ZDE Podcast 185: Wie geht’s dem Textilhandel, Eva Maria Schaffner?
Kaufzurückhaltung, Rezession, Inflation – no good News für den Fashion-Handel. Wir lesen fast wöchentlich von Insolvenzen. Wie ist der Status Quo der Branche und wo geht die Reise hin? Eva Maria Schaffner war selbst Unternehmerin, Aufsichtsrätin und vertritt die Branche jetzt in Berlin. Sie beantwortet die Fragen von Podcast Host Marilyn Repp.
Die Folge zum Nachlesen
Eva-Maria Schaffner: Grundsätzlich ein Wandel im ganzen Schuhbereich und im Modebereich zu dem Thema Casual einfach.
Intro: Zukunft des Einkaufens – Der Podcast für Innovation im Handeln
Marilyn Repp: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens Podcasts. Mein Name ist Marilyn Repp. Ich beschäftige mich mit Innovationen, Trends und Digitalisierung im Handel seit vielen Jahren und hier kommen die Zukunftsgestalterinnen des Handels zu Wort. Wir machen heute einen Deep Dive und zwar in die Schuh- und Fashion-Branche. Und ich habe hier eine Expertin aus diesem Bereich, nämlich die Eva Maria Schaffner, die beim BTE, beim Verband eben für diese Branche, der vertritt eben die Schuhhändlerinnen und -händler, die Lederwaren-Händler und die Fashion-Händler da draußen. Und die Eva Maria Schaffner ist schon lange gerade im Schuhbereich unterwegs und wird uns heute ein paar Einblicke geben. Wie steht denn der Markt derzeit da? Man hört und liest ja sehr viel. Es geht der Branche nicht so besonders gut. Sie wird ein paar gute Beispiele zeigen und uns einen Ausblick in die Zukunft bieten: In welche Richtung geht es? Was ist jetzt zu tun? Ganz viel Spaß beim Podcast.
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens Podcast. Ich freue mich ganz besonders. Wir sind hier wieder live aus der Retail-Garage, aus unserem Podcast-Studio und ich freue mich sehr, dass die liebe Eva Maria Schaffner bei uns ist im Podcast-Studio. Herzlich willkommen.
Eva Maria Schaffner: Dankeschön. Ich bin auch ganz, ganz froh, hier sein zu dürfen und freue mich sehr auf unser Gespräch.
Evelyn Repp: Ja, liebe Eva, du bist, ja, du managest das Büro des BTE, des Schuh- und Textilhandelsverbands in Berlin und das noch nicht allzu lange. Du hast aber eine wahnsinnig lange Erfahrung schon im Schuhhandel. Ja, du warst selbst Schuhhändlerin, aber du kannst all das am besten selbst beschreiben. Erklär mal kurz deinen Werdegang.
Eva Maria Schaffner: Genau, also mein Werdegang war es so, dass ich in Dillenburg nach dem Abitur dann, dass ich sehr wohl behütet aufgewachsen bin in einem Unternehmerhaushalt. Meine Eltern waren selbstständige Schuh- und Modehändler und bin dann nach dem Abitur nach Gießen gegangen und hab dort Wirtschaftswissenschaften studiert mit dem Abschluss Diplom-Kauffrau. Währenddessen waren verschiedene Praktika in der Schuhbranche, die mich so ein bisschen auf den Geschmack gebracht haben. Und nachdem mein Vater relativ früh gestorben war und meine Mutter dann quasi das Unternehmen alleine geführt hat, habe ich mich dann entschieden, dort einzusteigen. Es hat mir auch sehr, sehr große Freude gemacht, weil wir, ich konnte sehr, sehr viel verändern und Warenwirtschaftssysteme einführen, personalmäßig sehr viele Dinge verändern und hab mich natürlich in der Zeit auch ehrenamtlich engagiert. Sprich bei der Industrie- und Handelskammer als Handelsausschussmitglied oder Mitglied der Prüfungskommission, aber auch im Aufsichtsrat bei der IHK. Dieses Amt habe ich auch beim Sabu ausgeführt 15 Jahre lang, glaube ich, insgesamt von Mitte 30 bis ja, doch von so um die 30er rum, circa 15 Jahre.
Evelyn Repp: Kannst du ganz kurz sagen, was der Sabu ist?
