Relevant Retail Podcast Folge 13: Der Lebensmittelhandel in Deutschland
Aufmerksame Analysten haben es schon länger vorausgesehen: Der Lebensmittelhandel wird sich in den nächsten Jahren verändern. eFood, Discounter und nicht zuletzt das veränderte Kundenverhalten sorgen für Druck in der Branche. Stefan Rüschen, Handelspraktiker und Professor für Lebensmittelhandel an der DHBW Heilbronn, gibt uns einen sehr guten Überblick über diesen Retailbereich in der heutigen Zeit und liefert einen Ausblick.
Folge direkt anhören:
Neue Möglichkeiten für Hard Discounter
Was gerade im Discountbereich passiert ist sehr interessant: Das Trading up der klassischen Discounter lässt neuen Raum für Hard-Discounter. Stephan Rüschen zeigt als Beispiel den easyFoodstore in London, der mit lediglich 60 Artikeln und limitierten Öffnungszeiten das Vakuum ausfüllt. Ebenso Iceland, ein Discounter, der speziell mit Tiefkühlkost mittlerweile über 800 Stores eröffnet hat.
Die eFood Prognosen bleiben bestehen
Deutschland ist im Bereich eFood im europäischen Vergleich immer noch ein Entwicklungsland. Der Umsatz liegt nur knapp über 1% , was sicherlich in Zukunft noch deutlich zunehmen wird. Die Prognose von Stephan Rüschen geht von 10-15% Marktanteil im Jahr 2013 aus.
Derzeit sieht die Kaufverteilung wie folgt aus:
Interessant dabei: Der eFood Lebensmittelhandel ist nicht national zu betrachten. Spezialitäten werden heute grenzenübergreifend versandt, mittlerweile werden gerade lokale Gourmetartikel in ganz Europa gehandelt. Das ist auch der Erfolg von Amazon Fresh, der in der Meinung der Konsumenten bereits am Häufigsten als eFood Händler genannt wird.
Aus Lebensmittelhandel wird Eatailing
Die Veränderung der klassischen Discounter bringt die Vollsortimenter unter Druck, so dass man neue Konzepte testet. Das sieht man immer mehr an Formaten wie Eataly oder der Markthalle Krefeld, die mehr Entertainment und Inspiration am PoS bietet.
Hier gibt es unseren Podcast auch
- iTunes
- Deezer
- Soundcloud
- Podcast.de
- Youtube
- Radio.net
Shownotes
Profil von Prof. Dr. Stephan Rüschen
Bilder: DHBW Prof. Dr. Rüschen
Transkript der Folge
Frank Rehme: Heute im Gespräch, Professor Dr. Stephan Rüschen von der DHBW in Heilbronn. Hallo Stephan, grüß dich!
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Hallo Frank, schön hier zu sein.
Frank Rehme: Mensch, wir haben einiges früher mal zusammen gekämpft. Erklär doch mal den Hörern, wo du herkommst, was du machst und in welche Richtung du läufst?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ich bin jetzt seit 4 Jahren Professor an der Dualen Hochschule in Heilbronn, aber vorher habe ich normal im Handel gearbeitet, habe in der Tengelmann-Gruppe in den 90er-Jahren angefangen, damals als es noch ein großes erfolgreiches Unternehmen war und war dann 12 Jahre bei Metro Cash & Carry, in verschiedensten Funktionen, Food, Non-Food, Einkauf, Marketing, in Ungarn, in der europäischen Verantwortung, Corporate Development, also viele verschiedene Stationen habe ich durch Cash & Carry durchlaufen. #00:00:52-1#
Frank Rehme: Welchen Lehrstuhl hast du jetzt an der DHBW?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ich bin Professor für Lebensmittelhandel in Heilbronn. Wir haben den dualen Studiengang, unsere Studenten haben alle feste Verträge bei Unternehmen, arbeiten und studieren in einem 3-monatigen Wechsel und wir haben den Fokus und das sind die, die bei mir am Lehrstuhl sind, die Lebensmittel-Einzelhändler, das heißt wir haben Studenten von Kaufland, Lidl, klar Heilbronn, aber auch von Edeka, Rewe, Alnatura, Globus, (unv.) #00:01:18-7# Norma, Penny, Netto. Eigentlich sind alle bei uns, nur Aldi nicht, die wollen nicht.
Frank Rehme: Interessant, also die haben ja immer schon entweder Sachen gemacht, anders als alle anderen, aber manchmal auch später als alle anderen. Die kommen dann noch. Also können wir im Moment nur mal so sehen. Als ich gehört habe, dass du da jetzt an der Hochschule bist, habe ich gesagt, Mensch ist ja klasse, das ist ein Mensch aus der Praxis, die Handelsexperten der Zukunft jetzt bildet.
Es ist ein schwieriges Geschäft, der Handel ist gerade in so einem Riesenumbruch so wie vor 10, 15 Jahren die Musikindustrie durch Digitalisierung auch. Wie kriegt man jetzt so ein richtiges Gefühl dafür, was eigentlich muss ich den jungen Leuten mitgegeben, damit die für ihr Leben richtig ausgerüstet sind?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Es gibt leider erst noch eine ganz andere einfachere Herausforderung. Nämlich man sieht es daran, dass die Firmen, die bei uns ausbilden, können nur zirka 50 Prozent der Plätze, die sie gerne machen würden, mit Studenten besetzen. Sie haben Nachwuchsprobleme. Das kann man sich vorstellen, die jungen Leute sind, heute haben wir den Eindruck, noch weniger bereit samstags zu arbeiten, spät abends zu arbeiten etc., die suchen sich eher einen Job aus, wo sie es sehr frühzeitig mit Work-Life-Balance gemanagt kriegen.
Das heißt die erste Herausforderung, die wir eigentlich haben auch an der Hochschule, einen Beitrag zu leisten, die jungen Leute für den Handel zu begeistern. Das versuchen wir, weil wir zum einen glauben, da wir selber dort gearbeitet haben, es uns viel Freude gemacht haben, einige andere Kollegen von mir haben auch Handelshintergrund. Dass wir ihnen erläutern, dass man im Handel sehr schnell Verantwortung kriegen kann, was in anderen Branchen so häufig nicht der Fall ist.
Gerade in Baden-Württemberg geht man gerne zu Daimler, zum Bosch, zum Siemens, zum Porsche, aber dort kriegt man als junger Mensch keine Verantwortung. Im Handel sehr schnell, man kriegt sehr schnell Verantwortung für Menschen, für Mitarbeiter oder in einer Zentrale im Einkauf, man kriegt sehr schnell Verantwortung für ein sehr hohes Umsatzvolumen. Das ist erstmal eine unserer Hauptaufgaben einen Beitrag zu leisten die jungen Menschen für den Handel zu begeistern.
