Vom Printprospekt zum Data-Driven Marketing: Strategien für die Handelswerbung der Zukunft
“Printprospekte entfalten eine so große Pull-Wirkung, ohne geht es nicht!” – dieses Argument hört man immer noch häufig, wenn das Gespräch auf den Mediamix im Handelsmarketing kommt. Und tatsächlich investieren deutsche Einzelhändler nach wie vor Jahr für Jahr große Summen in die gedruckten Prospekte. Ein Umdenken setzt jedoch langsam ein: Im Jahr 2016 sank der Printanteil an den Handelsbudgets (darunter fallen neben Printprospekten zum Beispiel Anzeigen und Kundenmagazine) erstmals auf unter 50 Prozent, so eine Untersuchung des Kölner Handelsforschungsspezialisten EHI Retail Institute. Additive Werbeformen wie Online, Mobile, TV und Radio hatten zum ersten Mal insgesamt die Nase vorn.
Eine begrüßenswerte Entwicklung, immerhin wirken Printprospekte in der heutigen digitalen Marketing-Welt fast schon wie ein Anachronismus. Hohe Print-Werbeverweigerungsquoten von durchschnittlich knapp 25 Prozent in Ballungsräumen sowie steigende Druck- und Verteilkosten setzen dem Handel zu, und auch die vielbeschworene Pull-Wirkung der Prospekte lässt sich nicht ohne Weiteres nachweisen. Schließlich ist es nach wie vor kaum möglich zu belegen, wie viele Prospekte tatsächlich erfolgreich zugestellt oder gar von Verbrauchern gelesen wurden. Zeit also für stationäre Einzelhändler, sich nach Ergänzungen oder gar Alternativen zur teuren und wenig zielgerichteten Printprospektverteilung umzusehen und sich noch stärker als bisher mit digitalen Möglichkeiten im Handelsmarketing zu befassen.
Der entscheidende Vorteil dabei: Wer sein Marketing digitalisiert, erhält eine Menge nützlicher Daten, mit denen sich die eigene Angebotskommunikation zielgerichteter, effizienter und professionalisierter gestalten lässt – Stichwort Data-Driven Marketing. Doch welche Strategien braucht es im Umgang mit den Daten und welche Chancen bieten sie dem Handel?
1. Daten sammeln – aber die richtigen
Wer als stationärer Händler Schritte in Richtung digitales Marketing unternimmt, wird im Vergleich zur Nutzung traditioneller Kanäle mit einer großen Menge an Daten konfrontiert. Händler, die auf digitale Prospektverteilung setzen, erfahren etwa, wie häufig und wie lange ihre Prospekte gelesen werden, wie viele Seiten die Nutzer blättern, zu welchen Tageszeiten und Wochentagen ihre Prospekte am beliebtesten sind, woher ihre Leser kommen, etc. Ein wahrer Schatz, den es zu heben gilt! Doch einen großen Datenbestand zu managen, kann auch zur Herausforderung werden.
Daher gilt: Einzelhändler sollten sich genau überlegen, welche Daten für ihre Strategie wirklich notwendig und aussagekräftig sind. Wo liegen die größten Hebel? Welche KPIs können herangezogen werden, um deren Entwicklung zu messen? In welchem Rhythmus sollten sie ausgewertet werden? Wer sich gleich zu Beginn Gedanken darüber macht, welche Daten er braucht und wie er sie erheben und auswerten möchte, riskiert nicht, sich aufgrund der schieren Menge der Daten zu verzetteln und den Blick fürs Wesentliche zu verlieren.
2. Die Kunden kennen lernen – und ihnen geben, was sie verlangen
Wer seine Daten gezielt auswertet, wird viel über seine Interessenten und Kunden lernen. Wofür interessieren sie sich ganz besonders? Wann sind sie am besten für meine Inhalte erreichbar? Und wo halten sie sich überhaupt auf? Wer die Antworten auf diese Fragen kennt, hält den Schlüssel zu weiteren, effizienten Marketing-Kampagnen bereits in der Hand. Denn damit wird es möglich, Verbraucher gezielt mit für sie besonders relevanten oder gar personalisierten Inhalten anzusprechen.
