingeführt oder Virtual Reality als Verkaufsunterstützung genutzt wird.
Diese Wettbewerbsvorteile sind jedoch nicht exklusiv. Denn die eingesetzten Technologien basieren auf Lösungen, die allen zugänglich sind. Der gewonnene Vorsprung wird schnell von der Konkurrenz eingeholt. Was heute noch als innovativ gilt, hat morgen schon jeder Krethi und Plethi im Einsatz.
Eine echte, dauerhafte Differenzierung des eigenen Ladens gegenüber der Konkurrenz ist so nur temporär möglich. Wenn alle automatisieren, ist keiner mehr besonders. Ein Problem, das auch viele Online-Shops für Standard- und Massenprodukte kennen.
Die „Schnittstelle Mensch“
Richtig gute Verkäufer*innen zeichnen sich durch Fachwissen, Erfahrung, Empathie, absolute Kundenorientierung und bestenfalls durch eine gute Portion Begeisterung für Kunden, Produkte und den Laden, in dem sie arbeiten, aus. Sie tragen entscheidend dazu bei, ob wir Kund*innen uns in einem Geschäft wohl fühlen und wieder kommen möchten. Sie sind es, die unsere Preissensibilität senken und unseren Einkauf zu einem Erlebnis machen.
Kein Online-Shop, kein Algorithmus, kein Chatbot läuft der Kund*in einen halben Häuserblock nach, um ihr die liegen gebliebene Tasche zurück zu geben.
Natürlich ist – im Gegensatz zu einer Maschine – der Mensch manchmal unberechenbar, hat Launen und gerät schon einmal mit seinen Artgenossen aneinander. Doch sind wir alle soziale Wesen und wir brauchen andere Menschen, um uns wohl zu fühlen. Wenn also ein Laden zu einem dritten Ort werden soll, an dem sich die Menschen gern aufhalten, dann müssen dort Menschen den Kontakt halten und nicht (nur) Maschinen.
Heureka! Dann ist ja alles gut!
Manch ein/e Händler*in mag nun in die Hände klatschen und sehr mit sich zufrieden sein. Wenig bis gar nicht in digitale Technologien investiert und tolle Mitarbeiter*innen? Dann ist ja alles geritzt. Mit Verlaub – nicht wirklich.
Menschen können ein Einkaufserlebnis aussergewöhnlich gut machen, wenn sie zufrieden und motiviert sind. Um dies zu erreichen, müssen verschiedene Faktoren erfüllt sein, von der Bezahlung über das Kollegium, verständnisvolle und fördernde Vorgesetzte, Weiterbildungsangebote, angemessene Arbeitszeiten und -bedingungen und noch einiges mehr. Und hier hapert es oftmals, mal mehr, mal weniger.
Automatisierungen, Technologien, digitale Werkzeuge können und müssen so eingesetzt werden, dass die Mitarbeiter*innen den Rücken frei haben, sich wirklich um die Kund*innen kümmern zu können. Mensch und Maschine müssen so intelligent und effektiv zusammen arbeiten, dass jedes Einkaufserlebnis einzigartig werden kann.
Denn zwischen der digitalen und der realen Welt gibt es eine ideale Schnittstelle: Den Menschen. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter*innen wieder diese Schnittstelle zu Ihren Kund*innen sein! Denn Menschen kaufen immer noch am liebsten von Menschen. Nicht immer, nicht jeden Tag und nicht jedes Produkt. Doch für eine nachhalte Differenzierung als stationäre/r Händler*in brauchen sie gute Mitarbeiter*innen.
Nicht nur ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell ist zwingend notwendig, sondern auch eine durchdachte und individuelle Digitalisierungsstrategie. Wer sich hierfür nicht die Zeit nimmt, wird den heutigen Konkurrenz- und Veränderungsdruck nicht unbeschadet überstehen.
Beitragsbild: Stockfoto – G-Stock Studio/Shutterstock
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[…] bleibt nur noch abzuwarten wie der verwöhnte Kunde das Angebot annimmt. Das der stationäre Handel allein durch den Faktor Mensch ganz neue Challenges birgt, und die Anforderungen an persönlichen Service in einer Handelsbranche, […]
[…] der Mensch ist nicht aus dem Handel der Zukunft wegzudenken. Shopping – nicht das Pflichteinkaufen für den täglichen Bedarf – ist […]
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