Eva Maria Schaffner: Das ist Sabu Schuh & Marketing GmbH, also, Sabu Schuh eG ist die Holding und die besteht aus einer Bank, der Retail & Service Bank, und der Sabu Schuh & Marketing GmbH, ein Einkaufsverbund für den Schuh- und Modehandel. In dieser Vereinigung war ich auch viele Jahre in der Waren-Kommission. Ich hab die Geschäfte sehr aktiv geführt, und wir waren auch Best Practice Unternehmen. Leider war das so, dass der Standort eben auch immer schlechter wurde. Also, es gab immer, es gab ein immer größeres Geschäftesterben und die Umsätze gingen kontinuierlich zurück. Wir haben dann noch verschiedene Turnarounds versucht. Wir haben noch ein drittes, viertes Geschäft aufgemacht. Das hat aber nicht richtig funktioniert. Und sodass ich mich dann entschlossen habe, mit Mitte 40, es war dann noch mal so ein Cut in meinem Leben, dieses Geschäft dann so im Prinzip abzuwickeln. Und mir einfach, mich einfach noch mal weiterzuentwickeln, primär natürlich in der Mode- und Schuhbranche. Was ich jetzt vergessen habe, was meinen Lebenslauf angeht, das ist, dass ich sehr viel auch im karitativen Bereich gemacht habe, in der Zeit, also mich engagiert für Aktivitäten bei der Lebenshilfe beispielsweise, in Altenheimen und einfach Menschen, die jetzt nicht gut gestellt waren, einfach da ein bisschen unterstützend tätig zu sein in einer Organisation. Ich habe dann meine Selbstständigkeit im Prinzip 2017 beendet und bin dann 2017 zur BBE nach München, hab dann da auch gewohnt und als Senior Consult große Handelsunternehmen beraten, Modehaus Beck, Schuhhaus Tretter, also primär so im bayerischen Raum. Aufgrund der räumlichen Trennung zu meinem Wohnort, habe ich mich dann nach zwei Jahren verändert, bin zu Gebrüder Götz gegangen, einem großen Versandhaus. Digital, Katalogversand und stationär mit ca. 100 Millionen Euro Umsatz, hab da zunächst den Einkauf geleitet und hab das Unternehmen dann mitsaniert. Bin dann aber nach circa einem Jahr ausgestiegen dort und dann kam ja die Corona-Zeit. Und arbeite jetzt seit November vorletzten Jahres für den BTE, Bundesfachverband Mode, Schuhe, Lederwaren.
Marilyn Repp: Genau, und der gehört ja zum Handelsverband auch dazu, oder?
Eva Maria Schaffner: Exakt.
Marilyn Repp: Ja genau und wir sind deshalb ja in einem Büro nebeneinander und so sind wir uns natürlich auch über den Weg gelaufen.
Eva Maria Schaffner: Genau.
Marilyn Repp: Ich bin ja auch beim Handelsverband unterwegs als stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand Digitalzentrums Handel und dort unterstützen wir ja Händlerinnen und Händler bei der Digitalisierung. Ich sag’s nur immer mal zwischendurch für Leute, die das vielleicht noch nicht gehört haben. Unter digitalzentrumhandel.de kann man sich alle möglichen Informationen rund um die Digitalisierung im Handel holen. Und das ist halt vornehmlich für mittelständische Handelsunternehmen. Und da sind wir, glaub ich, auch beim Thema, genau, die BTE. Vielleicht kannst du noch mal ganz kurz umreißen, was du da jetzt so treibst. Du hast ja schon wahnsinnig viel Handels-Erfahrung, also im Schuhbereich, dir wurde das in die Wiege gelegt, so kann man es eigentlich fast sagen, aber spannend ist natürlich auch, dass du dann auf die andere Seite gewechselt hast und dann beraten hast. Und jetzt hast du quasi den komplett Überblick, ja, den 360-Grad-Blick und den setzt ihr jetzt ein bei der BTE. Was machst du denn da genau?
