ZDE Podcast 133: Modernes Category Management mit Christine Mengelée
Was hat sich im Category Management in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geändert? Unsere neue ZDE-Autorin Christine Mengelée verantwortet beim Lebensmittel-Riesen Rewe die Strategie der Nonfood-Waren. Was können kleine Händlerinnen und Händler sich hier abgucken? Außerdem formuliert Christine Mengelée im Talk mit Handelsexpertin Marilyn Repp ihre wichtigsten Botschaften für den Handel.
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Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens Podcast. Mein Name ist Marilyn Repp. Ich beschäftige mich mit Digitalisierung, Innovation und Trends im Handel. Heute sprechen wir über das Thema Category Management. Was hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten hier getan und was können wir vom großen Lebensmittelhändler Rewe in dem Bereich lernen? All das erklärt uns Christine Mengelée, die bei Rewe für die strategische Ausrichtung der Non Food Warengruppen zuständig ist und außerdem ist sie seit einiger Zeit auch Autorin bei Zukunft des Einkaufens. Was hier ihre zentralen Themen und Botschaften sind, erfahren wir ebenfalls heute im Podcast. Viel Spaß beim Hören!
Marilyn Repp: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, liebe Christine. Vielleicht stellst du dich einfach selbst kurz vor. Wer bist du? Woher kommst du?
Christine Mengelée: Hallo, Marilyn. Schön, dass ich heute hier sein darf. Vielen Dank. Wie gehört, bin ich seit einiger Zeit bei Zukunft des Einkaufens als Autorin tätig. Ich bin 46 Jahre, habe zwei Kinder (7 und 11) und hatte irgendwann mal eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht, mich dann aber entschieden weiter zu gehen und habe über den zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und später dann Diplom Betriebswirtin studiert. Danach habe ich meinen Mann kennengelernt, der hier in Düsseldorf wohnt und bin so nach Düsseldorf gekommen und habe dann dort im Bereich Teleshopping bei QVC angefangen. Das war auch der erste Moment, in dem ich die Möglichkeit hatte, mit dem Einkauf in Verbindung zu kommen. Das habe ich dann ungefähr sieben Jahre lang gemacht, mit einem kleinen Team, zuerst als Assistentin und später habe ich dann selbst eingekauft. Dann habe ich in die Lebensmittelbranche gewechselt, nach Köln, zur Rewe Group. Dort bin ich zuständig für die Großfläche, das heißt die richtig großen Häuser, die man ja eigentlich immer noch Warenhäuser nennt, die ab 5000 Quadratmeter aufwärts Produkte haben.
Marilyn Repp: Ja, sehr spannend. Darauf werden wir gleich noch ein bisschen genauer eingehen. Das Thema QVC ist ganz witzig, denn wir haben ja das ganze Thema Live Shopping jetzt schon mehrfach im Podcast gehabt. Da gibt es jetzt so ein kleines Revival inhaltlich.
Christine Mengelée: Ich bin auch sehr großer Fan von Live Shopping. Ich bin der Meinung, dass das die Zukunft ist. Wer auf Zukunft des Einkaufens schon öfters mal nachgesehen hat, hat auch gemerkt, dass ich zum Thema Lifestream Shopping schon einige Beiträge geschrieben habe. Teleshopping hat mir unheimlich viel Spaß gemacht und die Verbindung jetzt im Rahmen der Digitalisierung ist aus meiner Sicht definitiv die Zukunft. Das ist auch ein Thema, was ich dem Handel ans Herz lege. Machen Sie sich digital, es gibt keinen Weg daran vorbei. Digitalisierung ist die Zukunft. Wenn Sie das dann auch noch in Verbindung bringen mit Live Stream Shopping, sprich, dass Ihr Kunde direkt mit Ihnen kommunizieren kann, Sie die Produkte anpreisen können, Fragen stellen können und dann im Nachgang die Ware an den Kunden versenden, glauben Sie mir, das ist der richtige Weg.
Marilyn Repp: Ja, das war auch schon ein sehr schöner Appell an alle unsere Einzelhändler und Einzelhändlerinnen, die hier reinhören. Was sind denn sonst noch so zentrale Themen und Botschaften, die du senden möchtest und Themen, mit denen du dich auf Zukunft des Einkaufens beschäftigst? Was können wir in Zukunft von dir erwarten? Vielleicht für die, die jetzt noch keine Artikel gelesen haben. Was würdest du sagen sind deine Botschaften, die du in die Welt des Handels hinaus sendest?
