ZDE Podcast 142: Robotik in der Logistik
Seit Jahren wird das Thema Robotik im Handel weiterentwickelt, und ganz besonders der Logistikbereich hat von dieser Entwicklung profitiert. Wir haben dazu einen Experten ans Mikro geholt: Prof. Dr. Christoph Tripp aus Nürnberg gibt uns Einblicke in den aktuellen Stand.
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Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge unseres Retail Innovation Radios. Mein Name ist Frank Rehme. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit dem Thema Innovation und Innovation im Handel, habe früher bei Metro den Innovationsbereich geleitet und bin aktuell Geschäftsführer eines Unternehmens, das GMV Team heißt und des Kompetenzzentrums Handel vom Bundeswirtschaftsministerium. Heute machen wir wieder einen Ausflug und zwar habe ich das Thema Robotik in der Logistik in den Hintergrund gepackt – Nein Stopp, in den Vordergrund gepackt! – meine Güte, Sprachkaries heute. Es geht darum, was passiert eigentlich im Bereich der Robotik in der Logistik. Wir sehen in vielen Ecken, dass dieses ganze Thema Robotik in der Logistik und gerade da auch im Bereich der Verteilzentren und Lagerhäuser eine große Rolle spielt. Mittlerweile wird die Kommissionierung viel einfacher, die Ware kommt mittlerweile zum Kommissionierer und nicht mehr umgekehrt. Ich kann immer nur darüber erzählen, was ich als Logistiklaie eigentlich weiß und da ich an der Ecke eben Laie bin, habe ich mir mal wieder einen Experten an das Mikrofon geholt, den Christoph Tripp. Ihn haben wir schon öfters hier gehabt und ich sag einfach: Feuerfrei! Wir sprechen jetzt einfach mal mit Christoph und hören, was es in dem Bereich Neues gibt.
Frank Rehme: Hallo, Christoph. Grüß dich!
Christoph Tripp: Servus aus Nürnberg, Frank.
Frank Rehme: Jetzt kennen dich natürlich alle unsere treuen Hörerinnen und Hörer, weil wir schon eine Folge gemacht haben über das Thema Logistik im Handel. Aber jetzt sag mal für die, die leider verpasst haben die Folge zu hören, wer du denn überhaupt bist.
Christoph Tripp: Ja, Christoph Tripp, 47. Ich bin Professor für Distributions- und Handelslogistik an der TH in Nürnberg. Bin Enthusiast der Logistik – so würde ich mich bezeichnen. Ich sage immer: Logistik ist keine Funktion, sondern Logistik ist eine Lebenseinstellung. Und ja, insofern halte ich mich daran.
Frank Rehme: Ja, dann sind wir eigentlich genau richtig unterwegs – Lebenseinstellung. Wir reden ja hier in unserem Podcast viel über Handel und natürlich gehört Logistik mit dazu, habe ich in der letzten Folge ja schon einmal gesagt. Als ich im Handel eingestiegen bin, hat man mir gesagt, es gibt zwei Backbones im Handel, einmal IT und einmal Logistik. Und da sind wir jetzt bei so einem Punkt, wo wir mal beides zusammen behandeln, nämlich das Thema Robotik. Wir wollen aber nicht über Robotik reden wie die technisch denn gebaut werden und solche Dinge, das sollen andere Leute machen, da gibt es so Tech-Podcasts. Wir wollen mal über die Anwendung reden und die ist in der Logistik schon wesentlich weiter fortgeschritten als eigentlich im Frontstore-Bereich.
Christoph Tripp: Ja, absolut. Das ist das, was die meisten Leute leider nicht sehen, wenn sie Ware kaufen oder wenn sie online bestellen und auf ihr Paket warten oder ihr Kleid im Geschäft raussuchen, dass dahinter natürlich, industriell funktionierende Prozesse ablaufen, die immer mehr automatisiert sind und auch immer mehr automatisiert werden mit Hilfe unterschiedlicher technischer Ansätze. Dazu gehört unter anderem die Robotik, dazu gehört immer mehr auch die künstliche Intelligenz mit digitalen Zwillingen, aber auch Basistechnologien der Sortier- und Fördertechnik, die sozusagen die Hardware der Logistik darstellt.
