ZDE Podcast 129: Die Zukunft des E-Commerce mit Sophie Frères
Wie geht Online Shopping in 10 Jahren? Darüber spricht Marilyn Repp mit Social Commerce Expertin und Unternehmerin Sophie Frères. Die Pandemie war ein Booster für Live Stream Shopping und den E-Commerce im Allgemeinen. Wohin geht die Reise? Und wohin nicht?
In China werden über Soziale Medien und Live Stream Shopping bereits große Teile des gesamten E-Commerce umgestezt. Im Vergleich dazu sind die Marktanteile in Deutschland und Europa noch gering. Warum das so ist und was Einzelhändler:innen tun können, um den Hype nicht zu verpassen und sich für die Zukunft zu wappnen – im Zukunft des Einkaufens Podcast klärt Sophie Frères im Gespräch mit Podcast-Host Marilyn Repp auf.
Shownotes
Die wichtigsten Schnitte vom Onlineshop zum Online-Entertainment
Live Streaming Teil 1 – Nonsens oder zukunftsweisend?
LIVEBUY: Das Unternehmen der Zukunft – Livestream Buying Teil 3
5 Top-Tipps für die erfolgreiche Nutzung von Live-Formaten
Die Folge zum Nachlesen
Hallo und Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens Podcast. Mein Name ist Marilyn Repp. Ich beschäftige mich mit Innovation, Trends und Digitalisierung im Handel. Heute sprechen wir mit meinem Gast, mit meiner Gästin über das Thema Zukunft des E-Commerce. Wer hätte das gedacht – wir sind schon mittendrin. Heute geht es um das ganze Thema Live Shopping bzw. Social Commerce. Das hatten wir hier im Podcast und auch auf dem Blog von Zukunft des Einkaufens schon mehrfach. Das bedeutet verkaufen über Social-Media-Plattformen, zum Beispiel über Insta Live. In Asien ist das schon ein riesiger Markt mit erheblichen Marktanteilen, auch im gesamten Bereich des E-Commerce. In Deutschland bzw. im gesamten Westen ist das eher noch Verhalten in der Anwendung. Auch darüber werden wir heute sprechen. Ich habe hier heute die Sophie Frères zu Gast. Sie ist Gründerin von LiSA, einem Startup, das Live Shopping Lösungen für Retailer anbietet. Sie war zuvor bei der Metro und ist jetzt auch Dozentin an der Columbia Business School rund um das Thema Live-Streaming und Online-Shopping. Ich habe also eine absolute Expertin, was das Thema angeht, hier an der Strippe. Jetzt habe ich dich kurz vorgestellt. Was habe ich vergessen?
Sophie Frères: Das klang doch gut.
Marilyn Repp: Du kannst gern noch ergänzen.
Sophie Frères: Wir bei LiSA beschäftigen uns mit zwei Themen, Social Commerce und Live Shopping, das hast du schon richtig erklärt. Ich bin Mitgründerin und CEO. Ich war vorher in der Tat sogar über 10 Jahre bei der Metro und habe da zuletzt den Innovationsbereich mit aufgebaut und habe mich dort auch schon viel mit dem Thema befassen dürfen, wie Technologien neue Einkaufserlebnis ermöglichen. Ich war damals ehrlicherweise auch ein bisschen überrascht darüber, wie wenig Menschen es tatsächlich gibt, die sowohl auf der einen Seite Technologien gut genug verstehen und auf der anderen Seite Kunden aber auch gut genug verstehen, um aus diesen Technologien Einkaufserlebnisse zu schaffen, die wirklich geil sind und Spaß machen, oder einen wirklichen Mehrwert haben. Diese Herausforderung zwischen Technologie und Kunde zu übersetzen, haben wir uns dann auch bei LiSA angenommen, weil wir gemerkt haben, dass der Einzelhandel einfach ein bisschen Hilfe braucht, das besser zu machen. So bin ich von dem einen Job im Großkonzern, in die Selbstständigkeit gegangen, um dem Einzelhandel zu helfen.
