Showrooming, Abos und Services bestimmen den Handel in 2025 (6)
Der stationäre Einzelhandel steht vor einem Paradigmenwechsel. Er muss sich verändern, um zu überleben. Denn zahlreiche Hinweise auf den Veränderungsdruck geben die seit einigen Jahren stattfindenden Filialschließungen und der Trend zur Verkleinerung der Einzelhandelsflächen. Das bedeutet aber nicht, dass der Einzelhandel ganz verschwindet. Im Handel gilt nach wie vor das geflügelte Wort: Handel ist Wandel. Um im Jahr 2025 noch zu bestehen, muss der Einzelhandel seine üblichen Denk- und Handelsweisen überdenken. Diejenigen, die sich neu ausrichten und positionieren, werden überleben. Aber welche Konzepte sind notwendig? Was sind die Trends, die es zu bedienen gibt? Zum einen wird vom Einzelhändler digitale Präsenz gefordert. Und zum anderen neue Konzepte für die stationären Geschäfte. Neben vielen anderen Konzepten und Trends sind Showrooming, Abos und Services drei Gestaltungsalternativen für die Zukunft des stationären Handels.
Trend 1: Das stationäre Geschäft wird zum Showroom
Seit einiger Zeit schlagen Handelsexperten eine radikale Idee für den stationären Einzelhandel vor: Dabei wird dass physische Geschäft zum Showroom. Dort werden nur Artikel ausgestellt. Und dort können die Kund*innen die Produkte sehen, berühren und erleben. Und wenn ein Produkt gefällt, kann es online bestellt werden. Danach wird es dann umgehend nach Hause geliefert.
Dabei liegen die Vorteile aus Handelssicht auf der Hand:
- Niedrige Lagerbestände, damit auch niedrige Lagerkosten und geringere Lagerflächen
- Keine Kosten für unverkaufte Bestände
- Verkaufspersonal kann mehr Zeit für die Betreuung der Kund*innen aufwenden anstatt Waren auszupacken und an den richtigen Platz zu bringen
- Kunden, und das haben empirische Studien bewiesen, tätigen größere Durchschnittsbestellungen, kaufen häufiger und eine breitere Produktpalette ein
- Kund*innen retournieren weniger Artikel
Vertreter einer erfolgreichen Showroom-Strategie
Aktuell verfolgen die Showroom-Strategie vor allem Online-Händler, die stationäre Geschäfte eröffnen. Beispiele sind Herrenmode-Händler wie Bonobos und SUITSUPPLY oder MM.LaFleur für Damenkleidung. In einem früheren Beitrag ist das Showrooming-Konzept bereits detailliert beschrieben: „Einkaufsatmosphäre (4): Der richtige Ansatz zählt„.
Aber auch der tradierte Einzelhändler Nordstrom in den USA beweist in fünf Standorten, das das Konzept auch bei ihm funktioniert.
Hierzulande versucht die Otto-Tochter Bonprix mit einem ähnlichen Ansatz nicht nur kostengünstiger zu sein, sondern auch ausgabenfreudigere Kunden anzusprechen, die größere Durchschnittsbestellungen tätigen und häufiger einkaufen. Bonprix ist stolz auf den neuen digitalen Pilot-Store fashion connect. Er bietet – assistiert von der Bonprix-App – bequemstes mobiles Shopping, geräumige und digital vernetzte Umkleidekabinen, einen edlen Click & Collect-Bereich und einiges mehr für die Smartphone-Kundin. Ware gibt es nur noch als Einzelstücke zu sehen. Anschließend wird bestellt per Scan zum Beispiel in die Umkleidekabine oder am intelligenten Spiegel in der Umkleidkabine.
Ein detaillierterer Beitrag zum Bonprix Fashion Connect-Store findet sich in dem Artikel „Fashion Connect – Bonprix Future Store in Hamburg„.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, das bei dem Showrooming-Konzept das Beste aus dem physischen Einzelhandel und dem Online-Handel vereint wird. Daher wird das Konzept auch oft als „Offline-Online-Komplementarität“ bezeichnet.