Frank Rehme: Dieses Managen von Veränderungen, ich meine die Händler von der Fläche, das kenne ich noch aus meinen Zeiten von früher bei Metro, gerade auch immer in den Assessment-Centern habe ich immer festgestellt, die sind am schnellsten und am flexibles im Denken. Dieses ganze Thema Change ist eigentlich ein Handelssystem, Handel ist Wandel und solche Sprüche, gibt es auch. Aber jetzt gerade hat das noch nie so gestimmt wie jetzt. Wie guckst du, dass die Leute den richtigen Blick für das Wesentliche kriegen, wohin sich Handel entwickeln kann?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Wir haben den Vorteil im Vergleich vielleicht zu den Praxisphasen, die die Studenten haben, wo sie dann den Status Quo nur erleben und das praktische Handwerkszeug erlernen, was auch wichtig ist, dass wir ihnen immer wieder versuchen die Zukunft zu weisen, was könnte kommen, was gibt es schon woanders, sie zu öffnen, dass vielleicht ihr eigenes Filialsystem nicht das Nonplusultra ist und schon gar nicht das sein wird, was in 2, 3, 5, 10 Jahren sein State of he Art wird.
Das heißt wir führen die zu neuen Handelskonzepten, machen relativ viele Exkursionen und diskutieren mit ihnen ganz viele Trends, natürlich auch das Schlagwort Digitalisierung, was das bedeutet, was es für Veränderungen geben wird und dann auch die Veränderung für ihren eigenen Job und gerade auch für die Menschen auf der Fläche.
Frank Rehme: Ja, ein Riesenthema in diese Richtung. Wenn ich mir mal anschaue, jetzt Personal generell wird ja mit einer der Schlüsselfaktoren der Zukunft sein. Man sagt, Handel muss viel mehr. Also kommen wir gleich nochmal zu, auch Lebensmittelhandel muss viel mehr Erlebnis auf der Fläche bieten. Da ist natürlich Personal ein Schlüssel dazu. Wie muss Personal in Zukunft eigentlich Shopper aktivieren jenseits von dem, was wir heute erleben mit „Kann ich Ihnen helfen?“ oder „Sie kommen zurecht?“ oder solchen Fragen?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Wahrscheinlich muss man noch viel mehr differenzieren. Das heißt, dass heute jeder Mitarbeiter im Handel ähnlich ausgebildet ist, ein bisschen schwarz-weiß gesagt. Differenzieren zwischen denjenigen, die letztendlich nur die Wahre verräumen und auch keine andere Qualifikation eigentlich brauchen und diejenigen, die dann nicht Ware verräumen, sondern nur für den Kunden da sind. Den Kunden verstehen, die vor allem dann auch die Ware verstehen und dann individuell auch dem Kunden das erklären können.
Der Bedarf ist da, es wird immer komplexer, man sieht es an den vielen Regalfähnchen allein, dass offensichtlich Kunden unterschiedliche Bedürfnisse haben und die auch im Laden verstehen wollen. Es wird wahrscheinlich, es wird zunehmend der Mitarbeiter auch hin hinkriegen müssen. Das heißt wir sagen den Studenten, ihr müsst trennen zwischen denjenigen, die arbeiten und nicht den alten Begriff des Blue und White Color zu nehmen, aber es passt vielleicht.
Diejenigen, die sozusagen nur die Regale verräumen, was nach wie vor eine (unv.) #00:06:20.1# Tätigkeit sein wird und diejenigen, die das nicht tun und die einzig und allein für den Kunden da sind. Ist heute nach wie vor im Lebensmittelhandel so, dass die Mitarbeiter sich vom Kunden im Wesentlichen gestört fühlen, weil er sie bei ihrer scheinbar eigentlichen Tätigkeit des Ware-Verräumens zu hindern scheint.
Frank Rehme: Jetzt haben viele dieses Thema der Verräumung outgesourct, da gibt es die verschiedensten Dienstleister auch, die teilweise da nachts machen (unv.) #00:06:45.9# bewustt eine Nachts-Verräumung eingeführt, um den Leuten tagsüber auch den Raum zu geben, vom Platz her alleine schon solche Leute, die Kunden dann dementsprechend auch zu bedienen. Siehst du da, dass dieses Thema Verräumung irgendwie mal automatisiert werden könnte?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Jetzt bin ich 51 Jahre alt, was manchmal auch beschränkt in der Fähigkeit sich vorzustellen, was kommt. Zumindest wir machen auch eine Exkursion mit den Handelsstudenten zum Audi-Werk in Neckarsulm, was direkt um die Ecke ist. Wenn sie dann mit Studenten durchgehen und die sehen, wie ein Auto produziert wird, just in time, alles direkt vorbereitet etc. pp., dann merkt man schon, dass der Handel eben nicht so automatisiert ist in seinen Prozessen wie er es vielleicht glaubt, wie es sein müsste oder wie die Automobilindustrie es macht.
Deshalb wird es Wege geben, dass man das zumindest teilautomatisiert. Sich vorzustellen, dass eine Obst- und Gemüseabteilung einen Erlebnischarakter hat, die von einem Roboter aufgebaut wird, fällt mir persönlich, muss ich zugeben, mir persönlich die Fantasie, aber das kann auch ein Problem des Alters sein.
Frank Rehme: Du beschäftigst dich ja hauptsächlich mit dem Thema Lebensmittelhandel und da ist jetzt ein neuer Stern am Himmel hochgekommen, nämlich Amazon Fresh. Ich habe da vor 2 oder kurz nachdem die das ganze Thema in Deutschland live gesetzt haben, habe ich da nochmal einen Artikel drüber geschrieben und da habe ich so vermutet, dass die eigentlich, macht das keinen Sinn in dem margen-schwachen Land wie Deutschland überhaupt erst mal anzufangen. Warum sind die nicht erst nach Frankreich gegangen oder in anderen margen-starken Ländern?
Da habe ich so die Vermutung gehabt, die benutzen Amazon Fresh nur als Trojanisches Pferd, um eigentlich an unsere Wallets dranzukommen für die ganzen Non-Food-Artikel, die die verkaufen. Wenn ich jetzt irgendwo sonst 2, 3 Mal im Monat auf die Webseite von Amazon gehe, geh ich, wenn ich Lebensmittel kaufe, vielleicht 7 Mal oder 8 Mal im Monat da drauf und dann haben die natürlich mehr Informationen für mich, wo die mich begeistern können dann noch mehr zu kaufen. Könnte das so eine These sein, die da passt oder siehst du die überhaupt nicht?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Nein, die kann passen, die wird passen. Weil was Amazon sicherlich nicht macht, ist in Kanälen zu denken, also zu überlegen, sind jetzt Bücher profitabel, sind jetzt Elektrowarengruppen profitabel, ist jetzt Food profitabel? Sondern die Überlegung ist, ist der Kunde am Ende profitabel? Das heißt, wenn der einzelne Kanal es gar nicht ist, ist nicht tragisch, der scheinbare Kanal, den es so gar nicht eben gibt, ist nicht tragisch solange der Kunde am Schluss profitabel ist. Das ist in der Tat so, wenn es eben gelingt, dass vor allem der Kunde auch Food kauft, dann hat man ihn eigentlich wirklich komplett.