Frank Rehme: Ja, da sind wir bei so einem Punkt, wo du gerade mal richtig aufgezeigt hast, was mittlerweile alles zusammenspielt – also Sensorik, künstliche Intelligenz und natürlich dann die Robotik, die alles irgendwie zusammenfasst. Und Robotik sind ja nicht nur irgendwie Roboter, wie wir sie uns vorstellen, hier so R2D2 oder C3PO, sondern Robotik sind ja auch Chatfunktionen, z. B. steckt da auch eine Robotik dahinter bei der großen Amazon Alexa oder Siri von Apple, das sind ja auch praktisch Robotik-Lösungen, die jetzt nur nicht irgendwie physisch funktionieren. Aber gerade in der Logistik im Ganzen, ich sag mal im Bereich der Verteilzentren usw., da ist natürlich sehr viel Logistik unterwegs und man sieht an der Stelle, dass ohne Robotik, glaub ich, so ein Same Day Delivery eigentlich schon fast gar nicht mehr möglich wäre, oder?
Christoph Tripp: Ja, noch nicht mal nur Same Day Delivery. Also ich kann vielleicht ein bisschen berichten. Ich bin ja auch viel draußen unterwegs, habe unlängst ein großes Paketzentrum eines großen Kep Dienstleisters nochmal besichtigen dürfen, das jetzt nicht ganz neu ist, ist auch schon 20 Jahre alt. Wenn man reingeht, dann sieht man eigentlich nur Automatisierung, Robotik und Sortier- und Fördertechnik in jeglicher Art und Weise, also da spürt man wirklich die Hardware und man hört die Hardware auch bei 80-85 dB. In so einem Lager ist es tatsächlich eine industrielle Abwicklung, was wir jetzt sehen, ist, dass die Technologien weiter eingesetzt werden. Nicht mehr nur in den klassischen Umschlagsprozessen, Verladeprozessen und in der Sortierung, sondern natürlich, wie du gerade auch schon gesagt hast, auch immer mehr in Richtung administrativer Themen geht. Insbesondere natürlich in die ganzen Planungsaufgaben, die ja in der Logistik auch sehr stark verankert sind. Angefangen von Bestellabwicklungsprozessen, strategischen Einkaufsprozessen bis hin zu Auslastungs- und Produktionsplanungsprozessen in der Logistik sowie Absatzplanung und Prognose. Das sind natürlich alles Themen, die man eben auch durch Technologien, durch künstliche Intelligenz immer stärker unterstützen kann und damit auch verbessern kann. In der Logistik hat man immer diesen Dreiklang der 3 B‘s, das sind immer Bedarf, Bestand und Bestellung. Und wenn man das richtig gut managen kann, dann sind wir auch in der Lage, den logistischen Prozess auch wirklich gut fließen zu lassen. Insofern ist da ein ganz großer Bedarf, insbesondere in dem ganzen Thema Bestand und vor allen Dingen Bedarf und Prognose. Das ist eigentlich zentral für uns in der logistischen Abwicklung, wenn man von der Planungsseite herkommt.
Frank Rehme: Ja, ich meine dieses ganze Thema Predictive Analysis, so hat man das zu meiner Zeit als ich bei der Metro noch war auch immer genannt, wo wir mit Systemen die entsprechenden Bedarfe, die zu erwarten sind ermittelt haben. Da gab es ganz clevere Softwares, ich glaub damals hieß das noch nicht künstliche Intelligenz, sondern irgendwelche Algorithmen. Danach wurde natürlich dann auch die Belieferung der jeweiligen Stores dementsprechend ausgerüstet. Manchmal hat man schief gelegen, aber was wir hinterher festgestellt haben, ist, dass die Kommissionierer oder Disponenten – sorry, nicht Kommissionierer – die Disponenten mit ihrer Prognose häufig schiefer lagen als eigentlich die automatisierten Systeme. Hinterher durften die da gar nicht mehr drin rumpfuschen, da hat man denen die Rechte dafür abgenommen, dass die nochmal die Bestellungen ändern. Das sieht man eben halt sehr stark. Aber wo ich unterwegs bin, ist jetzt dieses Thema – da habe ich vor kurzem ein unheimlich interessantes Video gesehen und deshalb habe ich dieses Wort Kommissionierer im Kopf – wie Kommissionierung erfolgt. Ich weiß noch früher, da sind wir hingegangen und haben die Innovation entwickelt in dem Bereich, dass wir diese Handschuhe hatten mit dem Laser, die dann genau da hingezeigt haben, welches Produkt man wegnehmen soll, das war auch schon eine Revolution damals. Mittlerweile ist es so, dass der Kommissionierer gar nicht mehr zum Produkt geht, sondern das Produkt zum Kommissionier kommt. Wie funktioniert das denn da?
