Gesichtserkennung im Supermarkt: Big-Brother Digital Signage?
Eigentlich sollte es freuen, wenn Digital Signage (mal wieder etwas mehr) im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Die Diskussionen (zunächst hier, dann auch hier), die real und einige andere Anbieter jüngst mit ihrer Gesichtserkennung im Supermarkt auslösten, waren aber wahrscheinlich nicht im Sinne der jeweiligen PR-Abteilungen.
Die Aufregung ist groß
Als Marktforscher fragt man sich dann rasch: Woher kommt die Aufregung? Und was kann man dagegen tun?
Journalisten (und auch Konsumenten, wenn sie denn gefragt werden) argumentieren meist mit dem Creepiness-Effekt, den solche Installationen auslösen: Eine Kamera, die ich schon nicht sehen kann, erkennt mir unbekannte Dinge und tut damit etwas, was ich nicht nachvollziehen kann. Wenn dann noch meine höchstpersönlichen Emotionen getrackt werden, sind wir sehr schnell bei Big-Brother-Diskussionen. So weit, so nachvollziehbar.
Ebenso nachvollziehbar, dass der Handel ein Interesse daran hat, seine Angebote auch standort- und zeitspezifisch auf seine Kunden und deren Bedürfnisse abzustimmen. Dass, was Online seit langem kann und nutzt, müssen auch stationäre Händler bieten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Was liegt also näher, mit einer Gesichtserkennung im Supermarkt genau diese Informationen zu bekommen und den Kunden individuellere Angebote zu machen?
Datenzugriff erlauben – online ja, offline nein?
Warum sind aber Konsumenten bei Amazon bereitwilligst dabei, Daten zu teilen; wollen im öffentlichen Raum des Supermarktes aber am liebsten nicht beim Salatkauf erkannt werden? Einige Antworten:
- Seit langem wissen wir, dass die Bereitschaft, persönliche Daten zu teilen vor allem vom erwarteten Nutzen abhängt: Amazon weiß (vermeintlich) besser, welche Angebote für mich relevant sind; erspart mir so Zeit bei der Suche und kann mich besser inspirieren. Digital Signage gekoppelt mit Gesichtserkennung verspricht mir was? Bessere Werbung? Hier braucht es sicher intelligentere Ideen, um einen tatsächlichen Nutzwert zu erzeugen.
- Überraschenderweise ist „Überwachung“ im öffentlichen Raum heikler, als in privaten Kontexten. Konsumenten haben das Gefühl, dass sie am heimischen Tablet eher steuern können, was mit ihren Daten geschieht, als in einem abstrakten und Anonymität versprechenden öffentlichen Setting: Dass mein Tablet mich kennt, ist naheliegend; dass irgendjemand in der Supermarktzentrale etwas über mich weiß, verstört eher.
- Das Tracking von Emotionen erreicht natürlich einen Bereich, der vielen Konsumenten besonders heikel erscheint.
Die Empfehlung kann hier also nur zu maximaler Transparenz und klarem Nutzen für den Konsumenten gehen.
Gesichtserkennung im Supermarkt – gibt es Nutzen?
Auf der anderen Seite steht die Frage: Was bringt Gesichtserkennung überhaupt für Digital Signage? Unsere Erfahrung mit vielen Installationen im Handel lässt uns eher skeptisch antworten:
- Zunächst einmal wissen wir, dass die Fixationszeiten auf Screens im Supermarkt bei unter 3 Sekunden liegen. Ein Playout eines zielgruppenspezifischen Spots auf Basis erkannter Personendaten ist somit kaum sinnvoll: Ist der Mann erkannt, schaut er schon wieder weg. Allenfalls könnten die Systeme lernend auf die jeweilige Zielgruppe eingehen; also registrieren, dass immer am Abend mehr jüngere Männer in der Getränkeabteilung anzutreffen sind und daher Bier-Spots mehr Sinn machen. Braucht es dazu aber ein dauerhaftes Tracking?
- Die Genauigkeit, mit der Personendaten erfasst werden können, ist zwar bei den meisten Systemen sehr gut; reicht aber für eine sinnvolle Mediaplanung in der Fläche nicht aus: Zu grobe Altersraster; zu viele Personen, die mangels Blickkontakt nicht erkannt werden.
- Der POS bietet überwiegend zu wenig starke Trigger, um ein Emotionstracking sinnvoll einsetzen zu können. Unsere Messergebnisse zeigen durchgehend einen hohen Anteil von Neutralwerten und es wäre auch überraschend, wenn Joghurtregale systematisch Überraschung und die Waschmittelabteilung (messbares) Erstaunen hervorrufen würden.
Fazit
Insofern kann man schon fragen, ob der Einsatz von Gesichtserkennung im Supermarkt Sinn macht. Unsere Erfahrung zeigt: Derartige Tracker sind für kurzzeitige Marktforschungsprojekte sinnvoll, erfordern dann aber auch maximale Transparenz und sehr gute Kommunikation gegenüber dem Shopper. Ob ein dauerhafter Einsatz für Marketingzwecke nützlich ist, muss jeder Händler für sich entscheiden (und eben auch mit der PR-Abteilung abstimmen).
Unser Gastautor:
Dr. Stephan Telschow, Corporate Director, Member of the Management Board, GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH, Berlin
Bei meiner Bekannten piept es dauernd in den Geschäften, mal beim Eintreten in ein Geschäft, mal beim Rausgehen, mal an der Kasse und anderswo, oft unerwartet an einem neuen Platz.. Auch Nonsenssätze werden in 2 Geschäften in ihrer unmittelbaren Umgebung gesprochen. Sie ist deswegen sehr verzweifelt. Gestohlen hat sie nie.. Mit polizeilichen Führungszeugnissen von 2006 und 2018 kann sie zeigen ,dass keine personenpbezogenen Daten über Sie vorliegen. Was kann sie tun ?