Marilyn Repp: Sehr schön. Vielleicht können wir noch mal ganz kurz auf die Thematik Social Commerce und auch Live Shopping eingehen. Vielleicht kannst du noch mal ganz kurz definieren, was das ist und wie sich das in den letzten Jahren entwickelt hat. Wir haben durch Corona in dem Bereich einen absoluten Booster festgestellt, oder?
Sophie Frères: Ja und nein. Zunächst, was ist das überhaupt? Da haben wir eine sehr andere Hypothese als die, die vorherrschend ist. Tatsächlich habe ich in deiner Einleitung gemerkt, was aus Social Commerce definiert, als Einkäufe, die über Social Media Erlebnisse stattfinden. Das ist zum Teil richtig, aber eben nur zum Teil. Das ist tatsächlich das, was wir gerade massiv versuchen aufzubrechen. Denn wenn das Verständnis für das, was es ist, im Westen allgemein nicht richtig ist, dann können wir es auch nicht richtig umsetzen. Es wird einfach nicht funktionieren. Also klären wir erst mal die Frage, was das überhaupt ist. Also Social Commerce ist im Prinzip eine Verbindung aus sozialen und interaktiven Erlebnissen und der Fähigkeit, direkt aus diesem Erlebnis etwas zu kaufen. Das heißt aber nicht und das ist das, was typisch im Westen der Fall ist, was wir denken, dass es zwingend auf einer Plattform passieren muss und dass es nicht zwingend auf Social Media stattfinden muss. Wenn du es allerdings googlest und so bist du wahrscheinlich auch zu dieser Definition selbst gekommen, steht dort, dass Social Commerce Einkäufe über Social Media stattfinden. Das ist exakt das, was wir versuchen aufzubrechen. Richtig ist, dass Social Commerce ein nahtloses Erlebnis oder Verbindung von Erlebnis und Einkauf ist. Was falsch ist, ist, dass es zwingend auf einer Plattform stattfinden muss. Genau durch diesen Gedanken, dass es auf einer Plattform stattfinden muss, grenzen wir uns im Westen tatsächlich auch gedanklich sehr ein und das ist eigentlich auch schon fast das größte Problem bei dem Ganzen.
Marilyn Repp: Okay, also eine Tupper Party ist auch Social Commerce?
Sophie Frères: Wenn sie irgendwie digital stattfindet. Ein ganz anderes Beispiel ist, wenn ich etwas aus einem Game kaufe, wo auch eine Community unterwegs ist. Also sagen wir mal, Twitch führt gleichzeitig Shopping in seinen Games ein, dann ist das auch Social Commerce. Es ist auch Social Commerce, wenn ich ein jetzt beispielhaft ein Live-Events auf einer Media Plattform konsumiere und direkt daraus kaufen kann und interagieren kann mit anderen Menschen. Es gibt ja zum Beispiel auch Widgets, die man im Onlineshop einbinden kann, wo ich gemeinsam mit meinen Freunden Produkte entdecken kann, mich austauschen kann und direkt shoppen kann. Das wäre auch ein Beispiel von Social Commerce. Also du siehst, es gibt extrem viele Beispiele. Livestream Shopping ist eben nur eines davon. Es ist zwar auch das mit dem größten Umsatzanteil, weil es einfach auch extrem viel Return on Invest, wie man so schön sagt, für den Einzelhandel bringen kann, aber es ist eben nur ein Beispiel.
Marilyn Repp: Verstehe. Diese Beispiele setzt ihr quasi bei LiSA dann technologisch um. Habe ich das richtig verstanden?
Sophie Frères: Genau. Es gibt vielleicht zwei Komponenten. Wir müssen da ein bisschen unterscheiden zwischen was ist langfristig bei LiSA unser Ziel und was machen wir heute im ersten Schritt, um dieses ich sag mal langfristige Ziele zu erreichen. Langfristig ist unser Ziel, dass wir wirklich nahtlose Nutzer Erlebnisse online ermöglichen wollen, nahtlose Social Commerce Erlebnisse, die aber eben von mir aus auch über fünf Plattformen gleichzeitig stattfinden. Das heißt, für den Nutzer muss es nahtlos sein. Ob ich zum Beispiel eine Einladung bekomme und auf der Media Plattform lande, weil ich rein hypothetisch jetzt bei gala.de ein Event gucke und daraus dann direkt bei Amazon was kaufen kann, wäre egal, solange das nahtloses Erlebnis ist.