Prominentes Beispiel: Samsung-Showroom in London
Im Showroom von Samsung in London bestellen die Kund*innen auch Produkte, um diese nach Hause liefern zu lassen. Aber der Verkauf steht an zweiter Stelle. Das Geschäft ist zunächst einmal Ort der Begegnung und ein digitaler Spielplatz. Samsung bietet auf über 2.000 Quadratmetern einen Raum, um mit seiner aktuellen Technologie zu spielen und Erfahrungen zu sammeln. Ein gastronomisches Angebot und Raum für Veranstaltungen und Vorträge, eine Showküche mit Kochkursen runden das Angebot ab.
Zusätzlich zum Angebot gehören auch Attraktionen: In einem digitalen Cockpit können Besucher*innen die Zukunft des Automobils erleben und zwar so, wie sich Samsung das vorstellt. In der Station „Galaxy Graffiti“ verwandelt sich das Smartphone Samsung S10 in eine Sprühdose, mit der auf einem 10 Meter breiten Bildschirm gezeichnet werden kann. An einem „Nachrichtenbaum“ dürfen Kund*innen per Augmented Reality Botschaften für andere hinterlassen. Bei 3D Me erstellen Besucher*innen kleine 3D-Abbilder ihrer selbst. Auch das Thema Smart Home spielt in der Samsung Produktpalette eine große Rolle. Ein Wohnzimmer zeigt, welche Möglichkeiten der Konzern hier anbietet.
Trend 2: Subscription Economy und Abonnentenmodelle
Heute schon bieten einige Unternehmen Dienstleistungen an, die sich an die verändernden Verbraucher- und Geschäftsanforderungen anpassen. Produkte zu kaufen und zu besitzen wird in einigen Bereichen zu einer überalterten Idee. Einmalkäufe waren gestern. Die kommerzielle Welt steht am Anfang eines weiteren revolutionären Paradigmenwandels. Statt Verkauf und Besitz bewegt sich die globale Gesellschaft hin zu flexiblen Nutzungsmodellen mit komfortablen Services. Abonnementen-Modelle werden angeboten und von Kund*innen vermehrt genutzt. Der Trend geht zur „Subscription Economy“.
Die Subscription Economy dringt in neue Bereiche vor
Unternehmen wie Salesforce.com, Amazon, Netflix und Spotify sind sicherlich die Vorreiter im Bereich der Abonnentenmodelle. Doch diese bilden erst den Anfang dieser Umwälzung. Der Trend erfasst inzwischen auch andere Branchen. In fünf bis zehn Jahren werden die Menschen viel mehr abonnieren: IT, Mobilität, Einkaufen, Gesundheit, Bildung oder Wohnen.
Deshalb müssen Unternehmen – vom Individualverkehr, dem Einzelhandel über Medien und Software bis hin zur produzierenden Industrie – über Abonnentenmodelle lukrative, kontinuierliche und individuelle Kundenbeziehungen aufbauen. Jedes Unternehmen sollte sich die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden ansehen und dann eine Dienstleistung schaffen, die diesen Kunden anhaltenden Wert bietet.
Zur Sharing- und Abo-Modellen im Handel finden sich weitere Ausführungen in dem Beitrag „Leben 2038: Was bedeutet das für den Handel? (2)„.
Abonnentenmodelle: Vorteile für Kund*innen und Anbieter
Die Veränderung von einem einzigen Kaufmodell zu einem wiederkehrenden Service ist sowohl für Händler als auch für Kund*innen von Vorteil. Unternehmen schaffen sich einen stabilen Umsatz und sammeln Kundendaten, die zur Erstellung weiterer, maßgeschneiderter und verbesserter Dienstleistungen führen. Kund*innen wiederum haben ein bereicherter Erlebnis, Bequemlichkeit und Sicherheit eines andauernden Qualitätsservice.
Vertreter der erfolgreichen Subscription Economy
Adobe hat durch den Wechsel vom Verkauf von Softwarelizenzen hin zu cloud-basierten Lösungen mit monatlicher Abrechnung seinen Marktwert vervierfacht. Und der Gitarrenhersteller Fender verkauft nun nicht mehr nur Gitarren, sondern begeistert Menschen für Musik und lehrt sie und will sie so ein Leben lang inspirieren.
Und Produktionsriese Caterpillar, weltgrößter Hersteller von Bau- und Landwirtschaftsmaschinen, nutzt Abonnements, um Probleme aus dem Weg zu räumen. Denn mit seiner App Cat Connect – im Abonnement eingeführt – trägt er mit angeschlossenen Maschinen dazu bei, die Produktivität und Sicherheit für seine Kunden zu verbessern: Am Ende zählt nur noch, wie bewegt wird, und nicht mehr, wie viele Traktoren dafür gemietet werden.
Ein eindrucksvolles Beispiel der Nutzung von Subscription Modellen in ECommerce in den USA zeigt auch folgende Grafik.
Angebot von zusätzlichen Dienstleistungen auf der Basis von Daten der Kund*innen
Mit umfangreichen Daten aus den Abonnements können Unternehmen maßgeschneiderte Angebote erstellen, die bei neuen und bestehenden Kunden ankommen. Denn jeder Kunde ist einzigartig und hat unterschiedliche, sich ständig ändernde Bedürfnisse, so dass Unternehmen, die immer noch versuchen, Einheitspakete zu verkaufen, die Kunden an langfristige Verträge binden, im Regen stehen bleiben.
Dazu liefert Spotify, ein Early Adopter des Abonnementgeschäftsmodells, ein gutes Beispiel. Erst jüngst kündigte er an die Merchandising-Partnerschaft zu erweitern, um Künstlern den Verkauf von Beauty-Produkten zu ermöglichen. Dies ist eine dramatische, aber innovative Abkehr von seinem Kerndienst des Musik-Streaming. Es ist klar, dass Spotify Customer Insights nutzt, um neue Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, die parallel zu ihrem bestehenden Kundenstamm von Interesse sind.
Lesenswertes Buch zur Subscription Economy
Ein interessantes Buch über Abo-Modelle und wie sich Unternehmen in diese Richtung verändern können zeigt das Buch von Tien Tzuo: „Das ABO-Zeitalter: Warum das ABO-Modell die Zukunft Ihres Unternehmens ist und was Sie dafür tun müssen“.
Trend 3: Erfolg im Handel hängt zunehmend vom Service ab
Heute zeichnen sich erfolgreiche stationäre Händler dadurch aus, dass sie nicht nur ihre Produkte verkaufen, sondern zusätzlich auch Lösungen und Services. Für den stationären Handel wird es immer wichtiger, Konsument*innen nachhaltig zu begeistern. Dabei kommt dem Serviceangebot – online, offline sowie stationär – eine immer größere Bedeutung zu. Auf diese Weise können Kundenerwartungen befriedigt oder im Optimalfall sogar übertroffen werden.
Services: Mal bequem, mal begeisternd
Daher wird Service einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Handel und zentrale Stellschraube, wenn es darum geht, die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu steigern. Allerdings ist Service nicht gleich Service: Mit unterschiedlichen Angeboten fokussieren Händler verschiedene Konsumentenbedürfnisse.
Services verbessern die Convenience beim Einkaufen
Die Convenience-orientierte Services wie WLAN im Geschäft oder mobile Zahlungsverfahren zielen primär darauf ab, den Einkauf für Konsument*innen möglichst einfach und bequem zu gestalten.
Services verbessern das Einkaufserlebnis
Demgegenüber zielen andere Services darauf ab, das Einkaufserlebnis zu verbessern. Sie stellen den Erlebnisaspekt in den Vordergrund und zeichnen sich durch Individualisierung und Interaktion bei der Einkaufserfahrung aus. Konkret kann dies durch das Angebot eines begleitenden Shoppens durch einen Berater, online und im Geschäft, oder durch die Integration des Shoppings in Social-Media-Kanäle umgesetzt werden.
Vielfältige Services erhöhen die Kundenbindung
Weitere Services in diesem Zusammenhang sind Lieferservices, Wartungs-/Reparaturservices, Ersatzgeräte bei Reparaturen, Beratungstage in Kooperation mit Herstellern und Zulieferern, Einweisungshilfen, Notdienste oder auch Lieferservices. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt – höchstens durch den zeitlichen und finanziellen Aufwand.
Einkaufen von Services: flaschenpost
Und spannend, aufstrebend und verdammt schnell, das ist flaschenpost. Flaschenpost schafft es, die Getränkebranche auf den Kopf zu stellen. Das Start-up liefert innerhalb von 120 Minuten Getränke bis an die Wohnungstür. Seit 2016 ist das Unternehmen unaufhaltsam dabei, den deutschen Getränkemarkt zu erschließen.
Kund*innen wünschen sich persönlichen Service
Die Käufer*innen zieht es wieder verstärkt in die Geschäfte. Und dort wünschen sich drei Viertel der Kund*innen freundliche, aufmerksame und präsente Verkäufer. Allerdings berichten 59 Prozent der Kunden, dass sie bei ihrem letzten Einkauf selbst die Initiative ergreifen und das Verkaufspersonal aktiv ansprechen mussten, um beraten zu werden. Zu guter Letzt konnten nur 38 Prozent der Verkäufer während des Beratungsgesprächs Informationen zu einem bestimmten Produkt geben. Das sagt eine Studie von PWC.
Ein weiteres Indiz dafür, dass es um die Servicequalität im deutschen Einzelhandel nicht gut bestellt ist: Rund ein Viertel der Konsumenten wären bereit, Preisaufschläge für selbstverständliche Services wie eine zuverlässige Lieferung oder eine kompetente Service-Hotline zu zahlen.
Fazit: Über neue Ladenkonzepte und Services in die digitale Zukunft
Angesichts des Flächensterbens muss der Handel seine Rolle und die seiner Geschäfte neu definieren. Dabei lassen sich erste vielversprechende Ansätze erkennen. Denn über diese neuen Ansätze lassen sich den veränderten Erwartungen der Kund*innen entgegentreten. So kann der Handel erweiterte Services anbieten, Abonnentenmodelle und Teile seiner Verkaufsräume zu Showrooms umgestalten.
Erfolgreiche Händler zeigen, das das funktioniert:
- Zunächst bietet Nordstrom in einem Herrengeschäft in New York Spitzentechnologie gepaart mit jeder Menge Services wie Express-Lieferung. Schneiderei, Retouren-Annahme und den fast selbstverständlichen Tablets als verlängertes Regal.
- Daneben eröffnet Nordstrom kleinere Geschäfte mit einer geringen Anzahl von Artikeln, die als Showrooms den Kunden zum Einkaufen anlocken.
- Grover aus Berlin vermietet monatsweise oder länger hochwertige Technikprodukte, wie Handies, Notebooks, Wearables, Smart Home-Geräte, Beamer und vieles mehr.
- Zu guter Letzt bietet die Kleiderei bereits personalisiertes Leihen von Kleidungsstücken an. Mit einem Leih-Abo von monatlich 25 Euro monatlich hat man immer wieder neue Kleidungsstücke im Schrank.
Sicherlich lässt sich die Liste der erfolgreichen Beispiele fortsetzen. Sie sollten den Handel inspirieren und zum Umdenken anregen.
Weitere Beiträge zum Handel in 2025
Das Thema Handel in 2025 erscheint in einer Reihe von Artikeln. Sie beleuchten das Thema aus verschiedenen Perspektiven:
- Die Generationenlücke – Handel in 2025 (1)
- New Retail aus China – Handel in 2025 (2)
- Der Kunde bestimmt – Handel in 2025 (3)
- Mit allen fünf Sinnen Einkaufen – Handel in 2025 (4)
- Individualität und Nachhaltigkeit bestimmen den Handel in 2025 (5)
- Erlebnis-Einzelhandel bestimmt den Handel in 2025 (7)
Trackbacks & Pingbacks
[…] die Bedeutung von Services in Welt des zukünftigen Einzelhandels wurde bereits im Beitrag „Showrooming, Abos und Services bestimmen den Handel in 2025 (6)“ […]
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!