Christoph Tripp: Also das ist tatsächlich ein Trend, den du da ansprichst, den wir so in den neueren Handelslägern durchaus feststellen können, dass wir uns sozusagen von dem alten Prinzip, der Mensch geht zur Ware, läuft also durch das Lager, ja teilweise auch in größeren Lägern, wenn man die Kommissionierer fragt, sind das alle 2 bis 3 Tage ein Marathon, den man läuft, entfernen. Also die laufen ja häufig in einer Schicht 15 bis 20 km, gerade bei chaotischer Lagerhaltung. Dieses Prinzip wird immer mehr umgestellt und man überlegt, da wo es auch irgendwie funktional und sinnvoll ist, die Ware zum Menschen zu bringen. Und wie das funktioniert? Sehr unterschiedlich. Die bekanntesten Anwendungen sind eigentlich die, die wir unter anderem von Amazon, Alibaba, Grenzebach und anderen Technologieanbietern eben auch kennen. Wir haben entsprechende Roboter, die unter die Regaleinheit fahren, die Regaleinheit anheben und dann die jeweilige Regaleinheit zum Kommissionierer, zu Kommissioniererin bringt. Das sind Anwendungen, die wir mittlerweile sehr häufig sehen. Die Arbeitslast für die Kommissionierer wird erheblich reduziert, das ist ganz klar und damit ist natürlich auch die Hoffnung verbunden, dass die Fehleranfälligkeit deutlich sinkt. Man muss ja sagen, die Kommissionierung, gerade im Handel, ist natürlich zunächst einmal kostenbezogen extrem relevant. Ungefähr 1/3 der Lagerkosten liegen in der Kommissionierung und die Kommissionierung ist einer der häufigsten Fehlerquellen, letztendlich auch für Kundenunzufriedenheit. Das heißt ja auch, dass ich Wert vernichte, sprich ich kommissioniere eine Ware und versende diese Ware, der Kunde ist enttäuscht, wenn er die falsche Ware bekommt, schickt diese Ware zurück. Da entstehen also Prozesskosten und ich produziere Wertvernichtung. Und deswegen ist eben die Idee zunächst einmal maximale Fehlerreduzierung bzw. möglichst frühzeitige Fehlererkennung. Und da wird eben auch sehr viel gemacht, sei es über Volumenberechnung, Gewichtserkennungen, Soll- und Ist -Abgleich und Ähnliches, wo man quasi versucht Fehler in der Kommissionierung, am Ort der Entstehung eben, auch schon zu identifizieren und auszumerzen. Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt und was man immer mehr feststellt, insbesondere im ganzen kleinteiligen Onlinehandelsbereich, da ist es natürlich noch wichtiger.
Frank Rehme: Wenn wir uns das mal so anschauen, du hast ja den Überblick, weil du ja viel herumkommst. Wo stehen wir in Deutschland eigentlich im weltweiten Vergleich bei dieser ganzen Automatisierung der Logistik im Bereich Robotik?