Eigentlich hat Amazon den Kunden ja heute schon fast komplett. Nämlich durch Amazon Prime führt es automatisch dazu, dass man eigentlich fast alles kauft. Jeder kann es selber spüren und fühlen, wenn man Amazon Prime macht, dann fängt die Produktsuche bei Amazon an und nicht bei Google, man findet über Amazon das Produkt, sei es direkt bei Amazon oder über Marketplace und man kauft es dann da auch, weil man einfach die Liefergebühren sparen will.
Also nochmal, ich glaube, dass Food in der Tat ein Vehikel ist auch die anderen Kanäle zu stärken und gar nicht als ein einzelner Kanal von Amazon angesehen wird. Jetzt ist es natürlich so, Deutschland ist der größte Markt in Europa und den will man bestimmt auch aufbrechen und sicherlich glaubt man auch daran, dass in Deutschland vielleicht auch mehr Großstädte existieren, die man bedienen kann und in Frankreich wäre es vielleicht dann eben doch nur Paris. In Deutschland gibt es doch nicht mehr als eine Handvoll Städte, die so groß sind, dass es sich lohnen könnte dort mit eFood zu starten.
Frank Rehme: Jetzt haben wir hier bei uns jede Menge Delivery Services im Bereich von Food, ob das jetzt hier Bringmeister ist oder Rewe, alle sind ja unterwegs in die Richtung, machen das schon ein paar Jahre. Müssen die Angst haben, ist Amazon schlauer als die, gelten für Amazon eventuell andere Gesetze als für die?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ja, ich glaube es gibt 2 Dinge, die Amazon einfach besser macht, ohne das ganze Marketing-Mix durchzugehen über Service, Leistung, Preise etc. und zwar ist es das Sortiment und die Fähigkeit die Prozesse vom Kunden auszugestalten und das für den Kunden convenient ist, aber auch ein Stück weit sexy. Kommen wir zuerst zum Sortiment. Die sogenannte Longtail Idee, im E-Commerce einfach mehr Produkte anbieten zu können als es stationär möglich ist, das ist in der DNA von Amazon.
In deutschen Unternehmen ist es nicht der Fall, Rewe Kaufland, Bringmeister, haben in der Belieferung ein Sortiment von zirka 10.000 bis 13.000 Artikeln. Das ist bald sogar so abstrus eigentlich, dass Kaufland über 20.000 Artikel im Laden hat, online aber nur 10.000 bis 11.000 anbietet. Das heißt ich als Kaufland Kunde finde mein Sortiment online bei Kaufland gar nicht komplett. Warum ist das so? Weil die Deutschen Angst haben, auch ein bisschen Kanaldenken, Sie haben Angst vor den Abschriften, vor den hohen Kosten, sie glauben irgendwie, dass zu viel Sortiment überfrachtet, den Kunden überfrachtet und das ist natürlich im Internet totaler Quatsch, weil der Kunde sieht im Shop gar nicht, wie viele Artikel da sind, er sieht es im Laden, da mögen 100.000 Artikel zu viel sein, im Shop sieht er das nicht, sondern er will seine Artikel suchen und auch finden.
Und das tut er dann bei Amazon, Amazon hat über 85.000 Artikel, sind damit gestartet, haben deutlich mehr also die Deutschen offensichtlich. Vergleich nochmal, 10.000 bis 13.000 Artikel und das wird einer der wesentlichen Wettbewerbsvorteile sein, die Amazon von Anfang an ausspielt, weil sie es vom Non-Food auch so kennen. Amazon bietet über 7 Millionen Bücher an und haben die übrigens 7 Millionen Bücher auf Lager? Nein haben die nicht, weil Idee, Longtail weiterzuspinnen, erst dann das Produkt vom Lieferanten liefern zu lassen, zu bestellen, macht Amazon Fresh auch mit den Lieblingsläden. Die Produkte der 25 Lieblingsläden in Berlin sind nicht bei Amazon auf Lager, sondern werden dann dazu kommissioniert zur Bestellung. Dadurch können die ihr Produkt, ihr Produktsortiment, ihr Sortiment deutlich ausweiten.
Frank Rehme: Ich war ja 2011 sehr eng in dem Projekt mit drin, als wir den Real Drive entwickelt haben damals, ich war damals von der Innovationstechnik-Seite mit daran und wir hatten damals echt diese Problematik, also nicht diese 80.000 Realartikel realer Artikel, sondern überhaupt erstmal Artikel da reinzukriegen. Wir waren ja keine Online-Händlern, genauso wenig wie Rewe oder so Ur-Online-Händler sind wie Amazon und wir hatten echt mit 5.000 Werken mit 5.000 Artikeln sind wir gestartet damals und von den 5.000 Artikeln sind wir gestartet damals und von den 5.000 Aritkeln, jetzt halte dich fest, das Thema Content Management ist ja eh bei Online-Shops immer ein Riesenthema, von den 5.000 Artikeln habe ich 1.200 von einem Fotografen selber fotografieren lassen, weil wir gar keine Bilder kriegten von den Herstellern aus der Richtung.
Das schon wirklich damals ein großes Drama und wenn ich mir jetzt vorstelle, wir hätten da 20.000 Artikeln gestartet, dann wären wir wahrscheinlich erst ein Jahr später fertig geworden. Also es lag sehr stark auch an dem ganzen Thema der Content-Füllung. Und natürlich, wir hatten die Prozesse überhaupt gar nicht und die Prozesserfahrung, die Amazon natürlich alle mitbringt. Und solche Dinge vernünftig an den Start zu bekommen.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Amazon hat es im Griff, die haben Erfahrung mit dem ganzen Non-Food, haben auch offensichtlich eine lange Vorbereitungszeit gehabt, sie haben eben nicht mit 2.000 Artikeln angefangen, sondern haben gewartet bis sie 85.000 haben und die wissen, wie es geht. Der 2. Wettbewerbsvorteil, den die haben, haben werden, ist den Kunden zu verstehen, wie der Kunde bestellen möchte, es convenient für den Kunden zu machen.
