Click & Collect in Deutschland: So sehen Praxis und Erfolgsfaktoren aus.
Click & Collect ist derzeit das Zauberwort der Branche, und das aus meiner Sicht nicht zu unrecht. Für viele Verbraucher ist damit nicht unbedingt die Möglichkeit verknüpft, kanalübergreifend zu kaufen (wobei Kunden eh nicht in Kanälen denken), es geht viel mehr um die Vorbereitung des stationären Einkaufs: Ist der Artikel, den ich brauche, auch stationär verfügbar? Lohnt sich der Weg in den Store?
Unterschiedliche Retail Segmente benötigen unterschiedliche Lösungen.
In unserem Blog hat bereits Heike Scholz in ihrem Artikel den allgemeinen Status und die Lösungen jenseits unserer Grenzen beleuchtet.
Ich möchte an dieser Stelle das Thema noch einmal aufgreifen und speziell die Nutzerperspektive beschreiben. Generell wird das Potenzial, das Click & Collect bietet, bei Weitem nicht ausgeschöpft. Das fängst schon beim Namen an: Das ECC hat zusammen mit Hybris in einer Untersuchung festgestellt, dass rund 90% der Kunden mit dem Begriff allein schon nichts anfangen können. Kurzum: Man bietet einen Service mit einer Wortschöpfung an, den der Kunde nicht versteht.
Zudem ist folgendes Phänomen zu beobachten: Aus Rücksicht auf eine falsch verstandenen Wunsch der Zeitersparnis für den Kunden wird das Cross-Selling Potenzial dieses Vertriebsweges viel zu wenig genutzt. Da sieht konkret dann so aus: Bestellt man beim Media Markt, muss man zum Abholen den Markt gar nicht mehr betreten. Es gibt eine separate Ausgabestelle mit eigenem Parkplatz davor. In der Regel dauert dann der Abholvorgang nur wenige Minuten, ein echter „Touchpoint“ ist das nicht.
Anders bei C&A: Ein eigener Bereich mit der Möglichkeit der Anprobe und des weiteren Stöberns im Internet durch Tablets erwartet den Kunden. Da die C&A Häuser meist in Innenstadtlagen sind, ist die größte Hürde für den Käufer das Thema Parken. Ist diese aber wegen des Abholwunsches erst einmal genommen, lohnt es sich noch den Kunden zum Verweilen zu animieren.
Inspire me or speed me up!
Diese beiden Beispiele zeigen 2 grundsätzliche Ansätze: Maximale Zeitersparnis auf der einen Seite, ein möglichst hohes Shopping-Erlebnis auf der anderen. Das hat mit mehreren Faktoren zu tun:
Die verschiedenen Sortimente haben natürlich auch einen anderen Emotionsfaktor. Während bei Consumer Electronic das Produkt eher als „von der Stange“ und damit vom Lieferanten unabhängig wahrgenommen wird, ist Kleidung doch sehr individuell. Sitzt die Hose richtig? Passt der Farbton zu meinen neuen Sommerschuhen? Dafür nimmt man sich gern mehr Zeit!
Auf der anderen Seite ist natürlich das Wettbewerbsumfeld zu betrachten: Während man im Consumer Electronic Bereich gegen ein Maximum an Zeitersparnis und Preistransparenz antritt, ist im Fashionbereich der Wunsch nach individueller Beratung und Inspiration im Vordergrund. Das zeigen die derzeit stark wachsenden Formate im Bereich des Curated Shoppings, die wir bereits hier und hier beleuchtet haben.
Ein anderes Phänomen ist bei Franchise-Nehmern zu beobachten, die als Abholstation eines Webshops des Franchisegebers dienen. Man ist als Händler dabei gut beraten, dem Kunden beim Abholen das Produkt wieder auszureden und ein anderes zu verkaufen. Hintergrund ist die Abhol-Minimarge, die man i.d.R. bekommt und die man gern gegen seine eigene (höhere) austauschen möchte.
Im Foodbereich gelten andere Regeln.
Kommen wir nun zum Lebensmittelbereich, in dem komplett andere Regeln gelten. Während im NonFood Bereich man lieber vom „Shoppen“ spricht, ist im Food Bereich eher vom „Einkaufen“ die Rede. Bemerken Sie den Unterschied? Lebensmittelkauf ist eher Teil der individuellen Supply Chain, die einfach nur abgearbeitet gehört, obwohl ich in diesem Bereich auch schon den vermehrten Wunsch nach Erlebnisshopping beobachte. Generell haben sich hierbei aber 3 Hauptkonzepte durchgesetzt:
- Die Drive-In Lösungen, die auch wieder in 3 Unterkategorien zu unterteilen sind: Stand alone, also eigenständige Formate sowie Side by Side (neben einem klassischen Markt) und Instore-Kommissionierung (die teuerste Variante des Konzeptes).
- Box Shopping wie z. B. Emmas Box oder die gerade vorgestellte Lösung der Supermarktkette Klaas + Kock. Einkaufen per Smartphone und Abholen an der Packstation.
- Die klassische Kommissionierlösung im Supermarkt an der Ecke, der diesen Service mit geringem Aufschlag anbietet.
Click & Collect bietet gegenüber dem klassischen Lieferservice den Vorteil, das man sich den Abholzeitpunkt selbst aussucht und auf viel Verpackungsmüll verzichten kann. Generell tut sich der deutsche Lebensmittelkäufer aber schwer mit diesen Formaten: Man will die Ware begutachten, bevor man kauft und ist auch nicht immer mit den Substitutionsartikeln zufrieden.
Das sind die 3 wichtigsten Hygienefaktoren
Kommen wir zu den Kern-Erfolgsfaktoren für Click & Collect Konzepte.
- Erster Punkt: Der Standort, und damit ist neben dem Physischen auch der Virtuelle gemeint. Wie schaffe ich eine ausgewogene Kombination aus Convenience und Performance, möglichst mit hohem Erlebnisfaktor in beiden Bereichen? Wie erreiche ich eine Echtzeit-Bestandsführung in meinem Warenwirtschaftssystem mit direkter Anbindung an den Webshop? Die größte Enttäuschung beim Kunden entsteht bei einer nicht Lieferbarkeit von Artikeln, die er sich in den virtuellen Einkaufswagen gelegt hat und die ggf. durch Substitutionsartikel ersetzt werden.
- Zweiter Punkt: Die Marketingaufwände und -maßnahmen sind nicht zu unterschätzen. Man muss eine deutlich andere Kundenansprache anwenden, die entsprechend andere Mittel verlangt; schließlich muss man doch dem Kunden eine für ihn neue Art des Einkaufens ankonditionieren.
- Dritter Punkt: Das Abholerlebnis muss passen, auf keinen Fall darf der Eindruck einer Postausgabestelle entstehen! Gegenüber jedem klassischen Pureplayer ergibt sich hier der Vorteil, das Potenzial eines physischen Touchpoints nutzen zu können. Hier entsteht der berühmte letzte Eindruck, an dem man unbedingt den Wunsch auf einen Wiederkauf beim Kunden verankern kann.
Generell kann man Click & Collect als eine große Chance für den stationären Handel ansehen, die unbedingt ergriffen werden sollte. Versuch macht klug, man wird nur eine Lösung finden, wenn man beginnt, eine auszuprobieren. Es bleibt spannend!
Bild: Tobit Software
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