Christoph Tripp: Das ist natürlich eine große Frage. Aber ich würde sagen, dass wir schon erheblich aufgeholt haben in den letzten Jahren. Ich glaube, wenn man sich die Technikanbieter anschaut, wir haben viele der leistungsfähigen großen marktführenden Technikanbieter in Deutschland bzw. in Österreich, d. h. da ist sozusagen ein großes Know How da. Wir haben ja gerade wieder die LogiMAT Messe gehabt in Stuttgart, die das auch mal wieder deutlich gezeigt hat, wo wir da stehen. Von der Anwendung her sehe ich, wie gesagt, immer mehr Investitionsbereitschaft. Man kann darüber spekulieren, warum das so ist, einer der wesentlichen Gründe ist sicherlich das Thema Personalknappheit, das jetzt dieses Thema Automatisierung und Robotik-Einsatz deutlich antreibt. Im Vergleich, um auf deine Frage zu kommen, sieht man natürlich schon eine sehr schwungvolle Entwicklung in den USA und auch in Asien. In den USA sehen wir gerade eine Entwicklung, wo große Händler eben extrem investieren in die Automatisierung ihrer Läger. Walmart beispielsweise hat große Investitionsprogramme im Moment im Bereich Robotik und ihren Fulfillment-Centern. Und in Asien kennen wir natürlich die Diskussion von den tatsächlich ganz großen Anbietern wie JD.com und Alibaba, die eben auch schon sehr frühzeitig selbst in Technologien investiert haben. Das wiederum sieht man im deutschen Handel noch nicht. Wir sehen zwar starke Vertikalisierung und Aufbau von Ökosystemen in vielerlei Hinsicht, wenn man jetzt Lidl beispielsweise anschaut, die ja doch im Moment sehr umtriebig sind, aber noch nicht den Sprung in eigene Invests in Technologieanbieter bzw. tatsächlich in Hardwareanbieter, wenn dann ist das sehr stark softwaregetrieben.
Frank Rehme: Ich glaube, da liegt auch viel mehr so das Potenzial, was man noch am meisten heben kann. Klar, Robotik, die irgendwelche Sachen von A nach B bewegt, ist schon ziemlich weit ausgequetscht auch, aber die Software eben um diese Dinger noch intelligenter zu machen, da steckt auch der größte Hebel mit noch hinter.
Christoph Tripp: Ja, vor allen Dingen dann die Verknüpfung der unterschiedlichen Technologien. Wir müssen uns ja immer vor Augen führen, dass wir auch Händler haben, die ein extrem heterogenes Artikelspektrum haben. Wir haben ja nicht nur Händler, die nur T-Shirts und Schuhe lagern, verpacken, kommissionieren und versenden, sondern wir haben Händler mit einer unglaublichen Sortimentsvielfalt. Und da ist natürlich auch immer diese Frage, was bringt mir dann eben eine Automatisierung. Ich war jetzt auch vor ein paar Tagen bei einem großen Musikhändler/Musikversender online und der hat Klaviere, Gitarren, Trompeten, aber auch Plektrums versendet. Da habe ich natürlich einen Teilbereich, den ich sehr gut automatisieren kann, aber ich habe eben andere Bereiche, die dann doch sehr stark manuell geprägt sind. Und die Frage ist dann eher, wie schaffe ich diese Zusammenführung für den Kunden. Was muss ich da technisch machen, um eben im Extremfall, dem Kunden am Ende nur eine Sendung zukommen zu lassen und nicht 5 oder 6 oder 7 einzelne. Also man muss auch dieses Spektrum eben dann sehen. In vielen Bereichen ist es eben auch nicht so ganz einfach zu automatisieren und Robotik einzuführen, weil einfach, ich sag mal, die Artikelcharakteristika es nicht hergeben. Das muss man schon auch deutlich sagen. Da ist natürlich ein Bekleidungsversender, ein Fashion Retailer, gesegneter als ein Unternehmen, das ein Spektrum hat von mehreren Millionen Artikeln in unterschiedlichen Größen und Gewichten. Ein-Mann-Handling, Zwei-Mann-Handling, das sind alles Dinge, die man mitberücksichtigen muss und tendenziell kann man sagen, je komplexer das Sortimentsspektrum ist, umso schwieriger ist es letztendlich auch Robotik und Automatisierung einzusetzen.