Ein Beispiel dafür sind etwa Kampagnen mit Push-Nachrichten, bei denen passender Content – zum Beispiel neue Angebote, Rabattaktionen, Coupons oder Gewinnspiele eines Händlers – direkt aufs Smartphone des Users kommen. Über Geo-Targeting ist es möglich, Nutzer genau dann anzusprechen, wenn diese sich in der Nähe der Filiale des jeweiligen Händlers aufhalten und so die Angebote direkt in Anspruch nehmen können.
3. Erfolge genau messen – bis in die Filiale
Dass gezielte Maßnahmen wie die oben skizzierten eher zum Erfolg führen als breit gestreutes Marketing nach dem Gießkannen-Prinzip, liegt auf der Hand. Das Schöne ist jedoch: Digitale Marketing-Kanäle ermöglichen es, ihren Erfolg auf Basis eines präzisen Trackings genau zu messen. Einzelhändler erfahren so zum einen, wie viele User sie wirklich mit ihren Prospekten, Angeboten oder Push-Nachrichten erreicht haben.
Zum anderen ermöglichen geobasierte Dienste mittlerweile den “Brückenschlag” zwischen Online- und Offline-Welt. Über Geofencing oder mit Hilfe von Beacons lässt sich nachweisen, wer nach dem Blättern in einem digitalen Prospekt oder dem Betrachten von Angeboten online eine Filiale des Händlers aufgesucht hat, wie lange er sich dort aufgehalten hat und über Nutzerbefragungen auch, wie hoch der Warenwert des Einkaufs war. So können stationäre Händler jederzeit den Erfolg ihrer digitalen Marketing-Maßnahmen bestimmen und deren ROI berechnen.
Fazit
Data-Driven Marketing ist nicht nur das aktuelle Buzzword der Stunde, sondern eine Strategie, die sich für den stationären Handel wirklich auszahlt. Die Digitalisierung der Marketing-Aktivitäten und der damit einhergehende Gewinn von Daten machen es für Einzelhändler möglich, in ihrer Angebotskommunikation ein Maß an Relevanz und Personalisierung zu erreichen, das bisher nur dem Online-Handel vorbehalten war. Damit legen sie den Grundstein dafür, über gezielte Maßnahmen die Kundenfrequenz und die Umsätze in ihren Filialen zu steigern – und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, denn zielgerichtete Werbung kommt auch bei Verbrauchern besser an.
Über den Autor: Benjamin Thym ist Gründer des Dienstes barcoo und seit der Fusion von barcoo und Marktjagd im Jahr 2016 Geschäftsführer des gemeinsamen Unternehmens Offerista Group. Sein Ziel ist es, Händler und Hersteller mit digitalen, standortbasierten Diensten dabei zu unterstützen, Kunden für ihre Filialen zu gewinnen und ihre Umsätze zu steigern. Dafür bietet die Offerista Group mit ihren Apps barcoo und Marktjagd Händlern und Herstellern verschiedene Möglichkeiten des standortbezogenen Marketings an – u.a. digitale Prospekte und Push-Kampagnen.
Danke für den Artikel Herr Thym.
Print ist in meinen Augen nicht tot, sondern man sollte die Dominanz des Mediums, besonders in Betracht auf die Aufteilung der Werbeausgaben in den unterschiedlichen Medien, hinterfragen.
Deshalb finde ich Ihre Argumentation, im zweiten Absatz, schwach. Wir sollten nicht die Eigenschaften des Mediums schlecht reden, die sind nämlich so wie sie sind, sondern an der Art, wie Werbetreibende entscheiden, wie sie ihr Budget aufteilen, arbeiten.
Die Frage „Print j/n“ oder „Digital j/n“ sollte meiner Meinung nach ja sowieso immer nur davon abhängen, wen man überhaupt erreichen möchte.