Nur Online verpennt? Der Niedergang des Modegiganten H&M!
Für den Modekonzerngiganten H&M, weltweit zweitgrößte Mode-Kette, reissen die Negativschlagzeilen nicht ab. Rassismusvorwürfe wegen einer kruden Werbekampagne in Südafrika führten nach massiven Protesten zu Ladenschließungen und Absturz des Aktienkurses; Medienaufruhr, da das Versprechen Existenz sichernder Löhne für Zulieferer bis 2018 nicht eingehalten wurde; Kundenaufruhr, weil H&M die Logistik des Online Shops nicht in den Griff bekommt.
Auch für den Umsatz nicht ohne Folgen
Von September bis November 2017 ging der Umsatz der H&M-Gruppe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Prozent auf gut fünf Milliarden Euro zurück. Dieser Trend setzte sich 2018 fort. Auch das erste Quartal (Dezember bis Februar) mit dem Rückgang des Umsatzes um knapp zwei Prozent auf rund 4,6 Milliarden Euro war ein weiteres Zeichen für den anhaltenden Niedergang.
Der Aktienabsturz
Zu 47 Prozent ist der Aktienbesitz (74% der Stimmrechte) des Konzerns im Besitz der Gründerfamilie Persson, die von dem fast 70-prozentigen Sturzes des Aktienwertes seit März 2015 am Meisten betroffen ist. Die Führung übernahm 2009 der damals 33 Jahre junge Enkel Karl-Johann; der Aufsichtsrat wird gelenkt von dem Vater Stefan Persson. Dem Lenkungskreis wird allgemein vorgeworfen zu spät und nicht entschlossen genug, das Ruder des im Abwärtsstrudel steckenden Unternehmens herum zu reissen.
Wo ist das Problem?
Es scheint nicht nur ein Problem zu sein, sondern das Zusammenwirken verschiedener Herausforderungen. Allgemein wird der Kernmarke H&M eine Schwächung der Markenkraft vorgeworfen. Es kamen in den letzten Jahren immer weniger Kunden in die mehr als 4.000 Filialen in 69 Ländern.
Volle Läger, hohe Restantenbestände, Rabattschlachten und nicht den Kundengeschmack treffende Kollektionen machen das Geschäft zunehmend schwierig.
Selbstverständlich hat auch H&M unter der Konkurrenz der reinen E-Commerce Anbieter wie Amazon und Zalando gelitten, aber eben nicht nur das. Das rundum sehr gut funktionierende Omni Channel Angebot und die Perfektion der trendigen, schnellen Kollektionswechsel des weltgrößten Modekonzerns, der spanischen Inditex Group, machen den Schweden zu schaffen. Denn deren E-Commerce Kanal funktioniert nicht so gut. Lieferprobleme sind da nur die Spitze des Eisbergs.
Inditex mit seinen Marken Zara, Massimo Dutti, Intimissimi und Bershka schafft es, die Kunden vom Online Kanal auch in den stationären Handel zu bringen, und umgekehrt. Angeboten wird sowohl Click & Collect, als auch Online-Retouren offline zurück zu bringen. So konnte Inditex in den ersten Monaten des Jahres seinen Umsatz um neun Prozent steigern.
Im Gegensatz zu Inditex hat H&M in den vergangenen Jahren mehr in den stationären Handel und Eröffnung neuer Filialen investiert, als in in den Onlinehandel und Omni Channel.
Und nun? Ist es schon zu spät?
Angesichts der schlechten Umsatzzahlen will der Konzern nun handeln. H&M will Läden schließen, weniger neue eröffnen und stattdessen in den Onlinehandel investieren. So soll es bis 2020 in allen Ländern mit H&M-Filialen auch einen Onlineshop geben.
Auch an den Marken will der Konzern arbeiten und hat im April 2018 eine neuen Marke auf den Markt gebracht. Nyden soll vor allem die Internet-affinen Shopper und Influencer-Anhänger ansprechen. Influencer, wie Jerome Boateng und Popstar Dua Lipa, sollen beim Entwurf von „Drops and Events“ mehr Einfluss nehmen als die eigentlichen Kollektionen. Mit Markt- und Datenanalysen sollen die Wünsche der Kunden erforscht werden. Im Vertrieb will H&M an dieser Stelle ausschließlich auf online setzen.
Eine weitere neue Retail-Marke Afound, ist bereits am Start – online sowie stationär. Wie ecommercenews.eu meldet, will der schwedische Modehändler unter dem Label ein Outlet eröffnen, in dem sowohl H&M-Produkte als auch Mode anderer Brands zu Schnäppchenpreisen verkauft werden – auch so kann man versuchen, Restanten los zu werden.
Bereits im Herbst 2017 erweiterte H&M sein Markenportfolio um Arket, ein Storekonzept, das zeitlose eigene sowie markenfremde Produkte anbietet. Immer ist dabei im Store ein Café, das sich als Food Destination für nordische, vegane und vegetarische Speisen definiert. Es soll Reinheit, Frische und Einfachheit der nordischen Region ausdrücken.
Um die Generation der „Millennials“ anzusprechen, will H&M Augmented und Virtual Reality-Brillen zum Einsatz bringen, Themen mit denen die Modekette Zara bereits früher an den Start gegangen ist. Ein Video dazu hier.
Mein Fazit:
Ja, H&M hat den Omni Channel-Anschluss verpasst. Aber ist das wirklich der Grund für den Niedergang? Ich denke, es ist die Summe der Versäumnisse: Omni Channel nicht zu beherrschen, wenn ein Wettbewerber es so gut macht wie Inditex, ist ein Problem. Aber wenn man den stationären Einzelhandel mit dem richtigen Point of Sale und den richtigen Sortimenten beherrscht hätte, wäre das Problem bei weitem nicht so groß.
Die PR Pannen der letzten Monate kann man schlichtweg nur als dumm bezeichnen: Jeder, der ein wenig Feingefühl hat, wird verstehen, was an einer Werbekampagne mit dem Bild eines afrikanischen Kindes mit einem Sweatshirt mit der Aufschrift „Last Monkey in the Jungle“ verkehrt ist. Und wenn man sich mit dem Shopper, dessen globalen Vernetzung und sozialem Empfinden beschäftigt hätte, hätte man auch den Supergau vorhersehen können.
Es bleibt abzuwarten, ob das Unternehmen, das sicherlich der ganz eigenen Dynamik von Familienunternehmen ausgesetzt ist, den Turn Around schafft. Sicher ist, dass die Fashion Branche sich im eben so schnellen Wandel befindet wie der Rest des Handels und nur das Verstehen und Berücksichtigen des Shopper Verhaltens nachhaltigen Erfolg sichern kann. Ob mit der heissen Nadel gestrickte, neue Retailkonzepte, Pop- oder Sportstars als Influencer/Designer nachhaltige Erfolgskonzepte sein können, werden wir sehen. Den unternehmerischen Mut, neue Konzepte und Technologien auszuprobieren, kann man in jedem Fall bewundern.
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