Frank Rehme: Wir schauen jetzt mal so ein bisschen in Richtung letzte Meile, da haben wir ja in unserem letzten gemeinsamen Podcast auch schon mal darüber gesprochen. Und in der letzten Meile habe ich ja auch schon die wildesten Robotik-Lösungen gesehen, eine direkt hier vor der Haustüre in Düsseldorf. Da hat der MediaMarkt mit so einem kleinen Roboter schon die Produkte ausgeliefert, allerdings waren da noch so restriktive Regeln am Rande, dass der begleitet werden muss von einer Person und solche Sachen. Solche Dinge sind aber mittlerweile alle irgendwie eingeschlafen, oder? Also ich habe bis jetzt im Bereich vom Handel noch nichts gesehen, was in diese Richtung geht, oder?
Christoph Tripp: Also wir hatten vor einigen Jahren so diesen Hype um das Thema Paketroboterzustellungen und das was du genannt hast, das Beispiel, war der Starship-Roboter. Ich glaube aus Estland, wenn ich mich recht entsinne. Den hat Hermes auch getestet, den hat Metro getestet, einige andere auch. Ähnlich wie bei der Drohnenzustellung, da war es auch so, dass es einen großen Hype gab und man gedacht hat, jetzt wird alles nur noch automatisiert zugestellt. Ja, die Themen sind, ich sag mal, ich will da keinen Abgesang vielleicht einleiten, aber die Themen haben sich deutlich beruhigt und sind, wenn man so einen typischen Technologiezyklus anschaut, so einen Gartner Hype Cycle, sind die quasi so ein bisschen durch diese Deillusionierungsphase jetzt durch und sind gerade in so einer realitätsorientierten Phase, d. h. jetzt weiß man so langsam, was geht und was nicht geht. Und man sieht jetzt tatsächlich diese Roboter in geschlossenen Systemen, beispielsweise in Kliniken und Krankenhäusern, wo sie Anwendung finden von einem Klinikteil zum anderen automatisiert Medikamente oder Ähnliches hin und her zu transportieren. Das sehen wir auch bei Drohnen. Man muss ein bisschen abwarten, ich will das nicht zu früh totsagen. Bei dem Thema Drohnen erleben wir gerade im Moment wieder Diskussionen in den USA von Walmart und auch von Amazon ganz aktuell, die das Thema jetzt doch weiter ausrollen wollen und weiter nutzen wollen. Aber eins ist natürlich klar, das ganze funktioniert nur mit einer entsprechenden Nutzerakzeptanz und da sind wir Deutschen jetzt per se nicht so technologieoffen. Das ist sicher ein Problemfeld und das zweite ist, wir brauchen natürlich auch einen vernünftigen rechtlichen Rahmen dafür, der ist auch wichtig. Du hast gerade gesagt, man braucht beispielsweise Begleitpersonen. Da ist die Frage Haftung, Diebstahl und Ähnliches was natürlich geklärt werden muss, bevor sowas überhaupt irgendwo in der Fläche dann auch eingesetzt wird. Also eins muss man leider sagen, diejenigen, die vielleicht vor 10 Jahren geglaubt haben, dass in absehbarer Zeit die gesamte Paketzustellung der Letzten Meile nur noch so funktioniert, sind wahrscheinlich sehr enttäuscht, denn es wird sich sicherlich auf bestimmte, ich sag mal, besonders passende, besonders herausfordernde Relation konzentrieren, wie beispielsweise Inselzustellungen, wo wir das jetzt schon haben. Aber sicherlich nicht in der Masse und in der Fläche, in für uns absehbarer Zeit.
Frank Rehme: Es gab ja mal im Bereich, also man hat sich mal so Gedanken darüber gemacht, wie man generell auch den LKW-Transport optimieren könnte. Da ist doch dieses Konzept des Platooning mal entwickelt worden. Im ersten LKW sitzt irgendwie noch ein Fahrer und 5 andere LKWs, sehr dicht hinter ihm, fahren dem dann einfach nur hinterher. Ist ja auch ne Art von Robotik, wenn man sieht, wie die anderen LKWs dem dann folgen. Da hört man aber auch nichts mehr von, oder?
