Die Mitarbeitenden sind der Kern des stationären Handels
Das Verkaufspersonal wird zunehmend zum Erfolgsfaktor auf der stationären Fläche. Marilyn Repp, Handelsexpertin und Leiterin des Projekts Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel, spricht im Haustex-Interview über digitale Herausforderungen, anspruchsvolle Kunden und die Shopping-Trends der Zukunft.
Die Kunden von heute sind selbst Experten
Haustex: Die Strukturen im Handel verändern sich: Was sind die größten Herausforderungen, denen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im stationären Handel begegnen?
Repp: Da denke ich vor allem an zwei Dinge. Zum einen hat sich das Kundenverhalten stark verändert. Heute sind viele Kunden, die in einen Laden kommen, schon selbst Experten. Sie haben sich vorher ausführlich im Internet informiert, Bewertungen gelesen, Tutorials angesehen und kennen sich manchmal sogar besser mit dem Produkt aus als derjenige, der sie berät. Und dann ist da natürlich das große Thema Digitalisierung, mit dem auch die Mitarbeitenden auf der Fläche umgehen müssen.
Haustex: Worauf sollten die Händler bzw. ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Umgang mit dem anspruchsvollen Kunden von heute achten?
Repp: Es ist wichtig, den Kunden im Geschäft etwas zu bieten, das hinausgeht über die blanke Produktinformation und das, was im Internet frei zugänglich zu finden ist. Händler sollten ihr Verkaufspersonal dazu anhalten, sich selbst intensiv mit den Produkten zu beschäftigen und dazu auch dort im Netz unterwegs zu sein, wo sich die Kunden aufhalten, beispielsweise in den sozialen Medien oder auf Vergleichsportalen. Es gilt, kundenzentriert zu denken: Was will der Kunde? Wo ist er unterwegs? Was ist sein Horizont?
Haustex: Und wie schwer oder leicht tun die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich mit dem Thema Digitalisierung?
Repp: Natürlich ist der Umgang mit neuen digitalen Tools für viele Verkäufer und Verkäuferinnen eine Herausforderung. Sie können aber auch eine große Hilfe im Arbeitsalltag sein. Zum Beispiel, indem zeitaufwendige Tätigkeiten – etwa im Lager oder im Backoffice – digitalisiert werden. Oder in Form von Software, die tagesaktuell tiefergehende Informationen zu unterschiedlichen Produkten liefert. Das sind Trends, die aus dem Online-Bereich kommen, die stationäre Händler aber unbedingt im Auge haben müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Stationärer Handel: die Chancen stehen gut
Haustex: Wie schätzen Sie denn die Chancen des stationären im Wettbewerb mit dem Online-Handel ein?
Repp: Sehr gut. Aktuelle Umfragen zeigen deutlich, dass viele und gerade auch junge Konsumenten den stationären Handel nach wie vor schätzen. Natürlich wird derzeit viel experimentiert mit Beratungstools über Zoom oder andere Anbieter. Ich glaube aber, das wird sich langfristig nur teilweise durchsetzen. Wer wirklich eine persönliche, direkte, menschliche Beratung haben möchte – und das ist eben oft gefragt – geht in ein stationäres Geschäft. Dabei spielt ja auch die menschliche Begegnung eine Rolle und der Austausch, der sich vielleicht auch mal abseits des Produkts bewegt.
Haustex: Wie lautet demnach ihr Rat an die stationären Händler?
Repp: Ganz klar: Legt einen deutlichen Schwerpunkt auf eure größte Stärke. Und das ist die persönliche Beratung.
Haustex: Das heißt, auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kommt eine bedeutende Rolle zu?
Repp: Absolut! Sie sind der Kern des stationären Handels: kompetente Verkäufer und Verkäuferinnen, die auf individuelle Bedürfnisse eingehen können und auch mal quer denken. Das kann kein Online-Shop und kein Chatbot bieten. Als Inhaber bin ich also gut beraten, ganz genau zu wissen, wen ich in meinen Laden stelle und wie er oder sie sich dem Kunden gegenüber verhält.
