Die Innenstädte sind maskulin – jetzt aber ran!
Genau zum Weltfrauentag setzen wir den Fokus auf die Innenstädte: Ist die Stadtplanung überhaupt geschlechterneutral konzipiert? Wen sprechen sie überhaupt an, auf wessen Bedürfnisse sind sie ausgerichtet? Bevor jetzt das Geschrei bezüglich Genderwahn losgeht: Durchlesen und nachdenken!
Maskuline Stadtplanung 1: Mobilität
In den 1960er Jahren und in der Zeit danach sind die Städte auf den Autoverkehr ausgerichtet worden, obwohl die Frauenquote bei den Führerescheinbesitzern wesentlich geringer war. Mangels aktuell recherchierbarer Zahlen für Deutschland haben wir Schweizer Zahlen ermitteln können: Aus einer Statistik des Kantons Waadt zu dem Anteil der ausgestellten Führerscheinen gingen 1960 knapp 23 Prozent der Dokumente an Frauen, 1964 waren es 25,5 Prozent, 1968 bereits 34 Prozent und 1976 schliesslich fast 40 Prozent. Die Tendenz ist sicherlich auf Deutschland übertragbar. Ende der 70er war der Drops aber praktisch gelutscht, die Autostadt war Realität.
Auch heute sieht das kilometermäßig nicht anders aus: Laut der Studie Mobilität in Deutschland zufolge fahren Männer im Schnitt doppelt so viel mit dem Auto (täglich 29 Kilometer) wie Frauen (täglich 14 Kilometer).
Da aber damals wie heute die Frauen den größten Teil der Stadtbesucher:innen ausmachen stellt sich die Frage, mit welchen Verkehrsmitteln die seinerzeit in die Stadt gekommen sind und warum diese sich nicht durchgesetzt haben.
Maskuline Stadtplanung 2: Entsorgung
Ein wichtiger Punkt, der in jedem Workshop der Stadtentwicklung vorkommt: Toiletten! Während der eine Teil der Bevölkerung das Verrichten seiner Notdurft notfalls am Baum erledigt, sieht es beim anderen Teil schon etwas anders aus. Eine Problemstellung, die man selbst nicht hat, wurde folglich auch nicht gelöst. Das sehen wir in den Städten, die von Männern geplant wurden, ganz besonders oft. Dann hilft man sich mit Konzepten wie die „nette Toilette“, um den planerischen Mangel auf Kosten der Gastronomie zu beseitigen.
Maskuline Stadtplanung 3: Emotionalisierung
Schauen wir uns mal die Innenstädte an: Ewige Quadratmeter versiegelte Flächen, das Grün wurde ebenso weniger, fast nirgendwo Flächen, die dem Austausch und der Aufenthaltsqualität dienen (Ergebnis der Befragung Vitale Innenstädte vom IFH Köln). Das braucht der Mann auch nicht, der in der Stadt entweder zum Arbeiten geht oder mal schnell eine Besorgung macht. Allerdings hat die Emanzipation dafür gesorgt, dass Männer auch jetzt Aufenthaltsflächen brauchen: Wenn sie ihre Frau beim Shoppen begleiten und vor der Boutique geparkt werden.
Grundsätzlich fehlt es fast allen Städten an emotionaler Ansprache und Erlebnis, ein Manko, das heute bitter beweint wird, seit dem der Handel seine Magnetwirkung verloren hat.
Maskuline Stadtplanung 4: Kinder und Jugend
Einer der größten Klopper, die wir uns heutzutage leisten: Nur noch 10-12% der Stadtbesucher sind unter 25 Jahre alt. Was sollen sie dort auch? Schließlich fehlen dort die Besuchsanlässe. Ein eklatantes Problem, denn wer in der Jugend nicht in Richtung Innenstadt konditioniert wurde, wird auch später nicht dort hingehen. Jede, aber auch jede Stadt ist nun aufgerufen, diesen wichtigen Teil der Bevölkerung in der Planung mit aufzunehmen.
Vielfalt geht anders
Wir haben hier nur 4 Beispiele genannt, die sich sicherlich weiter ausführen lassen, es sollte ja ein erster Anstupser sein. Wir haben nur den Teil der Auswirkungen beleuchtet, die durch einen maskulinen Fokus verursacht wurden. Weit wichtiger ist aber die Berücksichtigung der Auswirkungen, die durch den weißen maskulinen Fokus verursacht wurden. Ein Riesen-Faß, das man sicherlich an anderer Stelle noch aufmachen kann.
Beitragsbild von Peter Ziegler auf Pixabay
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