Die Deutschen einfach, die haben einen normalen Shop, der ist schön, der Shop von Rewe ist schön, der von Kaufland ist auch schön, der ist nett, aber bietet keine besonderen Gimmicks, was zum Beispiel in der Tat Alexa eben tut. Da wird Amazon immer voran sein, weil irgendwann werden alle Alexa kopieren oder werden sich da dranhängen, wird Amazon voran sein, sodass der Kunde eben nicht nur einen Versorgungskauf macht, sondern es auch witzig findet darüber zu bestellen und wie er es dann eben tun kann und da wird Amazon den anderen weit voraus sein.
Frank Rehme: Also das Experimentieren mit den verschiedenen User Interfaces als Zugriff zu einem Webshop, finde ich schon ganz interessant, welchen Mut die da haben auch solche Dinge anzugehen. Lebensmittelhandel, wie entwickelt der sich gerade? Du hast da auch, als auf deiner Veranstaltung, die wir da bei der DHBW hatten Anfang des Jahres, hast du auch wunderbar darüber berichtet. Vielleicht gibst du mal so einen Abschnitt, wo ihr da jetzt gerade von den Erkenntnissen her steht?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Wenn man so die klassischen Betriebstypen, Betriebsformate anschaut, die von Nielsen auch in der langen Reihe beobachtet werden, dann scheint es ein relativ langweiliger Markt zu sein. Die Discounter haben seit Jahren Marktanteile um die 38 Prozent, da ändert sich nichts. Die großen Verbrauchermärkte haben Marktanteil von so 17, 18 Prozent, da ändert sich auch relativ wenig. Also diejenigen, die wachsen, die sich verändern, sind die kleinen Verbrauchermärkte, die zwischen 1.000 und 2.500 Quadratmeter, das ist die Größe, die wächst. Wer zurückgeht, sind alle Supermärkte unter 1000 Quadratmeter, die nehmen deutlich ab. Der Rest ist mehr oder weniger flat, aber …
Frank Rehme: War da nicht mal so ein großer Trend, diese Neighborhood Stores, diese kleinen, die waren auch im europäischen Ausland so bedeutend. Hier in Deutschland spielen die immer weniger eine Rolle.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Die Neighborhood Stores spielen keine große Rolle, die werden immer weniger. Was kommt, ist das Thema im Sinne von kleinstes, das sind die Convenience Läden, Rewe to go, Albert Heijn to go, die zumindest immer noch da sind, seit 2012 am deutschen Markt. Die Edeka experimentiert mit einigen kleineren Formaten, sei es nun Edeka Express etc., die Edeka hat auch nach wie vor Spar Express als Marke, die sie jetzt auch weiter ausweiten wollen.
Das heißt, da tut sich was im filialisierten, nicht Neighborhood, aber vielleicht in diesem Convenience Store, der nicht in der Nachbarschaft ist, sondern in der Innenstadt in Hochfrequenzlagen, das ist ein Segment, wo wir glauben, dass sich das sehr stark entwickelt. Vielleicht auch nochmal, eigentlich scheint es ein langweiliger Markt zu sein, aber drunter passiert doch sehr viel mehr.
Nämlich die Discounter, die zwar konstant Marktanteile haben, verändern sich ja eigentlich schon fast dramatisch. Wenn man heute in einen Lidl reingeht, das hat ja mit dem Lidl von vor 5, vor 10 Jahren allemal gar nichts mehr zu tun. Der Backshop bei Lidl, wenn man die Frequenz ansieht, die jeden Morgen um 7, wenn er um 7 aufmacht, dort ist, ist wesentlich höher als es beim Bäcker je sein könnte. Wenn man sieht, wie der Lidl diesen Backshop jetzt ausweitet zu einer Snack-Station, die haben sogar mit halben warmen Hähnchen zum sofortigen Verzehr experimentiert, verkaufen da Burger, verkaufen ganze Gerichte mit Reis und Curry etc., dann sieht man, dass der Discounter sich ein deutliches Grading Up nach wie vor macht.
Eigentlich dieses, was man ja häufig immer wieder sagt, das ist kein Discounter mehr, Soft-Discounter wäre vielleicht tatsächlich mittlerweile das viel bessere Wort. Von der Markenlistung von Aldi gar nicht zu reden. Aldi, die jetzt auch ihre Stores deutlich aufhübschen im Vergleich zu früher und sich an Lidl angleichen. Also die Discounter entwickeln sich sukzessive, werten ihre Sortimente auf und nähern sich damit übrigens auch an den Super- und Verbrauchermarkt mehr an.
Frank Rehme: Ich habe vor kurzem, vor 2 Monaten oder so, habe ich nochmal so einen Report geschrieben über so einen Lidl Store, den wir in Italien entdeckt haben. Da habe ich gesagt, Mensch, der ist vom Ladenbau her schon so in der Liga wie die schöne Rewes und schönen Edekas, denn damit setzen die natürlich auch gerade von der Anmutung der Stores her die Vollsortimenter extrem unter Druck.
Hat wieder auch einen ganz großen Impact auf Ladenbau und der Ladenbau sieht dann irgendwann mal im Vollsortimenter Lebensmittelhandel so aus wie vor fünf Jahren vielleicht noch ein High Street Fashion Store war. Also immer weiter entwickeln sich da die Konzepte nach oben. Lidl hat doch jetzt aber wieder so ein bisschen zurückgepfiffen, nachdem die so den Geschäftsführer da, den alten Geschäftsführer geschasst haben und der ehemalige Chef wieder in den Ring gegangen ist, versucht man da so ein bisschen jetzt erstmal Gas rauszunehmen.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Was sie schon verändert haben und das auch offensichtlich beibehalten bei allen Umbauten und Neubauten ist, vom Ladenbau zu kommen, man ist ja da nicht mehr in einer rechteckigen Box, sondern man läuft schräg rein, guckt direkt auf den Backshop, Obst- und Gemüseabteilung ist schräg angeordnet, mit Farben und Licht wird viel gespielt, das wird beibehalten. Was sie in der Tat ein bisschen, um dein Wort zu verwenden, zurückgepfiffen wurde, ist, dass sie im Sortiment teilweise doch wieder reduziert haben.
Wein ist ein sehr gutes Beispiel, da haben sie die ganze Zeit lang Weine auch über 24 Euro die Flasche angeboten und das ist völlig zurückgegangen. Also der teuerste Rotwein ist jetzt bei 9,99 Euro, sie gehen nicht mehr über die 10 Euro. Da haben sie in der Tat reduziert, wobei sie nach wie vor mit ihrer Premium Eigenmarke in der Saison sehr viel machen, sehr große Sortimente auch reinfahren. Sie haben Biofleisch, ziehen das auch durch, haben Bio-Sortimente im Allgemeinen auch drin. Sie haben ein bisschen reduziert in der Artikelanzahl in der Tat, aber sie sind weit davon entfernt wieder zurückzufallen sozusagen zu einer Art Hard-Discount Idee. Bei Lidl ist schon jedes Produkt, merkt man, ist schon durchdacht. Die stellen nicht Produkte rein, die sie einfach einkaufen, die überlegen sich genau, was sie damit machen, gerade bei den Eigenmarken sieht man das sehr gut.