Haustex: Die Suche nach Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Verkauf ist gerade ein großes Thema. Worauf sollten Händler bei der Personalwahl achten?
Repp: Zunächst einmal auf die klassischen Skills wie Begeisterung für das Produkt und ein guter Umgang mit Menschen. Es wird aber auch immer wichtiger, Menschen zu finden, die bereit sind, sich mit digitalen Tools auseinanderzusetzen, etwa verschiedenen Software-Programmen, die im stationären Handel genutzt werden, oder sich in den sozialen Netzwerken zu bewegen.
Digitalisieren heißt Veränderungen managen
Haustex: Und wie gehe ich als Arbeitgeber mit meinem bereits bestehenden Personal um?
Repp: Transparenz ist hier der entscheidende Faktor. Ich empfehle den Händlern, ihre Leute in Entscheidungen immer gut mit einzubinden oder Dinge auch mal ergebnisoffen anzugehen. Außerdem sollte man ihnen ein bisschen Zeit geben, sich daran zu gewöhnen, als Verkäufer und Verkäuferin auch Aufgaben digitaler Art zu übernehmen.
Haustex: Spiegelt die Ausbildung des Nachwuchses die Veränderungen der Berufsbilder im Einzelhandel wider?
Repp: Das ist eine Problematik, die Arbeitgeber aktuell häufiger auch an den HDE zurückmelden: Sie sagen, die Art von Ausbildung, die derzeit gebraucht werde, gäbe es gar nicht. Die Botschaft an die IHK und andere Institutionen ist klar: Die Ausbildungen müssen sich schneller und flexibler an die Anforderungen des Marktes anpassen.
Haustex: Aus- oder Weiterbildung kann aber auch in den Betrieben selbst stattfinden.
Repp: Genau. Und das passiert auch. Es gibt ja sehr viele Anbieter von Weiterbildungsmaßnahmen. Dazu gehören beispielsweise das Kompetenzzentrum Handel oder auch die Verbände, denen die Händler angehören. Viele nutzen auch die Phase des Lockdowns für Fortbildungsmaßnahmen.
Haustex: Um gut vorbereitet zu sein, wenn die Kunden nach der Krise in die Geschäfte strömen?
Repp: Das wäre schön, aber ganz so wird es wohl nicht sein. Ich denke, auch wenn irgendwann alles wieder einigermaßen normal ist, werden viele Leute noch vorsichtig sein und die Frequenzen nur langsam hochgehen. Aber trotzdem ist sicher vielen durch die Pandemie klar geworden, wie schön es ist, in einen Laden zu gehen und sich inspirieren zu lassen: von der Deko, den Produkten, den Mitarbeitenden – einfach von der schönen Atmosphäre. Die zu schaffen, ist heute eine wesentliche Aufgabe der stationären Händler.
Erlebnishandel ist ein Muss
Haustex: Stichwort „Erlebniseinkauf“?
Repp: Genau. Der stationäre Handel ist immer wenige Versorger und muss sich immer mehr zum Erlebnisbietenden entwickeln, um im Wettbewerb mit dem E-Commerce konkurrenzfähig zu bleiben. Heute gehen viele vor allem in die Stadt oder in ein Geschäft in der Erwartung, dass dort etwas los ist. Als Kompetenzzentrum empfehlen wir den Händlern: Bietet Events an, erzählt Geschichten in eurem Laden, erzählt Geschichten auch in eurem Ladenbau. Die Menschen in ihrem Bedürfnis, Shopping als Erlebnis zu erfahren, abzuholen, ist eine neue Herausforderung, der sich die Händler und ihre Mitarbeiter stellen müssen.
Hinweis: Dieses Interview erschien im Fachmagazin Haustex des SN-Verlags.
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