Christine Mengelée: Wie gesagt, Digitalisierung ist auf jeden Fall eines der wichtigsten Themen, gepaart allerdings mit Nachhaltigkeit. Auch hierzu habe ich schon einige Beiträge verfasst. Nachhaltigkeit ist unheimlich vielfältig, dazu zählen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. Das kann Nachhaltigkeit in Bezug auf Mitarbeiter sein. Wie kann ich Mitarbeiter langfristig im Unternehmen halten? Das kann das Thema Finanzen betreffen. Wo beschaffe ich meine Ware? Bei welcher Bank bin ich und ist das eine nachhaltige Bank? Auch der Warenfluss. Wo beschaffe ich meine Ware? Kommt die aus Übersee oder eher aus Europa? Das sind auf jeden Fall Themen, die mich stark beschäftigen. Ich habe in letzter Zeit, weil mich das persönlich immer sehr freut, einige Interviews geführt und Beiträge erstellt, über viele junge Menschen, die extrem mutig sind und Start Ups haben. Das fasziniert mich immer wieder, denn es zeigt mir trotz, dass wir heute in gesättigten Märkten unterwegs sind, es immer noch so viel Potenzial im Bereich Nachhaltigkeit gibt. Auch im Bereich Lifestream Shopping sehen sie, dass das jeder machen kann. Deshalb noch einmal ein Appell, machen Sie sich auf den Weg. Glauben Sie mir, das wird was.
Marilyn Repp: Ja, genau. Das sind so unsere zentralen Themen, die wir in den letzten Jahren bespielt haben. Wie kann ich das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Dimensionen, nicht nur das Thema ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch soziale und ökonomische Nachhaltigkeit, in mein Geschäftsmodell einarbeiten und was ist da wichtig. Man kann das auch gerade als Händler nicht komplett abdecken, aber man kann sich da die wichtigsten Aspekte für sich selbst herausgreifen und vor allen Dingen das Ganze nicht nur zum Greenwashing betreiben oder aus Marketing Zwecken, sondern das wirklich auch ernst meinen und als Unternehmensziel mit definieren. Da muss jeder für sich selbst einen eigenen Weg finden und da haben wir auch ganz viel Input bei uns auf der Website bzw. auch in den Podcasts. Das Thema Nachhaltigkeit und Digitalisierung hoch und runter, das wäre auch meine Botschaft, aber genau darauf wollen wir jetzt nicht mehr ganz genau eingehen, sondern wir sprechen heute über das Thema Category Management. Das ist auch dein Thema. Das machst du nämlich auch bei der Rewe. Was würdest du denn sagen, hat sich da in den letzten Jahren oder auch Jahrzehnten verändert? Was möchtest du den Hörerinnen und Hörern mitgeben?
Christine Mengelée: Ich bin ja wie gesagt jetzt schon knapp 20 Jahre im Einkauf unterwegs und da gehört natürlich auch ein ordentliches Category Management dazu. Ich habe selbst in dieser eigentlich kurzen Zeit gemerkt, dass sich sehr viel getan hat. Wenn ich jetzt mal so überlege, um das plastisch darzustellen, ist es doch eigentlich so, dass man früher sehr viele Warenhäuser hatte. Die ersten Warenhäuser, die sind so um 1900 entstanden, in den großen Metropolen. Auf dem Land wiederum, gab es eher den Wochenmarkt oder einen ansässigen Fachhändler, wie ein Schuster oder ein Schreiner. Wenn ich in der Zeit zurückblicke, sieht man dort eindeutig, dass wir eine individuelle Kundenberatung hatten und es war eigentlich auch so, dass es ein bisschen familiär war. Hatte man einen ortsansässigen Fachhändler oder ein Tante Emma Laden, dann kannte man sich, da lief sehr viel über Persönlichkeit. Was war der nächste Schritt? Der nächste Schritt ist quasi der Supermarkt gewesen. So um 1960 fingen die Supermärkte mit Selbstbedienung an. Dort gab es riesige Flächen, ein unheimliches