Der Kampf gegen die Kunden – Weg mit den Beratungsklauern!
Wie geht man eigentlich mit Kunden um, die sich im stationären Handel ausgiebig informieren um dann online zum möglicherweise niedrigeren Preis einzukaufen? Eine Einschätzung von Zukunft des Einkaufens zum Thema Beratungsklau.
Hausverbot für Kunden
In Düsseldorf wird ernst gemacht: Die lokale Presse berichtete von einem Händler für Schulranzen, der Kunden, die sich beraten lassen und dann im Internet kaufen, konsequent Hausverbot erteilt. Das schärfste Schwert, das der Handel zu vergeben hat, wird dort gezückt. Damit stellt man die Kunden auf die gleiche Stufe wie Ladendiebe, eine Nachricht, die hoffentlich abschreckt. Und Abschrecken ist das richtige Wort, denn man schreckt damit auch die Kunden ab, die sich informieren möchten. Die Angst ist klar: Ich gehe in den Laden, lass mir die Produkte zeigen, und stelle fest, dass die Farbe, die ich haben will, nicht vorrätig oder nicht mehr lieferbar ist. Was dann? Kaufe ich das, was ich nicht will, um einem Hausverbot zu umgehen?
Beratungsklau ist so alt wie der Handel selbst
Wir Älteren aus der „Pre-Internet-Zeit“ können uns noch gut erinnern. Das war schon immer so: Man ging in ein Fachgeschäft, interessierte sich für eine Produktkategorie, schaute sich alles an und entschied sich für ein Modell. Anschließend begann dann die Zeit der Preisvergleiche. Das wussten auch die Verkäufer, die natürlich alles daran setzten, dem Kunden das Produkt direkt zu verkaufen. Das ist die Ur-Aufgabe von Verkaufspersonal.
Das hieß damals (und auch heute noch) Konkurrenz. Der Leistungsfähigste gewinnt.
Ein alter Ladenbesitzer im Ruhrgebiet hat seine Verkäufer selbst geschult. Ein wichtiger Satz war seine Grundlage: „Wenn der Kunde dich überzeugt, dass er nicht bei dir kauft, ist er der bessere Verkäufer!“. In dem Satz steckt viel Wahrheit.
Beratungsklau wird überschätzt
Aber zurück zu heute: Gibt es den Beratungsklau überhaupt? Findet Beratung, wie auch oft der Kauf, nicht auch im Internet statt? Wie oft checken Kunden direkt im stationären Handel die Bewertungen bei Amazon, um dann im Laden zuzuschlagen?
Bereits seit langem wurde das Phänomen analysiert: Die Unternehmensberatung Roland Berger untersuchte das Kaufverhalten von 42.000 Kunden. Diejenigen, die sich im Laden nur beraten lassen, danach aber online kaufen, haben bei den Online-Shops für rund sechs Milliarden Euro Umsatz gesorgt. Diejenigen, die nach einem Produkt- und Preisvergleich im Internet dann doch im Laden kauften, brachten dem Einzelhandel dagegen 68 Milliarden Euro Umsatz. Dieses Ergebnis sollte den Einzelhändlern stark zu denken geben – dem Märchen vom Beratungsklau setzt es auf alle Fälle außer Kraft.
Kontexte verkaufen, nicht der Preis!
Zurück zum Düsseldorfer Schulranzenladen, der übrigens auch einen eigenen Onlineshop hat und damit auch Kunden bekommt, die sich möglicherweise wo anders beraten lassen haben. Wir sind davon überzeugt, dass die Hausverbots-Nummer die falsche Strategie ist. Stationärer Handel hat gegenüber dem Onlineverkauf verdammt viele Vorteile, und die gilt es, dem Kunden aufzuzeigen:
- Die Ware kann sofort mitgenommen werden.
- Nicht 3 Tage warten oder in der Filiale abholen, weil man am Zustelltag nicht daheim war.
- Man sieht sofort, was man bekommt – kein Theater mit Rücksendungen
- Ist der billigste Anbieter im Web seriös und keine windige Garagenfirma?
- Umtauschen leicht und einfach
- After Sales Service
- Eine nette Atmosphäre
- Kombiangebote mit Komplementärartikeln anbieten
- Geschenkverpackungsservice anbieten
Ein kurzer Auszug von uns, aber es gibt sicherlich noch mehr: Jeder, aber auch jeder Händler sollte seine Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern (egal ob analog oder digital) auswendig kennen und an sein Personal weitergeben. Wer das nicht kann, sollte sich Unterstützung holen.
Kaufhindernisse abbauen statt Hausverbot
Bereits in einem älteren Artikel haben wir die Nr. 1 Shoppingkiller beschrieben. Es nützt nichts, wenn ich die oben genannten Vorteile alle aufzähle, ohne dass die Hygienefaktoren erledigt sind. Hier der Vollständigkeit halber noch einmal die Auflistung der absoluten Hausaufgaben:
Kundenbindung zählt
Viel wichtiger als der Verkauf, ist allerdings der Wiederkauf! Ist der Kunde einmal im Laden, muss ich ihn so überzeugen, dass er nicht nur kauft, sondern beim nächsten mal auch wiederkommt. Das kann kein Schnäppchenportal im Internet, dass muss man dem Kunden auch klarmachen: Man ist an einer Partnerschaft statt an einem Kunden-Lieferantenverhältnis interessiert. Das ist Beziehungsmanagement und nicht Warenmanagement. Eine sehr clevere Händlerin aus dem Hunsrück hat mir in diesem Podcast erklärt, dass sie keine Kunden hat, sondern Gäste! Wer Kunden hat, will deren Geld. Wer Gäste hat, der will, dass es ihnen gut geht!
Das Fazit
Wenn Kunden, die einmal in meinem Laden sind, nicht bei mir kaufen, sollte ich mir in erster Linie Gedanken über mich machen und nicht die Kunden mit einem Hausverbot verteufeln. Die öffentliche Wirkung einer derartigen Message ist katastrophal und zeigt wenig Kundenorientierung. Das kann auch schnell nach hinten losgehen!
Beitragsbild von shimmeringsue auf Pixabay und EHI
Der Artikel zeigt, das Einbahnstraßendenken in die falsche Richtung führt.
Als Kunde fragt man sich, warum sich der stationäre Einzelhändler wegen einer ggf. etwas geringeren Marge ein Geschäft mit dem meist kaufwilligen Kunden entgehen läßt. Oftmals ist dieser nämlich schon mit einer Annäherung an den Internetpreis zufrieden. Es ist Sache des erfolgreichen Händlers, das Verkaufsgespräch bei dem unschlüssigen Kunden in die Preisverhandlung zu lenken. Das Thema Internetpreis ist dabei nicht totzuschweigen, sondern proaktiv anzugehen.
Aber dann bleibt da noch der Deal-Breaker „Umtausch“. Die Inaussichtstellung eines Gutscheins wirkt in der heutigen Zeit abschreckend und ist für den ggf. unsicheren Kunden eine direkte Aufforderung des Händlers, die Ware doch besser im Internet zu kaufen. Dabei ist die Zahl von Rückläufern beim stationärem Kauf eher gering und oftmals auf den sehr begrenzten Fall des Geschenkumtauschs begrenzt. Das starre Denken, einen einmal realisierten Umsatz nicht mehr hergeben zu wollen, bedarf daher eines radikalen Umdenkes und Anpassens an die durch den Online-Handel geprägten neuen Realitäten.