Frank Rehme: Ich beobachte da auch, dass dieses ganze Thema Instore Storytelling auch in den Bereich dann des Sortimentes komplett durchspielen.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ja, im Sortiment in der Kommunikation schon lange, ein Lidl-Prospekt ist ein hochwertiger Prospekt, mit dem die anderen alle gar nicht mithalten können. Aber wo man, jetzt wo du sagst mit Zurückpfeifen, was man schon auch gemerkt hat, 2015 war die sogenannte Qualitätskampagne, (unv.) #00:20:57.4# sehr emotionale Spots gewesen, die nur am Schluss noch hatten und der Preis ist auch gut, aber eigentlich ist die Qualität, wo die Ware herkommt etc. und diese Kampagne war ungefähr ein halbes Jahr on Air und dann war sie weg. Sie hatte als sie gekommen ist eine hohe Resonanz, vor allem in der Fachpresse, aber nach einem halben Jahr war sie weg und Lidl ist dann doch in der Kommunikation immer noch hochwertig, aber wieder preis-orientierter als es zu der Zeit war.
Frank Rehme: Die sind dann auch umgeschwenkt mit diesen schwarz und weißen Plakaten, „die Wahl du hast“ oder „du hast die Wahl“, da wurde es persifliert wir in Richtung Yoda. Da hat man ja auch die Markenprodukte, die die haben und die Eigenmarken dann direkt gegenübergestellt. Ich hielt das damals für keine gute Idee, weil man eigentlich dann die Eigenmarken so ein bisschen vorführt, die Markenprodukte ein bisschen vorführt, aber hat natürlich einen Boost mit Sicherheit in Richtung Preiswürdigkeit für die eigenen Produkte gebracht.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ja, das ist riskant das zu machen, denn die Gefahr besteht natürlich, dass die Markenartikler eben nicht erfreut darüber sind, aber dann hat Lidl die Macht und kann es tun und muss nicht Gefahr laufen, dass der Markenartikler dann sagt, dann möchte ich dich nicht mehr beliefern.
Frank Rehme: Ja klar. Weiterer Ausblick in die Richtung?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ja, gerade beim Discounter, bleiben wir nochmal dabei, die haben ein bisschen zurückgepfiffen, aber trotzdem ist ein Discounter heute schon fast eher eigentlich ein Supermarkt, er wird ja auch von den Kunden auch eher als Nahversorger wahrgenommen, vor allem weil es auch so viele gibt und um die Ecke ist im Prinzip heute ein Discounter und kein Edeka oder Rewe zu allererstmal. Da glauben wir, dass eigentlich auch Platz wieder für ein gewisses Hard-Discount-Format ist. Jemand, der sich wirklich fokussiert auf weniger Artikel, sehr preisaggressiv, sehr einfach Ladengestaltung, dass da Raum dafür da ist.
Im Prinzip könnte man sich vorstellen, dass einer von den 5 Discountern, die von der Positionierung teilweise sehr ähnlich unterwegs sind, also Lidl, Aldi, Norma, Penny und Netto, dass einer sagt, er versucht sich zu differenzieren, indem er wieder das alte Hard-Discount-Format macht. Das ist auch gar nicht so abwegig, es gibt ja diesen, zwar nur einen Test-Store in London easyfoodstore.com, die mit ganz wenig Artikeln arbeiten, die dann auch beschränkte Öffnungszeiten haben, also nur von 10 bis 17 Uhr Montag bis Freitag aufhaben, um es quasi auch effizient zu machen und zeitweise nur 60 Artikel im Angebot haben.
Wenn wir das diskutieren, dann sagen uns immer Leute, ja, aber Qualität wird doch immer wichtiger, Geiz ist geil ist doch schon lange out etc. und da darf man natürlich nicht vergessen, dass es sicherlich viele Leute gibt, die sich heute viel mehr leisten können als früher, es gibt aber nach wie vor sehr viele Menschen, die sich überhaupt gar nichts leisten können, die sich sehr wenig leisten können. Also die Zielgruppe derjenigen, die extrem auf den Preis achten müssen, die ist nach wie vor da.
Die Frage ist, fühlen die sich noch aufgehoben bei einem Lidl und selbst bei einem Aldi? Mache ich ein Fragezeichen dran. Um auch ein Beispiel zu nennen, wer das eigentlich auch umsetzen kann, den man gar nicht auf dem Schirm dafür hat, ist Action. Action, die aus Holland kommen und die, wenn man reingeht, eher wie ein schöner Tedi aussehen, 6000 Artikel haben. Die haben aber eben nicht nur Non-Food-Artikel, sondern die haben auch Food-Artikel aus dem Bereich trocken, Körperpflege und Kosmetik und auch Tiernahrung und zwar gar kein so kleines Sortiment. Die können jederzeit ihr Sortiment auch größer machen und diese Nische des Hard-Discounts damit auch im Food durchaus mehr belegen als man es gerne hätte.
Und wie gesagt, Action ist so ein bisschen unterm Radarschirm, die haben erst so 180 Läden in Deutschland, aber expandieren sehr schnell und scheinen auch von den Kunden, weil die haben diese Auszeichnung „Händler des Jahres“ auf europäischer Ebene seit mehreren Jahren erhalten, aus Kundensicht haben sie eine große Akzeptanz. Vielleicht da, um eine Anekdote zu erzählen, war mit Studenten in Düsseldorf, die Action alle nicht kannten und dann habe ich gesagt, jetzt gehen wir da noch schnell rein, haben aber nur eine Viertelstunde Zeit, also rein raus.
Und dann sagten die ersten beiden Herrschaften, wieso müssen wir denn da jetzt reingehen Herr Rüschen, in diesen Tedi, in diesen schönen Tedi? Dann sage ich, gehen Sie einfach rein, gucken Sie es sich an und von 25 Studenten hatten innerhalb von 15 Minuten 15 was gekauft, spontan gekauft, weil sie es vom Artikel und vom Preis her attraktiv fanden. Das war für mich eigentlich der beste Beweis, da hat der Kunde entschieden, dass er so etwas attraktiv findet.