Marilyn Repp: Also nahtlos bedeutet, dass ich nicht auf eine andere Seite klicken muss, oder wie meinst du das?
Sophie Frères: Genau. Nahtlos bedeutet für mich, dass es für mich alles in einem Erlebnis stattfindet und dass wenn ich jetzt zum Beispiel, noch mal rein hypothetisch, bei gala.de auf den Produktlink klicke, ich dann nicht raus fliege, sondern gleichzeitig das Produktfenster öffnet oder der Stream mir dorthin folgt, wie auch immer das gelöst ist, aber das ich im Prinzip weiterhin den Livestream konsumieren kann und gleichzeitig das Produkt kaufen kann, von mir aus eben auch auf einer anderen Plattform und vielleicht sogar über eine dritte Plattform. Gleichzeitig bezahle ich aber nicht jetzt heute, weil ich zum Beispiel auf YouTube ein Video gucke, auf einen Produktlink klicke, in ein neues Fenster gebracht werde und wieder bei Adam und Eva anfangen muss. Heute finden diese Erlebnisse alle in ihren Silos, wenn du so willst, statt. Was wir uns bei Lisa als langfristiges Ziel gesetzt haben, ist diese Ermöglichung von Cross Plattformen. Erlebnissen, die völlig nahtlos sind für den Nutzer, damit man eben nicht immer hin und her springen muss, seine Daten fünf Mal eingeben muss oder was auch immer. Das ist was wir langfristig ermöglichen wollen. Als ersten Schritt dorthin haben wir gesagt, dass die größte Nuss zu knacken der Einzelhandel ist und die, die das Potenzial haben, das in ihrem bestehenden Ökosystem schon relativ nahtlos anzubieten. Das sind tatsächlich die E-Retailer in ihren Onlineshops, weil sie da in der Regel die Produkte und die Zahlfähigkeit schon haben. Das heißt, wenn Sie ein Live Shopping Erlebnis anbieten wollen, dann können sie das eben, wenn das integriert wird, Ihren Online-Shop schon in einer sehr nahtlosen Art und Weise auf Ihrer eigenen Plattform machen. Deswegen haben wir beschlossen, es macht Sinn, erst mal auf den Einzelhandel zuzugehen und zu sagen, guck mal, hier hast du eine Softwarelösung, hiermit kannst du Live Shopping in deinem eigenen Onlineshop betreiben und deinen Kunden, die du schon hast, eben diese nahtlosen Erlebnisse auf deiner eigenen Plattform zumindest schon mal anbieten. Deswegen im Schritt eins worauf LiSA sich die letzten zwei, drei Jahre konzentriert hat, ist eben das Entwickeln und das Anbieten von Software für den Einzelhandel, das Live Shopping ermöglicht.
Marilyn Repp: Ja, jetzt hast du schon angesprochen, wohin die Reise gehen soll, oder wohin ihr glaubt, dass sie gehen wird, vom Markt her. Nämlich dass das ganze Thema Silos aufgebrochen wird. Vielleicht kannst du das noch mal ein bisschen erläutern, damit die Zuhörer das ein bisschen besser verstehen können. Was meinst du mit Silos und wie wollt ihr die verbinden?
