Glosse: Handel, serviere bitte kein Nierenragout mehr!
Was kann der Handel von der Gastronomie lernen? Blitzschnelles reagieren auf die veränderten Wünsche der Gäste. Das ist der Unterschied: Die Menschen, die einen Laden betreten, sieht der Handel als Kunden. Wer Kunden hat, will deren Geld. Die Gastronomie hat Gäste. Wer Gäste hat, der will, dass es ihnen gut geht. Soviel zum unterschiedlichen Spirit. Lasst Euch mal auf folgende Story ein!
Ein Gasthof mit 120 jähriger Tradition heute
Der Gasthof „Zum weißen Adler“ erfreut sich einer großen Besucherschaft, der besonders der Mix aus traditioneller Küche und Crossover Kitchen begeistert. Er serviert den Gästen in Außen- und Innenflächen im Lounge-Stil ein super spannendes Crossover der internationalen und mediterranen Küche sowie Sommerdrinks und Barklassiker mit einem ausgewogenen Preis-Leistungs-Verhältnis. Casual Dining und modern interpretierte Food-to-share Snacks zählen hier dazu wie die Barbecues. Auch die Einrichtung passt mit ihrem herausragenden Design zum innovativen Lifestyle-Konzept. Gekrönt wird der Innenausbau von einer riesigen Couch, die den Schwingen eines weißen Adlers nachempfunden ist.
Damit hat der Gasthof ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in der gesamten Umgebung, das Publikum kommt aus einem Radius von bis zu 50km. Unterstützt wird das Angebot von gut ausgebildetem Personal, das im Bereich der Kundenorientierung Spezialschulungen durchlaufen hat. Der Küchenmeister als auch der Inhaber sind stets auf der Suche nach neuesten Trends und experimentieren mit einem eigenen Bereich auf der Karte, in dem neue Gerichte präsentiert werden. So bekommt man ein direktes Feedback der Gäste als Basis für die eigene Weiterentwicklung. Diese Komposition erlaubt es, bei der Preisgestaltung offensiver vorzugehen, da die Kunden gezielt dieses Format suchen und wertschätzen.
Der Gasthof mit 120 jähriger Tradition im Jahre 1980
Der Gasthof „Zum weißen Adler“ sah 1980 komplett anders aus: Wie ein Wirtshaus eben, mit schwindenden Besucherzahlern. Ein Wirtshaus eben, das genau so aussieht wie die in den Nachbardörfern. Ein Highlight war aber die Karte, die Gerichte anbot, an die man sich heute nicht mehr erinnert:
- Schweineherz in Rahmsauce………..15,90 DM
- Nierenragout mit Kartoffelpüree….12,50 DM
- Rinderzunge Berliner Art…………….12,90 DM
- Rinderleber mit Zwiebeln ……………13,50 DM
Diese Gerichte sind heute undenkbar. Sie wurden seinerzeit von Kunden nachgefragt, die vor dem 2. Weltkrieg geboren sind und auf Grund der damaligen Ernährungssituation diese Konditionierung hatten. Aber nicht nur im Gasthof „Zum weißen Adler“ findet man diese Rezepte nicht mehr: Auch in der gesamten Gastronomie im deutschsprachigem Raum sind Innereinen auf der Karte so gut wie verschwunden.
Was macht der Handel anders?
Das Top Thema derzeit sind unsere Innenstädte: Vielfach gesegnet mit Leerstand und zurückgehenden Besuchsfrequenzen. Aber mal Hand aufs Herz: Schaut doch mal in die Schaufenster und Sortimente von vielen Läden. Hat sich da in den letzten 30-40 Jahren disruptiv etwas verändert? Allen voran die Warenhäuser, die häufig förmlich kaputtgespart wurden und nicht die geringste Chance hatten, den Wandel zu gestalten. Wir sehen in unseren vor-Ort Begehungen immer wieder Händler, die sich ewig nicht verändert haben. Eine Zielgruppenbestimmung wurde nie gemacht, demzufolge ist das Sortiment entweder Mainstream (kann ja klappen) oder so breit, dass es keinen hinter dem Ofen hervorholt. Wir reden da gern von Nierenragout Läden, ein interner Running Gag. Und glaubt mir: Viele Läden servieren immer noch Handel auf Nierenragot-Niveau.
Der Weg vom Nierenragout zur Teriyaki Bowl
Man kann jetzt folgendes machen: Weiterhin das Nierenragout anbieten und dann mittelfristig den Markt verlassen, oder ein Thema angehen, mit dem wir Deutschen unsere Probleme haben: Veränderung!
Veränderung klappt am Besten in kleinen Schritten, Step by Step also. Der Anfang ist immer die Zielgruppendefinition (Hier gibt es ein How-to dazu) und danach das Sortiment (Hier gibt es auch ein How-to dazu). Dann schreibt ihr die Pressemitteilung Eures Unternehmens, die ihr 2028 veröffentlichen wollt. Sie enthält das Zielbild eures Unternehmens: Was wird im Leben der Kunden (die ihr ab jetzt immer Gäste nennt, warum hört ihr hier) besser wird, wenn sie bei Euch kaufen. Handel ist kein Versorger mehr, sondern vielmehr ein Umsorger.
Übrigens: Wenn Ihr Hilfe braucht, kommt hier ein heißer Tipp: Unser Partnerunternehmen, die gmvteam GmbH, macht seit 20 Jahren nichts anderes als Handelsinnovation. Mehrfach wurden Händlerinnen und Händler soweit unterstützt, dass sie bis zum Deutschen Handelspreis ausgezeichnet wurden.
Damit habt Ihr dann Eure Story (wichtig für das Marketing) sowie die passenden Produkte für die gewählte Zielgruppe. Wie gesagt: Ein Laden, der alles für alle verkauft, rockt nicht mehr. Siehe Warenhäuser. Wichtig: lasst das Nierenragout weg!
Beitragsbild von Yung-pin Pao auf Pixabay
Aus der Seele gesprochen!! Der Vergleich ist spitze. Wobei Nierenragout manchmal auch sein darf, noch sind nicht alle classic-dining-Fans verstorben. Aber der Old-school-Schweinebraten ist scho auch cool. Für good retail muss gelten: More Teriyaki-Bowl instead of Nieren Ragout.
Hallo Frank, da haben wir noch einiges zu tun! In unserer „Streetworker Arbeit“ stellen wir auch leider oft fest, dass manchen nicht mehr zu helfen ist. Licht am Tunnel: Es gibt auch genau so viele High Performer, mit denen macht es Spaß. Alles Gute dir!