Frank Rehme: Also so einer der wirklich wieder unterhalb von den klassischen Discountern wie wir die haben agiert und dann auch diese alten Rezepte, von Sortiment her ganz stark achten auf niedrige Kapitalbindung, dadurch immer dieses „schnell leer“ und natürlich auch niedrige Abschriften, keine Frische und solche Sachen, die früher eigentlich immer drin waren.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Genau, weil natürlich eine Crux ist von so einem Backshop wie Lidl das hat und wie es Aldi jetzt eben auch einführt, ist, dass es sehr personalkostenintensiv ist und die Produktivität und damit die Personalkosten eben nach unten treibt, verschlechtert auf gut Deutsch. Dass jemand wieder mehr auf die reinen Kosten achtet und dass durch ein sehr geringes Sortiment sicherstellt. Da glaube ich, da ist Platz da und wie gesagt, vielleicht sollte sich einer von den fünfen, nicht Lidl und nicht Aldi, aber vielleicht ein Norma, darauf berufen und sich umzupositionieren.
Denn es ist ja eigentlich abstrus mit den vielen Discountern, die wir haben und mein Lieblingsbeispiel ist immer Bad Camberg in der Nähe von Frankfurt, da sind innerhalb von 1 Kilometer sind alle 5 Discounter, alle 5 in einem Ort und da besteht der Bedarf sich zu differenzieren. Der Standort ist es nämlich nicht mehr, wenn die auf einem Kilometer alle fünf sind. Sich zu differenzieren und das ist eine Chance. Wir glauben, Hard-Discount könnte kommen, vielleicht brauchen wir es sogar.
Frank Rehme: Ja, ich glaube auch, dadurch, dass die jetzt alle so ein Upgrading gemacht haben, ist auch ein richtiges Vakuum da drunter entstanden, was sich natürlich irgendwann mal füllen wird. Wie sieht das Thema eFood generell noch aus?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Vielleicht bei eFood, wir hatten schon über die Vollsortimenter gesprochen, Amazon, Real, Rewe, Kaufland, Bringmeister. Was aber eigentlich noch viel spannender ist, ist der Markt der Spezialisten, die, die nur Gewürze anbieten und die nur Fleisch anbieten, die nur Getränke anbieten, die nur Whiskey anbieten, da ist ja unendlich groß die Vielfalt an verschiedenen Shops, die es da gibt. Die haben natürlich einen Vorteil gegenüber einem Vollsortimenter, die können ihre Produkte über eine Paket-Logistik versenden aus einem Lager in ganz Deutschland, geht auch mit Frischfleisch.
Otto Gourmet aus Heinsberg, hier in der Gegend, hervorragendes Beispiel, hochpreisiges Fleisch auch, versenden die in 12 Länder in Deutschland aus Heinsberg heraus. Das ist auch ein Beispiel, dass eFood, dass die deutschen Denke da natürlich gar nicht mehr greift. Denn genauso wie Otto Gourmet in 12 Länder liefern kann, kann auch ein tschechischer Anbieter nach Deutschland liefern, ein österreichischer Anbieter nach Deutschland liefern. Das heißt der Wettbewerb wird plötzlich internationaler als man es eigentlich gedacht hätte und es ist auch ein bisschen unter dem Radar der Marktforschung.
Es ist schwer zu greifen, welche Bedeutung das hat, weil viele sagen, das hat aber eine kleine Bedeutung. Aber auch da gilt ein bisschen, jede Biene sticht, ein Bienenschwarm, der kann verdammt wehtun. Mein Nischen-Beispiel ist immer die Landmetzgerei Schießel, die irgendwo an der tschechischen Grenze in Bayern ist, die liefern frische Weißwürste in 24 europäische Länder innerhalb von 1 bis 2 Tagen. Also der Wettbewerb wird vielfältiger und das Schöne ist, das Angebot für den Kunden wird eigentlich viel vielfältiger und das ist schön spannend und darüber können wir uns eigentlich alle freuen.
Frank Rehme: Große Veränderungen in dem Bereich, gerade auch diese Nische zu finden ist für Lebensmittler eine spannende Geschichte. Du siehst ja auch ein paar Experimente, die wir jetzt da sehen, gerade Eataly ist ja damit angefangen oder diese Marktplätze, die habe ich erstmalig gesehen in New York, Dean & DeLuca, ist schon viele Jahre her, wo ich viel Zeit verbracht habe damals und war fasziniert, was da passiert. Dann Eataly haben wir ja hier in Europa, auch in New York auch verbreitet mittlerweile und da verbringt man einfach Zeit. Wer da nochmal ein paar Infos haben will, bei uns auf dem YouTube-Kanal gibt’s jede Menge Videos darüber, die ich im Januar gemacht habe, als ich bei der NRF drüben war. Wir experimentieren ja auch immer rum, was ist von dir aus da zu beobachten?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Also was Eataly macht, bezeichnen wir auch als eine und da kommen gleich noch 2, 3 Beispiele als eine eigene Betriebsform, nämlich die Verbindung von Eating und Retailing zu Eattailing, nicht Italy im Sinne von Italien, sondern Essen und Retailing zusammen. Da gibt’s neben Eataly auch andere Beispiele und gerade hier in Düsseldorf, eigentlich das beste Beispiel ist der Edeka zur Heide Markt in Benrath schon seit 2009, also auch keine Innovation vom letzten Jahr, seit 2009, der auf der Verkaufsfläche an mehreren Standorten das Thema Eating zelebriert. Da kriege ich nicht eine billige Currywurst mit Pommes, sondern hervorragendes zubereitetes Fleisch, ein ganzes Menü.
Da kann ich Fisch essen, da kann ich Kaffee trinken, das ist eine Confiserie und selbstgemachten Kuchen essen. Die machen die Pasta selber seit 2009 und diese Idee, die dann durch Eataly auch weitergetragen wird, die jetzt hier durch die Markthalle Real in Krefeld auch zelebriert wird, die findet immer mehr auch statt in den Supermärkten bei Rewe und Edeka. Rewe testet (unv.) #00:30:37.4# als Konzept und viele Edeka-Händler haben schon Gastronomie in ihrem Laden integriert. Manchmal mit einer relativ kleinen Lösung, aber sie machen es.
Woher kommt das eigentlich? Das kommt daher, dass die Händler an dem wachsenden Out of Home Markt partizipieren wollen. Menschen kochen nicht mehr, sondern sie essen einfach direkt, sie wollen daran partizipieren und gerade die Großflächen haben unter der Non-Food-Krise, der stationären Non-Food-Krise zu leiden, es geht viel ins Internet. Jetzt haben sie Flächen, die unrentabel sind, was sollen sie damit tun? Also integrieren sie solche Konzepte dann zu Lasten von Non-Food. Das wiederum gibt ihnen die Möglichkeit sich, wir hatten gesagt Lidl, Aldi, Grading Up sehen wir, sich zu differenzieren von Lidl und Aldi, die das so auf ihren relativ kleinen Flächen nicht hinkriegen. Ich kann heute in einen Supermarkt gehen und nicht nur einkaufen, ich kann dort auch essen, qualitativ sehr hochwertig.