Sophie Frères: Genau das ist so ein bisschen einhergehend wahrscheinlich mit der Frage, warum Live Shopping und Social Commerce generell in China so erfolgreich ist. Ich würde beide Fragen miteinander verbinden, weil es tatsächlich auch gar nicht ohne geht. Um zu verstehen, wie es hier sein muss, ist es zu verstehen, wie es in China schon ist. Das heißt nicht, dass wir alles so machen müssen wie in China. Das ist nicht das, was wir damit sagen. Aber zumindest das Ökosystem zu verstehen, wie es funktioniert, ist halt wichtig, um zu verstehen, was sich hier verändern muss, damit es ja auch so groß werden kann. Insofern klären wir zunächst die Frage, warum das in China so wahnsinnig schnell akzeptiert worden ist und jetzt schon einen so wahnsinnig hohen Anteil vom gesamten Online Handel ausmacht. Ich glaube nach meinen letzten Zahlen macht Social Commerce insgesamt irgendwas zwischen 30 und 35 Prozent vom Welthandel in China aus und Live Shopping ungefähr 20 Prozent. Also noch mal, Live Shopping ist ein Beispiel von Social Commerce. Wie konnte das passieren? Wenn wir uns das Ökosystem da drüben angucken, haben sie so eine Art Leapfrogging gemacht. Als wir hier Internet und Online-Handel im Westen aufgebaut haben, fing das in China erst später an. Sie haben aber diese ganze Ära des Desktops Onlineshoppings komplett übersprungen und sind direkt auf Mobile gegangen. Das ist die eine Sache, dass sie von vornherein damit die Erlebnisse und Experiences für mobil optimiert haben. Der andere Punkt ist eben, dass du riesen Player hast wie ein Alibaba. Wir tendieren dazu, Alibaba zum Beispiel mit Amazon zu vergleichen und zu sagen, dass Alibaba wie Amazon ist. Das ist ein Onlineshop und ein ziemlich großer Marktplatz. Ja, das ist richtig, aber sie sind eben auch noch 10000 andere Dinge, die wir gar nicht zwingend auf dem Schirm haben. Sie sind nämlich auch Social Media Plattformbetreiber, sie sind Creator Plattformen, sie sind Payment Anbieter, um jetzt mal nur ein Beispiel zu nennen. Das heißt, das ist ein ganz anderes Ökosystem und das ist alles miteinander natürlich vernetzt, weil es ein Ökosystem ist. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass die verschiedenen Player generell im Ökosystem auch ein WeChat zum Beispiel völlig offen und opensource ist. Das heißt, die grenzen sich nicht alle in sich ab und es ist nicht so, dass jeder versucht, für sich selbst sein eigenes Brot zu backen und ausschließlich alle Daten, wenn du so willst und alle Erlebnisse nur auf seiner Plattform stattfinden zu lassen, sondern es gibt eben Schnittstellen. Dadurch kann ich eben als Nutzer völlig nahtlos durch diese ganzen verschiedenen Touchpoints navigieren und so ist das von vornherein gewachsen. Das heißt, sie haben eine ganz andere Ausgangssituation, wenn du dir das Ökosystem anguckst. Wenn wir es uns hier angucken, haben wir unsere netten kleinen Eimerchen oder Körbchen, wo alles so schön in seinem kleinen Körbchen ist und das wird gerade Schritt für Schritt aufgebrochen. Ich glaube, das wird viel, viel schneller gehen, als vielen vielleicht auch lieb ist. Ich mein, guck dir den struggle an, den Facebook hat.
Marilyn Repp: Was meinst du genau?
Sophie Frères: Ja, oder auch TikTok. Momentan ist es ganz interessant. TikTok in China zum Beispiel macht Live Shopping schon länger und eben auch in Kooperation mit den großen E-Commerce Anbietern. Du kannst, so wie ich es verstanden habe, auf TikTok in China Live Shopping machen und der Produkt Feed kommt direkt von einem Onlineshop. Das heißt TikTok in China ist offen für diesen Produkt Feed aus dem Online-Shop und für nahtlose Erlebnisse. Hier auf TikTok habe ich das noch nicht gesehen. Hier fängt TikTok an mit Live Shopping zu experimentieren. Aber sowohl die Content Creator Community soll ausschließlich auf TikTok leben und die Einkäufe sollen auch direkt über TikTok stattfinden. Das heißt, du müsstest als Einzelhändler dein Produkt auf TikTok listen, um es dort durch einen Livestream shopable machen zu können. Genauso funktioniert Facebook Shops. Spannendes Konzept übrigens für kleine Einzelhändler bei Facebook Shops, denn sie können dort ihre Produkte listen. Das ist auch total empfehlenswert, sofern dir zwei Dinge nichts ausmachen und das ist zum einen, dass deine Produkte bei Facebook gelistet sind und dass Facebook weiterhin die Hoheit über deine ganzen Kundendaten hat. Das heißt als Einstiegspunkt um damit zu experimentieren super, aber sobald ein Einzelhändler eine gewisse Größe im Produktsortiment erreicht hat, ist es nicht mehr machbar, deine Sachen doppelt bei Facebook zu listen. Zweitens will man ja als Einzelhandel eigentlich mit Facebook so zusammenarbeiten, dass man kollaboriert und sagt ok, ich kann gerne mein Publikum auf eurer Plattform über eure Plattform ansprechen, aber ich muss irgendwie ja auch darüber Kunden für mich generieren. Dieses kollaborative und diese Schnittstelle zwischen Social Media und Einzelhandel ist jetzt nur ein Beispiel zwischen zwei Silos, die mehr miteinander arbeiten sollten und auch müssen. Das wird jetzt auch kommen und das wird jetzt generell aufgebrochen werden. Ich glaube wenn solche Player wie LiSA kommen und sagen, wenn ihr das unter euch nicht klären könnt, dann lass uns doch mal überlegen, ob wir eben durch headless Lösungen oder durch smarte Schnittstellen das faciliaten, oder vereinfachen können, dass diese nahtlosen Erlebnisse stattfinden. So sehen wir unsere Rolle.