Eva Maria Schaffner: Also grundsätzlich ist es so, dass ich für den BTE das Büro hier in Berlin leite, also ich hab quasi diese Büropräsenz hier aufgebaut und leite hier das Büro direkt im HDE. Also räumlich am Weidendamm 1A. Und verstehe mich als Vertreterin beziehungsweise den BTE als politische Interessenvertretung des deutschen Mode- und Schuhhandels und Lederwarenhandels am Bundestag, also als politische Interessenvertretung, aber auch Vertretung gegenüber anderen Gremien und Verbänden, HDS/L, also Verband der Schuhindustrie oder der Modeindustrie, also da verstehen wir uns als Vertretung. Und wir nehmen natürlich dies sehr, dadurch dass wir halt sehr viel im operativen Bereich auch tätig sind und einen direkten Draht eben auch zu unseren Händlern haben, Händlern und Händlerinnen, können wir das natürlich sehr gut auch umsetzen. Beispielsweise Rückzahlung Überbrückungshilfen, Corona-Rückzahlung, also Überbrückungshilfen in der Corona-Zeit oder auch dieses ganze Thema Mindestlohn. Das sind Dinge, mit denen wir uns dann einfach beschäftigt haben. Darüber hinaus bin ich im Prinzip für das Thema Schuhe zuständig, also Projektmanagement zum Thema Schuhe. Das betrifft dann auch Digitalisierung, also die Verknüpfung, Warenwirtschaftssysteme etc. mit der Schuhindustrie, wie das optimiert werden kann. Aber auch die Neuaufstellung der Warengruppensysteme sind Themen, die wir bearbeiten. Schuhkartonentsorgung, also generell dieses ganze globale Thema Projektmanagement im Schuhbereich. Darüber hinaus Pressearbeit, Pressestatements für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, für den Schuhkurier, Podcast, wie wir das jetzt hier tun und das Thema Nachhaltigkeit, also insbesondere im Schuh- und Mode-Handel.
Marilyn Repp: So, genau, da hast du ja echt ein total breites Aufgabenspektrum. Jetzt mal in medias res, wir steigen in die Praxis ein: Wie steht der Schuh- und Textilhandel derzeit da? Wir sehen ja sehr viele Schlagzeilen in den letzten Monaten und Jahren, viele Insolvenzen gerade im Fashion-Bereich. Du meintest vorhin im Vorgespräch, der Schuhhandel steht nicht ganz so schlecht da. Vielleicht kannst du das mal kurz umreißen, wie ist die aktuelle Lage?
Eva Maria Schaffner: Also grundsätzlich ist es natürlich so, wenn wir das Jahr jetzt von Januar an vergleichen, das gegenüber dem Vorjahr, wo ja letztes Jahr im Januar, Februar noch, beziehungsweise, ich muss jetzt mal ganz kurz überlegen, wir sind ja schon in 2024, ich muss ja jetzt quasi mit dem Vorvorjahr vergleichen.
Marilyn Repp: Ja. Also 2022, ne?
Eva Maria Schaffner: Genau. Da waren ja noch die letzten Corona-Maßnahmen und deswegen war jetzt Anfang 2023, kann man eigentlich sagen, im ersten Quartal der Umsatz teilweise im ein- bis zweistelligen Plusbereich, wenn man das Vorjahr vergleicht, 2022.
Marilyn Repp: Ist das inflationsbereinigt?
Eva Maria Schaffner: Nein, das ist nicht inflationsbereinigt. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass die Vorjahresergebnisse relativ schlecht waren und dass das Jahr 2023 eigentlich in Anführungszeichen so traurig es war, ganz gut angefangen hat. Es war natürlich so, dass zunehmende Veränderungen dazukamen, auch wirtschaftlicher Art, hohe Inflationsrate, schlechte Verbraucherstimmung. Es hat auch vielleicht teilweise das Wetter nicht so gepasst, wie es hätte sein sollen. Also, das Jahr, es waren einige Monate, die in einem ein- bis zweistelligen Plus waren. Es gab aber auch wieder Monate, die dieses Plus dann wieder aufgehoben haben und im Dezember war es zum Beispiel so, der begann ja auch anfangs relativ gut und der nahm dann aber auch aufgrund der milden Wetterlage dann wieder ab. Sodas wir jetzt im Dezember eigentlich ein Minus von 6 % haben. Aufgelaufen kann man aber sagen, dass das Jahr 2023, wir haben jetzt schon die aktuellen Zahlen, doch in einem leichten, mit einem leichten Plus abgeschlossen hat. Aber wie gesagt, du hattest das eben mit der Inflationsrate noch angesprochen, das musste man natürlich dann schon auch abziehen. Die Konsumneigung generell ist aufgrund dieser Veränderungen jetzt, Corona, der Ukraine Krieg, jetzt wirklich so mit diesen ganzen wirtschaftlichen Auswirkungen natürlich nicht besonders gut. Und auch diese Unsicherheit, was die Zukunft angeht, was den Arbeitsmarkt angeht, was die Mietkosten und die ganzen Lebenshaltungskosten angeht, schlagen unseres Erachtens sehr schwer auf die Konsumstimmung, also sehr schlecht auf die Konsumstimmung.
Marilyn Repp: Ja, und man muss natürlich auch dazu sagen, gerade im Fashion- und Schuhbereich haben wir halt in den letzten Jahren einfach eine Entwicklung mit dem Homeoffice, was absolut dieser Branche nicht in die Hände spielt, sondern ganz im Gegenteil. Also ich stelle das bei mir selbst privat auch fest: Ich kaufe weniger Kleidung als früher. Das hat zwei Komponenten. Die erste heißt Homeoffice. Ich muss nicht mehr so schick und makellos sein, jeden Tag. Und die zweite Komponente heißt Nachhaltigkeit. Also ich möchte nicht mehr so viel kaufen, weil ich die Umwelt nicht belasten möchte. Also ich möchte nur das kaufen, was ich wirklich benötige. Und ich glaube, diese zwei Dinge sind nicht nur bei mir ein Faktor, sondern eben auch bei vielen anderen Konsumentinnen da draußen. Sehe ich das ist richtig? Ist das so? Und wie können wir denn jetzt irgendwie für den Schuh- und Modehandel in Zukunft, wie können wir uns ja zukunftsfest aufbauen mit diesen beiden Strängen, die ja bleiben werden?
Eva Maria Schaffner: Also das stimmt auf jeden Fall, gerade in Corona-Zeiten, es wurde sehr viel online bestellt. Der stationäre Handel war ja in der Zeit geschlossen. Der Onlinehandel hat in der Zeit ein Umsatzzuwachs von circa 20 Prozent gehabt. Das ganze Thema Casual, das war ja auch im Prinzip schon leicht erkennbar vor Corona. Es gab viele Unternehmen wie jetzt beispielsweise die Lufthansa, die auch keine Anzugpflicht mehr hatten, sondern es wurde ja vorher auch schon so ein bisschen gelockert. Es hat sich natürlich durch Corona nochmals verstärkt und das Thema Hausschuhe war ein ganz großes. Also die Hausschuhlieferanten eigentlich alle durch, hatten in der Corona-Zeiten mehrstellige Umsatzplus Zuwächse. Ja, wohin gegen natürlich so dieser ganze klassische Bereich, so der Brown Shoes Bereich, auch bei Herren Anzugschuhe, Abendschuhe, das waren natürlich, das waren alles Themen, die überhaupt nicht gespielt wurden. Das kam dann auch erst nach Corona wieder und die Leute sind es jetzt einfach gewohnt in gemütlichen Jogging-Hosen mit Sneakers, man sieht das ja beispielsweise auch im Damenschuhbereich, dass so dieser klassische Pumps, zwar immer wieder, es wurde jetzt immer wieder versucht, in der vergangenen Zeit die Umsatzzahlen wieder steigen zu lassen, aber so dieser gesamte Sneakersbereich ist einfach aus dem Schuhmarkt nicht wegzudenken, und das ist einfach eine ganz fixe Größe. Von daher ist grundsätzlich ein Wandel im ganzen Schuhbereich und dem Modebereich zu dem Thema Casual einfach.
Marilyn Repp: Werbung. Ja, ihr findet das, was wir machen, gut bei Zukunft des Einkaufens. Wir machen das natürlich super gerne weiter kostenlos für euch und möchten euch an der Stelle bitten, uns fünf Sterne in den Podcatchern eurer Wahl zu geben. Ihr könnt uns aber auch ein paar Euro in den Hut werfen und Unterstützer oder Unterstützerin werden und zwar bei ZukunftDesEinkaufens.de auf der Webseite findet ihr einen Bereich „Unterstützer werden“, oder völlig kostenlos: Teilt unsere Inhalte in Social Media oder erzählt euren Kollegen, euren Kolleginnen oder euren Freunden von uns und unseren tollen Inhalten. Man kann mich und auch die anderen Autorinnen und Autoren bei Zukunft des Einkaufens auch buchen als Speaker. Ich spreche vor allen Dingen zu den Themen Trends, Digitalisierung, Technologien im Handel. Meine Themen sind die Zukunft des Handels und ich beschäftige mich da hauptsächlich mit den jungen Zielgruppen. Also was machen die so abgespaces? Das Thema Metaverse, Web 3, aber auch Künstliche Intelligenz, Gamification und Gaming, das sind so meine Themen. Ich gehe weniger darauf ein, was diese Technologie, also was dahinter steckt, wie die funktionieren, sondern ich spreche eher darüber, was sie können. Welche Tools gibt es? Welche guten Beispiele gibt es? Und welche Unternehmen machen schon was? Ich zeige viele Best Practices und jetzt viel Spaß weiter beim Podcast.
Man muss auch sagen, da können wir aus dem Nähkästchen plaudern. Ich bin ja schon seit ein paar Jahren beim Handelsverband und der Handelsverband ist natürlich auch politisch unterwegs hier in Berlin. Jetzt bin ich aber nun mal da auch im Büro sehr oft, ich arbeite ja nicht politisch, sondern wir arbeiten ja im Transfer, also Wissens-Transfer sozusagen. Als ich dort angefangen habe, vor fast fünf Jahren, 2019, waren alle noch im Anzug unterwegs.
Eva Maria Schaffner: Genau.
Marilyn Repp: Anzug und Krawatte und Anzugschuhe. Wenn du jetzt guckst, sogar die Geschäftsführung ist oftmals in Sneakers anzutreffen und ohne Krawatte oder manchmal sogar im Sommer im Polo-Hemd. Als auch da sieht man diese Entwicklung. Ich finde das total positiv und schön und gut, weil es ist halt auch nicht bequem. Aber jetzt kommen wir mal zurück zum Thema. Wo geht es da in Zukunft hin? Wie können sich Unternehmen langfristig so aufstellen, dass sie diese Entwicklungen umarmen? Und muss man sich vielleicht auch darauf einstellen, weniger zu verkaufen? Weniger Produkte, hochwertiger, mehr Services? Das sind ja auch sehr viele Themen, die wir hier oft ansprechen im Podcast. Also wie können sich Unternehmen hier zukunftssicher aufstellen?
Eva Maria Schaffner: Das ist eine ganz, ganz gute Frage. Mit diesen Themengebieten beschäftigen wir uns ja auch schon seit einiger Zeit. Also ich bin grundsätzlich der Meinung, dass der private Konsum etwas zurückgeht, weil ich drücke es jetzt mal ganz krass dar: Die Schränke sind gefüllt und was brauchen die Leute? Ja, das ist einfach so. Aber grundsätzlich gibt es eben doch noch Kaufanreize. Beispielsweise, wir sind ja jetzt mit Mode und Schuhen auch sehr wetterabhängig und es gibt einfach so diesen Trend, jetzt im Winter, wenn der Bedarf da ist, einfach wenn die Füße kalt werden oder nass, dass dann Schuhe gekauft werden müssen. Das ist vielleicht auch ein positiver Aspekt unserer Branche, dass diese Ausschläge, wie vielleicht in anderen Branchen sind, wenn es wirtschaftlich jetzt eher schwieriger wird, vielleicht nicht so krass sind wie in anderen Branchen. Das grundsätzlich dazu. Dann du hattest es ja eben schon angesprochen, dieses ganze Thema Nachhaltigkeit. Dass es viele gibt, die gar nicht mehr, also gerade so die jüngere Generation, aber auch wieder zweigespalten. Also es gibt natürlich dann auch die, die bei SheIn bestellen und richtig ordentlich zuschlagen. Der Konsument ist so bunt geworden und so verschieden. Ich glaube, dass der Händler an sich, um gute Geschäfte zu machen, muss seine Zielgruppe ganz, ganz klar definieren und diese dann auch optimal bedienen.
Marilyn Repp: Ja, also wenn man Händler fragt: Wer ist deine Zielgruppe? Umreis die mal so ein bisschen. Dann sagen ja ganz oft die Unternehmerinnen oder Unternehmer: Alle. Also das ist jetzt keine genaue Definition der Zielgruppe, sondern da muss man schon ein bisschen genauer hingucken.
Eva Maria Schaffner: Also wir haben zum Beispiel auch dieses Thema, weil du eben das Thema angesprochen hattest, bezüglich vielleicht weniger kaufens, ist natürlich eine Chance im Handel, einfach Schuhe mit etwas höherpreisigeren Schuhe zu verkaufen, die dann auch entsprechend höherpreisiger Renditen haben, Kalkulationen und ich kann davon eine Händlerin aus Bayern berichten.
Marilyn Repp: Jetzt kommen wir zu den Best Practices, ja.
Eva Maria Schaffner: Genau, die auch selber viel auf der Fläche steht, also die selber auch viel, ich sage jetzt mal in Anführungszeichen auch so mitbekommt. Und die sagt eben, der Trend geht schon auch im Fachgeschäft, sie hat drei Fachgeschäfte, dahin, dass der Kunde sagt, der kauft lieber einen guten Schuh, der dann etwas länger hält, auch Nachhaltigkeit. Unter dem Nachhaltigkeitsaspekt. Es gibt, das war das, was ich eben schon angesprochen hatte, eigentlich alles. Also es gibt die, die eben günstig kaufen, weil sie es vielleicht einfach bezüglich ihres Einkommens nicht anders realisieren können. Weil eben die Nebenkosten so stark oder die Lebenshaltungskosten so stark gestiegen sind, die einfach günstig kaufen müssen. Aber ich sage jetzt mal so die Mitte, die sich da ganz klar entscheiden können, die Nachhaltigkeitsgewissen, also die nachhaltiges Gewissen in Anführungszeichen haben, die dann auch einfach Schuhe oder Mode, Textil zu einem höheren Preis dann auch kaufen können.
Marilyn Repp: Wir sprechen ja auch immer wieder über das Thema Reparatur und Services hier anbieten. Siehst du hier in Zukunft ein Potenzial für die Branche? Das ist natürlich auch ein absolutes Personalthema.
Eva Maria Schaffner: Unbedingt, ja. Also ich weiß das selber auch jetzt, also ich als Konsumentin im Prinzip, ja, man hat ja doch irgendwie Schuhe, wenn man sich einen guten Schuh gekauft hat, den man dann auch pflegt. Und weil auch das Herz dran hängt, wo dann auch ein neuer Absatz draufgemacht wird oder eine neue Sohle um möglichst, auch lange von diesem Schuh zu haben. Und ich glaube einfach, dass Produkte, sei es jetzt Mode oder Schuhe, wenn die einen bestimmten Preis haben, dass eben dieses ganze Thema Reparaturservice und so weiter gespielt werden muss, ja.
Marilyn Repp: Ja, da musst du aber auch Leute auf der Fläche haben, die das können und die das wollen, und ich glaube, das ist auf jeden Fall was, wo man Skills aufbauen muss.
Eva Maria Schaffner: Genau.
Marilyn Repp: Also das ist ja jetzt, glaube ich, noch nicht so Standard, dass du so ein Service anbieten kannst.
Eva Maria Schaffner: Also ich hatte mal ein sehr angenehmes Gespräch in dem Veja-Shop hier in Berlin. Diese nachhaltig hergestellten Turnschue/Sneakers und ein Service-Angebot von diesem Shop ist eben auch, Schuhe reparieren zu lassen. Da kostet die Reparatur fast wie ein Neukauf, also es ist, glaube ich, 100 Euro oder 80 Euro, also schon relativ viel, aber der Sneaker wird dann wie neu, also es ist quasi rundum erneuert. Und wir haben dann auch das Thema Fachkräftemangel angesprochen. Bei Veja, in diesem Veja-Shop war das so, dass sie extra aus Frankreich einen Schuhmachermeister hergebracht haben, der vor Ort dann hier in Berlin die Schuhe repariert und das ist zum Beispiel auch ein Thema, mit dem wir grundsätzlich auch an die Politik gehen. Das Thema Fachkräftemangel, was wir natürlich auf der Fläche haben im Mode- und Schuhbereich. Und Spezialleistungen, was ja eine Serviceleistung ist, jetzt beispielsweise Reparatur von Schuhen oder von Bekleidung, ist einfach das Problem, dass es kaum jemanden gibt, der das noch macht.
Marilyn Repp: Richtig, genau das meine ich.
Eva Maria Schaffner: Und es wäre natürlich gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, ist es ein großes Thema. Also ich würde mir wünschen, dass wir werden das auch an unsere Händler kommunizieren, dieses Thema noch stärker zu machen. Weil das ein gutes Zukunfts-Thema ist und das gehört dazu.
Marilyn Repp: Ja, also ich spreche es ja auch immer wieder an, dieses Recht auf Reparatur, was von der EU vorbereitet wird und dann in den nächsten Jahren auch umgesetzt werden wird in den europäischen Staaten, das bürgt auch einfach Potenziale, aber da müssen Skills aufgebaut werden, die halt heute noch nicht so da sind. Also es gibt ja hier und da noch Schumacher, die sowas können und sowas machen, aber die sind natürlich immer weniger geworden mit unserem Konsumverhalten in der Wegwerfgesellschaft.
Eva Maria Schaffner: Ja, absolut.
Marilyn Repp: Aber ich glaube, das wird zurückkommen, weil es hier nicht nur einen Umdenken der Konsumentinnen gibt, sondern das wird regulatorisch einfach gesetzt werden, dass Dinge repariert werden müssen auch. Gerade auch im Consumer Electronics Bereich.
Eva Maria Schaffner: Genau. Ja.
Marilyn Repp: Das ist der erste Bereich, der da abgedeckt wird und das wird sich dann, ich sag mal so, hoffentlich, auch auf den Schuh- und Textilhandel irgendwann ausweiten, weil wir wissen ja beide auch, dass Fast-Fashion schon auch eine große Belastung für die Umwelt ist.
Eva Maria Schaffner: Absolut, ja.
Marilyn Repp: Weltweit gesehen. Und so wie wir jetzt gerade wirtschaften, was das angeht, kann man natürlich nicht weitermachen. Reparatur, aber auch weniger Konsum, wird ein Teil der Lösung sein in Zukunft.
Eva Maria Schaffner: Ja.
Marilyn Repp: Das ist nicht für alle eine gute Nachricht.
Eva Maria Schaffner: Nein.
Marilyn Repp: In der Branche. Ja, was würdest du sagen? Wie steht die Branche 2035 da? Wie wird das Shopping da aussehen? Ist die Ära von Fast-Fashion dann vorbei? Wird es den stationären Handel noch geben? Wie siehst du das?
Eva Maria Schaffner: Also grundsätzlich ist es natürlich sehr schwer, so langfristig eine Prognose zu wagen und das kann ich natürlich an dieser Stelle jetzt nicht ganz klar sagen. Grundsätzlich kann man sagen, dass auch aufgrund dieser doch sehr schnellen Veränderungen, die jetzt in den letzten zwei, drei Jahren stattgefunden haben, früher war das alles etwas glatter, da konnte man auch besser Prognosen wagen. Und von daher ist das jetzt ganz, ganz schwierig zu sagen: Da stehen wir 2035. Ich kann aber sagen, das letzte Jahr war ein sehr herausforderndes, aber dadurch, dass eben der Schuh- und Modehandel auch sehr mittelstandsgeprägt ist, mit sehr vielen Unternehmerpersönlichkeiten, die ihre Geschäfte führen, mit einer sehr hohen Eigenmotivation, die auch immer nach Lösungen suchen. Ich kann das also nur von meinem Netzwerk auch sagen, wir haben auch Fachausschüsse in unserem Verband und bekommen eben aus dem operativen Bereich ständig von diesen Unternehmern auch Feedbacks. Und ich würde einfach mal, was das kommende Jahr jetzt angeht, beziehungsweise das bereits angebrochenes sagen: Verhalten optimistisch. Unsere Händler suchen nach Lösungen. Die Zeiten sind sehr schwierig, sehr herausfordernd, aber wie sich das jetzt bis 2035 entwickelt, kann ich nicht sagen. Ich denke, auf jeden Fall wird es den stationären Handel noch geben. Klar, warum nicht? Problematisch, man muss da ja auch unterscheiden, das