Christoph Tripp: Ja, ist ähnlich. Ist vielleicht nicht ganz vergleichbar, aber es gibt nach wie vor Feldversuche und es gibt auch durchaus, ich sag mal, Piloten, aber die sind offensichtlich von den Ergebnissen her nicht so vielversprechend gewesen, was sozusagen insgesamt das Kosteneinsparpotential anbetrifft. Und das reduziert sich natürlich im Wesentlichen mal auf 2 Faktoren, das ist zum einen, ich spare Fahrpersonalkosten und zum anderen, dass ich auch Kosten spare für Diesel, weil diese LKWs so eng hintereinanderfahren, dass sie geringeren Luftwiderstand haben und deswegen auch die Verbräuche niedriger sein sollen. Aber dafür brauche ich natürlich eine ganze Menge an Technologie, das darf ich auch nicht vergessen. Ich meine diese Diskussion haben wir jetzt gerade bei allen Veränderungen der Antriebstechnologien ohnehin, dass die so teuer sind, dass man sich eben die Frage stellen muss, wer kann denn E-LKWs und Wasserstoff-LKWs in 3, 4, 5 Jahren überhaupt bezahlen. Und ähnlich ist es bei diesen Technologien eben auch, dass es sehr ruhig geworden ist. Einige Hersteller haben sich komplett vom Platooning verabschiedet, einige halten diese Fahne noch hoch. Ähnlich ist es bei den Hybrid-LKWs, also denjenigen, die quasi springen können zwischen herkömmlichen Antrieb und Oberleitungsantrieb. Also man hört auch den Begriff Oberleitungs-LKWs, die dann sozusagen ein Gerüst ausfahren und sich eben zeitweise über eine Stromleitung, ähnlich wie bei der Bahn im Prinzip, versorgen können. Auch da gibt es Anwendungsbeispiele, Piloten, mehr in Skandinavien als in Deutschland, aber auch da ist es verhältnismäßig ruhig geworden. Ich glaube, die Erkenntnis ist letztendlich da, dass wir diesen Wandel zu ökologiefreundlicheren Antriebstechnologien nur schaffen können, wenn wir wirklich eine Technologie haben, auf die auch Verlass ist und mit der man auch langfristig planen kann. Und das ist eigentlich das entscheidende für die Transportwirtschaft, aber das sieht man im Moment leider noch nicht. Viele haben in LMG und Ähnliches investiert und sind jetzt herbe enttäuscht. Haben große Investitionen geleistet und sind jetzt mit sehr hohen Preisen konfrontiert, weil wir für eine Technologieinvestition in der Höhe über die wir da reden, brauch man natürlich langfristig stabile Rahmenbedingungen und das würde voraussetzen, dass wir irgendwann mal uns auf 1 oder 2 Technologien festlegen, die dann auch entsprechend gepusht werden.
Frank Rehme: Ich wage jetzt mal eine gewagte Prognose, sonst würde ich jetzt hier nicht wagen, wenn sie nicht gewagt wäre. Ich glaube das Thema Robotik, egal ob jetzt in der Logistik, im Frontstore, im Handel oder auch in ganz anderen Bereichen wie Pflege usw., wird glaube ich, noch so einen Boost kriegen, allein aus dem Grund des Fachkräftemangels. Wir haben einfach viele Leute nicht mehr, die bestimmte Aufgaben noch durchführen können und ich glaube, da werden große Schritte in Richtung Zukunft gehen. Siehst du irgendwie einen, der wahrscheinlich der erste sein wird, wo man da nochmal weiterkommt?
Christoph Tripp: Also du meinst in Richtung der Technologie oder der Anwender?
Frank Rehme: Anwendung, immer Anwendung.
Christoph Tripp: Naja, wie ja vorhin schon gesagt, wenn man jetzt mal so die typischen logistischen Bereiche sich mal anschaut; Transportumschlag, Lagerhaltung. Ich sag mal, im Bereich Umschlag sind wir schon sehr weit, im Bereich Lagerhaltung ist die Entwicklung sehr dynamisch, wenngleich wir immer noch sehr viele manuell geführte Läger haben, also da ist auch schon noch ein ganz großer Bedarf der weiteren Automatisierung. Im Transportbereich bin ich offen gesprochen sehr indifferent, da wäre natürlich der Bedarf der Automatisierung mit Abstand am größten. Wenn man sich überlegt, dass wir aktuell eine Fahrerlücke haben, die geschätzt, je nach dem wer jetzt was sagt, aber irgendwo zwischen 60.000 und 80.000 LKW-Fahrern liegt.
