Plattformen als Krisenretter: Funktioniert das für stationäre Händler?
Durch die Corona-Krise blieben viele Geschäfte vollständig geschlossen. Es vergingen nur ein paar Tage und die ersten Plattformen, häufig mit regionaler oder sogar lokaler Ausrichtung, gingen an den Start. Und es wurden mehr und mehr. Alle treten an, stationären Händlern, Gastronomen und Dienstleistern eine Möglichkeit der digitalen Präsenz und damit eine Chance auf Umsätze trotz geschlossenem Laden zu geben. Einige bieten Shops an, andere konzentrieren sich auf die Vermittlung von Gutscheinen oder Spenden. Vor einiger Zeit hatten wir ein Verzeichnis solcher Plattformen gestartet, in dem am Ende fast 80 Plattformen eingetragen waren. Doch funktioniert das wirklich? Wer profitiert wirklich von den Plattformen? Ich habe mit Jan Kus von den Veedelsrettern in Köln gesprochen.
Doch schauen wir zunächst auf die Plattformen. Ein Blick in unser Verzeichnis (im April 2020 mit 54 eingetragenen Plattformen) zeigt:
- Der überwiegende Teil der Plattformen ist lokal/regional ausgerichtet.
- Firmenverzeichnis (72,4%), die Vermittlung von Gutscheinen (63,8%) und Aktionen und Angebote (53,4%) sind die häufigsten Funktionen. Shops werden von 48,3 Prozent der Plattformen angeboten.
- Über 70 Prozent der Plattformen sind für Unternehmen dauerhaft kostenfrei, 19 Prozent haben eine kostenfreie Testphase, zehn Prozent sind kostenpflichtig.
- Die meisten Plattformen gingen im März an den Start und hier war der 23.3. der beliebteste Launch Day.
Zahlen? Meist keine Angabe
Für unser Verzeichnis fragten wir die Betreiber auch immer nach der Zahl der eingetragenen Unternehmen, der Zahl der Kund*innen und dem über die Plattform vermittelten Umsatz. Diese Informationen erhöhen nicht nur die Transparenz gegenüber Unternehmen und Kund*innen. Sie sind auch ein Indikator für den potenziellen Erfolg, den Unternehmen über diese Plattform haben können. Denn wenn nur wenige Unternehmen auf der Plattform sind, werden auch nur vergleichsweise wenige Kund*innen ihren Weg dorthin finden. Wenige Kund*innen sind wiederum für die Unternehmen nicht attraktiv.
Was nun „viel“ oder „wenig“ ist, muss recht unterschiedlich beurteilt werden. Eine Plattform mit 150 Unternehmen in einer Mittelstadt ist relativ größer als eine Deutschlandweit agierende mit so vielen Firmen. Auch ist die Zahl der gelisteten Unternehmen nur bedingt aussagekräftig, denn es können sich darin viele Karteileichen verbergen. Wichtiger wäre hier „aktive Unternehmen“ (was dann zu definieren wäre) oder auch vermittelte Umsätze in einem definierten Zeitraum.
Natürlich können die jungen Plattformen nach nur wenigen Tagen noch keine belastbaren Daten haben. Doch erstaunlich ist, dass selbst Plattformen, die es schon länger gibt, hier oftmals keine Informationen liefern. Warum sie diese Angaben nicht machen, darüber kann nur spekuliert werden.
Die Veedelsretter in Köln
Da ich nicht spekulieren möchte und im Kölner Stadtanzeiger gelesen hatte, dass die Veedelsretter ihre Daten in der Presse veröffentlichen, habe ich mich mit ihnen in Verbindung gesetzt, um mehr zu erfahren. Die Veedelsretter vermitteln Gutscheine und Spenden.
Jan Kus, Mit-Gründer der hinter den Veedelsrettern stehenden Agentur Railslove, konnte von mittlerweile 450.000 Euro vermittelten Gutscheinen und Spenden (70.000 Euro) in nur fünf Wochen und über 900 Unternehmen auf seiner Plattform berichten (Stand: 20.4.2020). Schon fünf Tage nach dem Launch Mitte März waren 80 Unternehmen auf der Plattform.
Dieses starke Wachstum verdankt die Plattform einerseits der Wirtschaftsförderung Köln, die mit ihrer Reichweite das Projekt tatkräftig unterstützt hat. Aber auch eine intensive Social Media-Arbeit gehörte dazu, um regionale Unternehmen auf die Plattform zu holen. Und sowohl die Werbung, die die Unternehmen dann für die Veedelsretter gemacht haben, trug dazu bei, weitere Unternehmen auf die Plattform zu holen, als auch, die Veedelsretter bei den Kund*nnen bekannt zu machen.
Die Veedelsretter bleiben hier aber auch nicht untätig und brachten ihr Projekt in regionale Medien (Print, Radio, TV). Den Unternehmen wurden auf der Plattform Plakatvorlagen zur Verfügung gestellt, um die Veedelsretter auch im Schaufenster oder OOH promoten zu können. Dies zeigt, dass ein gutes Marketing und gute PR mit zum Erfolg einer solchen Plattform beiträgt.
Was macht Unternehmen erfolgreich auf Plattformen?
Nun profitieren auf einer Plattform meist nicht alle Unternehmen in gleichem Umfang. Die einen verkaufen mehr Gutscheine oder erhalten mehr Spenden als andere. Wer sind also die Gewinner? In Köln zeigte sich, dass überwiegend soziale Treffpunkte von den Menschen unterstützt werden. Vorrangig also gastronomische Betriebe. Auch einige Kulturbetriebe profitieren. Bei den Dienstleitern sind es die Friseure.
Und der Handel? Der liegt weit abgeschlagen hinter den Gastronomen. Hier sind es in erster Linie Buchhändler oder auch mal Papier-/Geschenkartikel-Läden, die mit Gutscheinen unterstützt werden.
Das überrascht nicht, denn die Menschen möchten die Orte retten, zu denen sie eine emotionale Bindung haben. Diese Orte werden „Dritte Orte“ genannt.
Schaffen es Händler nicht, dass ihre Kund*innen ihnen emotional verbunden sind, gehen sie auch über solche Plattformen zumeist leer aus. Doch das ist nicht der einzige Erfolgsfaktor, den die Veedelsretter beobachten konnten. Es profitierten auch die Unternehmen, die bereits vorher online waren und über Social Media Kanäle eine Bindung zu ihren Kund*innen aufgebaut hatten. Diese Kommunikationswege und Reichweiten konnten sie für den Gutscheinverkauf einsetzen und so überproportional profitieren.
Fazit
Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas oder ein Zeitraffer. Versäumnisse in der Vergangenheit rächen sich jetzt doppelt. Und Plattformen helfen nur, wenn sie von den Betreibern gut gemanagt werden. Mehr Transparenz der Betreiber über die Leistungsfähigkeit der Plattformen ist für die Zukunft wünschenswert.
Unternehmen profitieren nur, wenn sie selbst aktiv werden und bleiben. Nur ein Eintrag auf einer Plattform reicht nicht. Und wer es nicht schafft, seine Kund*innen so an sich zu binden, dass sie dem Unternehmen von Herzen verbunden sind, wird es jetzt und in Zukunft schwer haben. Stichwort: Einkaufserlebnis.
Ob, mit welchen Geschäftsmodellen und wie erfolgreich diese in der Krise entstandenen Plattformen überleben werden, bleibt abzuwarten. Wir werden dies weiterhin beobachten.
Beitragsbild: Stockfoto – Plastic Man/Shutterstock
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[…] unterstützen, deutlich. Dies hilft kurzfristig dem einen oder anderen Unternehmen, doch ist dies kein tragfähiges Geschäftsmodell. Weder für die lokalen Unternehmen, noch für die […]
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