Warenangebot und die Warenverfügbarkeit war extrem hoch. Man konnte alles haben, was das Herz begehrt. Aber da fing es schon an, dass man den Kunden quasi nicht mehr als zentralen Punkt hatte und die Anonymität begann. Da stand jetzt niemand mehr auf der Fläche, der dich beraten hat. Das heißt, in den Warenhäusern hattest du einen Ansprechpartner und dort konnte man recht schnell herausfinden, was der Kunde will und konnte das Sortiment dementsprechend ändern. Als wir dann zu den Supermärkten 1960 ungefähr gekommen sind, ist es so, dass das überhaupt keine Rolle mehr gespielt hat, weil die Nachfrage wesentlich höher war, als das Angebot. Es gab Produkte im Überfluss und man hat den Kunden aus dem Fokus verloren. Die Spitze des Ganzen kam dann eigentlich durch den Durchbruch der Discounter. Das war so zehn Jahre danach, 1970 ungefähr. Dort spielte dann auch der Preis eine große Rolle. Es wurde immer günstiger und günstiger. Einen persönlichen Kontakt gab es wirklich überhaupt nicht mehr. Auch die Digitalisierung fing dort schon an zu greifen. Das ist eigentlich die heutige Generation, die so 1965 bis 79 geboren wurde, die Generation X. Das sind Leute, die zwischen 45 und 55 ungefähr sind. Dort begann es auch schon, dass man die Technologie, also den Beginn der Digitalisierung, gesehen hat. Es gab schon unheimlich viele Computerspiele. Auch im Büro gab es, je nachdem, wo man gearbeitet hat, auch schon die ersten PCs. Das wiederum, wenn sie jetzt erste PCs hören oder Handys, dann ist klar, dass der Kunde wesentlich mehr Informationen bekommt. Er informiert sich nicht nur an dem Standort seines Supermarkthändlers oder seines Discounters, sondern er blickt auch darüber hinaus. Da begann eigentlich das, dass der Kunde immer mehr in den Fokus rückte. Denn der Kunde konnte sich die Ware ja überall kaufen. Das Ganze wurde dann immer schneller und schneller. Heute kann ich mir alles kaufen, indem ich im Internet gucke, oder ich kann persönlich irgendwo hingehen. Die Vielfältigkeit ist wirklich enorm groß. Um die Zeit 1980, begann die Shopper basierte Sortimentsausrichtung. Und zwar bedeutet das, der Kunde musste wieder mehr in den Fokus gerückt werden. Das heißt, man hat die Produkte nach den Kundenwünschen angefangen auszurichten. Denn dort war es nicht mehr so, dass der Kunde einfach das genommen hat, was sie im Laden haben, sondern er hat sich wie gesagt informiert, was gibt es alles und wurde dann, wenn ich es mal überspitzt ausdrücke, etwas wählerischer. Das heißt, man hat dann angefangen zu prüfen, was andere Wettbewerber machen. Was ist auch in meinem Umfeld gefragt, wie ist die Altersgruppe, welche Trends kommen eventuell auf. Das alles hat man zusammengeführt und dann in seinen Produkten, ungeachtet ob Lebensmittel oder nicht Lebensmittel auf der Fläche dargestellt. Der Kunde hat es heute immer eilig. Er will ein sehr schnelles Einkaufen. Das liegt daran, weil man berufstätig und gleichzeitig Elternteil ist und man möchte seine Freizeitaktivitäten pflegen. Einkaufen ist eine Pflicht und deshalb soll es richtig schnell gehen. Gerade in den letzten zwei Jahren kam das Thema auf, dass man eigentlich kontaktlos einkaufen möchte. Man möchte den Kontakt zu anderen vermeiden. In den letzten zwei Jahren kam das durch Corona, aber ich denke, dass das auch die Zukunft zeigen wird, dass die Menschen immer weniger Gedränge wollen.
Marilyn Repp: Genau. Man will nicht anstehen. Man will genau den Bezahlvorgang möglichst schnell abschließen. Und das ist etwas, was beschleunigt wurde durch Corona. Das war alles schon vorher da.
Christine Mengelée: Definitiv. Ich kann aus eigener Erfahrung heraus sagen, dass die Warenhäuser beispielsweise in der Regel so 80.000 Produkte haben. Einen Supermarkt, nur mal zum Vergleich, hat in der Spitze so 20.000. Das bedeutet, ein Warenhaus ist extrem vielfältig. Will ich nicht verschiedene Orte anfahren, sondern wenn es geht so wenig wie möglich, ist natürlich ein Warenhaus ideal. Und wenn Sie hören 80.000 Produkte, dann ist klar, der Kunde wird bis ins Detail analysiert. Dort gibt es dann unheimlich viele Produktbreiten und -tiefen. Nicht wie im Discounter, denn dort hat man recht wenig, eigentlich nur das, was man zum täglichen Leben braucht. In einem Warenhaus geht es weitaus darüber hinaus. Die Wachstumsraten dort sind recht hoch in den letzten 2 bis 3 Jahren. Man sieht, da ist so einen kleiner Trend. Was will der Kunde noch? Er möchte gerne bequem einkaufen. Das heißt, Lieferservice spielt eine ganz große Rolle. Sie sehen das in jeder Hinsicht. Das kann sein, dass es per Post kommt, oder wir haben hier die Flinks, oder die Gorillas, die Ihnen die Produkte in 10 – 15 Minuten nach Hause liefern. Dort geht es mittlerweile auch nicht mehr nur um Lebensmittel. Ich hatte hier zum Beispiel schon Glasbote oder Less Waste zum Interview. Das sind Unternehmen, Start Ups, die Produkte nach Hause liefern, die nicht nur Lebensmittel sind. Also auch dort beginnt man den Lieferservice zu nutzen. Was man aber auch wieder sieht und das finde ich unheimlich interessant, weil das schließt irgendwie den Kreis, einerseits möchte man unheimlich schnell und kontaktlos einkaufen, auch ganz bequem und andererseits wünscht man sich aber auch Beratung, ein Erfahrungsaustausch oder wie im Warenhaus, wo man immer sagt, das muss ein Erlebnis sein, dort gibt es ja nicht nur Regale, sondern man kann auch Kleider einkaufen mit so kleinen Shops in Shops. Wenn Sie das beides sich jetzt noch mal vor Augen führen, landen wir nämlich genau beim Lifestream Shopping. Es ist blitzschnell, wenn Sie wollen, Sie können einen Erfahrungsaustausch haben, Sie müssen nicht außer Haus, es ist bequem, weil die Ware Ihnen geliefert wird und Sie haben letzten Endes ein Erlebnis. Jetzt noch mal zurück zum Category Management Prozess. Der Prozess wird wirklich immer wichtiger, weil wie gesagt, wir haben gesättigte Märkte. Jedes Unternehmen kämpft um den Kunden. Früher war es so, dass du eben den ortsansässigen Händler oder Supermarkt in der Nähe hattest und bist kontinuierlich dorthin gefahren. Heute ist der Kunde anspruchsvoller und flexibler. Auch aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass ich beim Discounter um die Ecke einkaufe, gehe aber auch zu einem Supermarkt und fahre am Samstag manchmal für einen Großeinkauf weitere Wege und lande dann in einem Warenhaus. Man ist einfach flexibler geworden. Wenn Sie jetzt Lieferant wären und mir ein Produkt verkaufen wollen, dann ist es nicht mehr so, dass Sie mir einfach nur die Ware liefern, sondern ich als Käufer möchte von Ihnen dann auch das Know how haben, egal um welche Produkte es geht. Es ist unheimlich wichtig zu erfahren, was die Kundengruppe will und ich als Händler kann ja nicht Experte in allem sein. Wenn ich jetzt mal auf Non Food blicke, in der Branche, in der ich tätig bin, kann ich nicht Experte für Textil sein, Experte für Küchenprodukte, Elektroprodukte, Schreibprodukte. Das geht nicht. Deshalb macht man es im Category Management heute so, dass man sich mit den einzelnen Händlern zusammensetzt und gemeinsam Projekte aufsetzt über neue Sortimente. Denn auch der Händler selber, also derjenige quasi, der uns die Produkte verkauft und dann bei uns ins Regal bringt, derjenige hat ja das Know how über seine Kunden. Der hat sehr häufig auch ganz spezielle Daten, die er zu seinem Kunden gesammelt hat, die wir nicht haben. Das heißt, man stimmt sich mit dem Händler ab, dann weiß man, was man genau möchte und was das Ziel ist und über welche Warengruppen wir überhaupt sprechen, die wir verarbeiten wollen. Es ist auch so, dass man den Produkten eine bestimmte Rolle zuweist. Bin ich ein Produkt, was im Fokus steht oder bin ich eher ein Ergänzungsprodukt. Beispielsweise Fokus Produkte, wie der Name schon sagt, stehen natürlich im Fokus am besten am Eingang des Einkaufs und wirklich breit platziert. Ergänzungsprodukte sind die, die man nur anbietet, damit man sie hat, weil sie vielleicht zu einem ganz speziellen Nebenprodukt gehören.
Marilyn Repp: Was ist zum Beispiel so ein Fokus Produkt?
Christine Mengelée: Ein Fokus Produkt bei uns zum Beispiel sind alle lebensnahen Non Food Produkte. Das wären jetzt Küchenutensilien beispielsweise. Das ist jetzt für einen Lebensmittelhändler ein Fokus Produkt und Fliegenfänger von mir aus oder eine Fliegenklatsche ist so weit weg von unserem Basis Geschäft, das gehört dann dort nicht hin. Sind Sie jetzt zum Beispiel bei einem Textil Einkäufer, also bei einem Textilgeschäft, dann wäre es so, dass in einem Wandergeschäft die Wanderschuhe und die Stücke im Fokus stehen. Ein Riegel, damit man noch mal Power kriegt, wenn man auf Wanderschaft ist, wäre für die dann eher ein Ergänzungsprodukt. Das sind also immer Dinge, die man zwar mit anbieten kann, die man aber nicht unbedingt braucht, um sein Kerngeschäft aufrecht zu erhalten.
Marilyn Repp: Was würdest du denn unseren Einzelhändlern und Einzelhändlerinnen zum Thema Kunden Ausrichtung mitgeben? Also wie mache ich eine Shopper basierte Sortiments Ausrichtung? Vielleicht hast du ganz konkret ein paar Schritte.
Christine Mengelée: Du stimmst dich mit dem Händler ab, damit du Einigkeit hast, wie viel Platz du zum Beispiel belegen möchtest. Du definierst die Warengruppen, die du bearbeiten möchtest und gibst dann jeder Warengruppe eine Rolle. Wenn du dann das hast, bewertest du das mit Zahlen und die Zahlen kommen vom Gesamtmarkt, von dir selbst, weil du hast ja auch historische Daten und natürlich vom Lieferanten. Wenn du das dann hast, kannst du dann auch die Anteiligkeiten der einzelnen Produkte im Regal vorgeben. Ich mache ein Beispiel: Es soll ein Regal 50 % Töpfe enthalten, 30 % Pfannen und 20 % Zubehör Produkte, oder sind vielleicht die Pfannen viel wichtiger für den Kunden, als die Töpfe und die Haushaltshilfe beispielsweise. Das meine ich damit, dass ein Regal in Anteiligkeiten aufgegliedert wird. Dazu baut man sich dann eine Taktik auf, indem man sich fragt, wo man sich die Produkte hinstellt, habe ich Eigenmarken oder möchte ich nur Marke bedienen, wo im Regal möchte ich das Ganze platzieren und soll es besser oben oder unten sein? Dort gibt es auch unheimlich viele Studien dazu. Wenn du das alles hast, baust du dann dein Regal und dann wird es letzten Endes im Markt umgesetzt. Das macht entweder der einzelne Händler selber, oder auch mit Unterstützung vom Lieferanten. Wenn sich das dann einige Zeit im Markt bewährt hat, wird in der Regel so ein halbes Jahr nachher, ein Review gemacht. Man schaut sich das dann nochmal an und Artikel, die nicht gut sind, sogenannte Penner, werden dann ausgelistet und durch andere ausgetauscht. Die Artikel, die sehr gut sind, die sogenannten Renner, die lässt man natürlich drin und baut eventuell dann auch noch diese aus.
Marilyn Repp: So testet man sich durch und tastet sich langsam ran an die ideale Zusammensetzung.
Christine Mengelée: Genau so könnte man das sagen. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass Sie alle Aspekte betrachten. Bitte achten Sie nicht nur auf Ihre internen historischen Daten und setzen Sie auch nicht zwanghaft etwas um, ohne sich den Gesamtmarkt angeguckt zu haben und auch Lieferanten, die in dem Bereich für Sie tätig sind, gehört zu haben. Denn es passiert wirklich unheimlich schnell, dass man sich in eine Geschichte verrennt und wenn man dann viele Märkte umgebaut hat, diese dann wieder zurück zu bauen ist unheimlich kostenintensiv und darüber hinaus ist es auch so, dass Sie meist viele Kunden verloren haben. Schauen Sie selbst bei uns. Wir sind ein großer Konzern. Auch ich habe schon Befragungen durchgeführt oder durchführen lassen zum Teil. Wenn Sie ein paar Euro in die Hand nehmen oder das auch selber machen und Ihre Kunden kontinuierlich nach einem Fragebogen befragen, was er sich wünscht und warum er sich das denn wünscht, was ihm fehlt, was er besonders gut findet, dann bekommen Sie sehr schnell raus was er als gut bezeichnet. Das könnten Sie ja noch ausweiten. Das, was ihm fehlt, beschaffen Sie und das, was ihm gar nicht gefällt, müssten Sie dann versuchen, einfach abzubauen.
Marilyn Repp: Da gibt es auch ganz viele tolle digitale Möglichkeiten, solche Daten zu erheben. Das macht auf jeden Fall Sinn, solche Kunden Wunsch Daten digital zu erfassen, um dann das ganze eben auszuwerten und den eigenen Markt bzw. den eigenen Laden zu optimieren. Das kann man auch intensivieren, indem man sagt, wer das ganze ausfüllt, bekommt ein paar Prozent. So ein Fragebogen sollte natürlich nicht zu lang sein und auch was bringen und digital sein, damit man nicht irgendwelche Daten noch übertragen muss. Das ist dann super anstrengend und etwas, was ich immer von Anfang an empfehlen würde. Nicht nur von Anfang an, sondern die ganze Zeit sollte man immer optimieren und gucken was der Kunde eigentlich will, wer meine Kunden sind und wie ich auf die Bedürfnisse der Kunden noch besser eingehen kann. Das, was mir gefällt, kann oftmals den Kunden nicht so gut gefallen und dann verkauft man weniger. Das ist natürlich schlecht. Jetzt haben wir einige Einblicke bekommen, wie das ein großer Konzern, ein großer Lebensmittelkonzern macht. Das ist bei den kleineren vielleicht auch noch ein bisschen anders. Wenn ich jetzt ein kleiner Einzelhändler bin, sollte ich da vielleicht dann auch eher bei den Kundinnen anfangen, also beim Kunden selbst, oder was würdest du sagen, wie man beim Thema Kunden Ausrichtung anfängt?
Christine Mengelée: Ich würde auf jeden Fall erst mal beim Kunden anfangen, denn das kostet Sie nichts. Ganz im Gegenteil, Sie kommen in den Dialog. Schnappen Sie sich mal ein paar Kunden und befragen diese. Ein Sortiment lässt sich nicht vom Schreibtisch aus schnüren. Das sage ich schon, seit ich selbst im Einkauf bin. Bestücken Sie Ihre Regale nicht aus dem Büro heraus und machen ein paar Kreuze in einem Katalog und beschaffen die Ware, sondern gehen Sie raus. Es gibt immer andere Händler, die ähnliche Produkte haben oder vielleicht sogar gleiche. Fahren Sie mal in eine andere Stadt, wenn Sie im Urlaub sind und dort einkaufen gehen, beobachten Sie doch mal den Kunden. Fragen Sie auch mal nach; Sie haben jetzt gerade nach dem Artikel gegriffen und das interessiert mich jetzt persönlich. Ich mach gerade eine Umfrage. Wieso haben Sie den Artikel jetzt gekauft?
Marilyn Repp: Sehr spannend. Das sind doch wirklich handfeste Tipps, die auch jeder wirklich umsetzen kann. Christine, ich möchte mich ganz herzlich bei dir für diese handfesten Tipps bedanken und auch für diesen historischen Abriss rund um den Handel. Auch wenn viele die Geschichte mit Sicherheit kennen, war das trotzdem noch mal sehr interessant, auch in Bezug auf das ganze Thema Category Management und Kundenausrichtung. Wir werden noch viel von dir hören und insbesondere auch lesen bei Zukunft des Einkaufens. Vielen Dank, dass Du mit an Bord bist und ganz herzlichen Dank auch heute für dieses Gespräch.
Christine Mengelée: Vielen lieben Dank, Marilyn. Ich hoffe auch, dass ich von meinen Kunden mal etwas lese. Wenn Sie Beiträge auf Zukunft des Einkaufens sehen und Fragen haben, das gilt natürlich nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen Autoren und Autorinnen, dann melden Sie sich sehr gerne. Wir freuen uns immer, wenn wir in den Dialog kommen.
Marilyn Repp: Das ist genau so! Vielen Dank für diesen Schlussaufruf liebe Christine. Tschüss.
Christine Mengelée: Danke, dir auch. Tschüss.
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