Frank Rehme: Nur in Deutschland oder in Europa?
Christoph Tripp: Wir reden nur von Deutschland, in Europa reden wir von mittlerweile 600.000 fehlenden LKW-Fahrern. Und dann dürfen wir nicht vergessen, dass 1/3 der Fahrer in Deutschland älter als 55 sind, d. h. die gehen auch irgendwann in Ruhestand und der Nachwuchs ist nicht wirklich vorhanden. Also das ist wirklich eine Bedrohung, auf die ja auch die Verbände zurecht, der Kollege Engelhardt beispielsweise vom BGL immer wieder hinweist und auch mittlerweile Sprechzeit bekommt auf höchster politischer Ebene, weil das Thema wirklich dringlich ist und uns wirklich hemmen kann in der wirtschaftlichen Entwicklung, sowohl in der Industrie als auch im Handel. Also da wäre es natürlich besonders wünschenswert, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen klar sind, wenn die Technologien vorhanden sind. Aber offen gesprochen bin ich noch ein bisschen zurückhaltend, da der Zeithorizont so kurz ist, dass er unser dringliches Problem eigentlich nicht löst, sondern das scheint eher etwas zu sein, was sich noch ein bisschen entwickeln muss. Also wo ich Technologielösungen sehe, wo wir sie im Moment noch zu wenig einsetzen, wenn wir auf den Handel nochmal kommen, ist sicherlich im Fililalbereich, also wenn wir über das Thema Picking in der Filiale sprechen, also die Filiale als lokales Lager. Das ist ein Bereich, den ich mir jetzt auch seit einiger Zeit intensiver anschaue, wo ich mir vorstellen könnte, dass tatsächlich einfache Lagerhaltungs- und Kommissionierlösungen möglichst flexibel einfach anzuwenden sind, auch von den Verkaufsmitarbeitern. Das könnte ein Thema sein, was uns vielleicht in der Kürze der Zeit auch nochmal weiterhelfen kann.
Frank Rehme: Ja, also die Zukunft bleibt spannend. Wir beide bleiben dran.
Christoph Tripp: Das werden wir.
Frank Rehme: Nochmal der Ruf nach draußen, wir werden auf jeden Fall die Themen weiter beleuchten. Bleiben Sie an den Geräten. Christoph, vielen Dank!
Christoph Tripp: Gerne, Frank.
Frank Rehme: Und wir werden uns ein neues Thema auspicken und dann werden wir nochmal eine Folge daraufsetzen.
Christoph Tripp: Ja, super. Ich freue mich drauf.
Frank Rehme: Gut! Bis dann.
Christoph Tripp: Bis dann. Tschüß!
Frank Rehme: Ja, so viel zu dem Thema. Hochinteressant, was da gerade so passiert und ich glaube, die Entwicklung ist da noch lange nicht am Ende. Jetzt habe ich aber noch so etwas in eigener Sache. Unser Format ist hier ja kostenlos und insofern genießt es! Ihr braucht dafür nichts zu bezahlen, aber ihr könnt uns unterstützen auch ohne etwas dafür zu bezahlen, nämlich indem ihr euren Kolleginnen, euren Kollegen von unserem Podcast erzählt. Ruhig auf euren Social Media-Kanälen unseren Podcast auch mal teilen und uns in den Podcatchern, die ihr benutzt, egal ob es Spotify ist oder irgendwie Apple Podcast oder so, ein paar Sterne vergeben, denn dann rutschen wir im Ranking hoch und andere kriegen dann vielleicht etwas von diesem interessantem Format mit. Also, vielen Dank, wenn ihr es tut, ansonsten wünsche ich euch eine erfolgreiche Woche und vor allen Dingen fette Beute!
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