Böhmermann: Bummeln zwischen Beton und Nagelbrettern
Kürzlich befasste sich Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royal mit deutschen Innenstädten. Und die kamen dabei nicht unbedingt gut weg. Bis heute haben sich über 1,1 Millionen Menschen die Sendung auf YouTube angesehen und ein Blick in die Kommentare zeigt, dass Böhmermann den einen oder anderen wunden Punkt getroffen hat.
Man muss Jan Böhmermann nicht mögen, doch finde ich die Punkte, die er anspricht, durchaus relevant. Natürlich ist es satirisch überhöht, doch schauen wir einmal, was er kritisiert:
- Eintönigkeit, fehlende Identität, jede Innenstadt sieht gleich aus
- Zu viel Beton und Glas, zu wenig Grün
- Fehlende (gefühlte) Sicherheit, z.B. für Frauen
- Frauen müssen für Innenstadttoiletten bezahlen, Männer nicht
- Mangelnde Barrierefreiheit
- Ultraschallgeräte und Flutlichtstrahler, mit denen Jugendliche vertrieben werden sollen
- „Defensive Architektur“, wie Metallspitzen auf U-Bahn-Schächten oder entsprechend gestaltete Parkbänke gegen Obdachlose
Böhmermann kritisiert die Städte für Dinge, auf die sie Einfluss nehmen können bzw. für die sie ursächlich verantwortlich sind und fasst seine Kritik in knackige Aussagen:
„In der Innenstadt geht immer nur eins: lungern oder bummeln. Und nein, Bummeln ist nicht mobiles Lungern. Bummeln ist mobiles Lungern mit Konsumoption.“ (Minute 5:38)
„Die Innenstadt ist so scheiße, wie sie ist, weil sie vor langer, langer, langer Zeit mal geplant wurde für Männer, die mit dem Auto zur Arbeit fahren.“ (Minute 11:29)
„Die Innenstadt stirbt, aber keiner soll sich hinsetzen können, um dabei zuzugucken. […] Liegen ist noch schlimmer als Lungern.“ (Minute 17:29)
„Alles für das Einkaufserlebnis. Weil…Obdachlose sind Schuld daran, dass die Innenstadt stirbt und die Kunden wegbleiben. Obdachlose. Und…Menschen mit Behinderung…und Frauen…und Jugendliche…und Menschen, die nicht einkaufen wollen…und überhaupt…überhaupt Menschen…und Bäume und Grünflächen, die den Autos den Platz wegnehmen. Dabei ist die Innenstadt doch so attraktiv, die darf nicht sterben. Wer sinnlosen Konsum will, der kauft im Internet…“ (Minute 19:04)
Natürlich arbeiten viele Verantwortliche in den Städten schon länger daran, die Attraktivität der Innenstädte zu verbessern. Es entstehen alternative Ansätze und Multi-Use-Konzepte für verschiedene Bevölkerungsgruppen. Doch leider ist auch in vielen Köpfen nach wie vor ein Bild der Innenstadt vorherrschend, das ausgedient hat. Und ich befürchte, bei dem zurzeit beobachtbaren Tempo der sichtbaren Veränderungen in den Innenstädten, dass wir alle noch viel Geduld brauchen werden.
Wer das Video nicht schauen möchte, kann im Stern eine Zusammenfassung lesen. (Dank an den Locationinsider für den Link).
Ja, Böhmermann hat schon Recht. Wie immer, hervorragend recherchiert. Aber er zeigt nicht einen Lösungsansatz. Meckern kann jeder, das hilft aber nicht weiter.
Ich sehe es nicht als Meckern, denn sein „Job“ als Fernsehmann und Satiriker ist es ja nicht, zu zeigen, wie es geht, sondern auf Missstände hinzuweisen. Die Lösungen müssen schon von den Beteiligten in den Städten gefunden werden, also Stadt, Handel, Immobilienbesitzer, Gastro etc.
Hier lesen ja viele dieser Menschen mit und ich bin gespannt, welche Lösungsvorschläge gemacht bzw. bereits umgesetzt werden. Gern hier in den Kommentaren. Wer sich nicht öffentlich äußern möchte, schreibt mir einfach: