Verödete Innenstädte: Wenn das Paketabholen zum Erlebnis wird
Viel wird über die Zukunft unserer Innenstädte diskutiert. Es wird nach Konzepten gesucht, die uns Shopper wieder in die City locken. Die altbekannten Themen wie Öffnungszeiten und Verkehrsanbindungen werden wieder einmal hervorgeholt, doch von wirklich neuen Konzepten oder Strategien hört man noch eher wenig. Das wird sich sicherlich ändern, denn es gibt sie schon länger, die innovativen Ansätze, wie z.B. die „Posti Box“. Bald hoffentlich noch mehr.
Ich hatte bereits darüber nachgedacht, wie stationäre Händler sich die Logistik-Probleme, die durch den Online-Handel entstehen, zunutze machen können. Wenn ein Händler eine entsprechend gute Lage und Location hat, warum wird er nicht zu einem „Abhol-Hub mit Erlebnis-Charakter“, in dem die Menschen ihre online bestellte Ware abholen, auspacken, anprobieren, wieder verpacken und ggf. gleich zurücksenden können? Bei uns gibt es so etwas noch nicht, aber ich freue mich, dass ein ebensolches Konzept Ende letzten Jahres im Stadtzentrum von Helsinki umgesetzt wurde: „Posti Box“ liegt mitten in Helsinki und ist eine farbenfrohe Selbstbedienungs-Abholstelle, an der Shopper online bestellte Pakete abholen können.
Posti Box: Eher Schweizer Messer als eine Paketstation
Die neuen Räumlichkeiten sind mit Umkleideräumen, einem riesigen Paketschließfach und einem digitalen Kiosk ausgestattet. Box ist auch ein Laden für Online-Händler und ein Testraum für die neuen digitalen Dienstleistungen der finnischen Post Posti. Box ist einen Zustellraum für Online-Einkäufe, der „mehr als nur eine Reihe von Paketschließfächern“ sein sollte. Hierfür hat Posti mit dem Designstudio Fyra einen „Logistik-Hub“ umgesetzt, der einen Recycling-Bereich, Umkleidekabinen und einen Ausstellungsraum für Produkte umfasst.
„Der neue Raum auf Keskuskatu ist ein genaues Beispiel für den historisch schnellen Wandel von E-Commerce und Posti. Aufgrund des Wachstums der Online- und C2C-Verkäufe hat ein erheblicher Anteil der Besuche der Verbraucher bei Posti mit dem Abholen oder Versenden von Paketen zu tun. Deshalb müssen wir uns ändern. Box ist unsere Antwort auf das Wachstum des E-Commerce und auf die neuen Verbrauchergewohnheiten der Finnen. Box ist ein großartiges Beispiel dafür, wie Posti sich reformiert“, sagt Kaisa Ilola, Leiterin der Abteilung Customer Experience and Channels bei Posti. „Früher fehlte ein Stück zwischen dem Online-Shop und der Wohnung. Die Box wurde geschaffen, um das fehlende Stück zu ergänzen“.
„Wir begannen, nach einer Antwort auf die Frage zu suchen, was das perfekte Selbstbedienungsgeschäft sein würde“, so ein Vertreter von Fyra.
Einfach, schlicht, zentral
Jeder Kunde von Posti kann sich seine Bestellung an Box liefern lassen und sie abholen, zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit oder zwischen einem Einkaufsbummel im Stadtzentrum. Der Zweck von Box ist es, das Abholen und Versenden von Online-Bestellungen so einfach wie möglich zu machen.
„Wenn ein Kunde online eine Kleiderbestellung aufgegeben hat, kann er die Kleidung sofort anprobieren. Wenn die Kleider passen, ist das großartig. Wenn sie nicht passen, kann der Kunde sie sofort zurückgeben, ohne dass er erst nach Hause gehen muss. Auch andere Arten von Bestellungen können sofort bei Box geöffnet werden. Die Kunden können die Verpackungsmaterialien hier lassen, um sie zu recyceln oder von anderen Kunden verwendet zu werden. Das Verbraucherverhalten der Finnen hat sich deutlich verändert. Früher fehlte ein Stück zwischen dem Online-Shop und der Wohnung. Box wurde geschaffen, um das fehlende Stück zu ergänzen“, so Ilola.
Ladenflächen auch für Online-Marken
Im vorderen Teil des Raumes wurde ein „Spotlight“-Abschnitt geschaffen, in dem verschiedene Online-Händler eine kuratierte Auswahl ihrer Produkte präsentieren können. Ein solches Retail-As-A-Service Konzept wurde gerade in Berlin von Freiraum ins Leben gerufen.
Verschiedene Unternehmen nutzen die Posti Box mit Pop-up-Stores, wie z.B. Oursea.
Nachhaltigkeit gleich mitgedacht
Besucher können bei Box ihre Pakete im Auspackbereich öffnen oder verpacken. Hilfreiche Werkzeuge wie Scheren, Klebeband und Stifte sind in den Regalen verteilt, während Pakete und Umschläge flach in Nischen darunter aufbewahrt werden. Verpackungsmaterialien können auch aus der Recyclingzone von Box wiederverwendet werden.
Wenn die Kund*innen mit ihren Bestellungen nicht zufrieden sind, können sie an digitalen Kiosken gleich den Rückversand organisieren und bezahlen.
Orangefarbene Samtvorhänge markieren den Eingang zu einem Block von Umkleidekabinen, in dem die Besucher die bestellten Kleidungsstücke sofort anprobieren können.
Im hinteren Teil des Raumes befinden sich über 600 Schließfächer, in denen die Bestellungen aufbewahrt werden.
„Wir wollten farblich gekennzeichnete Bereiche verwenden, die die verschiedenen Servicepfade unterstützen und die verschiedenen Funktionalitäten in der Box markieren und verdeutlichen“, erklärte Fyra.
Raum für Events
Zusätzlich gibt es im Untergeschoss einen weiß gestrichenen Raum mit Sitzreihen und einem Präsentationsschirm, den Posti für Firmenveranstaltungen nutzen kann.
Posti führt weiterhin aus, dass entgegen der landläufigen Meinung sich die Emissionen des E-Commerce-Verkehrs nicht wesentlich von denen, die von anderen Arten des Einzelhandels erzeugt werden, unterscheiden. Unabhängig davon, ob der Verbraucher das Produkt in einem Online-Shop oder in einem physischen Geschäft kauft, ist der Transportweg der Produkte vom Ursprungsland nach Finnland im Wesentlichen derselbe. Alle Liefer-, Transport-, Fracht- und Lagerdienstleistungen von Posti in Finnland sind für unsere Kunden klimaneutral – ohne zusätzliche Gebühren.
„Box wurde zudem so klimafreundlich wie möglich gestaltet. Online-Käufer können ihre CO2-Emissionen um bis zu 70 Prozent reduzieren, indem sie ihre Pakete entlang ihrer täglichen Routen leiten. Der Standort von Box in Helsinki liegt in der Nähe vieler Tagesrouten der Posti-Kunden. Box kann zwar nicht mit dem Auto erreicht werden – sie liegt aber an einer ausgezeichneten Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. Darüber hinaus wurde den Verpackungsmaterialien und ihrer Wiederverwertbarkeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet“, so Ilola.
Box ist ein Raum zum Ausprobieren neuer Dinge, sowohl für Posti als auch ihre Kund*innen. Online-Händler können die Box für die Organisation ihrer eigenen Veranstaltungen nutzen und sie als Showroom für ihre Produkte verwenden.
„Box ist ein Raum sowohl für Verbraucher als auch für Online-Händler. Box wird für viele der in- und ausländischen Online-Einzelhändler zu einem physischen Geschäft im Herzen von Helsinki werden. Online-Händler können ihre eigenen Veranstaltungen organisieren, Pop-up-Veranstaltungen einblenden und ihre eigenen Produkte in Box verkaufen. Auch unsere Schaufenster stehen ihnen zur Verfügung“.
Fazit
Ein nicht nur tolles Konzept, auch die Umsetzung gefällt. Hier ist eine ansprechende Fläche im Zentrum der Stadt entstanden, die nun auf verschiedene Art und Weise bespielt werden kann. Von Firmenevents über Mädelsabende bis zu Brand-Events oder Pop-up-Stores. Wenn diese Fläche gut gemanagt wird, kann hier ein echter Treffpunkt entstehen, der von den Bewohnern der Stadt mitgestaltet und auf sehr unterschiedliche Weise genutzt werden kann. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Konzepte, die in diese Richtung gehen. Kommen werden sie auf jeden Fall, denn sie treffen den Zeitgeist perfekt.
Alle Bilder: Fyra, Riikka Kantinkoski
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