klassische Fachgeschäft, Fachmärkte usw. Wir haben sehr viele Händler, die zu dem Thema Best Practice, auch was wir eben angesprochen hatten, sehr erfolgreich Fachmärkte betreiben, insbesondere im bayerischen Raum gibt es sehr viele. Wir haben sehr viele Händler, die klassische Fachgeschäfte, also mit Vollsortiment betreiben, die sich dann auf das ganze Thema Serviceleistung, Dienstleistung und so weiter beziehen. Es gibt natürlich auch die Nischenbesetzer, sage ich jetzt mal. Wie beispielsweise letztes Jahr hat ein sehr erfolgreiches Kinderschuhgeschäft eröffnet, es wurde auch in der Presse sehr besprochen. Oder auch sehr viele Orthopäden sind sehr erfolgreich unterwegs. Im Modehandel lässt sich das im Prinzip projizieren. Es gibt große Anbieter jetzt, wie Bräuninger beispielsweise, der jetzt die 1 Mrd. Umsatzgrenze geknackt hat, aber auch viele kleinere Shop-Inhaber, Marc Cain-Shops, die erfolgreich betrieben werden. Ich denke, das Wichtigste ist, es gibt bestimmt kein Patentrezept, aber ich denke, es ist sehr wichtig, dass die externen Faktoren stimmen, also die Innenstädte. Auch ein großes Thema, was wir politisch immer besprechen und im Fokus haben, Verkehrsberuhigungen in den Innenstädten, also die Innenstädte sind maßgeblich entscheidend, wie der Umsatz in den Geschäften dann auch ist, Quasi so der Aufbau der Innenstädte. Ein ganz, ganz wichtiges Thema und dann natürlich die Spezialisierung der Händler: Bin ich ein Vollsortimenter, bin ich ein Fachgeschäft, bin ich ein Fachmarkt, verkaufe ich nur Kinderschuhe. Wichtig ist eben, die Zielgruppe zu identifizieren und entsprechend dann eben die Bemühungen so auszurichten, dass es optimiert wird auf das, also ein extrem gutes Kundenbeziehungsmanagement.
Marilyn Repp: Ja, da war ja schon ziemlich viel dabei.
Eva Maria Schaffner: Es gibt im Prinzip, weil du das Thema Best Practice Unternehmen auch angesprochen hattest, es gibt viele Händler, die auf ganz unterschiedliche Art erfolgreich sind. Zum Beispiel auch, wenn ich jetzt noch mal den Schuhhandel betrachte, es gibt einen Händler in Duderstadt, der nur stationär unterwegs ist, gar kein Online-Geschäft führt und hoch erfolgreich ist. Andere sind auf der Thema Preisschiene unterwegs, machen das ganz, ganz gut. Die Firma Deichmann z.B. hat vorletztes Jahr ihr bestes Geschäftsjahr. Es gibt verschiedene Betriebsformen, die erfolgreich geführt werden können und es hat sicherlich beides, die Berechtigung, online und stationär. Ich glaube aber, dass insbesondere im stationären Bereich dieses ganze Thema virtuelles Anprobieren beispielsweise auch ein wichtigeres werden wird und einfach die Verknüpfung online, stationär. Die Leute gucken vielleicht online, gehen dann stationär ins Geschäft und kaufen es dort. Also, da gibt es sicherlich viele Alternativen, die auch Herausforderungen darstellen und ich bin ganz gespannt, wo wir dann 2035 stehen.
Marilyn Repp: Ich auch. Liebe Eva, vielen Dank für deine Einschätzung und die Einblicke in die aktuelle Situation der Branche. Du bist echt eine tolle Expertin aus dem Bereich, deswegen bin ich sehr froh, dass du bei uns warst im Podcast. Vielen Dank für dein Wissen.
Eva Maria Schaffner: Dankeschön.
Marilyn Rapp: Und ja, wir sehen und hören uns auf den Fluren des Handelsverbandes. Und bis dahin, alles Gute. Danke dir.
Eva Maria Schaffner: Genau. Vielen Dank, dass ich hier sein konnte. Und ja, alles Gute. Dankeschön.
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