Frank Rehme: Das so ein Teil dessen, dass Einkaufen immer mehr zum Erlebnis wird, Retailtainment ist dieses Stichwort. Zu dem zur Heide nochmal zurückzukommen, als der eröffnet hat damals, habe ich gedacht, das kann nicht gut gehen. Weil der ist in so einem Stadtteil, ich sag mal sehr industriell geprägt, da ist Henkel mit der Waschmittel-Produktion, da ist so ein großer Kran-Hersteller, also eigentlich wenig Laufkundschaft. Aber als ich dann da erstmal drin war, habe ich gedacht, Wahnsinn, was hier passiert, also dieses ganze Thema der Gastronomie da auch wunderbar mit verknüpft.
Der legt jetzt noch einen drauf, der macht jetzt hier in so einer absoluten Anlage (unv.) #00:32:06.0# mitten in der Innenstadt in so einem alten Kaufhof belegt der 2 Etagen, der wird gerade umgebaut. Crown heißt dieses ganze Ding dann und macht da einen Genuss-Tempel mitten in der Innenstadt, ich sag mal einen Steinwurf von der Königsallee entfernt. Das ist schon sehr viel Mut, der dahintersteckt, aber zeigt auch, dass viele Selbstständige ihr Handwerk auch richtig gut verstehen, muss man dabei sagen.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Weil man sagen kann, der neue Standort direkt neben der Kö, Königsallee, würde man sagen, der wird funktionieren, vom Umsatz her wird der funktionieren. Das ist auch das, was wir bei den Studenten erleben, wenn wir denen Bilder zeigen in Heilbronn von Edeka zur Heide in Düsseldorf, dann sagen die irgendwann, Herr Rüschen, auf der Königsallee kann ich so einen Laden auch machen. Dann sage ich denen immer, nein, der Laden, den es seit 2009 gibt, der ist nicht auf der Königsallee, sondern bei der Henkel Waschmittelproduktion in Benrath. Dann glauben sie es immer noch nicht so richtig und wenn man dann mit ihnen hinfährt mit dem Bus und dann 2 Kilometer vorher sagt, jetzt guck doch mal links und rechts, woran wir vorbeifahren. Dann stellen sie fest, dass man eben nicht durch die Reichenviertel von Düsseldorf fährt, sondern eigentlich durch ein Industriegelände. Dann sind sie ganz erstaunt und dann auch davon überzeugt, dass so ein Konzept eben sehr gut ist, nicht nur gut, sondern sehr gut ist, dann sind die Kunden auch bereit mal ein paar Kilometer zu fahren um es zu nutzen.
Frank Rehme: Wir haben jetzt Freitagnachmittag und versuche jetzt mal einen Parkplatz zu kriegen da, ist so gut wie unmöglich. Also selbst wir fahren öfters dahin mal, um einfach Lebensmittel zu erleben und sind bereit eine halbe Stunde Autofahrt, die ist nämlich in einer ganz anderen Ecke von Düsseldorf in Kauf zu nehmen, um einfach mal Lebensmittel zu erleben. Also da passiert gerade viel in dem Bereich. Selbstständige haben eh viel Vertrauen auch bei den Kunden.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Ja, Selbstständige haben ein großes Vertrauen. Im Prinzip kann man in Deutschland schwarz-weiß sagen, dass die Vollsortimenter als Filialisten sehr schwer nur funktionieren, nicht die höchsten Kundenzufriedenheitswerte haben, sondern es sind eigentlich nur die Selbstständigen. Viele Filialisten sind auf der Strecke zurückgeblieben, zuletzt Tengelmann & Kaisers.
Frank Rehme: Bei den Riesenflächen da sehe ich auch eine einzige Ausnahme bei den Hyper Markets, bei den SB-Warenhäusern, das ist das, was ich immer so sehe. Globus macht da einen verdammt guten Job auch. Die Globus sind ganz gut aufgestellt, ist auch inhabergeführt und die sind auch sehr nah am Kunden. Ich merke das immer sofort, dieses Personal macht eine ganz andere Ansprache mit dem Kunden und die denken wirklich auch an Kleinigkeiten, die Leute begeistern.
Ich merke das auch, ich gehe mit meiner Frau in so einen Globus rein unten im Hunsrück und die haben da Desinfektionstücher für die Einkaufswagen, die haben dieses Self-Scanning da, was gerne ausprobiert wird auch. Ist schon eine tolle Erfahrung wie die mit Personal und mit dem, wo die sich Gedanken über die Kunden machen, richtig gute Mehrwerte schaffen und natürlich auch begeistern. Die waren ein paar Mal hintereinander bestes SB-Warenhaus mit der höchsten Kundenzufriedenheit in den Umfragen.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Aber Globus hat es auch geschafft, obwohl es keine selbstständigen Einzelhändler in jedem Haus sind, hat es geschafft durch seine dezentrale Struktur das im Prinzip zu kopieren, fast abzubilden. Das heißt ein Hausleiter, ein Geschäftsleiter eines Globus-Hauses, der darf im Prinzip fast alles entscheiden und der wird auch so geführt. Wir waren neulich im Globus-Haus und dann war da der Regionalleiter, also der für mehrere Globus-Häuser zuständig ist. Jetzt sind die so riesig, dass man vermuten würde, naja mehr so als 4, 5 kann der gar nicht führen. Mehr als 4, 5 geht doch eigentlich gar nicht. Selbst im Discount hat ein Verkaufsleiter 7 Filialen. Dieser Regionalleiter war für 20 Globus-Häuser zuständig, für 20. Das bedeutet nichts anderes als, er kann sich gar nicht so operativ einmischen, da hat er gar keine Zeit für, das geht gar nicht. Warum machen die das? Weil der Haus-Leiter, der hat die volle Entscheidungskompetenz.
Frank Rehme: Der ist der Unternehmer praktisch.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Der ist im Prinzip Unternehmer, ihm gehört zwar der Laden nicht, aber er ist im Prinzip Unternehmer. Das spürt man in der Tat dann bei allen Mitarbeitern und einer meiner Lieblingssätze von Herrn Bruch, dem Inhaber von Globus, ist schon viele Jahre her, wie er sich hat zitieren lassen in der Lebensmittel-Zeitung: „Ich freue mich darüber, wenn ich in einen Markt von mir komme und ich sehe etwas Neues, was sich die Mitarbeiter haben einfallen lassen, um den Kunden zu begeistern“. Das wäre bei einem Filialisten undenkbar, dass ein Verkaufsleiter, ein Verkaufsleiter kommt rein und kontrolliert, ob die Vorgaben umgesetzt sind und wenn die Vorgaben nicht umgesetzt sind, dann macht der Ärger.