Marilyn Repp: Also jetzt haben wir die Silos verstanden. Die hast du verständlich erklärt und ihr profitiert sozusagen von den Silos bisher. Ihr seht aber auch eine langfristige Lösung oder habt eine langfristige Lösung für diese Probleme ins Auge gefasst, nämlich diese nahtlosen Erlebnisse. Was sollen denn jetzt auch kleine Einzelhändler machen, um von dem ganzen Thema Social Commerce in Zukunft profitieren zu können? Wo kann man denn da anfangen? Ist das überhaupt was für Kleine? Was würdest du sagen?
Sophie Frères: Definitiv. Wir haben jetzt erst mal mit größeren angefangen, weil sie einfach schon eine größere Kundenbasis haben, an die sie solche Erlebnisse wie Live Shopping anbieten können. Aber das, was im Endeffekt Live Shopping erfolgreich macht, ist etwas, was aus meiner Sicht der kleinere Einzelhändler wahrscheinlich sogar besser oder schneller besser kann. Das heißt nicht, dass sie mit Lösungen wie uns sinnvollerweise arbeiten sollten, sondern es gibt andere Lösungen, mit denen man erstmal experimentieren kann, um seinen Weg zu finden. Was im Kern das Format Live Shopping erfolgreich macht, ist eben eine gewisse Authentizität und ein großes Vertrauen zu der Person, die da gerade die Live-Show macht. Da muss ich sagen, habe ich das Gefühl, dass manchmal der große Einzelhandel, aufgrund der Prozesse, wie sie einfach schon gelebt werden, sich manchmal selbst im Weg steht. Das Hauptproblem, was wir generell sehen und das ist nicht nur auf Deutschland bezogen, das bezieht sich auf alle möglichen Länder, in denen wir arbeiten ist, dass die etwas etablierteren Einzelhandelsunternehmen Live Shopping zunächst als Werbe Kanal sehen und dann wird für diesen vermeintlichen Werbe Kanal entsprechend Content produziert, wie ich das sonst auch für meine anderen Werbe Kanäle machen würde. Das zweite ist, sobald du von Live Shopping im Westen sprichst, alle direkt an QVC, Teleshopping, oder was auch immer denken. Es passieren zwei Dinge, sie denken, ich muss Content produzieren im klassischen Sinne und am besten baue ich mir also dafür ein Studio auf und versuche QVC nachzumachen. Das führt dann halt oft nicht zum richtigen Ergebnis. Für QVC selbst übrigens auf jeden Fall. Das ist nochmal ein ganz anderes Thema. Diese Idee, die da einfach fest verankert ist, wie es auszusehen hat, steht manchmal dem wirklich kreativen und dem wirklich authentischen Content im Weg. Da sehe ich tatsächlich fast ein Vorteil für kleinere. Die würden es sich auch gar nicht erst leisten können, große Studios aufzubauen und Kamerateams zu engagieren, sondern Smartphone, gutes Licht, gutes WLAN und los geht’s. Sobald viele Kunden, mit denen wir arbeiten, anfangen mit anderen Content Formaten zu experimentieren, also zum Beispiel den Stylisten in ihren Geschäften das in die Hand zu geben oder ihren Einkäufern, die vor der Kamera gut sind, ist das interessanterweise der Content, der auch beim Publikum gut ankommt. Das ist viel günstiger zu produzieren und das ist kommt gut an, weil es authentischer ist. Ich glaube, da haben die Kleinen tatsächlich irgendwo, ob sie es selber so sehen oder nicht, tatsächlich einen Vorteil, weil sie gar nicht erst anfangen würden, riesen Apparate aufzubauen.
Marilyn Repp: Ja, also da sind wir ja bei dem ganzen Thema Corporate oder Inhouse Influencer. Auch da gibt es tolle Beispiele bei kleinen Unternehmen, die das auch schon super umgesetzt haben, wie bei Fräulein Mode und Wohnen, die wir ja immer wieder featuren. Wo die Geschäftsführerin einfach wahnsinnig aktiv ist auf Social Media und sich da so als kleiner Influencerin auch tatsächlich schon aufgebaut hat und wahnsinnig viele Follower in den sozialen Netzwerken hat. Auch das ist total authentisch. Das muss man natürlich irgendwie auch wollen und können und man braucht auch einen langen Atem dafür und das fehlt dann irgendwie manchmal, habe ich zumindest festgestellt, in vielen Projekten mit kleineren Einzelhändlern, die dann ja irgendwann dann doch wieder damit aufhören oder wo dann vielleicht eine Mitarbeiterin dafür begeistert wird, es zu machen und dann vielleicht nach einem halben Jahr sagt das mag ich jetzt doch nicht mehr machen. Da hattest du mir im Vorfeld auch eine andere Möglichkeit erläutert, nämlich das ganze Thema öffnen und nicht so zentral sehen, sondern vielleicht auch einfach mal die Kundinnen live schalten und das Ganze ein bisschen streuen. Das kann ja absolut der Content Produzent sein.
Sophie Frères: Ja, absolut. Bei den größeren Einzelhändlern, mit denen wir arbeiten, sehen wir, dass zum Beispiel experimentiert wird, dass die Mitarbeiter im Geschäft live gehen, das wie gesagt die Einkäufer live gehen. Als nächsten Schritt sehe ich Key Opinion Leader. Das gab es zunächst in China und da gibt es jetzt Key Opinion Customer. Da wird dann ganz bewusst ein Kunde, der als wirklicher Champion sozusagen für die Marke fungiert, auch ausgewählt und ganz offiziell sozusagen reingenommen in die Riege der Inhouse Influencer und wird dann eben vom größten Fan zum größten Befürworter einer Marke oder eines Einzelhändlers, je nachdem. Das ist der nächste Schritt, den wir auch generell im Einzelhandel sehen, wenn es jetzt zum Beispiel um Live Shopping, aber auch um andere Social Shopping Erlebnisse geht. Die Frage, die sie sich stellen können, ist, wen habe ich denn schon in meiner Community, der sowieso schon über meine Marke spricht und auch vielleicht schon ganz tollen Content für mich produziert, zum Beispiel auf YouTube, den ich jetzt aber dafür gewinnen könnte, dass direkt in meinem Sinne und für mich zu tun. Ich glaube da gibt es gegebenenfalls auch für kleinere Einzelhändler Chancen zu überlegen, ob es dann vielleicht schon Menschen gibt, die in meinem Kundenstamm sind, die vielleicht eine größere Reichweite in irgendeiner Form irgendwo haben, die für mich auch Content produzieren könnten. Wir benennen das ganze Community Lead Content Management sozusagen und das ist eben auch unsere Hypothese, dass das jetzt der nächste Schritt wird. Der wird auch notwendig sein, wenn das Ganze skalieren soll. Denn wie oft kann ich, wenn ich mein eigenes Studio habe und jedes Mal ein Produktionsteam brauche Live Shopping umsetzen. Wir sagen unseren Kunden immer, dass das ein cooles Konzept ist und sie für gewisse Highlights, oder wenn sie eine neue Linie launchen definitiv auch so ein Konstrukt beibehalten sollen. Da wird man vielleicht mehr in die Produktion investieren. Aber um das wirklich zu skalieren, brauchst du eine gewisse Frequenz in solchen Formaten. Das kann dann halt nur kommen, wenn man das anderen in die Hand gibt und so ein bisschen loslässt und darauf vertraut, dass sie im Sinne deiner Marke und nach deinen Vorgaben, aber im Sinne deiner Marke für dich sprechen und live gehen, präsentieren, inspirieren, was auch immer es ist. Und nicht zuletzt man sich die Statistiken anguckt, wie viel besser User generated Content nunmal performt als Brand Content, ist diese Richtung Marschrichtung jetzt auch nicht so wahnsinnig überraschend.