Globus hat komplett andere Mentalität. Überlegt euch was für die Kunden. Ich als Verkaufsleiter Herr Bruch etc., ich bin nicht derjenige, der die Innovationen macht, ihr macht die Innovationen, ihr seid für die Kunden da. Deshalb hat es Globus geschafft eigentlich diese Edeka und Rewe Idee des selbständigen Einzelhändlers doch in einer Art Filialisten-Struktur doch umzusetzen und sehr dezentral vorzugehen.
Frank Rehme: Wir sind schon bald am Ende würde ich sagen. Ausblick in die Richtung, wo entwickelt sich der Lebensmittelhandel noch hin? Hast du da eine Prognose für die Hörer?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Vielleicht darf ich auf 2 Segmente ganz kurz eingehen, nämlich das ist das Drogeriemarktsegment, auch scheinbar ein langweiliges, vielleicht erfolgreiches, aber dort ist ganz spannend zu sehen, dass sie nach der Schlecker-Pleite, das Drogeriemarktsegment an Marktanteil verloren hat von 8,2 auf 7,2 Prozent Marktanteil. Das haben die alles jetzt zurückgeholt seit 2011 und die Drogerien haben mittlerweile, 2016 ist die letzte Zahl, ein Marktanteil wieder von 8,7 sich nicht nur zurückgeholt, sondern sogar ausgeweitet. Vor allem durch Expansion und da ist erst mal auch das Spannende, dass Edeka jetzt mit mit Budnikowsky eine Kooperation eingeht und damit neben Rossmann, Müller und DM ein 4. Drogerist national sich etablieren wird.
Das finde ich eigentlich auch ganz spannend in diesem kleinen Segment, ganz spannend vor allem, weil die anfangen die Sortimente auszuweiten, wie zum Beispiel in Food auch reingehen, in Bio-Segmente und da noch eine Brücke zu schlagen zu den Bio-Fachmärkten, Fachläden, also Denn’s, Alnatura, SuperBioMarkt etc.. Da gibt es auch einige Filialisten, von denen man glaubt, dass sie jetzt mit dem Boom des Bio-Lebensmittels mitschwimmen werden und wachsen werden. Unsere Hypothese ist, weil wir haben das untersucht und haben festgestellt, dass die Kunden gar nicht so zufrieden sind mit diesen Bio-Filialisten Denn’s etc., sondern die sind viel zufriedener mit den selbstständigen, manchmal kleinen Bioläden. Deshalb glauben wir, dass im Bio-Bereich man als Finalist, so wie ein Tengelmann & Kaisers geführt, nicht überleben kann, sondern man muss da die selbstständige Struktur von Edeka und Rewe übernehmen. Also das noch zu den beiden kleinen Segmenten.
Insgesamt, der große Trend ist, ich glaube an eFood, ich glaube an die Belieferung mit Lebensmitteln, ich glaube, dass es ein signifikanter Marktanteil sein wird, auch wenn es lange dauern wird das profitabel zu machen. Das führt dazu, dass wir einen signifikanten Rückgang von Läden haben werden. Die Wettbewerbsintensität im stationären wird zunehmen. Beispielsweise glaube ich nicht daran, dass 5 Discounter überleben, ich kann mir nicht vorstellen, ich glaube auch nicht, dass alle großflächig überleben, da wird es noch ein weiteres Sterben geben. Weil wenn der Umsatz vom stationären weggeht, man stelle sich nur vor, es werden irgendwann mal 10 Prozent, wenn jeder stationäre Laden heute 10 Prozent weniger Umsatz hat, dann rutschen sehr viele einzelne Outlets, einzelne Stores ins Minus. Also wir werden ein Laden-Sterben haben, das als ein Stück weit als Ausblick, aber wir werden aus Kundensicht doch eine immer größere Vielfalt an verschiedenen Formaten haben, an den wir uns erfreuen können und müssen nicht glauben, dass wir nur noch zwischen einem neuen Lidl wählen können in der Zukunft.
Frank Rehme: Wenn ein guter Freund oder ein Familienangehöriger zu dir kommen würde und würde sagen, Stephan, ich mache jetzt ein Lebensmittelgeschäft auf. Würdest du dem abraten oder unter welchen Bedingungen würdest du sagen, tolle Idee?
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Nein, würde ich nicht abraten. Ich würde ihm nur sagen, nimm dir viel Zeit wie du das Konzept machst. Nimm dir viel Zeit dafür. Nachdem du dann eine Idee hast, wie du es machst, dann mach auf und versuche dir wirklich viele Dinge einfallen zu lassen, die du anders als deine Wettbewerber um dich herum. Habe dann die Bereitschaft immer wieder zu testen und habe die Bereitschaft auch zu scheitern in einzelnen Elementen und dich nicht auf dem auszuruhen, was du vielleicht einmal gemacht hast. Für mich persönlich zum Beispiel der Edeka zur Heide in Benrath ist super. Er ist aber eigentlich seit 2009 fast unverändert, er ist eigentlich seit 2009 fast unverändert. Mag jetzt zur Heide widersprechen, indem er sagt, dass er ein paar Details schon geändert hat, aber …
Frank Rehme: Ja, Käse hat sich ein bisschen geändert und so.
Prof. Dr. Stephan Rüschen: er ist eigentlich unverändert. Ich glaube, da muss man sich eben immer weiterentwickeln, man muss ich immer weiterentwickeln und darf sich auf seinen Lorbeeren nicht ausruhen. Also Laden-Sterben ja, trotzdem man kann mit einem besonderen Konzept nach wie vor sehr viel Erfolg haben. Ich würde raten, ja mach es. Ich würde aber auch sagen, verbinde aber gleich online und offline mit deinem Laden.
Frank Rehme: Danke, das war Professor Dr. Stephan Rüschen. Ich möchte noch kurz einen Hinweis geben. Auf unserer Webseite findet ihr noch jede Menge Seminare, auch zum Neuromarketing, wie spricht man multisensorisch Menschen an und solche Dinge, Digitalisierung, einfach mal draufschauen. Seminare können dann direkt gebucht werden, ist auch sofort ein Buchungs-Button bei. Viel Spaß! Ansonsten sage ich, Tschüss Stephan!
Prof. Dr. Stephan Rüschen: Danke Frank. Tschüss!
Frank Rehme: Okay. Und bis zum nächsten Mal.
Trackbacks & Pingbacks
[…] Stephan Rüschen hat bereits in Folge 13 einen Überblick über den Lebensmittelhandel in Deutschland gegeben. Hier der Link dazu. […]
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!