Marilyn Repp: Ich verstehe. Also Authentizität ist Trumpf in Zeiten von Online-Shopping, aber auch in Zeiten von Social Media. Ich glaube, das sollte inzwischen wirklich bei allen angekommen sein, das ja überhaupt nicht aufwendig im Studio produziert werden muss, sondern die Leute wollen Authentizität haben und wenn da mal was nicht ganz so korrekt sitzt, dann ist das umso besser. Ich habe noch eine Frage an dich. Wie sieht denn das Online-Shopping in zehn Jahren aus? Was ist deine Prognose? Kaufen wir nur noch im Sinne von Social Commerce oder bleiben die Onlineshops, wie sie sind? Was würdest du sagen?
Sophie Frères: Ich glaube, es wird einfach keine Abgrenzungen mehr geben. Klar, die harte Abgrenzung wird immer noch zwischen physisch und digital irgendwo in unseren Köpfen da sein, weil das eine erleben wir in echt. Aber andererseits glaube ich auch, dass das gerade alles so wahnsinnig miteinander verschmilzt. Jetzt kommt dann noch eine dritte Dimension, also du hast quasi das physische echte Erlebnis, du hast ein digitales Einkaufserlebnis, wo du aber auch schon mit vielen Sinnen angesprochen werden kannst, das ist das, was da gerade bei Social Commerce zu sehen. Dann gibt noch die dritte Dimension, das Metaverse, die virtuelle Umgebung, wo wir aber ja auch mit vielleicht einem virtuellen Avatar hantieren, aber trotzdem selbst ja auch unterwegs sind und uns eine soziale Identität im virtuellen Umfeld von uns schaffen. Wenn ich in 10 Jahren überlege, wie das alles sein wird, glaube ich, dass wir diese Abgrenzungen gar nicht mehr haben werden. Was für uns jetzt andersherum gesehen schwer ist, ist, dass wir halt versuchen, das jeweils in seinem Kästchen auch wieder zu sehen. Ich glaube, in 10 Jahren wird das einfach alles in unserem Lebensalltag miteinander komplett verschmelzen. Dann hast du noch eine Augmented Reality Layer irgendwo dazwischen, die das eine mit dem anderen vernetzt und das wird völlig selbstverständlich sein. Dann werden wir wahrscheinlich auch ein bisschen darüber lachen, wie schwer es uns jetzt gefallen ist. Wir sind nun mal in einer physischen Welt und mit physischen Erlebnissen je nach Generation, aber hauptsächlich aufgewachsen und zumindest die, die heute noch vielleicht die Hauptentscheidungsträger sind. Natürlich fällt es einem dann vielleicht nicht so leicht zu sagen, jetzt kommt das andere und verschmilzt und dann kommt sogar noch eine dritte Dimension, die damit auch noch verschmelzen soll. Das wird es auf jeden Fall sein und wir werden durch diese drei verschiedenen Dimensionen sozusagen ein- und auftauchen und es wird alles miteinander vernetzt sein und das wird sich völlig natürlich anfühlen. Ich freue mich auf jeden Fall darauf.
Marilyn Repp: Es bleibt spannend und ihr tragt dazu bei, diese Zukunft zu gestalten. Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir, liebe Sophie, und wünsche dir und deinem Startup alles Gute für die Zukunft.
Sophie Frères: Ja, vielen Dank und vielen Dank, dass ich da sein durfte und ich freue mich auf das Feedback.
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